Tag Archiv für Barrierefreiheit

Bei Gericht und auf hoher See

Heute morgen war ich bei Gericht. Es ging dabei nicht um mich, sondern um den Unfall von Angela, einer Bekannten, die auf einem Fußgängerüberweg mit Ampel von einem Auto umgenietet wurde als sie die Straße bei Grün für die Fußgänger überquerte. Angela ist E-Rollstuhlfahrerin und hat eine Sprachbehinderung. Und als sei der Unfall nicht schon schlimm genug – Angela wurde aus dem Rollstuhl geschleudert, der Rollstuhl fiel um und sie wurde verletzt – stieg die Fahrerin hinterher aus und beleidigte die am Boden liegende, blutende Angela, was wiederum andere Passanten und Zeugen derart aufbrachte, dass die Frau sich in ihr Auto flüchten musste bis die Polizei kam.

Da ich nur 15 Minuten vom Gerichtsgebäude weg wohne, habe ich Angela versprochen, mir das Verfahren anzuschauen und sie zu begleiten. Sie hat heute morgen als Zeugin ausgesagt. Zeugin deshalb, weil es eine Nebenklage in UK wie in Deutschland in der Form nicht gibt. Das bedeutet leider auch, dass Angela keinen Anwalt hatte, sondern nur der Crown Prosecution Service, den Strafverfolgungsdienst der britischen Krone, etwa so was wie die Staatsanwaltschaft, auf ihrer Seite war.

Kächer-Hochdruckreiniger dringend empfohlen

Schon das Gerichtsgebäude selbst empfand ich als absolut einem Gericht unwürdig. Man hätte dort problemlos einen Werbefilm für Kärcher-Hochdruckreiniger drehen können. Als Vorher-Nachher-Modell wäre das Gebäude durchaus geeignet. In dem Raum, in dem die Zeugen warten müssen (uns ließ man über zwei Stunden warten), waren riesige Flecken auf dem Teppichboden. Eine Teppichreinigung wäre bereits vor 10 Jahren dringend nötig gewesen. Um den Wartenden die Wartezeit zu verkürzen, gab es eine kleine Bücherecke. Jedes Buch kostete 50p – damit werde die Zeugenbetreuung finanziert, stand auf einem Schild.

Nachdem ich mich von dem kleinen Kulturschock erholt hatte, kam die Dame der Zeugenbetreuung und redete mit mir. Ja, genau. Mit mir. Und es war gar nicht so einfach, sie davon abzubringen. Sie wusste, dass ich nicht die Zeugin war, aber sie wollte partout vermeiden, mit Angela zu reden, vermutlich weil sie Angst hatte, sie aufgrund ihrer Sprachbehinderung nicht zu verstehen. Sie drückte mir das Zeugenprotokoll in die Hand, was ich ihr sofort zurückgab und ihr sagte, das sei Angelas Protokoll, nicht meines. Ich kenne das Problem, dass manche Leute lieber mit der nicht-behinderten Begleitperson sprechen. Aber dass man lieber mit der weniger behinderten Person, also in dem Fall mit mir spricht, habe ich so noch nicht erlebt.

Zeugenbefragung

Dann kam der Vertreter des Crown Prosecution Service, in den Angela verständlicherweise alle Hoffnungen setzte, in den Warteraum. Er starrte sie an als käme sie vom Mars als er sah, wie stark Angela behindert ist.

Ob sie denn überhaupt aussagen könne und ob sie sich denn noch an die Straße erinnern könne, in der das passiert sei, fragte er sie und beugte sich zu ihr runter als würde er mit einem Kind sprechen. Ja, konnte sie. Es ist die Hauptstraße in Brixton. Jeder in London kennt diese Straße. Und ob sie die Uhrzeit sagen könne. Da wurde es Angela zu bunt und sie wies ihn darauf hin, dass sie keinerlei kognitiven Einschränkungen habe, sondern einen Hochschulabschluss. Sie habe lediglich eine Sprachbehinderung und sitze im Rollstuhl. Sie könne sich natürlich noch an alles erinnern und auch die Straße benennen. Den zweiten Zeugen, einen Sicherheitsangestellten von Body Shop, der den Unfall vor dem Geschäft beobachtet hatte und Angela sofort zu Hilfe kam, fragte der Mann nichts. Ihm traute er offensichtlich zu, sich zu erinnern und eine gute Aussage vor Gericht machen zu können.

Dann gingen wir in den Gerichtssaal und auch dort war man stellenweise überfordert mit der Situation. Die Richter beim Magistrates Court sind keine professionellen Richter, sondern Freiwillige. Der CPS-Mann befragte Angela eine Weile. Irgendwann fragte er den Verteidiger, ob er sie denn überhaupt verstehen könne, was dieser verneinte. Also fing man wieder von vorne an. Es wurde wiederholt was Angela sagte, Angela bestätigte, was sie gesagt hat und dann ging es weiter. Niemand der Anwesenden hatte jemals jemanden mit einer Sprachbehinderung befragt oder sich vorher Gedanken gemacht, wie man ihr die Aussage erleichtern könnte. Angela hat dennoch eine gute Aussage gemacht, denke ich.

Nun war die Angelegenheit „nur“ ein Verkehrsdelikt. Angela war nicht traumatisiert durch den Unfall, sondern ging eigentlich guten Mutes und unaufgeregt da heute morgen hin. Wir kamen völlig gestresst aus der Verhandlung wieder raus. Nicht weil die Befragung so hart war, sondern weil die Überforderung der am Verfahren Beteiligten, auf die man sich in so einem Fall verlassen muss, einfach nicht zu übersehen war.

Wie geht es denn behinderten Menschen, die Opfer einer schweren Straftat werden? Müssen die auch erstmal klar machen, dass sie keine kognitiven Einschränkungen haben? Bitten, dass man direkt mit ihnen spricht? Nicht mit Dritten? Und können die sicher sein, dass ihre Aussage nicht dadurch verwässert wird, dass Ankläger oder Verteidigung sie nicht verstehen können aber erstmal nichts sagen, sondern das Verfahren laufen lassen? Ich bin aus dieser Zeugenbefragung rausgegangen und mich überkam der bittere Verdacht, dass behinderte Menschen, je nach dem welche Behinderung sie haben, eben nicht gleich sind vor Gericht, sondern ganz andere Hürden zu überwinden haben, als die Nervosität vor einer Aussage – vor allem in einem System, in dem die Opfer von Straftaten nicht als Nebenkläger auftreten.

Update: Die Fahrerin wurde verurteilt. Das Strafmaß steht noch nicht fest. Angela hat wegen ihrer Behandlung vor Gericht eine Beschwerde eingereicht.

Kultur-Apartheid

Ich war noch nie in den Hamburger Kammerspielen. Dabei habe ich nur einen Steinwurf vom Theater entfernt studiert. Der Grund ist so einfach wie ärgerlich: Die Hamburger Kammerspiele sind nicht barrierefrei.
Unterdessen schreiben wir das Jahr 2014 und man könnte schon glauben, dass wichtige Spielstätten des kulturellen Lebens in einer der reichsten Städte Europas irgendwann doch mal auf die Idee kommen, ihr Haus barrierefrei umzubauen. Nicht so die Kammerspiele.

Ziemlich nicht barrierefrei

Vielleicht wäre das auch viele weitere Jahre hingenommen worden, wenn das Haus nicht auf die aberwitzige Idee gekommen wäre, „Ziemlich beste Freunde“ auf den Spielplan zu nehmen.
„Ziemlich beste Freunde“ ist ein sehr erfolgreicher französischer Kinofilm basierend auf der Biographie eines querschnittgelähmten Mannes, der auf der Suche nach einem Assistenten ist und diesen dann auch findet. Was die beiden gemeinsam erleben, ist Inhalt des Films, des Buchs und vermutlich nun auch des Theaterstücks.
Das Problem ist nur: Die Kammerspiele verdienen zwar gerne am Thema Behinderung, aber behinderte Menschen, in diesem Fall Rollstuhlfahrer, also genau die, um die es bei dem Stück geht, können das Stück nicht sehen, denn das Haus ist nicht zugänglich.

Dass die Rolle des Rollstuhlfahrers nicht von einem Rollstuhlfahrer gespielt wird, muss man wohl auch kaum erwähnen. Der käme natürlich ebenfalls gar nicht ins Haus. Und so macht das natürlich ein nicht behinderter Schauspieler. Einen tollen Artikel, warum das inakzeptabel ist, hat Scott Jordan Harris vor kurzem verfasst.

