Tag Archiv für Medien

Alan Johnston ist frei

Der BBC-Korrespondent Alan Johnston ist frei.
Ich freue mich so sehr!

BBC TVC mit Plakat von Alan Johnston

Kinder mit Behinderungen nicht unglücklicher als nicht behinderte

Die britische Zeitung „The Independent“ berichtet heute von einer wissenschaftlichen Studie, die ergab, dass Kinder mit Behinderungen nicht weniger glücklich sind als ihre Altersgenossen ohne Behinderung. Befragt wurden 500 Kinder mit Cerebralparese in sieben europäischen Ländern.

Die Studie ergab, dass die Kinder im Vergleich in allen Bereichen – darunter das psychologische Wohlbefinden, die Selbstwahrnehmung und das soziale Umfeld – genauso hohe Werte erzielten wie nicht behinderte Kinder. „The Lancet“ hat die Studie veröffentlicht, also nicht irgendeine Apothekenzeitschrift.

Nun frage ich mich, warum ich diese Meldung online bei deutschsprachigen Medien nirgendwo finde. Wo doch deutsche Wissenschaftsjournalisten normalerweise jedes Heilsversprechen und jede noch so kleine Studie, die mit Behinderung zu tun hat, in epischer Breite in ihren Blättern verkünden – auch wenn die Quelle eine Apothekenzeitschrift ist. Und ausgerechnet so eine Studie aus dem Lancet mit Kindern aus vielen Ländern Europas ist keine Zeile wert? Also die englischsprachigen Medien rund um den Globus, fanden die Studie druckreif.

Happy Birthday, Lubna

Bevor ich für BBC gearbeitet habe, war der Irakkrieg eine Sache, die ziemlich weit weg war. Bis ich Lubna kennen lernte. Ich habe oft am Telefon mit ihr gesprochen als ich bei World have your say gearbeitet habe. Sie ist Medizinstudentin aus Bagdad. Sie möchte Kinderärztin werden und ist verzweifelt über die Situation im Irak. Es verging kaum ein Tag, an dem sie sich nicht in der Redaktion gemeldet hat, um ihre Meinung zu sagen und zu schreiben. Wer nicht weiß, was Krieg wirklich bedeutet, muss nur Lubna zuhören.

Heute ist ihr 21. Geburtstag. Aber sie ist nicht sicher, ob sie diesen wirklich feiern soll. Sie hat ihre Geschichte in einem Brief zusammen gefasst, der mich sehr berührt hat. Sie hat kurz vor ihrem Geburtstag zwei Freunde verloren. Meine Kollegen von „World have your say“ haben ihr eine Sendung gewidmet. Sie erzählt über die Situation und ihr Leben im Irak. Die Sendung hat mich tief beeindruckt. Zum Nachhören rechts auf der WHYS-Seite auf Wednesday klicken.

Die Leserschaft zeigt sich bestürzt

Seit dem Wochenende beobachte ich, wie eine Falschmeldung der dpa weite Kreise zieht. Dass es sich um eine Falschmeldung handelt, wusste ich schon ziemlich früh. Ich hatte es in einem Blog gelesen.

Wer jetzt lauthals schreit, wie denn sowas passieren kann, weiß nicht, unter welchem Druck Agenturjournalisten arbeiten. Ich habe ja bis Dezember selbst im Dienste des dpa-Konzerns gestanden und habe zuvor dort volontiert. Gleich zu Beginn meines Volos hatte ich ein ziemlich lehrreiches Erlebnis: Der neue Innensenator Hamburgs musste die Kriminalstatistik seines Vorgängers korrigieren. Die Pressekonferenz wurde relativ kurzfristig einberufen und ich düste zum Polizeipräsidium.

Aber was genau war falsch an den Zahlen? Das war die Frage, die sich mir, der Redaktion und natürlich auch den Lesern stellte. Die Polizei hatte die Zahlen nicht wirklich journalistenfreundlich aufbereitet und teilte die Stapel an Papier erst zum Ende der Pressekonferenz aus. Ich suchte händeringend jemanden unter den Kollegen, mit dem ich gemeinsam rechnen und den Stapel Papier bewältigen konnte. Ich war in der Schule richtig schlecht in Mathe und die Zahlen machten mir Angst, aber ich musste ja so schnell wie möglich eine Meldung absetzen. Keiner der Kollegen von Zeitung und Rundfunk wollte sich mit mir gemeinsam die Zahlen ansehen und durchrechnen. „Ich warte auf die Agentur,“ bekam ich zu hören. Und: „Das rechnet dpa für uns.“ dpa war in dem Fall aber ich.

