23.6.2013 / Christiane / Kommentare deaktiviert für Du bist nicht barrierefrei, Deutscher Bundestag
2002 war behindertenpolitisch ein wichtiges Jahr. Da hat der Deutsche Bundestag das Behindertengleichstellungsgesetz auf den Weg gebracht. Darin werden Träger öffentlicher Gewalt auf Bundesebene zur Barrierefreiheit verpflichtet. Darin steht in §11 der schöne Satz: „Träger öffentlicher Gewalt (…) gestalten ihre Internetauftritte und -angebote sowie die von ihnen zur Verfügung gestellten grafischen Programmoberflächen, die mit Mitteln der Informationstechnik dargestellt werden, (…) schrittweise technisch so, dass sie von behinderten Menschen grundsätzlich uneingeschränkt genutzt werden können.“
11 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes schafft es der Deutsche Bundestag nicht, sich einfach mal an sein eigenes Gesetz zu halten. Wenn er das täte, wäre die nagelneue Kampagnenseite „Du bist die Wahl“ barrierefrei. Die Videos hätten zum Beispiel Untertitel und eine Übersetzung in Gebärdensprache. Auch würde die Seite blinden Nutzern nicht mitteilen, dass sie in Englisch ist und der Sprachausgabe so eine falsche Sprache vorgaukeln. Auch behinderte Menschen „sind die Wahl“. Inklusion fängt vor der eigenen Haustür an, auch vor der des Deutschen Bundestages.
Deutschland ist für behinderte Menschen voll zugänglich. Glaubt Ihr nicht? Da habt Ihr recht, aber genau das will die Bundesrepublik Deutschland gerade behinderten Briten erzählen, denn die sollen in Deutschland bitte Urlaub machen. Dafür hat Deutschland, finanziert aus den Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums eine Printkampagne aufgelegt, die den erstaunlichen Slogan hat: „Access All Areas – Welcome to Germany“.
Weiter heißt es (sinngemäß) übersetzt „Deutschland bietet eine Fülle von Möglichkeiten für einen erholsamen Urlaub. Besucher mit Behinderungen und eingeschränkter Mobilität, Ältere eingeschlossen, und Menschen mit Sportverletzungen sind alle in der Lage Deutschland voll zu genießen. Deshalb bieten viele Orte, Städte und Regionen in Deutschland spezielle Pakete für Menschen Behinderungen an. Da ist etwas für jeden dabei.“
Leider vergisst die Werbung einige nicht ganz unerhebliche Dinge zu erwähnen. Wie das ja manchmal so ist bei Werbung. Oder die Verantwortlichen haben ihr Büro seit Jahren nicht verlassen und glauben ernsthaft, Deutschland sei barrierefrei.
Ich bin beim Realitätsabgleich gerne behilflich:
– Deutschland ist gar nicht so barrierefrei wie sich viele nicht behinderte Menschen einbilden. – An Europas größtem Flughafen Frankfurt ist es nur ganz schwer möglich, ein Taxi zu bekommen, das ein Kombi ist. Ein barrierefreies Taxi findet man an keinem Flughafen, das muss man Wochen vorher vorbestellen. In den meisten Städten gibt es gar keines. Wer stufenlos zur S-Bahn möchte, muss das Bahnpersonal des Flughafens Frankfurt am selten besetzten Servicepoint des Lokalbahnhofs bemühen und lernt den Müllraum des Bahnhofs kennen. Vielleicht meinten die Werber das mit „Access All Areas“. – Der Berliner Funkturm lädt alle Besucher ein, außer Rollstuhlfahrer. Die dürfen nicht hinauf. Aus Sicherheitsgründen. – Es gibt einen massiven Mangel an barrierefreien Toiletten. Überall. Einfach mal beim nächsten Kneipen- oder Restaurantbesuch darauf achten, ob es eine barrierefreie Toilette gibt. Nicht nur ebenerdig, sondern mit Griffen und so und breit genug für einen Rollstuhl. – Es gibt auch einen Mangel an barrierefreien Hotelzimmern, die nicht mehr als 100 Euro kosten. Einfach beim nächsten Urlaub oder bei der Dienstreise mal fragen, ob das Hotel barrierefreie Zimmer hat und ob diese Einzel- oder Doppelzimmer sind. Es scheint in Deutschland unter Hoteliers dieses Gerücht zu geben, behinderte Menschen reisen immer alleine. Ja, ich meine auch Euch, Motel One.
Und noch ein Wort an die Werber: Die Werbung ist eigentlich ein Fall für die britische Werbeaufsicht, aber ich frage mich, ob das die Mühe wert ist. Die Zielgruppe fühlt sich nämlich schon durch Euer Wording null angesprochen. „People with disabilities“ heißen in UK „Disabled people“. Eine Behinderung wie Ihr es meint ist ein „impairment“. Und ich vermute stark, dass sich die Senioren nicht sehr freuen, wenn sie als „the elderly“ in der Werbung angesprochen werden. Aber wer glaubt, Deutschland sei barrierefrei, der hat vermutlich eh nicht mit der Zielgruppe gesprochen.
iPhone 4S, iPad Mini, Samsung Serie 5 Ultra Touch 540U3C mit Windows 8 (ich bin vermutlich die einzige Nutzerin, die Windows 8 mag) New Trent Power Pack IMP1000 fürs iPhone und iPad, Perrixx Bluetooth Tastatur für mein iPad
Mich überkommt plötzlich der Drang, zu diesem oder jenem etwas bloggen zu müssen. Das führt leider zu etwas unregelmäßigen Einträgen.
Welche Tools nutzt du zum Bloggen, Recherchieren und Bookmark-Verwaltung?
Ich nutze WordPress. Außerdem lese ich tausende RSS-Feeds. Nachdem Google den Google Reader einstellt (das verzeih ich Google nie!), nutze ich jetzt The Old Reader. Außerdem nutze ich das gute alte Delicious.
Wo sammelst du deine Blogideen?
In meinem Kopf. Ich habe ein gutes Gedächtnis. Für den Blogeintrag über London habe ich allerdings eine Liste bei Fetchnotes angelegt.