Das Hamburger Abendblatt schrieb zwar eine Kultur-Jubel-Meldung zur Premiere, vergaß aber zu erwähnen, dass es vor dem Theater zur Premiere eine Demonstration von Rollstuhlfahrern gab, die gegen ihre Ausgrenzung protestierten. Immerhin bis zum Mittag schob man auf dem Online-Angebot der Zeitung eine Meldung zur Demonstration nach. Darin heißt es: „Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele, suchte unmittelbar vor der Aufführung nicht das Gespräch mit den Demonstranten, sondern ließ eine schriftliche Erklärung verteilen, in der es heißt „Die Hamburger Kammerspiele sind ein denkmalgeschütztes Gebäude, in das bisher kein Einbau eines Behindertenaufzugs möglich war und das daher nur eingeschränkt über Rollstuhlplätze verfügt.“

Und weiter heißt es: „Die Forderung, so Schneider, das Stück nur ein einem barrierefreien Theater spielen zu können, komme „einem Spielverbot für die Kammerspiele gleich – womit sicher niemandem gedient ist.“

Behinderte Menschen sind also niemand? Dann kann man ja den Kammerspielen auch problemlos 10% der Kulturförderung abziehen. Das entspricht dem Anteil an behinderten Menschen in der Bevölkerung. Man legt ja auf diese Gruppe offensichtlich keinen wert, dann brauchen sie auch das Geld nicht.

Wenn das Stück beispielsweise am Schauspielhaus aufgeführt worden wäre, das barrierefrei ist, wäre allen gedient gewesen. Noch mehr wäre allerdings allen gedient, wenn die Kammerspiele ihr Haus endlich mal umbauen. Man kann auch denkmalgeschützte Häuser so umbauen, dass der Charakter des Hauses erhalten bleibt. Man muss es nur wollen. Beispiele gefällig:
Downing Street No. 10, St. Pauls Cathedral, Buckingham Palace, um mal nur ein paar Gebäude meiner Nachbarschaft zu nennen. Zudem gibt es etliche barrierefreie Theater in London, die unter Denkmalschutz stehen aber barrierefrei sind.

Spielverbot nein? Aber Ausgrenzung ok?

Allerdings frage ich mich schon, wieso ausgerechnet ein Theater seit Jahren einen Teil seines Publikums ausschließt.
Wenn Euch keiner mehr zuschaut, dann könnt Ihr das mit den Aufführungen auch bald ganz sein lassen. Mit dem wachsenden Anteil an älteren Menschen, also auch Nicht-Rollstuhlfahrern, die Probleme mit Treppen haben, schickt Ihr bald die Mehrheit des Publikums nach Hause.

Die Kammerspiele bekommen hohe Zuwendungen von der Stadt Hamburg ohne dass Auflagen zur Barrierefreiheit gemacht werden. Details findet man im Haushaltsplan der Stadt. Damit finanzieren behinderte Steuerzahler ihre eigene Ausgrenzung. Nichts anderes ist es, wenn man aufgrund des Merkmals Behinderung nicht am kulturellen Leben einer Stadt teilhaben kann.

Für den Intendanten ist ein Spielverbot undenkbar. Für seine behinderten Zuschauer ist die kulturelle Apartheid aber seit Jahrzehnten Realität. Das ändert sich nur, wenn irgendwann auch die nicht-behinderten Zuschauer wegbleiben.

P.S.: Als sei die Angelegenheit nicht schon grotesk genug, habe ich mir mal angesehen, wer bei den Kammerspielen als Sponsor an der Produktion beteiligt ist. Es ist niemand geringer als der Rollstuhl- und Hilfsmittelhersteller Otto Bock. Ein Rollstuhlhersteller finanziert die Ausgrenzung von Rollstuhlfahrern. Das hätte sich nicht einmal Loriot, um mal beim Theater zu bleiben, ausdenken können. Wenn das Schule macht, rechne ich fest damit, dass Kinderwagenhersteller künftig Klagen gegen Kindergärten finanzieren und Automobilhersteller für Fußgängerzonen werben.

Die Eltern behinderter Kinder in den Medien

Am Freitag war „Rare Disease Day„, also ein Tag an dem das Bewusstsein in der Öffentlichkeit für seltene Erkrankungen geschärft werden soll. Noch im Halbschlaf hörte ich im Radio das Interview mit einer Mutter eines Kindes und war dann auch wach und verärgert. Ich gebe zu, ich habe nicht alles mitbekommen, weil ich noch halb schlief, aber der Tenor des Interviews kam für mich dennoch rüber: „Es ist ganz schlimm, wenn man ein behindertes Kind hat. Jetzt benutzt der 14-jährige Junge sogar einen Rollstuhl. Wenn sich die Mutter nicht kümmern würde, wäre er völlig aufgeschmissen.“

Um es vorweg zu sagen, ich möchte keinesfalls die Leistungen von Kindern behinderter Eltern in Frage stellen. Im Gegenteil. Aber mir stellen sich immer öfter die Nackenhaare zu Berge, wenn ich Eltern behinderter Kinder in den Medien sehe oder höre. Muss es denn immer die Mitleidstour sein? Kann man nicht einfach mal Forderungen stellen ohne das eigene Kind herabzusetzen?

Warum verstehen die Eltern nicht, dass sie mit ihrer Mitleidsarie ihren Kindern nicht helfen sondern schaden? Anstatt berechtigte Forderungen nach mehr Unterstützung zu stellen, wird ein furchtbares Bild vom Leben mit Behinderung gezeichnet. Das fördert zwar den eigenen Helden-Status aber sicher nicht die Inklusion. Mir kommt es manchmal so vor, als ob manche Eltern gar kein Interesse daran haben, für Inklusion einzutreten. Die Botschaft ist alleine: Alles ganz furchtbar.

Sorry, das ist sowas von kontraproduktiv, dass mir manchmal wirklich die Hutschnur platzt. Sollen sie halt sagen, was sich ändern soll. Ich ahne es schon: Familien müssen finanziell entlastet werden, niederschwellige Hilfsangebote, mehr Assistenzstunden, etc pp. Mir fallen da tausend Sachen ein.

Aber neee, man kann natürlich auch darüber wehklagen, dass das Kind jetzt einen Rollstuhl braucht. Und hat einer der „Alles so schlimm“-Eltern mal daran gedacht, wie das eigentlich für das Kind ist, wenn es seine Mutter oder Vater im Radio / Fernsehen hört, die erzählen wie furchtbar alles ist, weil das Kind behindert ist? Was das mit dem Kind macht?

Ich beobachte immer mehr, dass das soziale Modell von Behinderung bei behinderten Menschen ankommt. Aber ich glaube, es wäre wichtig, dass die Eltern es auch verstehen. Kinder werden nicht stark, in dem man den medizinischen Zustand bejammert, sondern in dem man versucht, die sozialen Bedingungen zu ändern.

Barrierefreie Kaffeesatzlesereien 2014

Inspiriert durch Thomas Knüwers Glaskugelige Kaffeesatzlesereien 2014 möchte ich mal ein paar Vorhersagen machen, was das Themen Barrierefreiheit und Behinderung 2014 angeht.

  • 1. Behinderung wird cool.

  • Ich beobachte schon seit einer ganzen Weile, dass Behinderung bei weitem nicht mehr das Negativ-Label hat, das es einmal hatte. Das zeigt sich in so nervigen Aussagen wie „Ansich ist ja jeder behindert.“ Manchmal habe ich das Gefühl, Leute fangen an, sich zu rechtfertigen, nicht behindert zu sein. Das ist natürlich völliger Quatsch, aber dennoch besser als dieser schamhafte Umgang aus den 80ern. Angesichts der Tatsache, dass Individualität ja auch gerade ziemlich hip ist, passt auch die Akzeptanz von Behinderung da gut rein. Wer will schon sein wie alle anderen?

  • 2. Die Cyborgs kommen. So what?

  • Dazu passt auch das Thema Cyborgs. Früher waren Prothesen etwas für Kriegsversehrte, jetzt sollen sie für alle da sein und angeblich will sie auch jeder. Ich hab da so meine Zweifel. Behinderte Menschen wird es immer geben, auch wenn sie sich jetzt Cyborgs nennen oder ein paar Nichtbehinderte meinen, ihr Handy mache sie schon zu einem Cyborg. So what? Ja, die Medien lieben das Thema, die Relevanz für behinderte Menschen ist allerdings ziemlich gering. Jedem die Schublade, in die er gerne passen möchte – zumindest so lange es nicht dazu führt, dass die Akzeptanz von behinderten Menschen darunter leidet. Wer glaubt, alle Behinderungen müssen und können mittels Technologie ausgerottet werden, ist alles andere als fortschrittlich, sondern allenfalls naiv.

  • 3. Für manche Airline wird es teuer, behinderte Menschen zu diskriminieren. Die anderen werden daraus lernen.

  • Oh, was freue ich mich auf dieses Urteil! Der Fluggesellschaft Easyjet droht 2014 in Frankreich eine Strafzahlung von 70.000 Euro, weil sie behinderte Kunden diskriminiert haben sollen. Ich prophezeie: Easyjet verliert auch in der letzten Instanz und muss zahlen.
    Es wird ein Ruck durch die Airlineindustrie gehen, die dann endlich merkt, dass auch behinderte Menschen Kunden sind und sie sich ihre Gäste nicht aussuchen können, jedenfalls nicht danach, ob die Kunden behindert sind oder nicht.

