Heute morgen meldete sich der „Social Media“-Verantwortliche der Swiss bei mir, um diese Geschichte aus der Welt zu schaffen und um vor allem sicherzustellen, dass ich morgen nicht am Flughafen stehen bleibe.
Er hatte über Twitter von der Geschichte erfahren und entschuldigte sich in aller Form. Gerade hat er mir noch einmal bestätigt, dass er dafür gesorgt hat, dass ich morgen problemlos fliegen kann, angemeldet bin und hat mir versprochen, mich auf dem Laufenden zu halten, was die Beschwerde intern bei Swiss gebracht hat.
Ich finde, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmen ihre Kommunikation und Service verbessern können, wenn sie zuhören – bei Twitter oder in Blogs oder auch sonst. Und es zeigt auch, dass man sich wehren muss, wenn man etwas verändern will.
Tag Archiv für EU
Swiss Airlines hat sich gemeldet
Lieber Flughafen Hamburg…
es ist immer schön zu wissen, dass alles so bleibt wie es ist, auch wenn man lange fort geht. Nicht auszudenken, wenn ich einmal bei Dir ankommen würde und es gebe plötzlich bei Dir eine angemessene Zahl an barrierefreien Toiletten an den Gates. Habe ich mich doch schon daran gewöhnt, dass der Gang zur Toilette in Bezug auf die Entfernung dem sich anschließenden Flug ähnelt.
Jetzt gibt es eine neue Toilettenanlage. Im Terminal 2, direkt am Fahrstuhl vor der Gepäckausgabe. Eigentlich ein idealer Ort, um eine barrierefreie Toilette zu installieren. Aber wir wollen ja, dass sich nichts ändert. Deshalb hast Du auch konsequenterweise keine barrierefreie Toilette eingebaut und die Anlage auch gleich mit Stufen versehen. Der alte Mann, der in meinem Flieger war, und am Stock ging, musste auch noch ein bisschen weiter laufen als alle anderen. Wäre ja aber noch schöner, wenn jeder Hans und Franz, gleich welchen Alters, Deine Toiletten benutzen könnte. Lieber Flughafen Hamburg, es ist toll, dass man bei Dir keine Überraschungen erlebt und alles beim Alten bleibt.
Auf meine Frage, was sich seit dem Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie für behinderte Passagiere am Flughafen geändert hat, sagte Deine Mitarbeiter: Ähm…Nichts. Das nenne ich wirklich konsequent.
Fast nicht mehr rausgelassen
Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass die eigentliche Gefahr für den Flugverkehr nicht von den Passagieren, sondern vom Sicherheitspersonal an den Flughäfen ausgeht. Gestern hätte man mir am Flughafen Frankfurt fast den Heimflug verweigert. Begründung: Großbritannien sei nicht in der EU und ich bräuchte ein Visum zur Einreise. PISA lässt grüßen!
Nach ein bisschen Rumdiskutieren, Eingreifen einer Lufthansa-Mitarbeiterin und dem Hinweis meinerseits, dass er sich und den Flughafen Frankfurt gerade ziemlich blamiert, durfte ich ausreisen. Ganz ohne Visum.
Danke, EU!
Nicht erst seit ich in Großbritannien lebe, weiß ich die Errungenschaften der Europäischen Union durchaus zu schätzen. Nun lese ich, dass die EU durchsetzen will, dass alle öffentlich-rechtlichen Sender ihr Programm komplett untertiteln müssen. Ja, was soll ich sagen, danke EU! Die BBC wird das völlig kalt lassen, die untertiteln teilweise sogar die Werbung und zeigen, dass es eine vollständige Untertitelung möglich ist. Aber ich fürchte, in Deutschland wird es wieder Heulerei geben. Ich habe auf einen Tipp eines Lesers hier im Blog hin mir mal die Untertitelung von Anne Will angesehen und empfehle das jedem einmal selbst auszuprobieren. Das ist der absolute Hammer. Die Sendung ist teilweise nicht zu verstehen. Aber es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass überhaupt untertitelt wird.
Am Anfang als ich in Großbritannien lebte, habe ich mir einige Serien mit Untertitel angesehen, um mich in die Akzente reinzuhören und wirklich alles verstehen zu können. Seit dem weiß ich, was Untertitel für Ausländer für eine Bereicherung sein können. Insofern ist dieser Vorstoß nicht nur für gehörlose Menschen eine gute Sache.
Ich bin mal gespannt, wer als erstes gegen den Vorstoß aufjault…
Ausländer zahlen Aufpreis und alle Leute sind nicht behindert
Ich hatte gerade ein sehr merkwürdiges Erlebnis. Ich habe gestern abend einen Kurs entdeckt, den ich gerne besuchen würde. Er wird von einer lokalen Bücherei angeboten, die ein umfangreiches Weiterbildungsangebot hat. Vielleicht vergleichbar mit der deutschen Volkshochschule, auch staatlich finanziert.
