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Die Angst vor dem eigenen Scoop

Ich habe seit gestern abend wirklich Schnappatmung. Es tut mir schon fast körperlich weh, mitanzusehen, wie der NDR seinem Scoop, ein „weltexklusives Interview“ mit Edward Snowden zu senden, so dermaßen vergeigt, dass ich mich frage, wer da eigentlich Entscheidungen trifft und mit welchem Einfluss.

Ein Sender, in dem Sendungen wie extra3 und ZAPP laufen, bekommt bei einem exklusiven Snowden-Interview plötzlich kalte Füße oder ist einfach nur zu doof, damit richtig umzugehen? Er sendet es nur in Deutsch, der Livestream in den Tagesthemen wird unterbrochen, wenn Snowden-Ausschnitte laufen, ein Geoblocking verhindert, dass das Interview außerhalb Deutschlands gesehen werden kann. Und das alles, weil der NDR hofft, 3,50 Euro mit Verwertungsrechten im Ausland zu verdienen?

Weiße Fläche statt Snowden

So sieht die NDR-Seite aus dem Ausland aus. Andere Angebote kann ich übrigens anschauen, nur dieses eben nicht. Ja, ich weiß, dass es Proxies gibt, aber darum geht es mir nicht.

NDR-Seite mit leerem Videobereich

Kommunikation der Bürokratie

Und dann die Kommunikation! Erst wird behauptet, man habe die Rechte nicht. Nein, die hat eine 100%-ige Tochter der Tochter des NDR. Dann gibt man endlich die englische Version frei, damit die deutschen Bürger ihre in der Schule hart erworbenen Englischkenntnisse auch mal anwenden können, aber im Ausland darf man den Film auf dem ARD/NDR-Angebot immer noch nicht sehen. Auch auf YouTube ist alles geblockt – bis ein paar wahre Freunde der Informationsfreiheit es einfach ohne Geoblockierung online stellen und eine rechtliche Verfolgung riskieren. Die Bürger als Hüter der Medienfreiheit – während ein öffentlich-rechtlicher Sender sich lieber um seine Verwertungsrechte im Ausland sorgt für ein Interview, das man nach der Erstausstrahlung sowieso nur noch wie Sauerbier los wird, wenn man es nicht zeitgleich verkauft hat.

Also geht es wirklich nur um alberne Lizenzen oder hatte man am Ende doch Angst vor dem eigenen Scoop? Gab es doch politische Gründe für das ziemlich misslungene Prozedere?

Es nutzt nichts, die Presse- und Rundfunkfreiheit im Grundgesetz stehen zu haben. Es bedarf auch Journalisten und Fernsehmachern, die wissen, wie man mit dieser Freiheit umgeht. Ein Snowden-Interview ist keine Derrick-Folge, die man gerne noch ans schwedische Fernsehen verticken möchte, sondern ein solches Interview hat eine politische Dimension, die nicht nur für deutsche Fernsehzuschauer interessant ist, sondern weltweit von Interesse ist.

Warum sollen die Briten nicht erfahren dürfen, wie das mit dem gegenseitigen Abhören der eigenen Bürger funktioniert? Weil Channel4 die Rechte kaufen könnte, was sie dann aber doch nicht machen?

Ja, die Briten haben nicht so eine tolle Verfassung wie die Deutschen, deshalb scheut sich ihr Premierminister in einer Parlamentsdebatte auch nicht, Journalisten, die weiterhin Snowden-Material veröffentlichen, schamlos mit rechtlichen Schritten. Deshalb gibt es hier auch so etwas wie eine DA-Notice, in denen die Regierung, der Presse „nahelegt“, was sie denn bitte nicht zu schreiben hat. Und – Überraschung! – seit 2013 gibt es eine DA-Notice zu PRISM und der britischen Beteiligung daran.

Im Lizenzdschungel oder was?

Mir fallen viele Gründe ein, warum die weltweite Verbreitung des Interviews politisch nicht gewollt ist. Ich hoffe für die ARD und den NDR, dass sie sich einfach in ihrer Lizenzbürokratie verfangen haben und es keine politische Einflussnahme gab. Vielleicht sollte man mal anfangen zu überlegen, wie sie aus ihrem Tochterfirmen-Dschungel wieder rauskommen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Ja, die Bürger in UK, USA, China und sonst wo haben keine deutschen Fernsehgebühren bezahlt, aber ich bin mir sehr sicher, dass die Mehrheit der Bürger, die sie bezahlt haben, in diesem Fall sehr gerne gesehen hätte, dass mit ihrem Geld mehr Menschen erreicht werden als nur die, die zwischen Kiel und München wohnen.