  • 4. Der Rollstuhlfahrer-Kinderwagen-Krieg in britischen Nahverkehrsbussen wird zugunsten der Rollstuhlfahrer entschieden.

  • Und auf noch ein Urteil freue ich mich. Ein britisches Gericht wird grundsätzlich entscheiden, ob Busgesellschaften die Rollstuhlplätze in Nahverkehrsbussen für Rollstuhlfahrer vorhalten müssen oder ob Busfahrer Rollstuhlfahrer abweisen können, wenn die Plätze durch nicht behinderte Fahrgäste, zum Beispiel Kinderwagen, genutzt werden. Ich prophezeie: Es wird zugunsten von Rollstuhlfahrern entschieden. Ein Urteil der Vorinstanz gibt es dazu schon. Das wird dazu führen, dass sich die britische Busindustrie endlich mal nach besseren Linienbussen umschaut und zwei Freiflächen einrichtet – eine für Rollstuhlfahrer und eine für Kinderwagen. Bis das passiert, werden Eltern ihren Buggy falten müssen oder aussteigen, wenn ein Rollstuhlfahrer kommt.

  • 5. Das soziale Modell von Behinderung kommt langsam immer mehr in Deutschland an.

  • Die Fortschritte bei der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen in Großbritannien sind vor allem auf das vorherrschende soziale Modell von Behinderung zurückzuführen. Behinderung wird als gesellschaftliche Aufgabe verstanden, nicht mehr als persönliches Schicksal, gegen das man wenig tun kann. Ich glaube, dass daran der Schlüssel liegt, Dinge in Deutschland für behinderte Menschen zu verändern und ich glaube, das soziale Modell von Behinderung wird immer mehr ins Bewusstsein der Menschen, auch der behinderten Menschen selbst, rücken.

  • 6. Auch behinderte Menschen, die Assistenz benötigen, dürfen künftig Geld verdienen.

  • Es gab eine sehr erfolgreiche Petition, es gab einen hervorragenden Beitrag von Panorama. Ich glaube, politisch ist der Status Quo, dass behinderte Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, nur wenig verdienen können und nichts ansparen dürfen, nicht zu halten. Ich glaube, dass 2014 zumindest ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wird, der das ändert.

  • 7. ARD und ZDF teilen mit, bis wann ihr gesamtes Programm untertitelt wird.

  • Bei einem Überschuss von 500 Millionen Euro an Rundfunkabgaben, ist es nicht zu verstehen, warum ARD und ZDF ihr Programm nicht endlich vollständig untertiteln. Mit dem Geld könnte man nicht nur untertiteln, sondern auch noch die Bildbeschreibungen für blinde Menschen massiv ausbauen. Zumindest sollten die Sender 2014 in der Lage sein mitzuteilen, bis wann sie die 100% Untertitel erreicht haben.

  • 8. Es wird mehr behinderte Menschen in ganz normalen Fernsehrollen geben.

  • Der Münsteraner Tatort macht es seit längerem vor. Der Tatort mit Nora Tschirner und Christian Ulmen hat es auch gezeigt. Die Lindenstraße kann es auch, wenn sie will: Es wird immer mehr sichtbar behinderte Menschen in ganz normalen Rollen geben. Das ist im britischen Fernsehen längst üblich und sollte auch in Deutschland bald normal werden. Der Tatort „Die fette Hoppe“ hat schon gut vorgelegt, aber da geht noch mehr.

  • 9. Sibylle Brandt wird neue Behindertenbeauftragte der Bundesregierung.

  • Keine Jahresvorschau 2014 ohne einen Tipp, wer Behindertenbeauftragte/r wird. Ich tippe auf Sibylle Brandt. In erster Linie weil Rolling Planet schon rumposaunt hat, es würde eine Frau von der SPD, aber sie dürften nicht sagen, wer. Rolling Planet sitzt in Bayern. Sibylle Brandt kommt aus Bayern und ist vom Netzwerk „Selbst Aktiv“ der SPD. Außerdem passt ihr Profil irgendwie zu dieser Regierung, finde ich.
    Sie hat einen Blindenführhund. Ich hoffe sehr, dass es dann endlich mal ein Assistenzhundegesetz in Deutschland geben wird, das zum einen die Ausbildungsqualität der Hunde absichert, aber auch das Abweisen von Assistenz- und Blindenführhunden unter Strafe stellt.

  • 10. SMS-Notruf startet in Deutschland flächendeckend.

  • Wer in Deutschland gehörlos ist und die Polizei oder Feuerwehr erreichen will, muss ein Fax schicken. Derzeit ist es nur in drei Bundesländern möglich, eine SMS im Notfall zu schicken. Die Bundesregierung hat schon x Mal zugesagt, das zu ändern, passiert ist nix. Das kann doch jetzt nicht noch einmal ein Jahr dauern, oder? Also, 2014 kommt der flächendeckende Notruf per SMS für gehörlose und sprachbehinderte Menschen.

RIP Nelson Mandela

Mandela-Statue und KindRuhe in Frieden, Nelson Mandela! Er war ein wichtiger Unterstützer der Behindertenbewegung weltweit. In einem seiner Bücher schrieb er:

  • Wir möchten ein Gehalt bezahlt bekommen und eine Arbeit verrichten, für die wir geeignet sind und keine Arbeit tun, von der der Staat meint, dass sie für uns geeignet ist.
  • Wir wollen da leben, wo wir möchten und nicht woanders, weil wir in der Region nicht geboren sind.
  • Wir wollen nicht gezwungen sein, in gemieteten Häusern zu wohnen, die wir niemals unser Eigen nennen können.
  • Wir möchten Teil der normalen Bevölkerung sein und nicht gezwungen sein, in unseren eigenen Ghettos zu leben.
  • Wir möchten, dass es uns erlaubt ist, auch nach 11 Uhr abends aus dem Haus zu gehen und nicht in unseren Zimmern zu sitzen wie kleine Kinder.
  • Wir möchten in unserem eigenen Land reisen können.
  • Wir möchten einen gerechten Teil des ganzen Landes haben; wir wollen Sicherheit und einen Anteil an der Gesellschaft.
  • Vor allem möchten wir gleiche politische Rechte, denn ohne sie werden unsere Behinderungen dauerhaft sein.

Mandela schrieb nicht von behinderten Menschen. Es liest sich nur so. Zum ersten Mal habe ich von Mandelas Rolle in der Behindertenbewegung 2004 in Oslo gehört, in einer Rede von Lars Odegard, die ich immer noch für eine der besten Reden zu Teilhabe behinderter Menschen halte, die ich je gehört habe. Ich habe sie damals übersetzt. Hier ist das Original in Englisch.

Mandela war und ist ein wichtiges Vorbild für alle Menschen, die gegen Ausgrenzung, Erniedrigung und Exklusion kämpfen. Die Behindertenbewegung in Großbritannien aber auch in anderen Ländern ist stark beeinflusst durch ihn und die Geschichte Südafrikas. Vielleicht ist das der Grund, warum Großbritannien das beste Anti-Diskriminierungsgesetz in der EU hat, was einen großen Einfluss auf meinen Alltag hat. Danke, Madiba!

Gemobbte auf die Sonderschule?

Ich frage mich manchmal schon, was Journalisten (und diesem Fall wahrscheinlich auch Pädagogen) denken, wenn sie solche Texte verfassen. Da porträtiert das Kindermagazin des SPIEGEL ein 13-jähriges Mädchen, das erzählt – als sei das das Normalste der Welt – weil sie wegen ihrer Behinderung gemobbt wurde, würde sie jetzt in einem Internat für Körperbehinderte leben.

Man meint, das sei ein Text aus dem Jahr 1970, aber nein, er ist erst gestern bei Spiegel Online veröffentlicht worden. Ein tolles Signal, was da an die versammelte Kinder-Leserschaft ausgegeben wird: Mobbt Eure behinderten Klassenkameraden nur schön weiter, dann seid ihr sie bald los, denn sie werden ins Internat geschickt. Mir stellen sich die Nackenhaare auf, wenn ich so etwas lese.

Nicht nur habe ich ein grundsätzliches Problem mit der Aussonderungs-Bildungspolitik, die in Deutschland betrieben wird. Aber dass man ein Kind aus der Familie nimmt, 160 km entfernt unterbringt, weil sie wegen ihrer Behinderung gemobbt wird anstatt das Mobben abzustellen, macht mich sprachlos. Leute, so geht das nicht! Was das für ein Signal aussendet an die Kinder, die mobben und an das Mädchen, das gemobbt wird: „Du bist anders. Du musst gehen.“

Und es ist das Standardargument der Inklusionsverweigerer: Behinderte Menschen sollten nicht integriert beschult werden, weil sie ja von den nicht behinderten Kindern gemobbt werden würden. Wie wäre es, wenn man mal das Mobbing abstellt, also die Mobber „abschiebt“ statt die Gemobbten?

