Neulich saß ich mit Alexander in Frankfurt beim Essen. Wir unterhielten uns über die sehr überschaubare Community an Bloggern, die sich behindertenpolitisch äußern, und feixten, dass er, Jule, Raul und ich niemals in einem Auto oder ins selbe Flugzeug steigen dürften. Wenn uns etwas zustößt, gibt es im deutschsprachigen Raum kaum noch jemanden, der behindertenpolitisch bloggt und twittert. Wir mussten zwar darüber lachen, aber eigentlich ist es eher zum Heulen. Wenn wir uns selbst nicht für behindertenpolitische Belange und Barrierefreiheit einsetzen, wer dann?
Und paradoxerweise ist die deutsche Behindertenpolitik gar nicht mehr mein Alltag – außer wenn ich alle paar Wochen in Deutschland bin und mal wieder kein barrierefreies Hotelzimmer kriege oder die nicht vorhandene barrierefreie Toilette suche, erinnere ich mich daran, warum es dieses Blog noch gibt.
Wer die Diskussionen der letzten Tage auf Twitter oder in Blogs verfolgt hat, dem wird klar sein, dass sich nicht einmal die Leute, die behindertenpolitisch unterwegs sind, einig darüber sind, wohin die Reise gehen soll. Und was mich am meisten nervt: Viele Leute, die das Thema gerade schick finden, reden nur, wollen vielleicht mit dem Thema auch noch irgendwie Geld abstauben, aber konkret wird nichts gemacht. Damit meine ich vor allem Politiker, die regelmäßig Solidaritätsbekundungen twittern und das Thema besetzen wollen, aber noch nicht einen Antrag zu dem Thema in ihrem Parlament eingebracht haben oder das grundsätzlich nur tun, wenn sie gerade in der Opposition sind.
Ich könnte Sascha Lobo dafür knutschen, dass er auf der re:publica dazu aufgerufen hat, wieder mehr zu bloggen. Das war ein guter Weckruf an mich und daran erinnerte ich mich als ich vorhin dachte „Macht doch, was Ihr wollt in Deutschland. Ich lebe hier im Land des sozialen Modells von Behinderung, mit einem ordentlichen Antidiskriminierungsgesetz, integrativer Beschulung und höherer Beschäftigungsquote behinderter Menschen. Ich nerve jetzt noch ein bisschen die Verkehrsbetriebe von London und schaue in 10 Jahren mal nach, ob Ihr endlich mal geschafft habt, wenigstens 50 Prozent aller behinderter Kinder integrativ zu beschulen.“
Nein, zu früh gefreut. Das mache ich nicht. Aber Ziele zu formulieren, ist keine schlechte Idee. Die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen kann doch nicht ständig so vertagt werden, wie die Eröffnung des Berliner Flughafens.
Das Internet vergisst ja sehr wenig und auch deshalb ist es gut, dass es Blogs gibt. Denn ich finde, man muss endlich mal die Taten sprechen lassen und nicht immer nur schwätzen. Deshalb habe ich mir überlegt, ich formuliere einfach mal 10 Maßnahmen, die mir wichtig sind, an denen man objektiv messen kann, ob Deutschland wirklich etwas ändert oder alle immer nur Sonntagsreden halten. Wie weit man mit der Erreichung dieser Ziele gekommen ist, werde ich jedes Jahr nach der re:publica in einem Blogeintrag überprüfen. Entscheidungsträger, Politiker und andere, rufe ich gerne dazu auf, positive Beispiele der Veränderung in den Kommentaren zu hinterlassen.
Wenn es mit der Inklusion behinderter Menschen in allen Lebensbereichen voran gehen soll, sind meiner Ansicht nach folgende Maßnahmen unumgänglich:
- 1. Ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz mit Schadensersatzanspruch und Anspruch auf Beseitigung mit Klagerecht im Falle eines Verstoßes. Das Gesetz muss alle Lebensbereiche abdecken und private Einrichtungen einschließen. Ziel muss sein, dass kein behinderter Mensch aufgrund seiner Behinderung, einen schlechteren Service bekommt als ein nicht behinderter Mensch. Das schließt z.B. den Anspruch ein, Assistenzhunde überall hin mitnehmen zu dürfen.