Was ist dein bester Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet?
Ich blogge nicht, um Zeit zu sparen. Ich finde, WordPress macht einem das Bloggen schon recht einfach.
Benutzt du eine To-Do List-App? Welche?
Ja, RE.Minder Das ist sehr linear aufgebaut und simpel.
Gibt es neben Telefon und Computer ein Gerät ohne das du nicht leben kannst?
Na klar. Mein Rollstuhl. :-)
Gibt es etwas, das du besser kannst als andere?
Songtexte einprägen. Ich brauche ein Lied nur ein oder zwei Mal zu hören und ich kann den Text. Das ist leider auch bei den furchtbaren Liedern so.
Was begleitet dich musikalisch beim Bloggen?
Oft meine „Recently Played“ oder „Most Played“-Playlist.
Wie ist dein Schlafrhythmus – Eule oder Nachtigall?
Nachtigall. Vor 10 Uhr kann ich nicht schreiben, nach 22 Uhr dafür umso besser.
Eher introvertiert oder extrovertiert?
Eher extrovertiert, ich sage meine Meinung, erzähle aber nicht alles über mich.
Wer sollte diese Fragen auch beantworten?
Wer immer möchte.
Der beste Rat den du je bekommen hast?
Neid muss man sich verdienen, nur Mitleid bekommt man geschenkt.
Zwei Blogeinträge in einer Woche? Ich weiß nicht mehr, wann das zum letzten Mal vorkam, aber ich habe den Drang, auf diesen Blogeintrag zu antworten. Das Nuf hat sich über dieses Video geärgert
und ihren Ärger in den Blogeintrag mit dem Titel „Geht euch doch selbstverwirklichen, ich geh arbeiten“ fließen lassen.
Nun war ich schon bei der Überschrift verwirrt. Wo ist denn da der Widerspruch? Dann las ich den Blogeintrag und es wurde mir klarer. Ja, ich mag dieses theatralische Gesülze amerikanischer Art und solche Kitschvideos auch nicht besonders. Die Aussage finde ich allerdings nicht so verkehrt. Im Gegenteil.
Ich gehe tatsächlich arbeiten, weil ich das, was ich mache, gerne tue. Mein Beruf ist meine Berufung, meine Selbstverwirklichung. Ich wusste schon immer, ich möchte, nein, ich MUSS Journalistin werden. Seit ich 7 war und ganze Sätze schreiben konnte ungefähr. Als ich etwa 9 Jahre alt war bekam ich als Belohnung für eine Operation einen Tag beim ZDF geschenkt und ab da war ich endgültig verloren an den Journalismus.
Hätte ich auf die guten Ratschläge um mich herum gehört, wäre ich heute Juristin oder Lehrerin – „der Staat stellt ja doch manchmal Behinderte ein“ – oder Telefonistin – „das raten wir allen Rollstuhlfahrern“. Gott sei Dank bin ich so stur und habe wie eine Bekloppte daraufhin gearbeitet, Journalistin zu werden. Hat dann ja auch geklappt.
Nun brauche ich ja nicht zu verschweigen, dass es für mich schon etwas aufwendiger ist, arbeiten zu gehen, vor allem in einem Beruf, bei dem man ständig draußen rumturnt, als für Leute, die den Journalistenberuf auf zwei Beinen ausüben – das liegt in erster Linie in der nicht immer barrierefreien Umwelt.
Als ich Volontärin bei dpa war, hatte ich teilweise bis zu 3 Terminen am Tag an immer anderen Örtlichkeiten. Wenn ich die Räumlichkeiten nicht kannte, musste ich anrufen und alles abklären. Das ist auch heute noch so und klappt mal gut, mal weniger gut. Außerdem muss ich immer viel früher los als andere Kollegen, um pünktlich da zu sein, weil ich mit Rollstuhl ins Auto laden und Lifte suchen einfach langsamer bin. Das ist zwar alles manchmal nervig, aber ich liebe meinen Beruf so sehr, ich nehme das gerne dafür in Kauf. Und ja, ich könnte mich auch verrenten lassen, aber ich will das nicht. Mein Beruf ist meine Selbstverwirklichung.
Würde ich diesen Aufwand betreiben für einen Job, der mich nicht erfüllt? Wohl eher nicht. Und unterdessen picke ich mir auch im Journalismus die Rosinen raus. Ich schreibe nur noch, was mir Spaß macht, ich den Aufwand vertretbar finde und das ist mehr als genug.
Als ich meine Firma gründete, habe ich mich für diverse Existenzgründerprogramme beworben. Ich bin in einige aufgenommen worden. Ein Programm stellte mir eine Beraterin zur Seite, die, wie sich später herausstellte, auch Rupert Murdoch beriet. Auf fast jede Frage, die sie mir am Anfang stellte, antwortete ich mit „Weil ich das gut finde“ oder „Weil ich das so gerne mag.“ Ich habe damals eine deutschsprachige Zeitung gestartet, die als einziges Konzept hatte, eine Zeitung zu werden, die ich selber gerne lesen würde. Das gefiel ihr nicht. Ich solle mal aus meiner Komfortzone rauskommen, sagte sie mir. Da habe ich sie rausgeschmissen. Warum? Weil ich glaube, dass Menschen dann gut sind, wenn sie an das glauben, was sie tun. Das ist bei mir jedenfalls so. Außerdem hatte ich meine Komfortzone schon oft genug verlassen. Warum soll ich mir das Leben ungemütlich machen, wenn ich das Sagen habe? Zudem kann ich nichts verkaufen, was ich selber nicht mag. Ich habe an meine Zeitung geglaubt, sie aufgebaut und im vergangenen Jahr, nach 5 Jahren, verkauft. Ganz ohne die Murdoch-Beraterin. Auch das war Selbstverwirklichung, denn ich wollte wieder mehr selber schreiben und ein bisschen mehr Zeit haben.
Und manchmal macht es mich einfach wütend – vielleicht so wütend wie das Nuf beim Betrachten des Videos – wenn ich sehe, dass Menschen völlig gegen ihre Bestimmung leben, sie das Leben eines anderen leben oder weil ihnen das die Eltern oder sonst wer vorgegeben haben.