Und ich weiß, ich wiederhole mich, aber warum ist es möglich in Großbritannien etwa 80 Prozent der behinderten Kinder integrativ zu beschulen, in Deutschland aber nur 20 Prozent? Ich habe nicht den Eindruck, dass hier in Großbritannien alle behinderten Kinder massive Probleme wegen Mobbing haben. Im Gegenteil: Eine Gesellschaft, die schon mit behinderten Kindern in die Schule geht, geht auch später anders mit behinderten Erwachsenen um. Fast alle meine ehemaligen Kollegen bei BBC haben mir erzählt, dass sie mindestens einmal in ihrer Schulzeit einen behinderten Mitschüler hatten. Für die war es dementsprechend auch normal, behinderte Kollegen zu haben und behinderte Menschen einzustellen.

Ist es also von einem Kindermagazin zu viel verlangt, behinderte Kinder anders darzustellen als arm und Opfer? Damit sind sie dann nämlich auch in Zukunft perfekte Mobbingopfer. Und es ist übrigens keineswegs normal, dass behinderte Kinder zu Mobbingopfer in der Schule werden. Es gab dazu in Großbritannien sogar 2004 eine Studie, ob Schüler mit Lernbehinderungen an normalen oder an Sonderschulen mehr gemobbt werden. Das Ergebnis war, sie werden an beiden Schulformen gleich viel gemobbt, aber die Kinder, die eine Sonderschule besuchten, wurden in der Freizeit mehr gemobbt.

Reisen wie Gott in Frankreich

Ich gebe zu, mein Verhältnis zu Frankreich ist schon länger nachhaltig gestört. Nicht erst seit Sarkozy. Ich bin an der französischen Grenze aufgewachsen, meine Eltern hielten es für ne prima Idee, jedes Jahr nach Frankreich in Urlaub zu fahren, mich in einen Kindergarten mit Französischangebot zu schicken, gefolgt von einer Grundschule mit Französisch auf dem Lehrplan und einer Orientierungsstufe in der 5. und 6. Klasse mit 7 Stunden Französisch in der Woche. Es hat alles nichts genutzt, Frankreich und ich mögen uns nicht besonders. Und die französische Sprache spreche ich nur, wenn es sein muss und dann sehr schlecht.

Aber ich gebe dem Land immer mal wieder eine Chance. Und ich muss zugeben, gerade im Bezug auf Barrierefreiheit, hat sich in den letzten 20 Jahren echt was getan, wenn man bedenkt, dass es dort selbst in manchen Touristenzentren und an Raststätten lange nicht einmal Behindertenparkplätze gab. Das ist vorbei und man kann mit etwas Abenteuerlust durchaus auch als behinderter Mensch nach Frankreich fahren.

Vor kurzem war ich zum ersten Mal in meinem Leben in Lyon. Um es vorweg zu sagen, Lyon ist eine relativ barrierefreie Stadt, obwohl sie sehr alt und sogar UNESCO-Weltkulturerbe ist. Die U-Bahn ist total barrierefrei, alle Busse, die ich genutzt habe auch. Es gibt überall öffentliche barrierefreie Toiletten und man findet auch zugängliche Restaurants etc. Das Hauptproblem dieser Reise war der Flughafen und sein Personal, was ich wirklich erstaunlich finde, denn immerhin sind die EU-Vorschriften für behinderte Reisende auch für Lyon gültig.

Ich kam mit British Airways in Lyon an und mein Rollstuhl war nicht da. Man hatte ihn statt an die Flugzeugtür zu bringen, aufs Gepäckband gelegt. Das ist kein Platz für einen Rollstuhl. Ich bat also die Mitarbeiter des Flughafens und die Rampenagentin von BA, mir meinen Rollstuhl zu holen. Als Antwort erhielt ich „Es gebe kein Personal.“ Das war umso erstaunlicher als dass nicht weniger als vier Leute gekommen waren, um mich aus dem Flugzeug zu holen. In Frankreich muss Vollbeschäftigung herrschen.

Sie brachten mich also auf dem Bordrollstuhl – weil ich mich weigerte mich in einen anderen Rollstuhl zu setzen – zum Gepäckband, das keine 200 Meter entfernt war. Auf meine Frage hin, warum niemand den Rollstuhl geholt hat, wenn die Wege doch so kurz sind, antwortete der Mensch vom Flughafen: „Das ist nicht mein Job!“ Reisen wie Gott in Frankreich.

Wir wollten mit der Bahn in die Stadt fahren und standen erst einmal vor einem leeren Fahrstuhlschacht. Da der Flughafenbahnhof einem Monumentalbau gleicht und die Wege entsprechend lang sind, hatten die Architekten zwei Fahrstühle vorgesehen. Jeweils einen an beiden Enden. Unserem Ende war wohl der Sparzwang zum Opfer gefallen und so mussten wir etwa 1500 Meter Umweg in Kauf nehmen.

Später traf ich dann einen ebenfalls rollstuhlfahrenden Freund, der mir sagte, er sei nach Genf geflogen. Französische Flughäfen meide er. Ich verstand sofort, warum.

Ich war also nicht sehr begeistert als es wieder Richtung Flughafen ging. Das Personal hatte sich weder durch Freundlichkeit noch Kompetenz hervorgetan. Das sollte auch so bleiben. Aber der Abflug übertraf die Ankunft bei weitem. Ich bekam Kontakt zur französischen Polizei.

Zuerst einmal brachte mich der Flughafenmitarbeiter zu einem falschen Sicherheitsbereich. Das merkte er aber erst als schon Laptop, Taschen, Jacken etc. gescannt waren. Man freut sich ja, wenn man das Prozedere gleich zwei Mal machen darf. Beim zweiten Band legte ich also wieder die Sachen aufs Band, rollte durch den Metalldetektor und werde dann normalerweise per Hand durchsucht. Von meinem Rollstuhl wird dann eine Staubprobe genommen, unter dem Mikroskop untersucht und ich kann gehen. In Lyon passierte gar nichts. Man ließ mich warten ohne mir zu sagen, was das Problem ist. Die Sicherheitsmitarbeiterin fühlte sich nicht für mich zuständig und so stand ich erst einmal dumm rum.

Zu meiner großen Überraschung kam dann die Polizei. Die anderen Passagiere schauten mich an als sei ich eine Terroristin. Hätte ich wahrscheinlich auch so gemacht, das Aufgebot war groß genug, um das zu glauben.

Sie fragten mich nach meiner Staatsangehörigkeit und meinem Wohnort. Ich sagte, ich sei Deutsche, zeigte ihnen meinen Pass und dass ich in London lebe. Dann durfte ich zu meiner großen Überraschung meine Tasche vom Band nehmen. Das darf man normalerweise nicht, wenn man noch nicht untersucht wurde. Man könnte ja einen gefährlichen Gegenstand hinein tun.

Ich nahm meine Tasche mit und sollte der Polizei in einen abgetrennten Raum folgen. Warum und was genau das Problem ist, wurde mir nicht gesagt. Man fragte mich, ob das mein eigener Rollstuhl sei. Auf meine Antwort mit „Ja“ gab man sich grübelnd und hilflos.

Im Raum anwesend waren eine Polizistin und jemand vom Sicherheitsdienst des Flughafens. Dann fragte man mich peinlich berührt, ob sie mal unter meinen Rock schauen dürfen. Ich lachte und hob meinen Rock bis zu den Knien an. Ich wusste immer noch nicht, was das alles soll. Und dann passierte etwas, was mir klar machte, die hatten keine Ahnung, was sie da tun: Man ließ mich einfach gehen.

Niemand hatte mich angefasst oder meinen Rollstuhl untersucht. Man war einfach nur überfordert. Das ist mir zum letzten Mal vor 15 Jahren in Tunesien passiert. Und so kam es, dass ich im Jahr 2010 mitten in Europa ungeprüft in ein britisches Flugzeug steigen durfte. Von wegen Terrorhysterie! Offensichtlich ist der Umgang mit behinderten Menschen noch Angst einflössender bei manchen Menschen als die Angst vor einem Terroranschlag. Das ganze Verhalten ist umso erstaunlicher, hat die EU den Flughäfen doch aufgelegt, ihre Mitarbeiter im Umgang mit behinderten Fluggästen zu schulen. Wenn die Sicherheitsleute nicht geschult werden, wer dann?

Der Countdown läuft

Im Sommer 2012 finden in London die Olympischen und paralympischen Spiele statt. In der Stadt läuft der Countdown. Das Foreign Office, also das britische Außenministerium hat aus diesem Anlass gerade einen Image-Film mit Tanni Grey-Thompson produziert, der derzeit auf den Webseiten der britischen Botschaften zu sehen ist. Darin berichtet die rollstuhlfahrende Sportlerin über das Vereinigte Königreich und wie sich die Einstellung zu behinderten Menschen verändert hat – und natürlich über ihren Sport.