- 2. Ein Masterplan zur schulischen Integration behinderter Kinder mit einem Anspruch auf angemessene Förderung und Assistenz muss her. Derzeit gehen 80 Prozent aller behinderter Kinder auf Sonderschulen. Die meisten behinderten und nicht behinderten Kinder würden davon profitieren, wenn sie gemeinsam zur Schule gehen würden. Kinder, die nicht im Klassenverband unterrichtet werden können, müssen alternative Angebote bekommen.
- 3. Eine Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, die die Fernsehanstalten zu einer vollständigen Untertitelung ihres Programms verpflichtet, wie es bereits in den USA oder Großbritannien der Fall ist, muss her. Zugleich sind Vorgaben zu definieren, was die Audiodiskription und die Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache angeht. Die Einhaltung muss durch staatliche Stellen überprüft und ggf. geahndet werden.
- 4. Das Recht auf selbstbestimmtes Leben muss in Gesetzen festgeschrieben werden. Dafür bedarf es eines Anspruchs auf persönliche Assistenz (z.B. Pflege, Kommunikationshilfe etc.) im Bedarfsfall unabhängig vom persönlichen Einkommen oder des Einkommens der Familie.
- 5. Die Antragstellung für Hilfsmittel und Assistenz im Berufsleben ist viel zu kompliziert und langwierig. Das führt dazu, dass behinderte Menschen große Hürden haben, überhaupt arbeiten zu gehen. Es findet ein Verschiebebahnhof zwischen Kostenträgern statt und es wird einem ständig signalisiert, dass man besser nicht arbeiten sollte. Es sollte eine zentrale Stelle geschaffen werden, über die sämtliche Anträge laufen. Der Topf, aus dem Assistenz gezahlt wird, darf nicht gedeckelt werden.
- 6. Deutschland braucht Maßnahmen und Programme, um die bisherige Sozialisation und Ausgrenzung behinderter Menschen zu überwinden. Dafür bedarf es Geld und die Bereitschaft aller, etwas ändern zu wollen. Das geht nicht ohne die Behindertenverbände, die sich mehrheitlich entscheiden müssen, ob sie Freizeitvereine sind und bleiben wollen, oder ob sie nicht doch politische Interessenverbände sind. Dazu gehört dann eine professionelle Kommunikation nach außen und eine klare politische Zielrichtung.
- 7. Es müssen ordentliche Statistiken geführt werden, was die Inklusion behinderter Menschen angeht. Nur so kann überhaupt analysiert werden, wo die Probleme liegen. Wieviele Sportvereine haben behinderte Mitglieder? Wie viele Bewerber mit Behinderung hat ein Großkonzern? Wieviele stellt er davon ein? Wieviele behinderte Menschen nehmen an staatlich finanzierten Programmen / Veranstaltungen / etc. teil? Erreichen wir die Gruppe überhaupt?
- 8. Das Strafrecht muss dringend reformiert werden. Kein Strafmaß darf geringer ausfallen, nur weil das Opfer eine Behinderung hat. Stattdessen muss der etwaigen Diskriminierung des Opfers aufgrund der Behinderung stärker Rechnung getragen werden.
- 9. Der Zugang zu Bildung und Information ist auch für behinderte Menschen ein Grundrecht. Deshalb muss in Gesetzen sichergestellt werden, dass jeder Mensch Informationen in einer für ihn zugänglichen Form (z.B. elektronisch, in Gebärdensprache, Braille etc.) erhält – sowohl im staatlichen als auch im privatwirtschaftlichen Bereich.
- 10. Die Erfolge sind jährlich zu überprüfen und in einem Bericht der Bundesregierung und aller Landesregierungen dezidiert darzulegen.
Hallo Christiane,
ich werde dein Manifest (gekürzt mit Quellenhinweis -und natürlich mit Link zu deinem Blog) In meinem Blog chronisch.leben.de veröffentlichen.
Dein Hinweis
„gibt es im deutschsprachigen Raum kaum noch jemanden, der behindertenpolitisch bloggt und twittert. Wir mussten zwar darüber lachen, aber eigentlich ist es eher zum Heulen.“
geht allerdings ein wenig an deren Cyber-Realität vorbei. Das Blog „chronisch-leben.de“ beschäftigt sich zwar nichtbaussschließlich mit Behindertenpolitik; das Leben mit Behinderungen spieltallerdings auch bei uns eine große Rolle – und politisch dürften wir auf einer ähnlichen Lienie wie du liegen.