Barrierefreie Kaffeesatzlesereien 2014

Inspiriert durch Thomas Knüwers Glaskugelige Kaffeesatzlesereien 2014 möchte ich mal ein paar Vorhersagen machen, was das Themen Barrierefreiheit und Behinderung 2014 angeht.

  • 1. Behinderung wird cool.

  • Ich beobachte schon seit einer ganzen Weile, dass Behinderung bei weitem nicht mehr das Negativ-Label hat, das es einmal hatte. Das zeigt sich in so nervigen Aussagen wie „Ansich ist ja jeder behindert.“ Manchmal habe ich das Gefühl, Leute fangen an, sich zu rechtfertigen, nicht behindert zu sein. Das ist natürlich völliger Quatsch, aber dennoch besser als dieser schamhafte Umgang aus den 80ern. Angesichts der Tatsache, dass Individualität ja auch gerade ziemlich hip ist, passt auch die Akzeptanz von Behinderung da gut rein. Wer will schon sein wie alle anderen?

  • 2. Die Cyborgs kommen. So what?

  • Dazu passt auch das Thema Cyborgs. Früher waren Prothesen etwas für Kriegsversehrte, jetzt sollen sie für alle da sein und angeblich will sie auch jeder. Ich hab da so meine Zweifel. Behinderte Menschen wird es immer geben, auch wenn sie sich jetzt Cyborgs nennen oder ein paar Nichtbehinderte meinen, ihr Handy mache sie schon zu einem Cyborg. So what? Ja, die Medien lieben das Thema, die Relevanz für behinderte Menschen ist allerdings ziemlich gering. Jedem die Schublade, in die er gerne passen möchte – zumindest so lange es nicht dazu führt, dass die Akzeptanz von behinderten Menschen darunter leidet. Wer glaubt, alle Behinderungen müssen und können mittels Technologie ausgerottet werden, ist alles andere als fortschrittlich, sondern allenfalls naiv.

  • 3. Für manche Airline wird es teuer, behinderte Menschen zu diskriminieren. Die anderen werden daraus lernen.

  • Oh, was freue ich mich auf dieses Urteil! Der Fluggesellschaft Easyjet droht 2014 in Frankreich eine Strafzahlung von 70.000 Euro, weil sie behinderte Kunden diskriminiert haben sollen. Ich prophezeie: Easyjet verliert auch in der letzten Instanz und muss zahlen.
    Es wird ein Ruck durch die Airlineindustrie gehen, die dann endlich merkt, dass auch behinderte Menschen Kunden sind und sie sich ihre Gäste nicht aussuchen können, jedenfalls nicht danach, ob die Kunden behindert sind oder nicht.

  • 4. Der Rollstuhlfahrer-Kinderwagen-Krieg in britischen Nahverkehrsbussen wird zugunsten der Rollstuhlfahrer entschieden.

  • Und auf noch ein Urteil freue ich mich. Ein britisches Gericht wird grundsätzlich entscheiden, ob Busgesellschaften die Rollstuhlplätze in Nahverkehrsbussen für Rollstuhlfahrer vorhalten müssen oder ob Busfahrer Rollstuhlfahrer abweisen können, wenn die Plätze durch nicht behinderte Fahrgäste, zum Beispiel Kinderwagen, genutzt werden. Ich prophezeie: Es wird zugunsten von Rollstuhlfahrern entschieden. Ein Urteil der Vorinstanz gibt es dazu schon. Das wird dazu führen, dass sich die britische Busindustrie endlich mal nach besseren Linienbussen umschaut und zwei Freiflächen einrichtet – eine für Rollstuhlfahrer und eine für Kinderwagen. Bis das passiert, werden Eltern ihren Buggy falten müssen oder aussteigen, wenn ein Rollstuhlfahrer kommt.

  • 5. Das soziale Modell von Behinderung kommt langsam immer mehr in Deutschland an.

  • Die Fortschritte bei der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen in Großbritannien sind vor allem auf das vorherrschende soziale Modell von Behinderung zurückzuführen. Behinderung wird als gesellschaftliche Aufgabe verstanden, nicht mehr als persönliches Schicksal, gegen das man wenig tun kann. Ich glaube, dass daran der Schlüssel liegt, Dinge in Deutschland für behinderte Menschen zu verändern und ich glaube, das soziale Modell von Behinderung wird immer mehr ins Bewusstsein der Menschen, auch der behinderten Menschen selbst, rücken.