Anmerkung: Da der automatisch generierte Untertitel von YouTube offensichtlich kein britisches Englisch mag und völlig unverständlich ist, habe ich den Text transkribiert (unter dem Video) und das Außenministerium gebeten, ihn ins Video einzubinden.

Text des Videos:

Britain is a pretty good place to be if you are a disabled person in terms of sport where the envy of the world in terms of our support structures, our media coverage, the games that we’re going to be hosting, we’re using as a platform to show the world what we can achieve.

And actually, you know, in the outside world, away from sport, it’s still one of the best countries to be in. Racing is amazing because it’s speed, it’s fair, if you are on a road race you can be going downhill at 50mph, 2ft from the ground. And your breaks don’t really work. It’s exhaustion, it’s elation, so many different things all wrapped up together. And if you’re competing on the track that can happen in 20 seconds. It’s the most amazing thing. But the outside world is so different from that.

My family was so supportive of me during the thing I wanted to do. And they brought me up to believe if somebody had an issue with my impairment it was their problem not mine.

When I was young, literally I couldn’t go out because there weren’t accessible toilets.

Cinemas didn’t allow disabled people in on their own without adults with them. And you look back now and it’s actually quite scary: That was only 30, 35 years ago. And at the time when disability was thought about very differently, they encouraged me to explore and to leave home and to travel, believing that the world would have to change, that it wasn’t me. There was nothing wrong – me being in a wheelchair.

I never set out to try to change the world. I set out to become the best athlete I possibly could. Realisation that I can actually become Number 1 in the world I think took quite a long time to come to me because it was always looking at steps, it was about improve my world ranking, it was making about the next games. When I got older it was when I recognised I had certain strength and been able to trying encourage people to change their attitudes towards disability.

Britain has so much to be proud of in terms of its understanding disabled people. But also in terms of putting disability sport on the map, because it was in Britain that the Paralympic Games began. And sport has really led the way – underpinned by an awful lot of disabled people who’ve helped make it happen. It’s led the way in terms of showing what’s an inclusive world can look on.

The opportunity to host the Olympics and Paralympics in London was one that anybody involved in sport wanted to be part of, because it was about showing the world how good we are organising things. We’re are passionate about sport. We’re passionate about doing things properly, about building lovely venues. But it’s not just that. It’s about how we change the City of London, how we change the rest of the UK.

London – in fact any old city – is huge challenge to adapt and to modernise because there is this sort of amalgamation of different historical and architectural designs. And we have a lot of rules what you can adapt and how you can adapt it. That can be really difficult.

But there has been kind of stat changes either through acts of parliament or just people’s understanding that have made people’s lives easier.

I think if you ask people from outside Britain what we’re like as a nation there might be a thought that we’re resistant to change. But acutually as a country I think we are very dynamic, we are very forward thinking, we are very inclusive, we try to make decisions that are the best for the most number of people. And that’s actually a very exciting country to be part of because we have this huge amount of history and culture. But actually we’re all looking forward to see what we can do in the future to make life better for everybody.

Die Zeiten ändern sich

Manchmal hat man ja den Eindruck, es geht in Bezug auf Barrierefreiheit und der gleichberechtigten Teilhabe nichts voran. Wenn man manche Dinge aber mit etwas Abstand betrachtet, stimmt das so gar nicht. Gesetze ändern sich, Menschen ändern sich und manchmal auch Unternehmen. Ein Verlag, der mich 1997 noch als studentische Hilfskraft ablehnte, weil ich Rollstuhlfahrerin bin, gibt 2010 ein Buch zum Behindertengleichstellungsrecht in Deutschland heraus, Herausgeber ist ein Rollstuhlfahrer. Die Zeiten ändern sich. Es ist manchmal gut, sich das vor Augen zu führen.

Live aus Berlin

Ich bin gestern morgen aufgewacht und dachte mir, es wäre doch im Sinne der Transparenz (und zu meinem eigenen Vergnügen) eine gute Idee, von der Fachkonferenz „All inclusive – ökonomische Chancen im Luftverkehr für alle“ in Berlin auf der ILA live zu bloggen. Es gibt so wenige behindertenpolitische Konferenzen, von denen jemand live bloggt, und ich ändere das jetzt mal. Die Schilderungen sind subjektiv, aber ich bemühe mich, die Fakten so gut wie möglich rüberzubringen.

[10:24] Es ist knallheiß im Raum. Die Mehrheit der Teilnehmer wird eh schon ziemlich k.o. hier ankommen – zumindest wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmittel angereist sind. Das Konferenzzentrum ist eine halbe Wanderung von Flughafen bzw. der S-Bahn entfernt. Dazwischen liegt eine ziemlich steile Rampe.

[10:26] Frau Waclawcyk vom Bundesverkehrsministerium erklärt die EU-Verordnung 1107/2006. Sie weist darauf hin, dass man sich bei Beschwerden erst an die Airline, nicht ans Luftfahrtbundesamt wenden soll. Es gibt dafür ein Standardformular.

[10:29] Ein Freier Journalist des Stern meldet sich und fragt, wieso man behauptet, die Fluggesellschaften würden das alle umsetzen. Manche hätten nicht einmal ihre AGB geändert und würden immer noch Geld für den Transport eines zweiten Rollstuhls verlangen. Zudem sagt er, es würde keinen Sinn machen, sich ans LBA zu wenden, wenn die bei der Umsetzung zivilrechtlicher Forderungen nicht behilflich sind.

[10:45] Unsäglich schlechter Auftritt durch das Bundesverkehrsministerium, die sich wie ein Industrievertreter aufführen und dabei bin ich mir sicher, die Luftfahrtindustrie tritt professioneller auf. Die Rednerin legt Statistiken vor über die bislang eingegangenen Beschwerden. Sechs Beschwerden gab es wegen Beförderungsverweigerung, vier wegen Buchunsgverweigerung, acht wegen Hilfe am Flughafen und achtzehn wegen Hilfe durch die Airline.
Leute im Publikum bezweifeln die Statistik. Vier Beschwerden wurden an andere EU-Behörden abgegeben. Neun wurden eingestellt, 16 ohne Sanktionen abgeschlossen.

[10:51] Die Vertreterin hat wegen Zeitmangel ihren Vortrag vorzeitig beendet. Sigrid Arnade, Geschäftsführerin der ISL, erzählt über die Realität beim Reisen. Benutzt dafür mein Bild vom Schuhe abgeben.

[10:54] Sigrid Arnade zweifelt an, dass die Leute, wie von der Dame vom Verkehrsministerium behauptet, nicht alle angemessen geschult sind.

[10:58] Tanya Stötzer von der Deutschen Bahn AG tritt auf. Was die Bahn auf einer Konferenz zum Luftverkehr zu suchen hat, ist mir überhaupt nicht klar. Die Bahn schätzt, dass durch die Herstellung von Barrierefreiheit in Deutschland im Tourismus ein Umsatzplus von 4,8 Mrd. Euro möglich wäre (ich hoffe, die Zahl stimmt, sie redet so schnell). Ja, dann macht es doch, Mann!

[11:01] Die Vortragenden hetzen wahnsinnig durch ihre Vorträge. Alles ist auf Folien geknallt und die Leute glauben, die Leute lesen das schon alles. Für blinde und sehbehinderte Kongressteilnehmer ist das gar nicht möglich.

[11:04] Die Bahn erläutert das Redesign des ICE1 mit einem zusätzlichen Rollstuhlstellplatz und vielem mehr. Auch ICE2 wird redesigned. Die Baureihe BR407 wird eine fahrzeuggebundene Einstieghilfe bekommen. Die ersten Züge kommen 2011. Der ICx (zukünftige Baureihen) wird Barrierefreiheit garantieren für die Zukunft.
69 Prozent aller Bahnhöfe (3745) sind barrierefrei. Der Rest ist nicht oder nur eingeschränkt zugänglich.

[11:09] Die Servicepoints sollen barrierefreier werden, damit man auch mit Rollstuhlfahrern auf gleicher Augenhöhe reden kann. Die Rednerin weist auf www.bahn.de/handicap hin. Ob der Bahn (und anderen deutschen Unternehmen) wohl mal jemand sagen kann, dass außerhalb von Deutschland das Wort Handicap nicht gern gesehen ist. Ich meine, die haben ja auch internationale Kunden.

[11:12] Die DB Servicewerkstatt hat bundesweit Mitarbeiter geschult, sie konnten mal blind über Bahnhof laufen etc. Das Feedback war sehr gut. Sie arbeiten europaweit mit anderen Bahnunternehmen zusammen. Die Bahn macht Imagekampagnen nach innen und außen in Bezug auf Barrierefreiheit. Sie bauen strategische Allianzen um Bereich Tourismus auf, um Reisepakete anbieten zu können.
Alles in allem ein guter Vortrag von der Bahn, leider völlig am Thema der Konferenz vorbei.

