Tag Archiv für Medien

Anne Will und die Untertitel

Anne Will wird ab Januar mit Untertiteln ausgestrahlt. Als ich das gelesen habe, war ich ein wenig überrascht. Ich dachte nämlich, das sei längst der Fall. Ist immerhin einer der wichtigsten Talk-Sendungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Nur mal zum Vergleich: Die BBC wird bis April 2008 ihr gesamtes Programm untertiteln. Dafür zahlen hier im Gegensatz zu Deutschland auch gehörlose Menschen die TV Licence Fee und sind nicht befreit. 95 Prozent des Programms von BBC One und BBC Two ist bereits untertitelt. 80 Prozent des Programms von BBC Three, BBC Four, CBBC, CBeebies and BBC News 24 wird bereits mit Untertiteln angeboten. Hier ist mal eine Liste, was BBC diese Woche untertitelt.

Das ZDF untertitelt derzeit 25 Prozent seines Programms (Stand: Juni 2007). Über die ARD habe ich sehr unterschiedliche Angaben gefunden, die aber alle weit entfernt davon sind, was BBC anbietet.

Sehr lesenswert ist zu dem Thema ein Dokument des Landtages in Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2006, das sich unter anderem mit dem NDR (3. Programm) befasst. Es wird der NDR zitiert: „Der Anteil des barrierefrei ausgestrahlten Fernsehprogramms werde sich in Zukunft von ca. 5,7 auf ca. 12 % erhöhen.“ Weiter heißt es in dem Bericht: „Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten (…) hat eine aktuelle zweiwöchige Stichprobe ergeben, dass der NDR 1.330 untertitelte Sendeminuten ausgestrahlt habe, was einem Anteil von etwa 7 % entspreche. Rechne man allerdings Wiederholungen heraus, sinke der Anteil auf 0,3 %. Denn der NDR untertitele als einzige aktuelle Sendung das Wissensmagazin „Plietsch“ (jeden Donnerstag um 18.15 Uhr, Dauer: 30 Minuten).“

Der Tag danach

Ich habe mir gestern abend schon gedacht, dass es interessant sein wird zu sehen, welche Reaktionen auf die Preisverleihung folgen. Es zeigt sich, dass diese genauso überraschend sind wie der Gewinn selbst. Ich bekomme massenweise Zugriffe aus Spanien, weil El Pais und El Mundo in Artikeln über den Preis berichtet haben, auch ausführlich über dieses Blog. Auch russische Medien haben berichtet und eine Zeitung aus China. An den deutschen Medien scheint der Preis völlig vorbei zu gehen…

Gewonnen!

Ich bekomme gerade Trackbacks, die mir sagen, dieses Blog hätte beim Blogwettbewerb der Deutschen Welle in der Kategorie „Bestes deutsches Weblog“ gewonnen. Ich freue mich natürlich riesig und bedanke mich herzlich für den Preis.

The BOBs – Best of the Blogs der Deutschen Welle

Über einen Trackback habe ich erfahren, dass dieses Blog beim Blogwettbewerb der Deutschen Welle, The BOBs, nominiert ist und wohl auch weitergekommen ist. Ich freue mich natürlich sehr.

Neben Behindertenparkplatz sind in der Kategorie „Best Weblog Deutsch“ nominiert:

Alles ausser Sport

Auguststrasse
Bestatterwebblog
Charming Quark
Das hermetische Café
Indiskretion Ehrensache
Krusenstern
Spass mit der Deutschen Bahn
Zwarwald

Die taz klärt uns auf

Danke, liebe taz, für die Aufklärung! Wie hätten wir dummen Leser denn ohne Dich gewusst, dass „Behinderte keinen Deut besser als ’normale‘ Menschen“ sind? Und wie hätten wir ohne Dich wissen sollen, dass „auch Behinderte, Schwule, Schwarze und Frauen dopen.“ Da braucht es einen Kommentar, in dem wir das erfahren.