Wenn ich morgen tot umfalle (bitte nicht!), habe ich zumindest die Gewissheit, mein Leben mit dem ausgefüllt zu haben, was mir Spaß macht, zumindest dann, wenn es möglich war. Die negativen Dinge im Leben kommen so oder so. Da muss man nichts zu tun. Mein Beruf spielt bei den positiven Dingen eine sehr wichtige Rolle. Insofern kann ich die Aussage des Videos gut verstehen.
Wer ein bisschen verfolgt, was ich auf Twitter und / oder Facebook so schreibe, weiß, dass ich in den letzten 24 Monaten auf ein paar Bühnen dieser Stadt stand. Ich habe elf Jahre in Hamburg gelebt und stand auf keiner einzigen. Bühnen waren für mich immer ein Ort, zu dem ich nur mit großem Aufwand, wenn überhaupt, hinkomme. Ich war früher schon froh, wenn der Rollstuhlplatz im Publikum nicht in der letzten Reihe hinter einer Säule war. Die Zugänglichkeit der Bühne stand für mich gar nicht zur Diskussion. Ich hatte als Jugendliche mal gesehen, wie Wolfgang Schäuble bei einer Wahlkampfveranstaltung auf die Bühne gehoben wurde. Das wollte ich für mich nicht.
Dass Bühnen für mich wieder zu einer Option wurden, habe ich London und einer Verkettung mehrerer glücklicher Umstände zu verdanken. Der Kulturbetrieb insgesamt wirkt auf mich hier viel zugänglicher, aber ich habe mich dennoch nur sehr vorsichtig genähert. Sozialisation sucks!
Royal Festival Hall
Alles fing mit einem Flashmob-Chor an. Innerhalb eines Tages wurde geprobt und dann an drei Orten der Stadt gesungen – die Bühne war der öffentliche Raum, also barrierefrei. Dort lernte ich Lara Ruffle kennen, die mich fragte, ob ich nicht in ihrem Chor, der Lewisham Choral Society mitsingen möchte. Ich singe nicht besonders gut (aber war immer im Schulchor und kann Noten lesen) und so bin ich einfach hingegangen. Das erste Konzert war dann auch schon gleich in der Royal Festival Hall. Ausverkauft. Mit diesem Chor habe ich dann im gleichen Jahr auch bei den Paralympics gesungen.
In der Royal Festival Hall lernte ich, dass große Bühnen durchaus barrierefrei sein können. Der ganze Backstage-Bereich war barrierefrei und die Bühne konnte man hoch- und runterfahren. Ich bin, zusammen mit einem anderen Rollstuhlfahrer und einem gehbehinderten Mann im Chor (ja, ich war mal nicht die Einzige!), vorab auf die Bühne, diese wurde dann hochgefahren und so kamen wir stufenlos und ohne Probleme auf die Bühne.
Royal Albert Hall
Ende vergangenen Jahres meldete ich mich auf einen Aufruf, den ich über meinen „alten“ Chor bekam, ein Charity-Konzert in der Royal Albert Hall zu singen als Unterstützung eines großen Schulchores, der noch ein paar erwachsene Stimmen brauchte. Ermutigt durch die „Hebebühne“ der Royal Festival Hall, ging ich einfach hin und es war wieder kein Problem (nachdem ich das Bühnenmanagement davon überzeugt hatte, dass ich besser nicht oben auf einem Plateau mit zwei Stufen stehe). Die Hauptbühne ist barrierefrei, genauso der Backstage-Bereich. Auch in der altehrwürdigen Konzerthalle gibt es eine barrierefreie Toilette hinter der Bühne.
Abbey Road Studios
Anfang des Jahres habe ich den Chor gewechselt. Ich hatte einfach wieder Lust auf Rock statt auf Klassik und bin dem Rockchoir beigetreten. Dazu kam ich, weil mich wieder jemand fragte, ob ich nicht bei ihnen singen wolle, nämlich bei der Post-Olympic-Dance-Group, bei denen ich seit den Paralympics tanze – als einzige Rollstuhlfahrerin.
Musikinteressierten muss ich glaube ich nicht erklären, was die Abbey Road Studios sind.
Für den Rest: Es sind die wohl renommiertesten und bekanntesten Tonstudios der Welt. Die Beatles haben hier Alben aufgenommen, genauso wie Adele oder Pink Floyd. Ich war baff als ich erfuhr, dass mein Chor im April dort Aufnahmen machen wird. Wir hatten sogar den gleichen Toningenieur sowie den gleichen Flügel wie bei den Aufnahmen für „Skyfall“. Und es war einfach toll, sowas mal zu machen und die Akustik in den Studios ist Wahnsinn.
Das ist das Piano, auf dem „Lady Madonna“ gespielt wurde, ein Steinway Vertegrand Upright:
Seitdem die Plattenfirma EMI, der das Anwesen gehört, die Studios 2010 verkaufen wollte, hat die Regierung sie kurzerhand unter Denkmalschutz gestellt. Denkmalschutz und Barrierefreiheit verträgt sich auch in Großbritannien nicht immer gut und ich war doch etwas beunruhigt als ich mir am Abend vor der Aufnahme den Wikipedia-Eintrag durchlas und auf dem Foto sah, dass das Gebäude Stufen vor der Tür hat. Alle Sorge war umsonst. Auch die Abbey Road Studios haben einen ebenerdigen Eingang und so kam ich in die legendären Räumlichkeiten.
Und das ist das Ergebnis:
Diese ganzen Aktivitäten gehen nur, weil so vieles um mich herum barrierefrei ist. Die Kirchen, in denen die beiden Chöre proben, die Tanzstudios, in denen meine Tanzgruppe trainiert. Sadler’s Wells zum Beispiel ist einfach atemberaubend barrierefrei – mit Rampen, Duschen, Toiletten und Evakuierungsplan für Rollstuhlfahrer. Nicht das Theater. Der Probenbereich! Wir proben in vier verschiedenen Studios in London. Alle sind barrierefrei (eines hat eine einzige Stufe). Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es barrierefreie Tanzstudios gibt. Sozialisation sucks!