Also ging ich in die Offensive und zu einem der Sprecher und sagte, dass die Zahlen so unbrauchbar seien. Er möge mir Eckdaten nennen. Er hatte keine. Aber er setzte sich mit mir hin und wir rechneten das Wichtigste aus. Ich setzte die Meldung per Laptop ab und als ich unten am Auto ankam, lief schon haargenau mein Text als Nachricht bei NDR Info, samt der Zahlen. Ich befürchtete das vorzeitige Ende meiner noch jungen Karriere – übrigens völlig unbegründet. Die Zahlen waren korrekt. Mein mathematisches Selbstbewusstsein hatte sich danach wieder etwas stabilisiert. Solche und ähnliche Erlebnisse hatte ich danach noch öfter. Z.B. wenn ein japanischer CEO meinte, die Pressekonferenz in gebrochenem Englisch abhalten zu müssen statt einen Dolmetscher zu bemühen. „Haben Sie das verstanden?“, fragte ich einen Kollegen neben mir. „Nein, ich warte nachher auf die Agentur,“ war die Antwort. Ich bin in solchen Fällen dann zu dem jeweiligen Sprecher (der meist auch nichts verstanden hatte, aber nochmal bei seinen japanischen Kollegen nachfragen konnte). Aber was hätte ich auf so einer Demo gemacht? Darauf vertrauen, dass man sich nicht verhört hat? Vielleicht.

Das Problem ist für mich nicht, dass Kollegen Fehler machen, schon gar nicht bei so einem stressigen Event. Was ich nicht verstehen kann ist, warum der Fehler nicht früher bemerkt wurde. Denn in Blogs wurde darüber relativ schnell geschrieben. Es reicht heutzutage halt nicht mehr, als CvD n-tv zu schauen und die Konkurrenz zu beobachten. Ich finde, für die Berichterstattung zu einem solchen Großereignis muss man zwischendurch auch mal schauen, was in den Blogs und den Online-Medien passiert.

Ich finde ich es bemerkenswert, wie viele Tageszeitungen die falsche Meldung am Montag dann auch noch in die Blätter hoben und Dinge hinzudichteten, obwohl der Fehler in Kleinbloggersdorf längst bekannt war. Das heißt, da fahren x Journalisten nach Heiligendamm, weit mehr sitzen daheim in der Redaktion und brüten über den besten Leadsatz und keiner kommt mal auf die Idee, bei Technorati vorbeizuschauen.

Fernsehsender für gehörlose Menschen

In Großbritannien gibt es jetzt den ersten Fernsehsender für gehörlose Menschen. Er heißt VeeSee und ist über das Internet oder eine Set-Top-Box empfangbar. Er gehört zu ViewTV, ein Angebot mit 900 Streamingsendern. Was ich bislang gesehen habe, hat mir gut gefallen: Einen Kurzfilm, Veranstaltungshinweise, eine Reportage. Das meiste wird in Britischer Gebärdensprache gesendet, ich habe aber auch schon Beiträge in Amerikanischer Gebärdensprache gesehen. Vieles ist dank Untertitel auch für hörende Menschen verständlich. Es gibt auch Ton zu manchen Beiträgen.

Es wird sehr interessant sein, wie die Werbeindustrie darauf reagiert. In England läuft bereits jetzt die Werbung im Fernsehen mit Untertiteln. Der Sender hat eine umfangreiche Webseite, auf der es ebenfalls Werbeplätze gibt. Ich habe bislang aber keine Werbung gesehen. Ich hoffe, das kommt noch.

Aktionstag für Alan Johnston

In beiden Nachrichtenprogramme der BBC, BBC World und News24, sowie auf Al Jazeera Englisch und Sky News wird heute teilweise das gleiche Fernsehprogramm zu sehen sein. Die Sender fordern mit dieser Aktion die sofortige Freilassung von BBC-Korrespondent Alan Johnston, der genau vor einem Monat entführt wurde. Auch CNN wird sich an der Aktion beteiligen. Solch eine Aktion ist wohl einmalig in der Geschichte des Fernsehens.