Liebe Grüße
Jos
Gute Sache diese Liste. Ich bin in dem Thema absolut nicht drin, von daher jetzt mal aus reiner Neugierde, worum genau geht es denn bei Punkt 8 konkret?
@rantanplan Bei manchen Straftatbeständen (z.B. Vergewaltigung) wird ein niedriges Strafmaß angesetzt, wenn das Opfer wehrlos war oder von einer Wehrlosigkeit ausgegangen werden konnte. Die Begründung dafür ist, dass der Täter weniger kriminelle Energie aufbringen muss, um die Tat auszuführen. Bin keine Juristin, aber so habe ich das verstanden.
Außerdem geht es darum einen Straftatbestand einzuführen, der behindertenfeindlich motivierte Taten besonders berücksichtigt (ähnlich wie antisemitische oder rassistische Straftaten).
Ich bin kein Freund von Manifesten, weil es im Netz davon in letzter Zeit zu viele gab.
Ich finde Deinen Appell aber richtig und wichtig und wollte fragen, ob ich die zehn Punkte auf meinem Blog und in einem Forum wiedergeben darf (unter Angabe der Quelle selbstredend)?
@Stadtneurotiker Ja, darfst Du.
Danke schön!
Deinen 10 Punkten schließe ich mich voll an. Und Punkt 6 würde ich, wie auch Punkte 1 bis 3, dahingehend ergänzen, dass Fördermittel und Beschaffung nur gewährleistet werden, wenn Maßnahmen zur Barrierefreiheit (in der Architektur, in Medien, Filmförderung etc.) mit umgesetzt werden.
[…] hat ihre Schlussfolgerungen gezogen. Diestanz kann für den Blick von außen hilfreich sein. Mit „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen – ein Manifest“ hat sie einen Zehn-Punkte-Katalog formuliert, die ich so unterstütze und mit ihrer freundlichen […]
[…] […]
Ich habe die 10 Thesen mit Quellenangabe auch in die Sammelmappe übernommen und hoffe, das ist recht so.
Hallo Christiane!
In aller Bescheidenheit weise ich mal auf meinem Blog hin:
gerlef.blog.de
Und nun noch mal kurz zu deinen 10 Punkten: Ich stimme ihnen natürlich zu! Aber zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der UN müssten viel radikalere Maßnahmen ergriffen werden. Die Gesellschaft muss durch gezielte Maßnahmen und Aktionen aufgerüttelt werden, damit es zu einen richtig großen Ruck in Richtung Inklusion kommt.
Ich mache diesbezüglich mir einmal den Spaß, auf einen Text aus dem Herbst des Jahres 2000 hinzuweisen, den der damalige und heutige Geschäftsführer der Behindertenhilfe Hamburg (Sozialkontor – BHH) – einer der großen Player in Hamburg um die Pfründe in der Wohlfahrtspflege – Karl Stengler im Rahmen der damaligen Diskussion über „Community Care“ veröffentlicht hat. Auch er hat 10 Forderungen (für die Hamburger Behindertenpolitik) aufgestellt, die ich hier vollständig zitiere:
„Vorausgesetzt, dass der politische, fachliche und gesellschaftliche Wille, heute zu einem Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe zu kommen, ernst ist, brauchen wir Ereignisse. Damit möchte ich mich nur auf den Stadtstaat Hamburg beschränken; man könnte aber auch in erstaunlicher Weise in größeren Zusammenhängen diskutieren.
Ein erstes Ereignis wäre es, wenn der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg sich verbindlich darauf festlegen würde, dass ab 01.01.2001 kein Mensch mit Behinderung unabhängig von der Art und Schwere seiner Behinderung mehr außerhalb der Freien und Hansestadt Hamburg – es sei denn, hier handelte es sich um seinen ausdrücklichen Willen – untergebracht wird.
Das zweite Ereignis steht damit in unmittelbarem Zusammenhang. Gleichzeitig entscheidet der Senat, dass alle Menschen mit Behinderungen, die außerhalb Hamburgs untergebracht sind, wieder nach Hamburg also in ihr eigentliches Wohnumfeld zurückgeholt werden. Es sei denn, der ausdrückliche Wille wäre ein anderer.