Update: Aus diesem Blogeintrag ist unterdessen eine eigene Webseite entstanden: London barrierefrei.
Eigentlich sollte dieser Blogeintrag schon vor Monaten erscheinen, um ehrlich zu sein, noch vor den Olympischen Spielen. Ich wollte schon länger eine Liste mit den wichtigsten Dingen aufschreiben, die man in Bezug auf London und Barrierefreiheit wissen sollte, da ich immer mehr Anfragen dazu bekomme. Hier ist also die ultimative Liste mit dem, was man über London und seine Barrierefreiheit wissen sollte (neue Punkte sind fett markiert):
Allgemein
London ist barrierefreier als sein Ruf.
Planung schadet aber dennoch nicht.
Es gibt viel mehr barrierefreie Toiletten als auf dem Kontinent. Auch in Einrichtungen, in denen man als Kontinentaleuropäer keine barrierefreie Toilette vermuten würde, gibt es oft eine. Einfach fragen!
Der Euroschlüssel, den man auf dem Kontinent hat und der einem Zugang zu Behindertentoiletten gibt, heißt hier Radarkey und sieht anders aus. Bestellen kann man ihn hier.
Alle Ampeln in Großbritannien sind barrierefrei. Unterhalb des gelben Kastens gibt es einen Kegel, der sich dreht. Auf dem Boden befinden sich taktile Platten, um die Ampel auch für blinde Menschen auffindbar zu machen.
Es ist gesetzlich verboten, behinderte Menschen zu diskriminieren. Unternehmen, die es doch tun, machen sich schadenersatzpflichtig.
Qualifizierte und gekennzeichnete Assistenzhunde dürfen daher in jede Einrichtung, jedes Geschäft oder Restaurant.
An den meisten Kassen und Informationsschaltern gibt es Induktionsanlagen für schwerhörige Menschen. Einfach nach dem Ohr mit T-Symbol Ausschau halten und das Hörgerät auf T schalten.
Viele Restaurantketten (z.B. Cafe Rouge, Nando’s oder Pizza Express) haben auch Speisekarten in Braille. Einfach nachfragen.
Ich habe bei Foursquare diverse Listen mit barrierefreien Plätzen in London angelegt.
Wer medizinische Hilfe benötigt, kann sich als EU-Bürger kostenfrei vom National Health Service behandeln lassen. Für Notfälle sind, wie in Deutschland, die Notaufnahmen (Accident & Emergency) zuständig, wer weniger dringend Hilfe braucht, kann sich an ein Walk-In-Centre wenden. Ich habe mit dem Walk-In Centre in Soho gute Erfahrung gemacht. Die können auch Rezepte ausstellen. Zur kostenlosen Behandlung EHIC-Karte nicht vergessen, sonst zahlt man 75 Pfund!
Öffentliche Verkehrsmittel
Am schnellsten kommt man vom Flughafen Heathrow mit dem Heathrow Express in die Stadt. Billiger ist es aber mit der U-Bahn. Alle Stationen in Heathrow sind barrierefrei. Wer lieber mit dem Heathrow Express fährt und während der Fahrt den Rollstuhl nicht verlässt, kann für sich und eine Begleitperson eine ermässigte Fahrkarte kaufen (Disabled Discount). In dem Fall braucht man keine Disabled Railcard.
Transport for London hat umfangreiches Kartenmaterial, das man sich an jedem Ticketschalter kostenlos geben lassen kann.
Es gibt Karten in Großdruck, mit verschiedenen Kontrasten, Karten mit barrierefreien Toiletten und sogar einen akustischen U-Bahnplan.
Alle Londoner Busse sind barrierefrei und haben Rampen, die automatisch ausfahren.
Die meisten Rampen befinden sich an der hinteren Tür des Busses. Einfach dem Busfahrer ein Zeichen geben und er fährt sie aus.
Rollstuhlfahrer zahlen in Londoner Bussen grundsätzlich nichts, egal ob Londoner oder nicht.
Das gilt nicht für alle anderen Verkehrsmittel wie U-Bahn, DLR oder Overground.
Eine Begleitperson ist in London in öffentlichen Verkehrsmittel nie frei. Am besten kauft man sich eine Oyster-Karte, lädt sie auf und fährt sie ab. Das ist am preiswertesten.
Außerdem hat die Organisation Transport for All, für die ich ehrenamtlich arbeite, umfangreiche Informationen online.
Transport for All hat auch eine Hotline, an die man sich wenden kann, wenn man Hilfe bei der Planung braucht oder die einem hilft, wenn man ein Problem hat, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen: +44 20 7737 2339. Es gibt die Organisation auch auf Twitter unter @transportforall und Facebook Außer mir spricht da allerdings niemand Deutsch, also Anfragen bitte in Englisch stellen.
Es gibt tolle Apps, die einem die Planung sehr vereinfachen. Nur eine kleine Auwahl: Mit Travel Deluxe kann man seine Route (barrierefrei) planen, Bus Checker zeigt an, wann der nächste Bus kommt (geht auch mit Voice Over) und Bus Mapper hilft einem, die passende Busroute zu finden.
Londons U-Bahnsystem ist nur bedingt barrierefrei. London hat 270 Stationen, davon sind derzeit 66 stufenlos per Rampe oder Lift zugänglich.
Seit den Olympischen Spielen gibt es an manchen Stationen so genannte Platform Humps, also Bahnsteigerhöhungen, z.B. in Green Park Station, Earl’s Court (Piccadilly Line) und Brixton. Unbedingt die Beschilderung an den Stationen dazu beachten.
Außerdem gibt es manuelle Rampen, die an den Zug angelegt werden können, an manchen Stationen. Derzeit sind das: Hammersmith, King’s Cross St. Pancras, West Ham, Westminster, Southfields, Wimbledon, Earl’s Court, Fulham Broadway, Stratford, Woodford, Oxford Circus, Queen’s Park, Edgware, Morden, Finchley Central und Stockwell. Einfach einen Mitarbeiter an der Startstation ansprechen, auch wenn man die Rampen nur an der Zielstation braucht. Die funken die Kollegen dann an.
