Tag Archiv für UK

Camden Market brennt

Ich liebe Camden Market. Ich weiß noch wie ich mit 14 das erste Mal dort war und fand es einfach irre aufregend. Und heute mit 31 liebe ich Camden immer noch und es tut mir in der Seele weh, wenn ich die Bilder auf BBC News 24 sehe. Ich hoffe, dass niemandem etwas passiert ist (wobei ich das bei den Bildern kaum vorstellen kann). Und mir tun die Händler leid, die ihre Stände verloren haben. Ich hoffe, Camden bleibt wie es ist, auch wenn man sagen muss, dass die Märkte, was Feuersicherheit angeht, sicherlich nicht optimal sind.

Camden Town - altes Haus mit vielen Menschen an der Schleuse

Londoner Kinderkonversation im Bus in der Nähe von Westminster

Kind: Mama, warum stehen da so viele Polizisten vor dem Haus?
Mutter: Da wohnt der Premierminister. Kannst Du Dich noch an Tony Blair erinnern? Der ist jetzt nicht mehr da. Der Neue heißt Gordon Brown.
Kind: Aber warum stehen da so viele Polizisten?
Mutter: Weil Gordon Brown da wohnt.
Kind: Ist er reich?
Mutter: Ja.
Kind: Die wollen nicht, dass das Haus gestohlen wird, oder? Oder dass eingebrochen wird.
Mutter: Ähm, ja.
Kind: Aber der … ist auch reich. Da steht keine Polizei.
Mutter zuckt hilflos mit den Schulter. Kind entdeckt Demonstranten gegenüber der Downing Street.
Kind: Warum stehen die vielen Leute da?
Mutter: Die demonstrieren.
Kind: Warum?
Mutter: Für Frieden in ihrem Land.
Kind: Die Leute da haben nichts zu essen oder?
Mutter: Nein, die wollen, dass die Leute keinen Krieg führen.
Kind: Hmmm. Mama, wo wohnt denn eigentlich die Queen?
Mutter: Da hinten um die Ecke.
Kind: Dann geht die Queen hier einkaufen, oder?
Mutter: Ähm, nein. Ich denke nicht, dass die Queen einkaufen geht.
Kind: Schade.

Katie darf erwachsen werden

Katie, die fast zum Ashley X-Fall Englands geworden wäre, wird ihre Gebärmutter behalten. Das hat ein Gremium der NHS entschieden. Viele Behindertenverbände jubeln und beispielsweise beim BBC Ouch!-Forum gibt es Einträge wie diesen:

„Personally speaking, and from a severely disabled woman’s point of view who had a life-time of monthlies, I am greatly relieved to see common sense prevail.“

Ich muss sagen, ich bin auch erleichtert. Es hätte mein Bild von Großbritannien sehr ins Wanken gebracht, wenn das genehmigt worden wäre. In einem Land, in der die Selbstbestimmung behinderter Menschen nicht nur auf dem Papier steht, sollte doch auch die körperliche Unversehrtheit behinderter Menschen etwas zählen. Schön, dass das wohl wirklich so ist.

Barrierefrei fotografieren

Ich habe zum Geburtstag eine Canon-Kamera geschenkt bekommen. Bei der Kamera lag eine Postkarte, mit der man Informationen zu Fotokursen speziell für meine Kamera anfordern konnte. Das habe ich getan und hatte heute das Seminarprogramm im Briefkasten. Und ich werde sicherlich einen der Kurse buchen.

Das Unternehmen hat zu jedem Kurs Informationen zur Barrierefreiheit in ihren Katalog gedruckt. Und ein Accessibility-Statement am Anfang des Heftes gibt es auch. Dort steht unter anderem, dass behinderte Menschen eine kostenlose Begleitperson mitbringen können. Ich habe so etwas bei einem Seminaranbieter noch nie gesehen.