Das dritte Ereignis ist ebenfalls damit verknüpfbar. Der Senat entscheidet ebenfalls zum 01.01.2001, dass das vorhandene Platzangebot in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe in Hamburg auf dem Stand 31.12.2000 eingefroren wird.
Das vierte Ereignis folgt unmittelbar daraus. Für alle Menschen, die unabhängig von der Art und Schwere von außerhalb Hamburgs wieder nach Hamburg zurückkehren, bedarf es umfassender angemessener und professioneller ambulanter Hilfen und Assistenzen in den jeweiligen Wohnquartieren.
Als fünftes Ereignis beschließt der Senat zur gleichen Zeit, dass jede im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtete Wohnung nur noch eine behindertengerechte bzw. eine für einen leichten nachträglichen Umbau geeignete Wohnung sein darf. Damit stellt er die Weichen für ein Leben in nachbarschaftlichen Bezügen in unserem Gemeinwesen.
Als sechstes Ereignis beschließt der Senat ein sog. Bettenabbauprogramm für alle Einrichtungen der stationären Eingliederungshilfe abhängig von ihrer jeweiligen institutionellen Größe. Ziel dieses Programms ist es, alle stationären Angebote der Behindertenhilfe, in denen mehr als 8 bis 10 Menschen leben, abzuschaffen. Nicht geschützt von diesem Beschluss sind auch ausdrücklich sog. binnendifferenzierte Einrichtungen.
Als siebtes Ereignis beschließt der Senat ein umfangreiches Unterstützungsprogramm ab dem 01.01.2001 in den Sektoren Ausbildung, berufliche Qualifikation, infrastrukturelle Maßnahmen in den Regionen und Zugänglichkeit sämtlicher öffentlicher Bereiche.
Als achtes Ereignis werden regionale Initiativen der partnerschaftlichen sozialen Arbeit ins Leben gerufen und gefördert. Der Senat beschließt hier mit der Freien Wohlfahrtspflege ein umfangreiches Aktionsbündnis, das bis zum Jahre 2010 eine völlige Veränderung der strukturellen regionalen Versorgung hin zum Paradigmenwechsel der partnerschaftlichen Solidarität zum Ziel hat.
Als neuntes Ereignis schließen die Freie Wohlfahrtspflege, der Senat und die Gewerkschaften einen Vertrag, der den Umbau des Hilfesystems für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertraglich absichert und zukunftsweisende Elemente der beruflichen Qualifizierung, der tarifvertraglichen Absicherung und des Einsatzes von Arbeitszeit enthält.
Das zehnte Ereignis besteht darin, dass der Senat ab 01.01.2001 seine Entscheidungsbefugnis im Rahmen der materiellen Ressourcen der Eingliederungshilfe an den neu gegründeten Rat der Menschen mit Behinderungen stufenweise bis zum 31.12.2010 abtritt und nur noch ein haushaltsrechtliches Vetorecht zurückbehält. Dieser Rat als Ausdruck struktureller Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen wird gesetzlich verankert und erhält weit reichende Interventionsbefugnisse in allen öffentlichen Sektoren, soweit es um die Belange von Menschen mit Behinderungen geht.
Mit diesen zehn Ereignissen wird bis zum Jahre 2010 in Hamburg eine Situation geschaffen, in der auf der Grundlage unserer vorhandenen rechtlichen Strukturen und Gewordenheiten ein Umbau von Hilfen zur Assistenz, von Abhängigkeit zur partnerschaftlichen Solidarität unter dem Paradigma der Professionalität und gesellschaftlichen Verantwortung stattgefunden hat. Community care kann dann in den vielfältigsten Facetten regionaler Unterschiedlichkeiten blühen und gedeihen. Noch keine Vision paradiesischer Zustände, aber schlichte Gedanken, wie ein Umbau tatsächlich vollzogen werden kann und nicht als erneuter Etikettenschwindel in die Analen der Behindertenhilfe eingeht.“
Ich teile das Manifest absolut, gleiche Forderungen gibt es aber nun doch schon länger.
Das die großen Verbände sich hier klar positionieren sollten /müssten sehe ich genauso.