Stationen, die mit einem weißen Rollstuhlfahrer-Symbol gekennzeichnet sind, haben eine große Stufe in die Bahn, aber zum Bahnsteig kommt man stufenlos.
Stationen, die ein blaues Rollstuhlfahrer-Symbol haben, haben einen ebenerdigen Einstieg in die Bahn.
Der Osten Londons ist erheblich barrierefreier als der Westen.
Alle Stationen der Docklands Light Railway (DLR) sind barrierefrei und haben einen fast ebenerdigen Einstieg.
Zu fast allen Stationen fahren auch Busse. Allerdings dauert die Fahrt mit dem Bus wegen des dichten Verkehrs oft ewig.
Ist ein Lift an einer Station defekt und gibt es keine direkte Alternative per Bus, zahlt Transport for London ein von ihnen gebuchtes Taxi. Einfach beim Stationsmanager melden.
Transport for London hat diverse Videos produziert, die erklären, wie man in London barrierefrei voran kommt.
Taxis
Alle London-Taxis (Black cabs genannt) sind barrierefrei. Das heißt, sie haben Rampen, die angelegt werden können. Die Türen kann man aushängen, so dass sich die Türöffnung vergrößert.
Alle Taxis haben zudem eine ausklappbare Stufe, um den Einstieg für gehbehinderte Menschen zu erleichtern. Manche haben einen drehbaren Sitz.
Taxifahrern droht Lizenzentzug und/oder ein Bußgeld, wenn sie einen wegen eines Assistenzhundes oder aufgrund der Behinderung nicht mitnehmen wollen.
London hat derzeit zwei Taxi-Apps, die ich beide empfehlen kann: Hailo und GetTaxi. Ich persönlich nutze Gettaxi.
Mit dem Auto nach London
Wer seinen Londonaufenthalt nicht im Auto verbringen möchte, dem rate ich dringend davon ab, mit dem Auto in die Innenstadt zu fahren. Es staut immer und überall.
London hat furchtbar komplizierte Parkregeln für behinderte Menschen, die von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind. Wer es dennoch versuchen will, dem empfehle ich den Blue Badge Parking Guide für London. Da stehen alle Regelungen drin – allerdings muss man selber rausfinden, in welcher Gemeinde man sich gerade befindet.
Unterkunft
Es gibt zahlreiche Hotels mit barrierefreien Zimmern. Hilfreich ist es, wenn das Hotel auch an einer barrierefreien U-Bahnstation ist oder zumindest relativ zentral liegt.
Ich habe gute Erfahrungen mit den Ketten Holiday Inn Express und Premier Inn gemacht. Im oberen Preissegment ist es gar kein Problem, barrierefreie Hotelzimmer zu finden.
Kultur
Viele kulturelle Einrichtungen bieten spezielle Angebote für behinderte Menschen. Museen bieten so genannte „Touch tours“ an, es gibt Theatervorstellungen mit Untertitel, in Gebärdensprache oder mit Audiodeskription. Wann und wo es diese Vorführungen gibt, kann man bei Access London Theatre nachsehen.
Manche Einrichtungen bieten Rabatt für Menschen mit Behinderungen an. Manchmal ist die Begleitperson auch frei, aber nicht immer. Einfach fragen.
Die meisten großen Theater und Einrichtungen haben ein so genanntes „Accessibiliy Statement“ auf ihrer Webseite, wo sie erklären was sie für Barrierefreiheit tun, wohin man sich wenden muss, wenn man die Rollstuhlplätze reservieren möchte oder welchen Service sie sonst noch anbieten, was sehr hilfreich ist vor dem Besuch.
Die meisten Sehenswürdigkeiten sind barrierefrei. Selbst historische Gebäude wurden, wenn es irgendwie möglich war, barrierefrei umgebaut. English Heritage hat eine gute Übersicht über Barrierefreiheit ihrer Sehenswürdigkeiten auf der Webseite.
Sprache
Die Briten sind sehr hilfsbereite Menschen und fragen eher einmal zu viel als einmal zu wenig. Es ist aber kein Problem, das Hilfsangebot mit „No, thank you. I’m fine“ abzulehnen.
Wenn man um etwas bittet oder sogar etwas fordert, sollte man das dennoch, wenn möglich, immer als Frage formulieren („Could you open the ramp, please?“).
Das Wort „handicap“ ist im Englischen verpönt. In Großbritannien wird es in Bezug auf behinderte Menschen so gut wie gar nicht mehr genutzt. Richtig ist „disability“ oder „disabled“.
Viel Spaß in London!
Die Liste wird weiter ergänzt, wenn mir noch weitere Punkte einfallen, die mir wichtig erscheinen.
Unternehmen, die mit Barrierefreiheit werben und versuchen, behinderte Kunden anzusprechen, haben bei mir eigentlich schon gewonnen. Es ist so selten, dass behinderte Kunden als Zielgruppe erkannt werden, dass ich mir schwer tue aus lauter Verbundenheit noch irgendwo anders hinzugehen als zu denen, die mich als Kundin wertschätzen.
Ich bin jetzt zum zweiten Mal im Scandic Hotel am Potsdamer Platz. Scandic ist eine skandinavische Hotelkette, die ein umfassendes Konzept zur Barrierefreiheit in ihren Häusern etabliert hat und damit auch wirbt. PR-mässig hat sich das in jedem Fall schon ausgezahlt – immerhin berichtete unter anderem CNN über das Konzept. Aber wie sieht das nun in der Praxis aus? Alles nur Werbung?
Das Problem ist natürlich, das sei vorweg bemerkt, wenn ein Unternehmen damit wirbt, besonders barrierefrei, besonders familienfreundlich, besonders umweltfreundlich oder was auch immer zu sein, dass man umso mehr auf die Mängel achtet, die dann doch in dem jeweiligen Bereich herrschen, die einem bei einem anderen Unternehmen vielleicht gar nicht aufgefallen wären. Dennoch dachte ich, es sei gut, meine Erfahrungen mal zu bloggen – vielleicht um auch andere Hotels anzuregen, sich mal ihr eigenes Haus mal genauer anzuschauen.