Ich rief da also an und fragte, ob noch ein Platz frei sei. Der Kurs startet schon morgen. Zu meiner großen Überraschung war ein Platz frei. Dann verlief die Konversation wie folgt:
Mitarbeiterin: Darf ich Sie fragen, ob Sie schon länger als drei Jahre in Großbritannien leben?
[Das fand ich schon einen interessanten Einstieg in das Gespräch!]
Ich: Nein, ich lebe seit einem Jahr in London. Ich komme aus Deutschland.
Mitarbeiterin: Dann müssen Sie einen Aufpreis zahlen. Das Seminar kostet dann 190 Pfund, da ihr Platz nach britischen Bildungsrichtlinien nicht subventioniert wird, sondern Sie Studiengebühren zahlen müssen.
[Das waren dann etwa 150 Pfund mehr als für die Briten.]
Ich: Es kann sich doch wohl nur um einen Scherz handeln. Das ist gegen das Gesetz, was Sie da machen. Ich bin Bürgerin eines EU-Mitgliedstaates und darf zu den gleichen Bedingungen in England studieren und Kurse belegen wie britische Staatsbürger. Kann ich bitte mit Ihrem Vorgesetzten sprechen?
Mitarbeiterin schaltet mich in die Warteschlange. Nach 2 Minuten ist sie wieder dran.
Mitarbeiterin: Sie haben recht, sie müssen nur die normale Kursgebühr zahlen.
Ich: Alles andere würde auch gegen das Gesetz verstoßen.
Mitarbeiterin: Gut. Ich muss zu statistischen Zwecken einen Fragebogen ausfüllen. Ist das in Ordnung?
Ich: Ja.
Mitarbeiterin: Welcher ethnischen Gruppe würden Sie sich zurechnen?
Ich: White Other. [Ich kenne die ankreuzbaren Antworten bei diese Fragebögen schon]
Mitarbeiterin: Würden Sie sich selber als behindert bezeichnen?
Ich: Ja. Ich bin Rollstuhlfahrerin.
Mitarbeiterin: Wie bitte? Was sind Sie?
Ich: Rollstuhlfahrerin.
Mitarbeiterin: Achso, normalerweise sagen die Leute auf diese Frage immer „Nein“.
Stöhnen und Kopfschütteln bei mir. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte…
Ich: Sehen Sie mal wie ich Ihre Statistik aufpoliere. Ausländerin und behindert. Dafür müsste ich eigentlich Rabatt kriegen.
Ich hab jetzt irgendwie nicht so ein richtig gutes Gefühl bei dem Kurs…
Arbeitserlaubnis
Heute hat mich jemand gefragt, ob es schwer für mich war, eine Arbeitserlaubnis für England zu bekommen. Ich glaube, die EU müsste dringend mal eine Imagekampagne hier starten. Die Briten wissen teilweise gar nicht, welche Vorteile die EU ihnen bringt. Ich habe dann mal einen Crashkurs gegeben – von Arbeitserlaubnis bis Rentenversicherung. Die Reaktion kam prompt „Dann hat das ja doch einen praktischen Nutzen.“ Ja, hat es. Ich profitiere tagtäglich davon, aus einem Mitgliedsstaat der EU zu kommen – nur einmal bin ich falsch beraten worden. Ein Rechtsratgeber (Buch) und mein Council behaupteten, ich könne die Disability Living Allowance als Ausländerin nicht sofort beantragen. Ich dachte mir noch, dass das so nicht sein kann. EU-Bürger sind Inländern ja grundsätzlich gleich gestellt. Wenn ich aus Indien oder den USA gekommen wäre, hätten die Leute recht gehabt. So hatte ich recht, habe es aber leider ein bisschen spät gemerkt.
Eine Million Unterschriften
Das Europäische Behindertenforum möchte mit einer Million Unterschriften eine umfassende Antidiskriminierungsgesetzgebung in der EU für behinderte Menschen durchzusetzen. Es geht unter anderem um das Recht auf gleichen Zugang zur Bildung, das Recht auf Gleichbehandlung in Beruf und Beschäftigung und das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft. Zum Unterschreiben gehts hier lang.
Schlüsselerlebnis
Update: Da über diesen Beitrag viele Anfragen dazu kommen: Den Schlüssel kann man auf meiner Seite London Barrierefrei bestellen.
Seit einigen Jahren gibt es in Europa eine sehr schlaue Einrichtung: Den so genannten Euroschlüssel. Mit diesem Schlüssel, den sich jeder behinderte Mensch, der auf Behindertentoiletten angewiesen ist, besorgen kann, lassen sich in vielen Ländern Europas Behindertentoiletten öffnen.
Euroschlüssel
Man hätte sich eigentlich denken können, dass bei dem Namen EUROschlüssel die Briten nicht mitmachen. Heute stand ich vor einer öffentlichen Behindertentoilette und kam nicht rein. Ein Schild informierte mich darüber, dass ich einen RADAR-Schlüssel brauche. Ich dachte erst, das Ding heißt hier RADAR bis ich merkte, dass mein Euroschlüssel nicht auf das RADAR-Schloß passt. Unverrichteter Dinge bin ich wieder abgezogen und konnte kaum glauben, dass die Briten nicht nur beim Euro, sondern auch beim Euroschlüssel ihr eigenes Süppchen kochen.