Besonders gut gefallen hat mir die Formulierung: „Behinderte sind – abgesehen von einem körperlichen Handicap – keinen Deut besser als „normale“ Menschen.“ Also das „körperliche Handicap“ macht sie schon besser als „normale Menschen“ oder wie soll ich diese Formulierung verstehen? Erst dachte ich, die taz hat ja wirklich eine interessante Sichtweise. Behinderung als Zusatzqualifikation oder so. Aber dann kam mir der Gedanke, dass vielleicht einfach die Stelle beim Redigieren übersehen wurde. taz-Redakteure sind eben auch nicht besser als „normale“ Redakteure. Und das ist auch gut so!

Ashley X in England

England hat seinen eigenen Ashley X-Fall. Eine Mutter möchte die Gebärmutter bei Ihrer Tochter entfernen lassen, damit diese ihre Periode nicht bekommt. Das Mädchen ist 15 und ist von Geburt an behindert. Sie hat Cerebralparese und benötigt rund um die Uhr Assistenz. Kaum eine Sendung im Radio oder Fernsehen, die das Thema nicht behandelt. Seit Sonntag laufen die Call-In-Sendungen zu dem Thema auf allen Kanälen.

Ich habe mehrere Interviews mit der Mutter gehört und verstehe ihre Beweggründe nicht. Sie sagt, sie möchte ihre Tochter vor Menstruationsbeschwerden schützen. Sie möchte nicht, dass sie leidet. Nun hat die Tochter aber wohl ihre Periode noch gar nicht, wenn ich das richtig verstanden habe. Man weiß also gar nicht, ob sie wirklich Menstruationsbeschwerden bekommen wird und wie diese ausfallen. Zudem sind Menstruationsbeschwerden heutzutage ja ganz gut in den Griff zu kriegen und es gibt auch Pillen, die die Periode einfach abschaffen. Kann sie die Pille nicht schlucken, gibt es auch die Möglichkeit, ein kleines Teil unter die Haut zu setzen, dass die Hormone abgibt. Und wahrscheinlich gibt es noch viele andere Möglichkeiten, die ich gar nicht kenne. Das alles steht jedenfalls in keinem Verhältnis zu einer Totaloperation und den Folgen. Auf die Frage, ob sie den Pflegeaufwand runterschrauben will, sagte die Mutter im Interview, da die Tochter sowieso inkontinent sei, mache das keinen Unterschied. Sie sagt selbst, es gebe keinen medizinischen Nutzen. Es gehe darum, ihrer Tochter eine bessere Lebensqualität zu geben. Die Tochter könne zudem nicht mit der Periode umgehen.

Die Behindertenverbände, vor allem Scope, ein Verein für Leute mit Cerebralparese, sind auf den Barrikaden. Ein Gericht muss jetzt entscheiden, ob das Mädchen ihre Gebärmutter behält oder nicht. Scope sagt, auch eine Frau mit Behinderung habe ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Risiken (frühzeitige Menopause, Osteoporose) stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen.

Warum also, frage ich mich, will die Mutter unbedingt verhindern, dass das Mädchen in die Pubertät kommt? Ich bin sehr gespannt, wie das Gericht entscheidet. Die Anrufer in den Sendungen unterstützen übrigens mehrheitlich die Mutter. Die Begründung ist, dass Eltern alleine entscheiden sollten, was mit ihren Kindern passiert und was nicht. Dieser Meinung bin ich übrigens so ohne jede Einschränkung nicht.

Tagesschau.de und Leben mit Behinderung

Die Volontäre von Tagesschau.de haben ein Dossier zum Leben mit Behinderung erstellt. Was hätte man alles machen können…

Leider ist es schon wieder das gleiche, wie immer: Eine Frau erzählt, wie schwer es war als sie ihr Bein verlor, Sexualbegleitung für behinderte Menschen und eine FAQ erläutert den Begriff „Behinderung“. *gähn* Kann man das Thema nicht mal irgendwie einfallsreicher behandeln? Und vor allem nicht so medizinisch und definzitorientiert.