Die Ankunft
Am Eingang gibt einen Nebeneingang mit einem elektronischen Türöffner, so dass man gar nicht durch die Drehtür muss. Das Hotel wirbt mit dem Konzept „Design für alle“. Warum also kein Eingang für alle? Blinde Menschen würden den Nebeneingang erst einmal gar nicht so einfach finden.
Die Begrüßung an der Rezeption war vorbildlich. Die Rezeptionistin wies mich sofort darauf hin, dass der Tresen am Ende niedriger ist und zog mit mir dahin um. Das lässt auf eine gute Schulung des Personals schließen. Außerdem sind diese niedrigen Tresen in Hotels nicht selbstverständlich und sind sehr angenehm für mich als Rollstuhlfahrerin. Dann fragte sie mich, ob sie die Türverankerung aushängen lassen soll. Ich wusste erst einmal gar nicht was sie meint. Als ich am Zimmer ankam, verstand ich es.
Der Weg zum Zimmer
Ich würde es mit „unproblematisch“ zusammenfassen, aber es gibt ein Aber. Ein Hotel, das damit wirbt, barrierefrei zu sein, sollte kein Gedöns wie Aschenbecher und Glaselemente vor den Aufzugrufknopf stellen. Wenn ich mich schon vorbeugen muss, um dran zu kommen, ist der Knopf für jemandem im E-Rolli eher schlecht zu erreichen. Blinde Menschen laufen auch gerne mal in so etwas rein.
Super sind die gewählten Bodenbeläge, denn sie sind extrem rollfreundlich. Nichts ist schlimmer als dicker Teppichboden in Hotels. Darauf rollen weder Rollstühle noch Koffer gut.
Ein weiterer Punkt, der mir im Lift auffiel: Vogelgezwitscher im Fahrstuhl und eine Sprachausgabe mit der Stockwerksansage vertragen sich nicht. Man hört nämlich die Stockwerksansage nicht mehr gut, vor allem wenn sie so leise ist wie hier.
Das Zimmer
Ach du meine Güte, gebe es einen Preis für die schwergängigsten Hoteltüren der Welt – Scandic Hotel Potsdamer Platz, der Preis wäre Deiner. Diese Türen sind nicht nur für behinderte Hotelgäste eine Zumutung, sondern für jeden. Dieser Bügel, der die Tür automatisch ins Schloss fallen lässt, ist so stark eingestellt, dass man die Tür nur schwer öffnen kann. Doof mit Kindern, doof mit Koffern, doof im Rollstuhl. Dem Hotel ist das Problem offensichtlich bekannt, sonst hätte die nette Rezeptionistin nicht gefragt, aber Design für alle ist nicht „Wir hängen für die Rollstuhlfahrer die Türsteuerung aus“.
Das Zimmer sonst ist großzügig. Es gibt Lichtsignalanlagen für gehörlose Kunden und elektrisch verstellbare Betten. Das Bett kann man im Rollstuhl nur von einer Seite aus anfahren. Das ist nicht ideal, aber absolut Standard in barrierefreien Zimmern und für mich nicht so tragisch – wenn da nicht die Fernbedienung wäre… Als ich in mein Zimmer kam, lief der Fernseher und man forderte mich auf, die „OK“-Taste der Fernbedienung zu drücken für die Hotelinformationen. So weit so normal. Aber die Fernbedienung lag so, dass ich sie niemals alleine erreicht hätte ohne aufs Bett zu steigen und auf die andere Bettseite zu klettern. Das war mir dann aber doch zu viel Aufwand.
Der Gang an einer Seite des Bettes ist zu schmal, um mit dem Rollstuhl durchzupassen. Ich rief also die Putzfrau, die glücklicherweise vor meiner Tür putzte und ließ mir die Fernbedienung geben. Genau das gleiche Problem hatte ich bereits vor einem Jahr als ich schon mal im Scandic-Hotel übernachtet habe.
Mein persönliches Highlight in meinem Zimmer ist allerdings die Stehlampe. Ich kenne sicher fast 1000 barrierefreie Hotelzimmer auf der ganzen Welt – noch nie irgendwo sonst habe ich eine Stehlampe im Zimmer gehabt, die ausschließlich mit dem Fuß zu bedienen ist (oder wenn man sich aus dem Rollstuhl lehnt, aber das fällt für mich nicht unter die Kategorie „barrierefrei“).
Das Bad
Die Badausstattung ist ziemlich gehoben, aber ebenfalls Standard, was barrierefreie Hotelbäder angeht. Lustig fand ich, dass das Hotel mir im Bad irgendein Angebot macht – am Spiegel. Welches das ist, kann ich Euch nicht sagen. Ich kann es nicht lesen, es hängt viel zu hoch. Auch hat man eine handtuchwaschtechnische Botschaft an mich. Die kann ich ebenfalls nicht lesen, weil sie für mich unerreichbar ist. Ich ahne angesichts meiner Hotelerfahrung allerdings, dass es darum geht, Handtücher zu sparen und so.
Resüme
Keine Frage, Scandic hat definitiv das Thema Barrierefreiheit im Blick. Ich finde vor allem das Personal sehr gut geschult, was sowieso immer die halbe Miete ist. Allerdings unterscheiden sich die Zimmer kaum von anderen barrierefreien Zimmer in dieser Preiskategorie, wenn man vom elektrisch verstellbaren Bett absieht. Und wie immer steckt der Teufel im Detail. Die Fernbedienung gehört nicht auf den nicht erreichbaren Nachttisch und die Stehlampe mit Fußbedienung gehört gar nicht ins Zimmer. Es sind die Kleinigkeiten, die wie so oft den Unterschied zwischen gut und sehr gut ausmachen. Scandic ist sicher auf einem guten Weg. Aber es geht noch viel besser.
Ich habe endlich ein neues Auto. Es hat auch lange genug gedauert, mehr als zwei Jahre, was zum einen an mir lag, weil ich einfach keine Entscheidung treffen wollte und am Ende an Ford, aber nun ist mein Auto endlich da.