[11:15] Klaus-Dieter Kricke von Airbus spricht als nächstes. Es geht um die barrierefreie Kabinenausstattung. Er beginnt mit einer medizinischen Definition von Behinderung. Da hätte die PR-Abteilung aber mal besser briefen können. Motto von Airbus: Passenger at heart, airline in mind. Aha.
Spricht über neue Trends im Flugverkehr: Mehr Frauen, mehr Übergewichtige, mehr Behinderte – die Welt verändert sich. Jeder könne körperliche Behinderungen bekommen. Die meisten „körperlichen Gebrechen“ (uaaaaah!) treten im Laufe des Lebens ein.

[11:23] Der Vertreter von Airbus erklärt die Aufgaben der einzelnen Bereiche (Airline, Flughafen etc.). Airbus unterstützt die Kunden, um Anforderungen durch die Regulierungsbehörden umzusetzen z.B. Bordrollstuhl, Toiletten etc.
Er stellt die barrierefreie Toilette von Airbus vor. Empfehlungen gibt es von DPTAC, NCAT, NES, SAE-ARP 1315. Wer oder was das ist, dürft ihr in den Kommentaren hinterlassen.
Er zeigt die Treppe im Airbus A380. Sagt die Treppen wurden dafür optimiert, das sie auch von gehbehinderten Personen gut nutzbar sind (mit Bild eines Tragerollis auf der Treppe). Naja…
Es ist Airbus bewusst, dass behinderte Passagiere einen großen Teil der Reisenden ausmachen. Wollen Lösungen anbieten, die Regularien erfüllen und Zufriedenheit der Nutzer herstellen. Alle sind gefordert, internationale Standards zu fordern. Airbus will nicht nur Mindeststandards erfüllen. Es ist Teil der Philosophie, Kabine, die für behinderte Menschen gut ist, für alle gut ist (Universal Design).

[11:33] Mr. Robinson von Blue Sky, einem britischen Flugzeugsitzehersteller hält den nächsten Vortrag. Es geht um schlechten Komfort durch Sitze. Er zeigt ein Bild von Boxen für das Entertainmentsystem unter dem Sitz.
Der Sitz von Blue Sky heißt Stella. Er zeigt Bilder wie mehr Platz erzeugt werden kann, spricht von hochklappbaren Armlehnen. Bislang ist mir aber noch nicht klar, was das alles mit Barrierefreiheit zu tun hat – außer die klappbaren Armlehnen, aber die hat heute wohl so gut wie jeder Hersteller im Programm.

[11:43] Als nächstes spricht Mr. Mulholland von Thompson Aero Seating in Nord-Irland. Es geht wieder um bequeme Sitze. Ich hoffe, diesmal etwas mehr zum Thema.
Es geht wieder um Sitzkonzepte und Sitzbreiten etc. Er zeigt ein neues Kabinenkonzept wo die Leute schräg hintereinander sitzen. Ich habe keine Ahnung, wie man da mit dem Bordrollstuhl zum Fensterplatz kommen soll. Durchrutschen ist ja nicht mehr möglich. Ich versuche diese Frage zu stellen. Habe die Frage gestellt, bin aber sofort abgebrochen worden. Zudem hat der Sitzhersteller die Frage nicht verstanden. Er dachte, man könne jetzt auch nur am Gang sitzen. Hallo? Ich fliege immer am Fenster. Fragen war zudem nicht erwünscht aus Zeitgründen. Ich finde, eine Konferenz wo nicht wenigstens 2-3 Fragen nach jedem Vortrag zugelassen sind, ist eine Vorlesung, keine Konferenz. Ich verstehe das Zeitproblem, aber dann muss man sich ein paar Vortragende schenken. So spannend war das ja bislang nicht.

[12:05] Professor Granzeier spricht über Sanitärbereiche im Flugzeug. Zeigt den Eingangsbereich im Flugzeug. Jetzt zeigt er einen Sitz, der in diesem Jahr einen Preis gewonnen hat, wo der Sitz in einen Rollstuhl integriert werden kann. Ich habe die Pressematerialien zu dem Sitz gesehen und glaube, dass die Mehrheit der Leute, nicht schon am Flughafen auf einem Flugzeugsitz in einem fremden Rollstuhl sitzen möchten, sondern das allerallerwichtigste ist, den Leuten ihre eigenen Hilfsmittel so lange es geht zu lassen, idealerweise die Leute in ihren eigenen Rollstühlen reisen zu lassen. Ich weiß, das ist Zukunftsmusik.
Er zeigt verschiedene Behindertentoiletten, auch welche für kleine Flugzeuge. Kann man sich in der Halle 8 der ILA anschauen.

[12:16] Es spricht jetzt Rolf Schrader vom Deutschen Seminar für Tourismus. Spricht schon mal sehr erfrischend, was nach 2 1/2 Stunden in Bullenhitze echt ne Kunst ist. Er stellt eine Studie vor. Immer mehr deutschsprachigen Leute fahren ins Ausland. Okay, jetzt zum Thema: Wachtumstreiber beim Tourismus sind Senioren. Ältere nehmen zu, Jüngere werden immer weniger. Es geht um Reiseintensität. Nur die Gruppe 70+ zeigt geringere Reiseintensität. Ist ein Markt, auf dem man wachsen kann.
Hilfe, ich ertrinke in Zahlen über behinderte Reisende. Ich hoffe, die Präsentationen werden später unter www.behindertenbeauftragter.de veröffentlicht.
Behinderte Menschen unterscheiden sich kaum was Aktivitäten angeht von nicht behinderten Menschen. Die Gruppe ist genauso heterogen, sagt der Verteter des Seminar für Tourismus. Hauptgründe für das Nichtreisen sind Gesundheit und Alter.

[12:34] Vielleicht bin ich wirklich zu Web2.0 geprägt, aber irgendwie fehlt es dieser Konferenz total an Aktivität und Partizipation. Diese Frontalvorträge alleine sind irgendwie nicht angebracht, wenn es eigentlich um ein politisches Thema geht. Ich will nicht zu allem meinen Senf abgeben, aber mich interessiert auch, was die anderen Leute im Raum denken und was ihre Erfahrungen sind. Bis auf Sigrid Arnade waren alle Vortragenden nicht behindert (jedenfalls nicht sichtbar behindert). So wirklich gerecht wird das dem Thema nicht.

[12:37] Jetzt Podiumsdiskussion. Die Moderatorin freut sich, dass mit Air Berlin eine Airline an der Konferenz teilnimmt. Das hat schon fast was von Loriot. Es Konferenz über Airlines und man freut sich, dass eine (!) teilnimmt. Frage der Moderatorin, was sich bei Air Berlin seit der EU-Verordnung geändert hat. Herr Lindner (sorry, da stehen immer nur Nachnamen auf dem Programm) von Air Berlin sagt, es haben sich Dinge im Ablauf geändert. Aber auch vorher haben sie schon die soziale Verantwortung erkannt und sich um Barrierefreiheit bemüht.
Dierk Berlinghoff von Öger Tours sagt, die zunehmende Barrierefreiheit habe man nicht der Verordnung zu verdanken. Man habe aber jetzt eine Ansprechpartnerin, die für Barrierefreiheit bei Öger Tours zuständig ist. Sie haben Datenbanken mit Infos zu Barrierefreiheit. Sie haben aber noch Definzite bei Ausflügen, weil die Busse teilweise nicht barrierefrei sind.
Man habe positive Kundenzuschriften bekommen und ein wachsendes Klientel. Entwicklung gehe zwar nicht durch die Decke, aber es sei definitiv eine Zielgruppe.

[12:50] Annerose Hitzke vom Institut für barrierefreie Gestaltung und Mobilität sagt, es gebe mehr Rollatoren-Nutzer als Rollstuhlfahrer und die würden auch noch zunehmen. Sie sagt, Flugzeug sei das behindertenfeindlichste Verkehrsmittel. Naja, ich finde die Mitarbeiter der Bahn auch nicht ohne. Aber die sind ja kein Verkehrsmittel, die sind ja nur für den Service da.
Dr. Peter Neumann vom Institut Design für alle fragt, ob es ein Sozial- oder ein Wirtschaftsthema ist.

[13:00] Der Vertreter von Air Berlin sagt, es sei unmöglich, weniger Sitze einzubauen oder eine halbe Reihe wegzulassen. Das würde pro Flugzeug pro Jahr rund 1 Million Euro kosten. Das könnten sich die Fluggesellschaften in Zeiten von Vulkanasche und Wirtschaftsflaute nicht leisten. Man fragt sich, wer die Zielgruppe sei.