Aktive via Internet auf zwei Personen zu beschränken finde ich allerdings weniger angemessen. Es gibt zahlreiche Betroffene die sich via Internet äußern.
Zum Glück gibt es auch viele die sich hier nicht nur aufs Internet posting beschränken, sondern auch tatsächlich was tun.
Um so ein Manifest Wirklichkeit werden zu lassen reicht es meiner Meinung nicht aus Zuhause im warme zu sitzen und zu twittern oder zu blocken.
Davon bekommt die Politik, die Gesellschaft leider häufig nichts von mit, gewissen Blocks und Twitter Aktionen lesen häufig nur die in der Scene aktiven.
Ein schön geschriebenes Manifest aber auch dies werden nur weitere Worte bleiben, wenn Betroffene sich einzig darauf ausruhen.
A.
[…] Manifest zur „Inklusion behinderter Menschen in allen Lebensbereichen“ gibt es jetzt beim Behindertenparkplatz. Bitte direkt an Bundes- und Landesregierungen […]
Daß diese Forderungen im Jahre 2012 überhaupt bestehen müssen und nicht seit mindestens zwanzig Jahren praxisnah umgesetzt worden sind, ist ein Skandal.
Hallo Christiane,
ich habe heute Abend dein Manifest im Wortlaut und mit Quellenangabe im Blog chronischLEBEN veröffentlicht.
Ich weiß nicht ob Gesetze und mögliche Strafen der Beste weg sind. Das würde Behinderte eher unbeliebt machen, findest du nicht? Ich glaub viel wichtiger wäre eine bessere Aufklärung. In anderen Ländern gibt es Bestrebungen Lehrer besser im Umgang mit Behinderten zu schulen. Im Deutschen Lehrer Studium gibt es soetwas nicht soweit ich weiß.
Hallo, ich finde die Forderung unter Punkt 8 bemerkenswert. Ist es tatsächlich so, dass sich eine Behinderung des Opfers auf Urteile nach dem Strafrecht mildernd auswirkt? Wenn ja, ist das natürlich eine klare Diskriminierung. Die Frage ist dabei allerdings, ob nicht vielmehr die Praxis der Rechtssprechung als das Strafrecht selbst der Reform bedarf.
Liebe Grüße!
Robert
Die Forderungen erscheinen mir durchaus berechtigt. Allerdings werden sie in Deutschland und Europa Forderungen bleiben, aus dem einfachen Grund, weil Behinderte keine Lobby haben.
@Robert: Kann dir nur zustimmen. Hätte hierzu gerne auch weitere Infos, weil das schon ziemlich krass klingt…!! Zum Bloggen: ist wirklich die Frage, warum so wenige darüber bloggen? Ist nicht eher der Fall, dass so wenige bloggen weil es so wenige interessiert? Ich denke, hier muss sich einfach das Bewusstsein weiter wandeln.
Ob wirklich mehr Leute behindertenpolitisch orientiert bloggen müssten, sei hinterfragt: Man stelle sich nur vor, dass alle selbst anfangen zu bloggen, die hier im Forum Zustimmung zu den Thesen geäußert haben – es würde ziemlich schnell unübersichtlich. Und nicht vergessen: Viel Arbeit passiert auch in den Verbänden – das Internet ist nicht die einzige Kraft.
Das Verrückte: Es passiert ja eigentlich schon viel. Alleine, dass es da eine Konvention mit einem neuen Leitmotiv namens Inklusion gibt, hat schon eine Menge Schub gebracht. Und im Grunde haben wir es wohl mit einem sich selbst verstärkenden Phänomen zu tun: Indem die Aufmerksamkeit so und so fokussiert wird, werden die Defizite neu und schärfer sichtbar.
Auf der anderen Seite scheint sich konkret und vor Ort kaum etwas zu bewegen oder allenfalls im Schneckentempo. Ich bin sicher, dass es in 10 Jahren oder so nach wie vor genügend Gründe geben wird, solche Manifeste zu schreiben. Sei es, dass Entwicklungen nicht oder nicht nachdrücklich weitergeführt woden sind, sei es, dass neue Probleme und Ziele in den Focus geraten sein werden.