Behinderte Menschen werden hier von vielen Unternehmen als attraktive Kundengruppe angesehen. Und wer diese Kundengruppe gewinnen will, der druckt auch Angaben zur Barrierefreiheit in den Katalog. Und es will nicht in meinen Kopf hinein, warum das in Deutschland so wenige Anbieter machen. Es kostet ja nichts, ist aber eine gute Werbung für das Unternehmen. Und es erleichtert wirklich meinen Alltag. Es gibt hier so viele Unternehmen, die Angaben zur Barrierefreiheit veröffentlichen. Und längst nicht nur die, die barrierefrei sind. Auch wenn sie es nicht sind, kommunizieren sie das und ich finde, das ist wenigstens ehrlich.

Londons U-Bahn aus meiner Sicht

Ich habe mir schon oft gedacht, man müsste mal die Stationen aus dem U-Bahnplan nehmen, die nicht barrierefrei sind. Einfach ausradieren. Wie das wohl aussehen würde… Und jetzt hat das jemand gemacht. Das Ergebnis kann man unter anderem hier sehen. Großartig!

Ein Jahr London

Heute vor einem Jahr bin ich nach London gezogen und ich habe nicht damit gerechnet, nach einem Jahr immer noch hier zu sein. In diesem einen Jahr ist so wahnsinnig viel passiert. Ich habe in zwei Wohnungen gewohnt, habe für zwei BBC-Redaktionen gearbeitet, eine Firma gegründet und einen Preis für dieses Blog gewonnen. Ich habe wohl noch nie in meinem Leben so viele Menschen in so kurzer Zeit kennen gelernt und dabei bin ich bei dpa schon viel rumgekommen. Ich stand in den vergangenen 12 Monaten vor so vielen Entscheidungen und habe jetzt rückwirkend den Eindruck, schlussendlich alles richtig gemacht zu haben.

Und mein erster Jahrestag in London hätte schöner nicht sein können. Gestern abend war ich bei der Liveaufzeichnung des BBC-Podcasts Ouch im Radiotheatre der BBC. Ein einmaliges Erlebnis. Ich habe selten so gelacht. BBC Ouch ist eine Community für behinderte Menschen, die ich richtig klasse finde. Die Aufzeichnung gestern war einfach genial. Liz Carr und Mat Fraser sind einfach klasse Comedians. Der Ouch Podcast ist wirklich hörenswert, aber man sollte britischen Humor mögen.

Dann war ich heute bei einem Seminar von Businesslink, in dem Gründer erzählt bekommen, auf was sie rechtlich in Bezug auf Barrierefreiheit zu achten haben und was Gleichstellung behinderter Menschen wirklich bedeutet. Ich war da nicht, weil ich dachte, dass ich viel lerne, sondern weil ich neugierig war, was man in solchen Seminaren beigebracht bekommt und wie sowas hier abläuft. Die Referentin war gehörlos und selbst Geschäftsfrau. Ich habe nette Leute kennen gelernt und Kontakte geknüpft. Abends war ich noch auf einer Party und fühle mich hier wirklich zu Hause. Damit ist auch die Frage beantwortet, wann ich wieder nach Deutschland gehe. Erstmal nicht.

Die Deutsche Botschaft in London wird barrierefrei

Das ist für mich die Nachricht des Tages: Die Deutsche Botschaft in London wird barrierefrei. Jemand vom Auswärtigen Amt hat meinen Blogeintrag zur Situation bei der Deutschen Botschaft kommentiert und mir gesagt, dass umgebaut wird und ich zur Einweihung des neuen Eingangs eingeladen bin. Ich freue mich natürlich sehr, über den Eingang und die Einladung und überhaupt…

Bei der Deutschen Botschaft

Heute war ich bei der Deutschen Botschaft, um mir bestätigen lasse, dass ich noch lebe. Ich hatte durch eine Stichprobe im Freundeskreis schon rausgefunden, dass die Botschaft wahrscheinlich nicht barrierefrei ist – mehr als fünf Leute haben übereinstimmende Angaben gemacht. Ich war dann doch sehr überrascht, dass ich dann ein Rollstuhleingangsschild samt Klingel sah und habe geklingelt. Es meldete sich eine Stimme, die mir sagte, dass der Eingang mir nichts nutze, der führe nur in den nicht-öffentlichen Bereich, der mit dem öffentlichen Bereich, also der Konsularabteilung, nicht stufenlos verbunden sei. Ein Schäuble-Eingang also, falls er mal nach London kommt, aber kein Eingang für mich.