Der Grund, warum ich keine Entscheidung getroffen und schon viel eher ein neues Auto gekauft habe ist, dass ich grundlegend etwas ändern wollte, was das Verladen meines Rollstuhls und das Handgas angeht. Ich fahre bislang einen Audi A3. Der ist unterdessen 11 Jahre alt und die Automatik funktioniert derzeit nur noch, wenn das Auto kalt ist – also die ersten 10 Kilometer. Dann schaltet er nicht mehr. Ich musste jetzt also etwas tun.
Bislang nehme ich die Hinterräder am Rollstuhl ab, klappe die Rückenlehne des Rollstuhls nach vorne und hebe die Räder und den Rest des Rollstuhls über mich drüber. Das war auch okay als ich Anfang 20 war. Nur langsam mag mein Rücken das ständige Heben mit gedrehtem Rücken nicht mehr so sehr. Zudem machen die Räder im Winter ständig dreckige Klamotten.
Dann hatte ich die Idee, einen Van mit Rampe zu kaufen. Diese Idee fand ich so lange gut, bis ich mir die Autos ansah und merkte, wie lang die sind. Damit kriege ich in der Innenstadt Londons niemals einen Parkplatz, schon gar nicht einen, wo hinten noch Platz für die Rampe wäre. Dann hatte ich die Idee, eine Hebebühne an der Seite anbringen zu lassen, aber das fand ich auch zu viel. Und was, wenn die Hebebühne kaputt ist oder sie mir beim Aussteigen auf die Straße jemand abfährt? Noch mehr Technik im Auto? Ich war also nicht mehr so überzeugt.
Dann war ich im Sommer auf einer Hilfsmittelmesse in London. Dort hatte Ford einen Stand. Ich habe mich noch nie sonderlich für Ford-Fahrzeuge interessiert. Ich bin bislang nur Golf und Audi gefahren. Made in Germany und so. Ford stellte dort ein Modell aus, das gerade auf den Markt gekommen war. Den Ford B-Max.
Ich sah das Auto und wusste, das könnte mein Verladeproblem lösen, denn es ist der erste Minivan ohne B-Säule. Da er hinten Schiebetüren hat, bildet sich eine Einstiegsbreite von 1,50 Meter. Ich muss den Rollstuhl nicht mehr über mich drüber heben, sondern kann ihn hinter mich legen. Vorher musste ich immer einen Dreitürer fahren, damit die Einstiegsbreite groß genug war, um den Rollstuhl noch reinzukriegen.
Ich hebe zwar immer noch, aber nicht mehr im gedrehten Zustand und auch nicht mehr über mich drüber sondern lege den Rollstuhl hinter mich. Dafür setze ich mich im rechten Winkel auf den Fahrersitz.
Ich habe mir auch ein neues Handgassystem ausgesucht. Das war insofern etwas schwierig, weil der Handgasmarkt in Großbritannien ganz anders ist als in Deutschland. Das hat auch damit zu tun, dass die Kosten der Staat trägt über ein Programm namens Motability. Die Leute suchen hier die Handgasgeräte aus dem Katalog aus, aber das wollte ich nicht. Ich wollte es zumindest einmal ansehen bevor ich es kaufe. Das war gar nicht so einfach – ein klarer Fall von Cultureclash, aber ich habe letztendlich doch einen Einbauer gefunden, der mich empfangen hat, mir alles erklärt hat und der hat dann auch den Auftrag bekommen. Wie das Handgas aussieht, sieht man hier:
Wenn ich den Hebel drücke, bremst das Auto, wenn ich ihn anziehe, gibt es Gas. Dieser Hebel ist letztendlich eine Verlängerung der Pedale. Die sind auch noch da. Das Auto kann also auch von nicht behinderten Personen gefahren werden.
Ganz interessant fand ich, wie Ford in Großbritannien für das Auto wirbt – als hätten sie behinderte Menschen zumindest ein bisschen im Hinterkopf gehabt: „No pillars. No barriers. Life is an open door.“ (Keine Pfosten. Keine Barrieren. Das Leben ist eine offene Tür.)
Wenn das keine Rollstuhlfahrer anspricht, dann weiß ich auch nicht.
Ich hasse nichts mehr als Ablage zu machen – also dieses Ordner aufschlagen, Blatt lochen, abheften. Gruselig. Es hat nichts mit Computer oder Internet zu tun. Seit meine Buchhaltung in der Cloud liegt und ich zumindest eingehende Rechnungen alle einscanne bzw. gleich per E-Mail anfordere, ist es besser geworden. Ja, britische Finanzämter akzeptieren im Gegensatz zu deutschen, Rechnungen per E-Mail, aber ich schweife ab…
Diese Idee einen Scanner zu haben, den ich mitnehmen und gleich das Papier in die Dropbox senden kann, fand ich großartig. Nach zwei Wochen warten, war Doxie Go endlich wieder bei Amazon verfügbar und ich bestellte sofort. Dass Doxie ein ziemlich gutes Marketing hat, bemerkte ich schon als ich mit Nico twitterte und man sich in unsere Diskussion einschaltete – und das obwohl wir Deutsch sprachen.
Das Gerät Doxie Go kam und es machte nur Probleme. Dahin ist mein Traum vom papierlosen Büro, dachte ich. Es verlor Scans, egal ob ich es per Wifi oder USB anschloss und die Batterielampe blinkte schon nach 10 Seiten. Das Gerät lädt über USB, aber man kann nicht während des Ladens scannen, was ewige Wartezeit zwischen dem nächsten Scanvorgang verursachte. Ich stand in Kontakt mit dem (wirklich erstklassigen) Support, aber nach zwei Tagen platze mir der Kragen. Ich packte alles wieder ein und schickte es zu Amazon zurück, aber nicht ohne eine Bewertung zu hinterlassen. Und ich bestellte das Konkurrenzprodukt: Fujitsu ScanSnap S1100.