Plakat vor dem BBC Bush House

Heise hat nichts gegen Behinderte – jedenfalls nichts wirksames

In den Kommentaren hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Heiseverlag in der Telepolis zum psychischen Zustand und der Behinderung von Herrn Schäuble äußert. Ich finde den Artikel in höchstem Maße bedenklich. Das habe ich Florian Rötzer, Verantwortlicher Redakteur für die Telepolis, in einer Mail mitgeteilt.

Lieber Florian Rötzer,

als ich den Artikel „Schäubles Symptome“ las, fühlte ich mich an meine Schulzeit erinnert. Ich kandidierte gerade als Mittelstufensprecherin. In einer Sendung sagte Rudolph Scharping zur Primetime, es sei
schwierig, mit jemandem zu diskutieren, wenn er im Rollstuhl sitze. Er meinte damit Wolfgang Schäuble und seine Rückkehr in die Politik nach dem Attentat. Ich fand die Äußerungen damals so empörend, dass ich ihm als 15 Jahre alte Rollstuhlfahrerin einen Brief schrieb. Ich fand nicht fair, dass jemand auf seine Behinderung reduziert wird. Schließlich wollte ich ja selber ein wenig Politik in meiner Schule machen und wollte durchaus, dass die Leute mit mir diskutieren. Ich dachte damals aber auch, dass Scharping zu einer Minderheit gehört und die meisten Leute durchaus damit klar käme, wenn ein Politiker im Rollstuhl sitzt. Wir waren ja bereits in den 90er Jahren!

Über 15 Jahre ist das jetzt her und ich kann nicht glauben, was ich bei Telepolis im Jahr 2007 lese. Da schafft es Ihr Redakteur nicht, die Politik Schäubles zu kritisieren ohne auf seine Behinderung abzuheben. Er konstruiert 17 Jahre nach dem Attentat eine psychische Erkrankung, für die er keine Belege hat. Er schließt sogar von einem der dümmsten Vorurteile über Querschnittgelähmte (hat keine Sexualität) auf Schäubles Geisteszustand. Er schreibt über die Lebensqualität Schäubles, wie einschneidend die Veränderung von einem Leben ohne und mit Behinderung ist etc. ohne wirkliche Kompetenz. Und der ganze Artikel wird noch getoppt mit einem Bild von einem Rollstuhl, wie ihn sich nicht behinderte Menschen vorstellen, der aber nichts mit den Rollstühlen zu tun hat, die in zivilisierten Ländern von aktiven behinderten Menschen wie Wolfgang Schäuble genutzt werden.

Ich möchte von Ihnen, lieber Florian Rötzer, eigentlich nur eines wissen: Warum publizieren Sie so etwas? Warum lassen Sie als
Verantwortlicher im Jahr 2007 so einen behindertenfeindlichen Artikel schreiben? Es gebe so viele bessere Argumente gegen die Politik Schäubles als seine Behinderung und der angeblich daraus resultierende psychische Zustand. Sie bestätigen mit dem Artikel die schlimmsten Vorurteile, die es in der deutschen Gesellschaft über behinderte Menschen gibt.

Ich habe einer Kollegin aus Südafrika den Artikel ins Englische übersetzt. Sie hat mich gefragt, wieso so etwas in Deutschland, einem aufgeklärten Land, geschrieben wird. Ich konnte Ihr keine Antwort darauf geben.

Egal was ein Mensch mit Behinderung macht, es wird immer auf seine Behinderung zurück geführt. Warum machen Sie da mit? Finden Sie das eine faire Art und Weise der politischen Auseinandersetzung? Sollen also alle Politiker, wenn sie eine Behinderung bekommen, sofort zurücktreten? Meinen Sie, Sie machen mit dem Artikel anderen behinderten Menschen Mut, sich politisch zu engagieren? Die Verurteilung und Herabsetzung von jemanden aufgrund seiner Behinderung, wie es in dem Artikel praktiziert wird, ist viel schlimmer als fehlende Rampen und Fahrstühle. Die Barrieren in den Köpfen der Menschen sind noch viel hinderlicher für das alltägliche Leben. Warum, um alles in der Welt, bauen Sie also noch mehr Barrieren auf? Fühlen Sie sich eigentlich gar nicht den Grundsätzen des deutschen Presserates verpflichtet?