  • 6. Auch behinderte Menschen, die Assistenz benötigen, dürfen künftig Geld verdienen.

  • Es gab eine sehr erfolgreiche Petition, es gab einen hervorragenden Beitrag von Panorama. Ich glaube, politisch ist der Status Quo, dass behinderte Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind, nur wenig verdienen können und nichts ansparen dürfen, nicht zu halten. Ich glaube, dass 2014 zumindest ein Gesetzentwurf auf den Weg gebracht wird, der das ändert.

  • 7. ARD und ZDF teilen mit, bis wann ihr gesamtes Programm untertitelt wird.

  • Bei einem Überschuss von 500 Millionen Euro an Rundfunkabgaben, ist es nicht zu verstehen, warum ARD und ZDF ihr Programm nicht endlich vollständig untertiteln. Mit dem Geld könnte man nicht nur untertiteln, sondern auch noch die Bildbeschreibungen für blinde Menschen massiv ausbauen. Zumindest sollten die Sender 2014 in der Lage sein mitzuteilen, bis wann sie die 100% Untertitel erreicht haben.

  • 8. Es wird mehr behinderte Menschen in ganz normalen Fernsehrollen geben.

  • Der Münsteraner Tatort macht es seit längerem vor. Der Tatort mit Nora Tschirner und Christian Ulmen hat es auch gezeigt. Die Lindenstraße kann es auch, wenn sie will: Es wird immer mehr sichtbar behinderte Menschen in ganz normalen Rollen geben. Das ist im britischen Fernsehen längst üblich und sollte auch in Deutschland bald normal werden. Der Tatort „Die fette Hoppe“ hat schon gut vorgelegt, aber da geht noch mehr.

  • 9. Sibylle Brandt wird neue Behindertenbeauftragte der Bundesregierung.

  • Keine Jahresvorschau 2014 ohne einen Tipp, wer Behindertenbeauftragte/r wird. Ich tippe auf Sibylle Brandt. In erster Linie weil Rolling Planet schon rumposaunt hat, es würde eine Frau von der SPD, aber sie dürften nicht sagen, wer. Rolling Planet sitzt in Bayern. Sibylle Brandt kommt aus Bayern und ist vom Netzwerk „Selbst Aktiv“ der SPD. Außerdem passt ihr Profil irgendwie zu dieser Regierung, finde ich.
    Sie hat einen Blindenführhund. Ich hoffe sehr, dass es dann endlich mal ein Assistenzhundegesetz in Deutschland geben wird, das zum einen die Ausbildungsqualität der Hunde absichert, aber auch das Abweisen von Assistenz- und Blindenführhunden unter Strafe stellt.

  • 10. SMS-Notruf startet in Deutschland flächendeckend.

  • Wer in Deutschland gehörlos ist und die Polizei oder Feuerwehr erreichen will, muss ein Fax schicken. Derzeit ist es nur in drei Bundesländern möglich, eine SMS im Notfall zu schicken. Die Bundesregierung hat schon x Mal zugesagt, das zu ändern, passiert ist nix. Das kann doch jetzt nicht noch einmal ein Jahr dauern, oder? Also, 2014 kommt der flächendeckende Notruf per SMS für gehörlose und sprachbehinderte Menschen.

Danke, EU!

Nicht erst seit ich in Großbritannien lebe, weiß ich die Errungenschaften der Europäischen Union durchaus zu schätzen. Nun lese ich, dass die EU durchsetzen will, dass alle öffentlich-rechtlichen Sender ihr Programm komplett untertiteln müssen. Ja, was soll ich sagen, danke EU! Die BBC wird das völlig kalt lassen, die untertiteln teilweise sogar die Werbung und zeigen, dass es eine vollständige Untertitelung möglich ist. Aber ich fürchte, in Deutschland wird es wieder Heulerei geben. Ich habe auf einen Tipp eines Lesers hier im Blog hin mir mal die Untertitelung von Anne Will angesehen und empfehle das jedem einmal selbst auszuprobieren. Das ist der absolute Hammer. Die Sendung ist teilweise nicht zu verstehen. Aber es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass überhaupt untertitelt wird.

Am Anfang als ich in Großbritannien lebte, habe ich mir einige Serien mit Untertitel angesehen, um mich in die Akzente reinzuhören und wirklich alles verstehen zu können. Seit dem weiß ich, was Untertitel für Ausländer für eine Bereicherung sein können. Insofern ist dieser Vorstoß nicht nur für gehörlose Menschen eine gute Sache.