Wo ist das Interview mit einem Vertreter der Behindertenbewegung? Das Behindertengleichstellungsgesetz kommt gar nicht vor. Immerhin haben die Volontäre Art. 3.3 des Grundgesetzes entdeckt. Wo ist die internationale Einordnung? Wo steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Und Menschen mit geistiger Behinderung kommen in dem ganzen Dossier überhaupt nicht vor. Auch nicht Familien mit behinderten Kindern. Ich finde das Dossier ziemlich weichgespühlt und nicht sehr fundiert. In dem Gebärdensprachartikel zu schreiben, es gebe keine einheitliche Deutsche Gebärdensprache, ist zu ungenau und missverständlich. Nur weil es in Bayern Radler heißt und in Hamburg Alster, sagt ja auch keiner, es gebe keine einheitliche deutsche Sprache. Die Deutsche Gebärdensprache ist seit 2002 als eigene Sprache anerkannt. Das muss man wissen und erwähnen, wenn man so einen Beitrag schreibt.

In den kommentierten Links „Hilfe zur Selbsthilfe“ als erstes auf die Bundesagentur für Arbeit zu verweisen, zeugt von ziemlicher Ahnungslosigkeit. Und warum haben die Volontäre nicht mal recherchiert, wie viele Leute durch die ebenfalls verlinkte Kampagne „Jobs ohne Barrieren“ wirklich dauerhaft in Lohn und Brot kamen?

Vielleicht würde es dem NDR ganz gut tun, mal mehr Volontäre und Journalisten mit Behinderung einzustellen. Dann ändert sich vielleicht auch ein wenig der Blickwinkel der Redaktion. Aber auch für nicht behinderte Journalisten ist es nicht schwer, sich mal in das Thema wirklich einzuarbeiten und nicht immer nur an der Oberfläche zu kratzen.

Die Rundfunkgebühren und die Aktion Mensch

Seit die Aktion Mensch so heißt wie sie heißt und nicht mehr Aktion Sorgenkind, ist sie mehr und mehr zur Soziallotterie für alle Gruppen und nicht mehr nur für behinderte Menschen geworden. Kann ich mit leben, muss ich ehrlich sagen. Eine der aktuellen Kampagnen ist „Die Gesellschafter“-Kampagne. Sie behandelt nur noch wenig das Thema Behinderung, sondern geht der Frage „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ nach. Zu der Kampagne gibt es ein Tagebuch, in dem jeden Tag eine andere Persönlichkeit das aktuelle Nachrichtengeschehen kommentiert.

Und was lese ich da heute? „ARD und ZDF bekommen Recht – so geht es nicht weiter!“ lautet die Überschrift zu einem Kommentar über die gesetzlichen Rundfunkgebühren. Der Autor schimpft auf die Öffentlich-Rechtlichen und stellt die Gebühren in Frage. Das muss ich sagen, liebe Aktion Mensch, ist journalistische Unabhängigkeit! Da kann sich ja der ein oder andere Verleger noch eine Scheibe abschneiden. Immerhin steht nicht zuletzt das ZDF hinter der Aktion Mensch, der Intendant ist ihr Vorsitzender. Der Text ist zwar inhaltlich etwas heikel, aber wenigstens hat der Autor die in Augen der GEZ richtige Wortwahl genutzt. Schade eigentlich. Ich musste bei dem Gedanken, dass die GEZ nach Akademie.de nun auch die ZDF-nahe Lotterie abmahnen könnte, ein wenig schmunzeln.

Diskriminierung im Urlaub und die Berichterstattung

Weil ihr behinderter Sohn Windeln trägt, wurde eine Familie von der Vermieterin einer Ferienwohnung auf Usedom wieder nach Hause geschickt. Das berichten Spiegel Online und andere.