Eine ganz „normale“ Zugfahrt mit dem Elektrorollstuhl nach Köln-Deutz.
http://bahnundbus.wordpress.com/2012/05/18/abenteuerreise-nach-koln-deutz/#more-148
Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich arm, dass du die gesamte Bloggerszene auf drei Leute reduzierst, zumal von Raul bloggermäßig recht wenig kommt. Ich kann dir aus dem Stegreif ein paar Namen vor die Füße werfen: Rollingplanet, Enno Park, Heiko Kunert, Marko Zehe, Not quite like Beethoven, Jens Bertrams, Querdekender, Carina Kühne. Aber Hauptsache, ihr drei könnt euch richtig wichtig fühlen.
@Thomas, Du bist nicht der Einzige, der den Witz nicht verstanden hat. Das war ein Witz in Form einer Übertreibung. Alexander (Not quite like Beethoven) war bei dem Gespräch mein Gegenüber. Wir sprachen nicht davon, dass es wenige Blogger gibt, die über Behinderung bloggen, sondern die behindertenpolitisch bloggen. Ehrlich, es war nur ein Witz. Wenn Du wissen willst, was ich meine, schau Dir mal die Bloggerszene in USA oder UK an, die regelmäßig auch zu behindertenpolitischen Themen für Mainstream-Medien bloggen zum Beispiel und als Experten eingeladen werden. Darum ging es. Aber ich gelobe, von Humor künftig Abstand zu nehmen. :-)
Hallo zusammen,
bin neu hier. Der Blog wurde mir von der Ringeisen-Stiftung angezeigt …. Und ich finde es gut – Nein, äusserst wichtig, dass u.a. inpuncto Parkplätze für Behinderte mehr passiert.
Zwei Fragen
Was ist mit dem patroniser gemeint? Bin ich eine, wenn ich den Blogpost bei mir auf Facebook teile ….
Ich frage so naiv, da nach meiner – zugegeben kurzen – Erfahrung, sich so mancher Leser im Netz schnell missverstanden äussert und ich dem vorbeugen möchte …
Was ist mit Leuten , die nur 40% Behinderung haben , wie mir? Falle so gänzlich durch das Statistikraster?
Sonnige Grüße aus Augsburg
.. … mit den vielen Kopfsteinen
Erica
Ich finde deine Thesen super, aber ich fürchte auch dass Sie aufgrund fehlender Lobby schwer umzusetzen sind. Aber den Ansatz, konkrete Ziele zu definieren, finde Ich noch viel besser – richtig aufbauend.
Eigentlich ist es wirklich eher zum heulen als zum lachen. Kann man nur hoffen, dass euch wirklich nichts passiert. Wünsche euch auf jeden Fall alles Gute, damit wir noch mehr so informative Blogs wie diesen hier zu lesen bekommen :)
Ich weiss nicht ob so ein Manifest Sinn macht. Ich hab kein Problem mit der Idee, aber inzwischen gibt es alle möglichen Politsichen richtungen und Blogger die alles mögliche vertreten. Die Botschaft wird wahrscheinlich untergehen…
Was ich insgesamt sehr schade finde das viele Menschen erst dann aktiv werden und sich ernsthaft für was einsetzen wenn sie selbst betroffen sind. Den Behinderungen gibts ja nicht erst Zeit gestern. Sobald ein Hollywood Star fest stellt das er Aids hat ist er plötzlich sehr angagiert. Für mich irgendwie unverständlich. Ich selbst habe schon versucht bestimmten Blogs die tatsächlich helfen wollen meine Hilfe anzubieten. Aber da sich bis dato niemand gemeldet hat scheinen da wohl auch Finanziele interessen verfolgt zu werden. Ist ja echt kein Problem mal das ein oder andere Thema aufzugreifen und einen Beitrag zu verfassen. Wer weiß? Wohl möglich bekomme ich Morgen Krebs und Gründe eine Stiftung…;)
Punkt 9 finde ich schwierig umzusetzen. Grundsätzlich ein guter Ansatz, aber wie weit sollen solche Maßnahmen reichen? Man kann schließlich nicht jede Information in zig verschiedenen Formen anbieten, auch wenn das natürlich ne schöne Sache wäre. Man müsste das dann also so regeln, dass den Menschne vom Staat eine Möglichkeit zur Verfügung gestellt wird, die Informationen zu bekommen. Anstatt z.B. eine komplette Bibliothek in Braille zu fassen, was aus Kostengründen schlicht und einfach nicht sinnvoll ist, müsste man also jeder blinden Person einen „Vorleser“ zur Verfügung stellen….stell ich mir schwierig vor.