Ich bin mal gespannt, wer als erstes gegen den Vorstoß aufjault…

Was das Leben so zu bieten hat

Es gab selten einen Tag, an dem ich lieber zur Arbeit gegangen bin. Ich war so gespannt, was mich bei BBC erwarten wird, nachdem bekannt wurde, dass unser Kollege Alan Johnston aus der Geiselhaft befreit wurde. Ich hatte schon vergangene Nacht gewusst, dass er frei ist. Ich kam relativ spät nach Hause und hatte irgendwie keine Lust, ins Bett zu gehen. Um 2 Uhr siegte die Vernunft und ich legte mich ins Bett und schaltete noch einmal BBC News24 an. Und eine Minute später gab es „Breaking News“. Ich habe den Fernseher bis kurz vor dem Aufstehen nicht mehr ausgemacht.

Es gab keinen Tag seit Alans Entführung, an dem er nicht Thema war. Jeden Montag haben sich die BBC-Mitarbeiter versammelt, um an ihn zu denken. Die Nachrichtenprogramme wurden dann unterbrochen. Wir standen bei Wind und Wetter vor der Tür mit Bildern von Alan.

Als ich noch bei World Service (Radio) war, habe ich an Programmen für und über Alan Johnston gearbeitet. So haben wir eine Sondersendung produziert, in der ehemalige Geiseln aus der ganzen Welt zu Wort kamen. Ich werde die Sendung niemals vergessen.

Wir hatten immer die Hoffnung, dass er das hören kann und dass es ihm irgendwie hilft. Ich gebe zu, wirklich daran geglaubt habe ich nicht. Um so mehr hat mich umgehauen, dass er im ersten Interview sofort sagte, er habe ein Radio gehabt und konnte World Service hören. Das hätte ihm sehr geholfen. Ich bin noch immer zu tiefst beeindruckt, dass ich die Möglichkeit hatte, an solch einem Programm mitzuarbeiten. Man macht ja als Journalist leider sehr selten die Erfahrung, wirklich etwas zu verändern. Das meiste versendet sich oder landet am Tag danach als Packmaterial beim Fischhändler. Aber das Gefühl zu haben, dass es etwas ausmacht, was man den ganzen Tag macht, ist ungemein erfüllend.

Heute nachmittag gab es eine weitere Demonstration zur Feier der Freilassung vor dem Fernsehzentrum der BBC. Als ich aus dem Gebäude kam, wusste ich, hier wird gerade britische Fernsehgeschichte geschrieben. Ü-Wagen aller Sender überall, Kameras von CNN bis Al Jazeera standen dort. Es gab eine Zeremonie, in der die riesigen Plakate am Gebäude, die zur Freilassung Alans aufriefen, abgehängt wurden und in einer sehr beeindruckenden Liveschaltung nach Israel konnte Alan Johnston zu uns vor dem Television Centre sprechen.

BBC Demo

Ich bin sehr froh, dass Alan frei ist und ich die Erfahrung machen durfte, wie eine riesige Organisation wie BBC derart zusammen steht und dass man doch irgendwie etwas bewegen kann. Allein diese Erfahrung war es wert, nach England zu gehen.

Leute mit Plakaten

Alan Johnston ist frei

Der BBC-Korrespondent Alan Johnston ist frei.
Ich freue mich so sehr!

BBC TVC mit Plakat von Alan Johnston

Fernsehsender für gehörlose Menschen

In Großbritannien gibt es jetzt den ersten Fernsehsender für gehörlose Menschen. Er heißt VeeSee und ist über das Internet oder eine Set-Top-Box empfangbar. Er gehört zu ViewTV, ein Angebot mit 900 Streamingsendern. Was ich bislang gesehen habe, hat mir gut gefallen: Einen Kurzfilm, Veranstaltungshinweise, eine Reportage. Das meiste wird in Britischer Gebärdensprache gesendet, ich habe aber auch schon Beiträge in Amerikanischer Gebärdensprache gesehen. Vieles ist dank Untertitel auch für hörende Menschen verständlich. Es gibt auch Ton zu manchen Beiträgen.

Es wird sehr interessant sein, wie die Werbeindustrie darauf reagiert. In England läuft bereits jetzt die Werbung im Fernsehen mit Untertiteln. Der Sender hat eine umfangreiche Webseite, auf der es ebenfalls Werbeplätze gibt. Ich habe bislang aber keine Werbung gesehen. Ich hoffe, das kommt noch.