Doch tatsächlich, im Internet wurde ich fündig. Der RADAR-Schlüssel ist ein anderer Schlüssel als der unter anderem in Deutschland, Österreich, Frankreich, der Schweiz und Italien eingesetzte Euroschlüssel. Also habe ich mir jetzt den RADAR-Schlüssel bestellt.
RADAR-Schlüssel
Wer als Rollstuhlfahrer durch die Welt reist, wird über kurz oder lang mit einem dicken Schlüsselbund unterwegs sein. Ich rechne fest mit dem „Freedom-Key“ der Amerikaner, dem „Kangooro-Key“ der Australier, dem „IncredibleToilet-Key“ der Inder, dem „Carioca-Key“ der Brasilianer und dem „NiHao-Key“ der Chinesen.
Wohnungssuche Tag 1
Der erste Tag meiner Wohnungssuche wurde durch extreme Müdigkeit behindert. Wir sind um 6:40 Uhr in Hamburg losgeflogen und ich kam totmüde hier an, weil ich gestern abend noch beim Jonet-Stammtisch war, um mich zu verabschieden. Zum ersten Besichtigungstermin haben wir uns dann noch geschleppt – das Haus sah aber von außen schon so bescheiden aus, dass wir gar nicht erst geklingelt haben. Dann sind zu den einzelnen Immobilienbüros um unser Hotel herum und haben schon die erste Lektion gelernt: Wohnungen, die im Fenster angepriesen werden, sind „gerade weg“ oder man hat sich im Preis vertan. Nachmittags haben wir schon geschwächelt und haben lieber geschlafen als durch die verregnete Stadt zu düsen.
Dann habe ich x Leute angerufen, die Wohnungen online inseriert haben. Meist schaue ich, ob sie angeben, dass es einen Lift gibt oder ob die Wohnung im Erdgeschoss ist. Dann weiß ich aber immer noch nicht, ob die Wohnung wirklich stufenlos zu erreichen ist – stepless entrance heißt das Zauberwort. Die Leute reagieren ungefähr so, wie ich es in Deutschland gewöhnt bin: „Was ist denn das für eine komische Frage?“ „Warum möchten Sie das wissen?“ – Wenn ich dann aber erkläre, dass ich Rollstuhlfahrerin bin, ist das Thema gegessen und ich bekomme eine nette Antwort.
Die Firma Skype hat mir mein Leben übrigens schon sehr erleichtert hier: Ich besitze eine britische Telefonnummer (SkpeIn), die ich an mein deutsches Handy weiterleite. Die Leute wollen keine ausländischen Nummern anrufen, wenn sie zurückrufen müssen. Wenn jetzt nicht die irren Roominggebühren von Vodafone wären, bräuchte ich gar kein britisches Handy – 75 Cent kostet es mich derzeit, wenn mich jemand auf dem Handy anruft. Ich hoffe, die EU beendet diesen Zirkus bald. Wir reisen problemlos von EU-Land zu EU-Land, haben in vielen Ländern die gleiche Währung, könnnen überall arbeiten, aber die Mobilfunkanbieter benehmen sich als wollten sie um jedes Land eine Mauer bauen. Falls jemand einen Anbieter kennt, der einen Europatarif anbietet, bin ich für Hinweise dankbar.
Alles eine Frage der Definition
Es gibt Ärger um die Bundesgartenschau (BUGA) in Thüringen. Der selbst behinderte PDS-Abgeordnete Maik Nothnagel kritisiert, dass die Anlage nicht barrierefrei sei. Auch der Behindertenbeauftragte des Landes kritisiert die Anlage und schlägt ein unabhängiges Gutachten vor.
Das kann die BUGA natürlich nicht auf sich sitzen lassen und lehnt das Gutachten ab. Denn es sei gar nicht nötig. „Der Kletterturm hat zwar keinen Aufzug, ist aber auch von taubstummen oder blinden Menschen zu besteigen», wird der BUGA-Geschäftsführer Ernst-Hermann Kubitz in der Presse zitiert. Es ist halt alles eine Frage der Definition.
Kann es vielleicht sein, dass blinde und gehörlose Menschen gar keine Probleme mit Stufen haben und deshalb den Turm besteigen können? Und dass das gar nicht die einzige Hürde ist, die auf dem Gelände eingebaut wurde. Schon am Eingang soll es Stufen geben und nicht einmal das Informationszentrum soll zugänglich sein.
Ich kann mir das eigentlich auch nicht vorstellen, steht doch auf der BUGA-Webseite: „Die Bundesgartenschau Gera und Ronneburg 2007 wird vom Freistaat Thüringen und der Europäischen Union gefördert und umfassend unterstützt.“ Im Mai habe ich noch gejubelt, dass die EU die Förderung von Projekten und Vorhaben von der Barrierefreiheit abhängig machen will. Und ich nehme doch mal an, dass damit nicht gemeint war, dass blinde und gehörlose Menschen die Treppe hochkommen.