Es ist schon schlimm, das dagegen nicht effektiv was getan wird. Besonders erschüttert mich Punkt 8, das es sowas gibt ist echt zum Ko…
Egal um welches Thema es geht. Der Leitspruch gefällt mir sehr. An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen und auch messen. Das gilt für so ziemlich jeden Lebensbereich.
Punkt 8 habe ich nicht verstanden. Das Strafmaß fällt im deutschen Recht geringer aus, weil das Opfer eine Behinderung hat? Wo steht das denn?
Insbesondere 5. finde ich einen sehr wichtigen Punkt. Es gibt zwar oft theoretisch Mittel und Wege, sich helfen zu lassen, doch ist die praktische Umsetzung voller bürokratischer Hürden, die letztendlich auch dem Staat volkswirtschaftlich nicht gut tut.
hallo Christiane,
// ja bitte, wo darf ich mit-unterschreiben ?! //
wobei es mir generell nicht nur um sog. theorie bzw. information geht (beginnt im kopf per um- und neu-denken) sondern dann auch all-täglich ums leben* geht = inklusion von allen-menschen* im alltag.
auch/ich will endlich barrierefreiheit . für alle . menschen .
danke für dieses mani-fest !
(disclaimer : mich regen diese ausgrenzungen, speziell in dld., seit 30+ jahren auf. und seitdem denke ich auch immer/wieder darüber nach, und weiss, was alles möglich ist, wenn … . und sehe seitdem auch, was immer noch nicht/geworden ist. meine hoffnung und mein aktivismus wird mit mir sterben.)
greetz !
Hallo Christiane,
sah zum erstenmal deine Blogseite, obwohl ich frueher nur ungefaehr davon weiss, aber leider nie einen Link dazu sah. I guess I have been too blind to find something relevant out of the junk on the left and right margins of the blogs. *grin*
Ich stimme mit den zehn Punkten grundsaetzlich ueberein. Jedoch Punkt 8 wirft mir verdutzte Fragen auf, darueber ich spaeter kommentieren werde. Ich habe aehnliches auch aufgestellt, und zwar nicht als Forderungskatalog, sondern als Grundsaetze. Ich veroeffentlichte in DAS ZEICHEN im Jahre 1993 meine 15 Grundsaetze zur zweisprachigen und bikulturellen Erziehung tauber Kinder. Hast Du das gelesen, als du noch in Hamburg warst?
Zur Form: man ueberlegt ob sie in Form von Katalog der Forderungen oder in Grundsaetzen gefasst werden sollen. Unterschied zwischen den beiden: einerseits praktische und konkrete Forderungen, die leicht in Gesetzen formuliert werden koennen oder andererseits mehr philosophisch ausgerichtet, wie eine ideale, behindertengerechte Gesellschaft zu funktionieren sei. Dann kann ein Manifest konstruiert werden, wo beide Richtungen dann zusammengefasst werden. Wenn ich deine zehn Punkte lese, sehe ich beides gemischt. Liegt es nur an der Sprache? Hmm, moeglich. Eine Formulierung hoert sich wie funktionell an, eine andere eher philosophisch-gesellschaftspolitisch.
Ich werde zu manchen Punkten spaeter kommentieren. Eines moechte ich noch mein Erstaunen zeigen: Punkt 8 ueber die juristische Behandlung. Die Misstaeter werden milder behandelt, wenn sie behinderte Menschen missbrauchen??? Ich weiss nur von Faellen, wo behinderte Menschen milder bestraft werden. Kannst du Faelle nennen, wo die Misstaeter milder vom Justiz behandelt werden.
Punkt 8 kann moeglicherweise von deinem Katalog wegfallen, da Justiz nur individuell von Fall zu Fall handelt, waehrend ein Forderungskatalog sich eher an Aenderungen im staatlichen System, also an systemimanenten Aspekte richtet.
Hartmut
An der Stelle mal ein Lob an dich und deine Bloggerkollegen. Das Thema ist wirklich viel zu spärlich besetzt mit BLogs, aber was nicht ist könnte ja womöglich noch werden?