[13:02] Der Vertreter von Öger Tours weist noch mal darauf hin, dass Investitionen bei neuen Reisebussen wichtig wäre. Man sei in Gesprächen mit den Ausflugsveranstalter. Die Moderatorin fragt nach dem Einfluss, den die Veranstalter haben. Der Vertreter von Öger sagt, die Flugzeuge seien halt schon gebaut. Es gebe keine barrierefreien Flugzeuge, deshalb könne man sie auch nicht anfordern.

[13:04] Der Behindertenbeauftragte Hupert Hüppe hat bislang noch gar nichts gesagt. Weist jetzt auf konkrete Probleme hin. Er meint, wenn Deutschland voran ginge, sei dann zwar alles barrierefrei, aber die Fluggesellschaften seien pleite. Er setzt auf eine EU-Lösung. Es gehe nicht immer über Bestrafung, sondern müsse im Rahmen des Nachteilsausgleich dafür sorgen, dass die Gesellschaft die Kosten trägt. Ohjeeeeee! Hat Deutschland nicht gerade ein Sparpaket beschlossen?

Air Berlin-Vertreter behauptet, die Kosten hätten sich für die Air Berlin hätten sich mehr als verdoppelt seit die EU-Verordnung in Kraft getreten ist. Der Luftverkehr trage sich komplett selber als eine der wenigen Verkehrsmittel.
Air Berlin-Verteter sagt, es gebe durch die EU-Verordnung einen Anreiz geben, sich mehr um behinderte Kunden zu bemühen und um sie zu werben.
Sigrid Arnade darf einen Kommentar abgeben. Weist auf die UN-Behindertenrechtskonvention hin. Sagt ein wenig ironisch, die Fluggesellschaften sollen doch die Toiletten wegnehmen, da behinderte Menschen eh nicht auf Toilette gehen können. Gleiches Recht für alle. Das würde Air Berlin 150 Millionen Euro mehr Umsatz bescheren. Sie schlägt vor, dass Air Berlin den Erlös zur Hälfte an Behindertenverbände spendet.
Es meldet sich jemand, der sagt, er würde von Fluggesellschaften abgelehnt, wenn er alleine fliegt, obwohl ihm die Begleitperson gar nichts nutzt.
Ein Mitarbeiter von MdB Ilja Seifert meldet sich. Er weist darauf hin, dass viele Fluggesellschaften nicht nur EU-weit fliegen. Man müsse international Druck machen.
So, jetzt Mittagspause!

[14:09] So, das Beste bislang war die Mittagspause. Buffet war lecker und ich hatte die Möglichkeit, der Vertreterin des Bundesverkehrsministerium zu erzählen, wieso die Zahlen, die sie vorgelegt hat, nicht die Realität widerspiegeln und warum sich so wenig Leute ans Luftfahrtbundesamt wenden. Das Verfahren ist viel zu bürokratisch, vor allem wenn man bedenkt, dass die Zielgruppe behinderte Menschen sind. Gehörlose Menschen haben manchmal Schwierigkeiten, Formulare auszufüllen, wenn Deutsch nicht ihre Muttersprache ist, sondern die Deutsche Gebärdensprache. Von Menschen mit Lernschwierigkeiten ganz zu schweigen. Von ihr kam die Bitte, sich im Zweifelsfall ans Luftfahrtbundesamt zu wenden. Nur dann wüssten sie, wo die Probleme liegen. Jetzt Workshop zur barrierefreien Flugzeugkabine mit Professor Werner Granzeier.

[14:15] Es meldet sich jemand und sagt, es würden viele Menschen in der Diskussion vergessen. Es gibt Rollstuhlfahrer, die speziell gefertigte Sitzschalen haben und nicht fliegen können, weil sie auf normalen Sitzen nicht sitzen können. Der Professor meint, es gebe dafür in naher Zukunft keine Lösung.
Jemand von Pro Retina (Behindertenverband für Blinde und Sehbehinderte) sagt, sie hätte gerne Sicherheitskarten in Braille und zudem akustisch.
Jemand von Deutschen Verein der Blinden- und Sehbehinderten stimmt der Pro Retina zu. Er ergänzt, die Markierungen der Ruf- und anderer Knöpfe seien schlecht zu unterscheiden. Notausgänge sollten taktil erkennbar sein. Das sei ja auch bei Dunkelheit und Rauchentwicklung wichtig. Er erwähnt die Toiletten. Es müsste eine eindeutige Markierung erfolgen. Es könne nicht sein, dass man die ganzen Wände abtasten müsste, bevor man die Spülung findet und dann doch die Flugbegleiterin kommt, weil man den falschen Knopf gedrückt hat.
Es fordert jemand, dass es eine einheitliche Medical Card gibt, die den Fluggesellschaften Auskunft über den Grad der Behinderung gibt. Ich verstehe immer diesen Karten- und Ausweisfetischismus der Deutschen nicht. Ich sage denen, was los ist und erwarte, dass sie sich auf meine Bedürfnisse einstellen. UK hat keine Behindertenausweise und funktioniert dennoch. Es behauptet jemand, dass British Airways Begleitpersonen verlangt. Kann ich nicht bestätigen.

[14:28] Ralph Raule meldet sich und sagt, er spreche für gehörlose und schwerhörige Passagiere. Er fordert alle Informationen auch visuell anzubieten und Sicherheitshinweise auch in Gebärdensprache und mit Untertitel anzubieten.

[14:38] Sigrid Arnade kritisiert die Medical Card und sagt, die Airline muss die Bedürfnisse wissen, nicht die Behinderung. Es wird erwidert, die Diagnose stehe ja nicht auf der Karte. Ich sage, ich brauche keinen Arzt, um meine Bedürfnisse zu definieren.

[14:40] Es wird diskutiert, wie Rollstühle gebaut werden müssen, um sie mit in die Kabine nehmen zu können. Der Professor erläutert was physikalisches zu Kräften beim Fliegen. Es fragt jemand, wie man es schaffen kann, Rollstühle flugzeugtauglich zu machen. Es wird darauf verwiesen, dass im anderen Workshop jemand vom TÜV Rheinland sitzt, den man das fragen kann. Jetzt Thema leichte Sprache und das Reisen von Menschen mit Lernschwierigkeiten. Jetzt Thema Beatmungsgeräte. Er hat kein Sauerstoffgerät, sondern ein Beatmungsgerät. Er durfte sein Gerät nicht benutzen, weil es nicht zertifiziert war. Der Professor sagt, er solle sich ans Luftfahrtbundesamt wenden.

[14:46] Ralph Raule kritisiert, was der Professor über die Wortmeldungen protokolliert. Ich hatte noch gar nicht mitbekommen, dass überhaupt protokolliert wird.

[14:48] Die ganze Konferenz hat ein Akustikproblem. Jetzt startet auch noch eine Flugshow nebenan. Es gibt auch nur ein Mikro. Sehr Schwerhörigenfreundlich! Ich höre jetzt aber auch als gut Hörende nix mehr.
Ein blinder Teilnehmer möchte etwas zum Boarding sagen. Er kritisiert, dass es an den Flughäfen immer weniger Ansagen gibt. Jemand kritisiert, dass das Preboarding nicht immer klappt.
Sigrid Arnade sagt, es soll vermieden werden, dass die Leute in Flughafenrollstühle umgesetzt werden.
Ich sage, dass die Flughäfen verpflichtet werden müssen, so genannt Highlifts anzuschaffen. Es könne nicht sein, dass im Jahr 2010 immer noch über Treppe geboarded wird und rollstuhlfahrende Passagiere über 30 Stufen getragen werden.
Ein blinder Teilnehmer sagt, er möchte nicht im Rollstuhl zum Gate gebracht werden. Er könne selber laufen.
Jemand vom Flughafen Hannover sagt, es sei ein Sicherheitsrisiko, Leute alleine die Flugzeugbrücke runterfahren zu lassen. Deshalb habe er verbieten lassen, dass Rollstuhlfahrer ihre eigenen Rollstühle mit zum Gate nehmen. Der Flughafen Tegel / Bundespolizei wurde vor nicht all zu langer Zeit verklagt, weil jemand seinen Rollstuhl nicht mitnehmen durfte. Hannover, aufpassen! Ich habe übrigens meinen Rollstuhl auch in Hannover schon mit ans Gate genommen.

[15:10] Ralph hat mir Gott sei Dank Strom besorgt. Jetzt kann ich noch Stunden weiterbloggen.

[15:12] Jemand fordert, dass Turbulenzen erklärt werden, auch für schwerhörige oder gehörlose Menschen.
Jemand bemängelt, dass die Flugbegleiter oft die Inhaltsstoffe der Nahrung an Bord nicht wissen, was für Allergiker problematisch ist. Jemand sagt, dass es immer sehr wohltuend war, wenn Flugbegleiter die Leute als Passagiere wahrnehmen und nicht als Problem. Es gebe Fluggesellschaften die könnten das prima und andere nicht.