Ich frage mich allerdings, warum ich bei meinen ehemaligen Kollegen bei dpa ohne Einordnung die Aussage der Vermieterin lese, Windeln gehörten nicht in den Hausmüll, sondern in den Sondermüll. Keine Einordnung, kein Widerspruch. Spiegel Online hat diese Aussage überprüft, als falsch dargestellt und nennt übrigens auch den Namen der Vermieterin.

Und dann steht in der Agenturmeldung noch die Regelung, dass Vermieter übermäßige Verschmutzung nicht dulden müssen. Diese Regelung hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Urlaub behinderter Menschen zu tun. Sie in Verbindung mit inkontinenten Urlaubern zu bringen, empfinde ich als diskriminierend. Behinderte Urlauber sind nicht dreckiger als andere, auch nicht solche, die inkontinent sind. Da reicht es nicht, dass man die Verbraucherzentrale NRW darauf hinweisen lässt, dass Windeln alleine kein Kündigungsgrund sind. Stattdessen fehlt in dem Artikel komplett, dass es sich um ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz handeln könnte.

Was das Leben so zu bieten hat

Es gab selten einen Tag, an dem ich lieber zur Arbeit gegangen bin. Ich war so gespannt, was mich bei BBC erwarten wird, nachdem bekannt wurde, dass unser Kollege Alan Johnston aus der Geiselhaft befreit wurde. Ich hatte schon vergangene Nacht gewusst, dass er frei ist. Ich kam relativ spät nach Hause und hatte irgendwie keine Lust, ins Bett zu gehen. Um 2 Uhr siegte die Vernunft und ich legte mich ins Bett und schaltete noch einmal BBC News24 an. Und eine Minute später gab es „Breaking News“. Ich habe den Fernseher bis kurz vor dem Aufstehen nicht mehr ausgemacht.

Es gab keinen Tag seit Alans Entführung, an dem er nicht Thema war. Jeden Montag haben sich die BBC-Mitarbeiter versammelt, um an ihn zu denken. Die Nachrichtenprogramme wurden dann unterbrochen. Wir standen bei Wind und Wetter vor der Tür mit Bildern von Alan.

Als ich noch bei World Service (Radio) war, habe ich an Programmen für und über Alan Johnston gearbeitet. So haben wir eine Sondersendung produziert, in der ehemalige Geiseln aus der ganzen Welt zu Wort kamen. Ich werde die Sendung niemals vergessen.

Wir hatten immer die Hoffnung, dass er das hören kann und dass es ihm irgendwie hilft. Ich gebe zu, wirklich daran geglaubt habe ich nicht. Um so mehr hat mich umgehauen, dass er im ersten Interview sofort sagte, er habe ein Radio gehabt und konnte World Service hören. Das hätte ihm sehr geholfen. Ich bin noch immer zu tiefst beeindruckt, dass ich die Möglichkeit hatte, an solch einem Programm mitzuarbeiten. Man macht ja als Journalist leider sehr selten die Erfahrung, wirklich etwas zu verändern. Das meiste versendet sich oder landet am Tag danach als Packmaterial beim Fischhändler. Aber das Gefühl zu haben, dass es etwas ausmacht, was man den ganzen Tag macht, ist ungemein erfüllend.

Heute nachmittag gab es eine weitere Demonstration zur Feier der Freilassung vor dem Fernsehzentrum der BBC. Als ich aus dem Gebäude kam, wusste ich, hier wird gerade britische Fernsehgeschichte geschrieben. Ü-Wagen aller Sender überall, Kameras von CNN bis Al Jazeera standen dort. Es gab eine Zeremonie, in der die riesigen Plakate am Gebäude, die zur Freilassung Alans aufriefen, abgehängt wurden und in einer sehr beeindruckenden Liveschaltung nach Israel konnte Alan Johnston zu uns vor dem Television Centre sprechen.

BBC Demo

Ich bin sehr froh, dass Alan frei ist und ich die Erfahrung machen durfte, wie eine riesige Organisation wie BBC derart zusammen steht und dass man doch irgendwie etwas bewegen kann. Allein diese Erfahrung war es wert, nach England zu gehen.

Leute mit Plakaten