Es dauerte nicht lange, da meldete sich Doxie bei mir. Jemand in der Geschäftsführung schrieb mir eine lange E-Mail und bedauerte meine schlechten Erfahrungen mit Doxie. Sie seien sich sicher, dass ich ein fehlerhaftes Gerät bekommen habe. Er habe Amazon beauftragt, mir ein neues Gerät zu schicken. Kostenfrei und man habe ein Ladegerät, was bei der Standardausstattung enthalten ist, hinzugelegt, damit ich auch scannen kann, wenn die Batterie leer ist, etwas was ich beim Support kritisiert hatte.
Nun bin ich seit heute im Besitz von zwei Scannern und habe sie beide getestet und für gut befunden. Ich dachte, ich lasse die Welt mal an meinen Erfahrungen teilhaben:
Doxie Go
Tatsächlich waren die oben beschriebenen Probleme mit dem neuen Gerät verschwunden und ich bin jetzt ziemlich happy mit dem Gerät. Die neue Batterieleistung konnte ich noch nicht testen. Sie soll bei etwa 100 Seiten liegen, etwas weniger, wenn man Wifi benutzt. Da ich jetzt aber ein Ladegerät habe, ist das nicht mehr meine Sorge.
Das Gerät wirkt optisch als sei es von Apple. Einfaches aber schickes Design, in weiß gehalten. Das Gerät hat nur einen Knopf, der gleichzeitig optisch anzeigt, wenn das Gerät gerade Daten überträgt, Strom braucht oder ein Problem hat. Das funktioniert über verschiedene Farben und Blinken oder Nicht-Blinken. Ich musste die Bedienungsanleitung zu Rate ziehen, um zu kapieren, was dem Gerät fehlt oder auch nicht. Leute, die farbenblind sind, werden damit ihre Probleme haben. Mal bedeutet Blinken etwas Gutes (Datenübertragung), mal etwas Schlechtes (Batterie leer). Finde ich nicht so gut gelöst.
Das Scannen aber könnte nicht einfacher gehen. Mit dem Einlegen des Blattes erkennt der Scanner, dass er scannen soll und tut das auch. Dann überträgt er die Datei per Wifi (wenn man eine entsprechende Karte dazu gekauft hat) oder USB an den Rechner.
Eine wirklich gute Bedienbarkeit hat die mitgelieferte Software. Die kann man einfach von der Webseite runterladen. Ich fand sie sehr einfach zu bedienen und zu verstehen. Man muss allerdings den Import in die Software per Mausklick starten. Ein Schritt, den ich überflüssig finde, denn die Software merkt, dass gescannt wurde, möchte aber bestätigt haben, dass man die Dokumente importieren möchte. Aber alles andere danach ist gut durchdacht. Nach dem Import kann man auswählen, ob man Seiten „zusammenheften“ möchte und kann dann z.B. ein PDF generieren, das sogar durchsuchbar ist. Wenn man das alles kabellos tun möchte, benötigt man zusätzlich eine Eye-Fi-Karte von SanDisk. Man muss Doxie Go vorher über Kabel verbunden haben, bevor man Eye-Fi nutzen kann. Immer darauf achten, dass die Karte richtig weit im Doxie Go steckt, sonst geht es nicht. Es gibt auch eine Schnittstelle zu Evernote und die Möglichkeit, Daten zum iPhone zu übertragen, ich nutze aber Dropbox und das funktioniert super.
Fujitsu ScanSnap S1100
Der Coolnessfaktor bei Fujitsu ScanSnap S1100 ist nicht zu vergleichen mit Doxie. Das ist ein Scanner, kein hippes Gadget. Aber das Gerät wirkt hochwertiger, aber eben konservativer, was sicher auch einer anderen Käufergruppe geschuldet ist. Zum Scannen klappt man vorne eine Klappe auf und drückt auf den „Scan“-Knopf. Das Gerät wird über USB an den Rechner angeschlossen, nicht über Wifi. Die Software ermöglicht einem das „Zusammenheften“ von Dokumenten beim Import. Mehrseitige Dokumente kann man auch als solche speichern und wie bei Doxie z.B. als PDF ablegen. Man muss bei mehrseitigen Dokumenten nicht jedesmal den Scanknopf drücken, sondern das Gerät merkt, dass man weiterscannen möchte, sobald man ein neues Blatt einlegt. Allerdings hat das Gerät im Gegensatz zum Doxie keinen internen Speicher.
Die Software erinnert sehr an Windowssoftware, man findet sich recht schnell zurecht. Man kann sagen, wohin man das Dokument schicken möchte (in einen Ordner zum Beispiel oder sogar zu Google Docs). Was mich persönlich allerdings nervte, die Installation der Software funktioniert nur über CD-Rom. Wer hat noch ein CD-Rom-Laufwerk an seinem Laptop? Ich nicht. Also musste ich auf die Suche nach einem externen Laufwerk gehen. Auf der Webseite steht nur die Fujitsu-eigene Software zur Verfügung, aber aus Lizenzgründen nicht Abbyy Fine Reader, um durchsuchbare PDFs zu erstellen. Finde ich nicht mehr zeitgemäß und das sollte Fujitsu dringend ändern. „Do not lose this disk“ stand dann auch prompt auf der CD. Ich habe dann am Ende ein papierloses Büro, aber eine Software-CD-Sammlung?
Fazit
Beide Geräte sind durchaus zu empfehlen. Doxie Go hat den Vorteil, dass es auch per Wifi funktioniert. Die Software wirkt moderner, aber die Bedienbarkeit ist bei beiden gut. Die Scanqualität ist bei beiden Geräten gleich, mir ist kein Unterschied aufgefallen. Ich konnte auch bei der Scangeschwindigkeit keine großen Unterschiede feststellen. Der Doxie Go ist etwas schwerer als der ScanSnap, was ja bei Geräten, die man auch schon mal mitnimmt, von Bedeutung sein kann. Ich hatte mit beiden Unternehmen über Twitter Kontakt und muss sagen, beide machen einen guten Job, was Kundenbetreuung angeht. Zumindest in Großbritannien kosten beide Geräte fast das Gleiche (um die £150 – rund 177 Euro), mit Wifi für den Doxie Go kommt der Preis für die Eye-Fi-Karte hinzu. Meinem papierlosen Büro stehen jetzt jedenfalls zwei gute Geräte zur Verfügung.