[15:17] Jetzt geht es um Sanitäranlagen. Ich sage, dass die barrierefreien Toilette möglichst zentral und nicht nur hinten liegen sollten, idealerweise vorne und hinten. Der Professor erklärt die Toilettenlage in Flugzeugen. Blinde Teilnehmer fordern das Vermeiden von Piktogrammen. Ralph Raule protestiert, weil für Gehörlose Piktogramme gut sind.
Jemand sagt, der Bordrollstühl dürfe nicht Maßstab für alles sein. Der Professor sagt, der Bordrollstuhl sei unter 500mm breit. Das sei Vorgabe. Jetzt ist es wieder super laut durch die Flugshow.
Es geht ums Deboarden. Jemand kritisiert, dass behinderte Menschen immer als letztes raus müssen.
Ich sage, ich möchte, dass WCHC / WCHR / WCHS genauso gespeichert wird wie mein Essenswunsch oder meine Sitzplatzwunsch, wenn ich Vielflieger bin.
So, Workshop zu Ende. Kaffeepause.

[16:00] Zusammenfassung der Workshops kommt jetzt. Unseren schenke ich mir.

[16:15]Jetzt wird der andere Workshop vorgestellt. Es ging um ökonomische Impulse. Der Markt ist da, warum nutzen ihn so wenige? Unternehmen müssten mit Kunden ins Gespräch kommen. Bei Qualifizierung werde der Bereich Kunden mit Behinderungen oft ausgeblendet. Es wurde diskutiert, was die Politik tun kann. Handlungsempfehlungen: Design für alle als Marktvorteil, Design für alle als Unternehmensphilosophie, muss zur Chefsache erklärt werden. Es fehlt wissenschaftlich fundierte Datenbasis. Koordinator im Unternehmen einsetzen. Qualifizierung und Schulung sind wichtig, vor Ort in mindestens eintägigen besser zweitägigen Veranstaltungen, gutes Marketing zu dem Thema, Unterstützung durch Politik wichtig, Stärkung der kritischen Verbraucher.

[16:18] Der österreichische Zivilinvalidenverband (wenn ich mich durch die Flugshow nicht verhört habe) hat abgesagt, deshalb entfällt der Vortrag über die Zusammenarbeit mit der AUA.
Stefan Krusche referiert über Zielvereinbarungen als Instrument zur Herstellung von Barrierefreiheit. Er kritisiert Germanwings, die behinderte Kunden über eine 0900-Nummern anmelden liessen. Jetzt geht es wieder um Bordrollstühle auf innereuropäischen Strecken.
Er kritisiert die EU-Verordnung in Bezug auf die Begleitperson. Und wieder Germanwings: Im Callcentre werde überprüft, ob nicht zu viele behinderte Reisende an Bord sind. Sorry, er liest schnell vom Blatt ab. So schnell bin ich nun auch nicht.
Er kritisiert die EU-Verordnung, habe zu viele Schlupflöcher, die von der Industrie perfekt genutzt würden. Sagt, er habe sich beim Luftfahrtbundesamt beschwert, Beschwerde wurde nach Brüssel weitergeleitet, seitdem hat er nichts mehr gehört. Er hofft auf ein weiches Wettbewerbsmerkmal wie Barrierefreiheit (sorry, wieder schlecht zu verstehen wegen Flugshow). Nach dem Kongress brauche ich auch Gebärdensprachdolmetscher.

[16:33] So, jetzt Podiumsdiskussion zu Zielvereinbarungen mit Nils Braun von der Deutschen Lufthansa, Herr Lindner von Air Berlin (damit sind es jetzt immerhin zwei Airlines, die hier sind), Hans-Joachim Wöbbeking (1. Vorsitzender Bundesverband Polio), Stefan Krusche und Hubert Hüppe.

[16:37] Nils Braun sagt, für die Lufthansa habe sich durch die EU-Verordnung kaum etwas verändert, da man schon immer bemüht war, Barrierefreiheit als Qualitätsmerkmal umzusetzen. Die Lufthansa wäre auch für Zielvereinbarungen offen.
Hans-Joachim Wöbbeking bestätigt, dass es kaum Probleme mit der Lufthansa gebe. Im Zielvereinbarungsregister gebe es sehr wenig Vereinbarungen. Es gebe keine Sanktionen und der Aufwand sei sehr hoch. Es sei wichtig, sich mit den Verbänden zu verständigen. Es gehe darum, vernünftige Regelungen für alle zu finden.
Nun Air Berlin, Herr Lindner: Zielvereinbarungen gebe es nicht. Es gebe aber Zielvereinbarungen über Wartezeiten mit den Nutzerausschüssen der Flughäfen. Herr Lindner sagt, das Thema barrierefreie Toilette sei viel zu komplex als dass es in eine Zielvereinbarung passen könnte. Das müsste airlineübergreifend geregelt werden.
Hubert Hüppe sagt, er sei skeptisch in Bezug auf Zielvereinbarungen. Es gehe manchen Unternehmen mehr um ein Etikett als um eine Vereinbarung. Es gehe darum, damit zu werben.
Stefan Krusche regt sich über die „Horrorrechnung“ von Herrn Lindnern von heute morgen in Bezug auf das Herausnehmen von Sitzen auf. „Sie als Air Berlin würden doch nicht drei Sitze herausreissen, sondern würden zwei Sitze breiter machen und die Sitze teurer verkaufen und sie nur um Bedarfsfall an behinderte Menschen abgeben.“ Mit solchen Horrorvisionen würden viele Unternehmen in Deutschland argumentieren. Es müsse einfach einer großen Zahl von Menschen zu gute kommen. Dieses Denken müsse in alle Fluglinien hinein. Herr Lindner antwortet, es sei keine Horrorvision. Es sei nur eine Beispielrechnung gewesen, wenn man die Toilette vergrößern müsse. Es sei ein Gedanke Behindertensitze einzubauen. Notausgangsitze würden bereits heute mit Aufschlag verkauft. Das sei eine gute Anregung, in diese Richtung weiterzudenken.
Diskussion geht weiter, Name „Komfortplätze“ etc., technische Details.

Mir ist sauwarm übrigens. Wäre ich Amerikanerin, würde ich jetzt fragen: „Gibt es in Deutschland keine Klimaanlagen?“. Jedenfalls nicht in Schönefelder Kongresszentrum.

[17:00] Wenn ich die Diskussion so höre, könnte man echt meinen, die Leute fliegen, um auf die Toilette zu gehen. Ja, ich brauche auch eine barrierefreie Toilette im Flugzeug, aber muss man das jetzt wirklich stundenlang diskutieren? Ich möchte lieber über Strukturen sprechen.

Jetzt Fragen aus dem Publikum. Wieder Toiletten und UN-Konvention. Ich frage nach, wie weit Air Berlin und Lufthansa in der Umsetzung der EU-Richtlinie sind, was die Handbücher für das Personal sind und wie die Zukunftsvision der beiden Airlines sind, was sie für die Zukunft geplant haben, um das Reisen für behinderte Menschen noch bequemer zu machen.

Fragen werden gesammelt beantwortet. Wieder Toiletten und UN-Konvention. Jetzt fragt jemand, ob Air Berlin und Lufthansa Bereiche sehen, wo man mit ihnen Zielvereinbarungen abschließen kann.
Jemand meldet sich und fragt Air Berlin, warum sie ihm drei Mal den Mitflug verweigert haben und er mit einer anderen Airline, die teurer war, fliegen musste.

[17:15] So, jetzt zu den Antworten: Herr Lindner weiß nicht, warum ihm der Mitflug verweigert wurde. Air Berlin transportiert E-Rollis mit auslaufsicheren Batterien.
Jetzt wieder Toiletten. Die Fluggesellschaften sagen, es sei ein Zertifizierungsproblem.
Zielvereinbarungen: Air Berlin sagt, mehrere kleine Schritte seien effektiver als ein großer. Er werde die Diskussion in die Airlineverband mit hinein tragen. Lufthansa-Vertreter stimmt zu. Weist darauf hin, es mindestens auf europäischer Ebene zu machen, nicht auf nationaler. Man sei in Deutschland relativ weit, was die Umsetzung angeht. Manche Mitbewerber scherten sich nicht um die EU-Verordnung. Lufthansa wird eine spezielle Hotline einrichten. Ich bitte darum, auch eine Kontaktmöglichkeit für gehörlose Kunden einzurichten. Air Berlin hat meine Frage nach dem Umsetzungsstatus nicht beantwortet.

Jetzt Hubert Hüppe mit einem Schlusswort. Er verspricht, den politischen Forderungen nachzugehen. Spricht wieder von Gefahr von Wettbewerbsverzerrung. Möchte Leute belohnen, die sich gut verhalten.

ENDE

Ich geh jetzt schön was essen. Aber nicht ohne vorher darum zu bitten, dass mehr Leute über solche Konferenzen bloggen, damit diese Szene nicht immer nur tagt tagt tagt, aber sich nie etwas ändert.