Mit freundlichen Grüßen

Florian Rötzer hat mir daraufhin eine kurze Mail geschrieben. Ich hätte den Artikel missverstanden. Der Autor habe „nichts gegen Behinderte“. Eine dümmere Floskel kann man kaum finden, um auf eine derartige Kritik zu antworten.

Es gibt aber auch einen positiven Aspekt bei der Sache: Wenn man sich die Kommentare unter dem Artikel ansieht, entdeckt man, dass ich mit meiner Meinung keinesfalls alleine da stehe. Es gibt etliche Kommentare, die meine Kritik teilen. Die Telepolisleser sind wohl aufgeklärter als die Telepolisredaktion. Und das lässt mich dann doch ein wenig hoffen!

Insight Magazin

Das Insight Magazin hat diverse Journalisten zu ihren Lieblingsweblogs befragt. Darunter auch mich. Nachzulesen in der April-Ausgabe des Magazins. Die Links zu dem Artikel gibt es auch online.

Journalistendossiers

Microsoft hat wohl über einen Wired-Journalisten, der über Microsoft eine größere Geschichte schrieb, ein Dossier anfertigen lassen. Darin finden sich Passagen wie: „Er braucht ein bisschen lange, um sich verständlich zu machen – man sollte also versuchen, geduldig zu bleiben.“

Ob es wohl ein Microsoft-Dossier über mich gibt? Ich will es ja wohl hoffen. Ich meine, man kann sich als Journalist dann richtig wichtig fühlen. Ich hoffe darin steht, „stellt viele kritischen Fragen, kommt schnell auf den Punkt“. :-) Ich glaube übrigens kaum, dass solche Dossiers wirklich hilfreich sind. Selbst wenn der Interviewpartner weiß, dass ich diese und jene Eigenschaft habe, weiß er immer noch nicht, wie der Artikel am Ende aussieht. Ich meine, das weiß ich ja selbst meist erst wenn ich fertig bin.

Ich habe nach einer Pressereise die interne Presseauswertung von Microsoft gesehen. Dort fanden sich auch einige meiner Blogeinträge wieder. Okay, nicht wirklich überraschend und wer seine Blogstatistik hin und wieder anschaut, findet durchaus interessante Dinge. Allerdings wäre es mir damals lieber gewesen, wenn meine Blogeinträge in der Presseauswertung von Jet Airways aufgetaucht wären…

CeBIT – aber ohne mich

Die CeBIT findet in diesem Jahr ohne mich statt. Halleluja! Kein Mensch will freiwillig nach Hannover, schon gar nicht zu der Jahreszeit. Ich bin schon im Schnee über das Messegelände gefegt und von der Messe habe ich außer dem Pressezentrum nie viel gesehen.

Ein bisschen vermissen tue ich das ganze Theater aber schon. Die schlecht Englisch sprechenden CEOs japanischer Konzerne, die Kollegen von Reuters, die in den Pressekonferenzen immer mit ihren coolen Mini-Antennen und den schicken Notebooks beeindruckten und dann auch noch mit Fragen wie der Absatzentwicklung von PDAs in Indonesien im Vergleich zu Malaysia verunsichern (nur ein erfundenes Beispiel). Und die Pressesprecher, die sich gar nicht mehr an das erinnern wollen, was sie im vergangenen Jahr gesagt haben.

Aber am besten waren immer die Partys und Pressekonferenzen mit Björn, der damals noch für ddp arbeitete. ddp hatte auch keine coolen Antennen an Laptops, dafür aber gesellige Mitarbeiter, die tanzen können. Und die auch nicht so Fragen stellten wie die Kollegen von Reuters. Mir ist es leider nie gelungen auch mal so ne Angeberfrage zu stellen, bei nur der Frager und der CEO wissen, was gemeint ist. „Wie wollen Sie die Probleme in … in den Griff kriegen?“ Eine klassische CeBIT-Frage, die nur den einen Zweck hat: Die Kollegen verunsichern.

Aber die CeBIT wurde irgendwie von Jahr zu Jahr unlustiger und jetzt bin ich doch ganz froh, dass ich das nicht mehr habe. Und wenn ich lese, dass die Kanzlerin einen neuen Hightech-Gipfel angekündigt, dann habe ich nicht das Gefühl, dass ich etwas verpasse. Die Kollegen können ja die Berichterstattung von vergangenem Jahr noch einmal senden.