Aktionstag für Alan Johnston

In beiden Nachrichtenprogramme der BBC, BBC World und News24, sowie auf Al Jazeera Englisch und Sky News wird heute teilweise das gleiche Fernsehprogramm zu sehen sein. Die Sender fordern mit dieser Aktion die sofortige Freilassung von BBC-Korrespondent Alan Johnston, der genau vor einem Monat entführt wurde. Auch CNN wird sich an der Aktion beteiligen. Solch eine Aktion ist wohl einmalig in der Geschichte des Fernsehens.

Plakat vor dem BBC Bush House

Kampf ums Augenlicht

Ich habe gerade ARD Exclusiv „Kampf ums Augenlicht“ gesehen. Die Reportage zeigt wie Leuten mit Retinitis Pigmentosa erstmalig Chips ins Auge eingesetzt werden, in der Hoffnung, sie wieder sehend zu machen. Surprise, surprise, am Ende des Filmes sieht natürlich keiner der Probanden. Nur einer kann eine Lichtquelle orten. Das ist aber etwas, was viele Leute mit RP noch können: Hell und dunkel von einander unterscheiden und Lichtquellen finden. Eine Information, die in dem Film schlicht und einfach fehlt. War das nun also der Chip oder konnte das der Proband sowieso?

Der Film ist nichts für schwache Nerven. Da wird genau gezeigt, wie ein Kabel zwischen Ohr und Auge verlegt wird und wie das Auge aufgeschnitten wird, um den Chip einzusetzen. Auch dass es den Probanden nach der OP nicht so besonders geht, wird gezeigt. Einer hat ein riesiges blutunterlaufenes Auge wie nach einem Boxkampf. Während des Filmes verlässt einen dann auch noch die Freundin. Überhaupt sind das ziemliche Strapazen, die die Leute da auf sich nehmen. Das Prozedere dauert Wochen und ich frage mich, ob die denn psychologisch betreut wurden während des ganzen Theaters. Auch die Familien? Ich glaube, sogar der Autor des Films hat am Anfang geglaubt, von einer Heilung berichten zu können. Im Film kippt das dann aber. Die Ärzte haben den Leuten Hoffnungen gemacht, die sie nicht erfüllen können – und wenn ich mal eine Prognose abgeben darf, auch nicht werden. Alle zwei Jahre, wenn die Fördergelder wieder auslaufen, wird das Thema Retina Implant in den Medien gehypt. Die EU hat bereits 10 Millionen Euro in das Projekt gesteckt. Davon hätte man ganz Deutschland mit Blindenampeln ausstatten können, an besseren Orientierungssystemen arbeiten können oder was auch immer. Ich bin wirklich nicht technologiefeindlich, aber ich glaube die sind einfach auf dem Holzweg.

Die Sendung wird am Montag um 18 Uhr auf 3sat wiederholt.

Gekommen, um zu bleiben

Ich habe mich entschlossen, vorerst in London zu bleiben. Deshalb habe ich am Wochenende bei dpa gekündigt. Ich war ja bei dpa sechs Monate beurlaubt und hätte im Juli zurück auf meine Stelle gehen können. Jetzt habe ich mich entschieden, zu bleiben. Die Gründe hierfür stehen ja bereits ausführlich in diesem Blog. Ab Mitte April bin ich in der Wirtschaftsredaktion bei BBC World TV. Bitte Daumen drücken, dass das alles so gut weitergeht wie bisher.

Comedy and Disability

Heute bin ich ein wenig früher gegangen, um vom Bush House zur BBC White City zu fahren. Dort gab es eine Veranstaltung für behinderte BBC-Mitarbeiter. Es wurde diskutiert, wie das Thema Behinderung in Comedysendungen integriert werden sollte und wie nicht. Allein dass das die BBC mit ihren behinderten Mitarbeitern diskutiert, finde ich ausgesprochen beeindruckend.

Noch beeindruckender fand ich allerdings die Menschen, die ich da kennengelernt habe: Einen blinden Politikredakteur, einen Auslandsredakteur ohne Arme, gehörlose Kollegen. Und fast alle Journalisten und Programmmacher, an die hundert Leute. Ich wette, in Deutschland gibt es im ganzen Land nicht so viele Journalisten und Programmmacher mit einer sichtbaren Behinderung wie heute in diesem Raum.