Nun muss man sagen, dass dieser Teil der Deutschen Botschaft nicht 100 Jahre alt ist. Das bauliche Problem wäre durchaus lösbar. Eine Mitarbeiterin kam zu mir und sagte, ich solle an der Treppe warten, sie würde jemanden von der Konsularabteilung rausschicken. Es war wirklich saukalt und bei Regen wäre ich schon wegen des Kopfsteinpflasters da nie angekommen und hätte umdrehen müssen. Als ich mich gerade an der Treppe häuslich eingerichtet hatte, kam ein Paar mit Kinderwagen raus, die ihrem Ärger über die Stufen bei mir Luft machten. Das sei ja ne Zumutung für Leute mit Kinderwagen und Leute wie mich. Damit hatten sie durchaus recht, aber ich war wirklich der falsche Adressat. Die Treppe dort wäre durchaus überbrückbar. Mit Hublift oder was auch immer. Man muss es nur machen.

Während ich dort wartete, kamen viele Eltern mit Kinderwagen vorbei. Die Mitarbeiter der Botschaft schleppten einen Kinderwagen nach dem anderen hoch, wenn nur ein Elternteil dabei war. „Wir machen das hier den ganzen Tag,“ meinte ein Mitarbeiter zu mir. Und ein anderer sagte: „Wir sind halt nicht die Amerikanische Botschaft. Da läuft das anders.“ Dem Zweiten habe ich dann mal einen Vortrag über das Behindertengleichstellungsgesetzes des Bundes gehalten, das auch für das Auswärtige Amt gilt. Eigentlich müsste das seit 2002 auch bei den Deutschen anders laufen.

Meinen Wisch habe ich tatsächlich bekommen. Und eine Entschuldigung auch. Es sei ihnen sehr peinlich, dass ich meine Angelegenheiten vor der Tür klären müsste. Dafür haben sie mir auch noch die Verwaltungsgebühr erlassen. Dabei hätte ich die wirklich gerne gezahlt – zur Finanzierung des Hublifts.

Sorry liebe Eltern

Sorry, liebe Eltern auf der Insel… Da ist doch den britischen Behörden ein ganz blödes Missgeschick passiert: Die Daten von allen Beziehern von Kindergeld hat man auf CDs gebrannt und per Post verschickt. Und jetzt sind die Datenträger weg.

Darauf waren die Daten von 25 Millionen Einwohnern, die Kindergeld beziehen. Gespeichert waren unter anderem die Namen, Adressen, Geburtstage, Sozialversicherungsnummern und Bankverbindungen. Damit kann man in diesem Land schon ziemlichen Schaden anrichten, denn es gibt hier ein riesen Problem mit Identitätsdiebstahl. Es gibt ja keine Meldepflicht und auch keine Personalausweise. Wer hier seine Identität nachweisen will, muss einfach eine Rechnung mit Adresse beibringen.

Viele Hotlines nehmen zum Beispiel das Geburtsdatum als Sicherheitsabfrage und die Briten schreddern ihre Post, wenn dort der vollständige Name samt Adresse draufsteht, bevor ein Brief in den Mülleimer wandert. Und weil es diese Angst vor Identitätsdiebstahl gibt, ist die Empörung jetzt natürlich groß. Warum verschickt die Behörde im Jahr 2007 noch CD-Roms? Als normalen Brief! Und mit Daten des halben Landes! Schuld sind, wie immer, die Junior-Mitarbeiter. Die Frage, warum ausgerechnet diese Zugang zu diesen Datenmengen haben, wird sicher in nächsten Tagen noch gestellt.

Andere Länder, andere Bürokratie

Einige Dinge, die man als behinderter Bürger hier bekommt, sind von der Gemeinde finanziert. Das bedeutet, wenn man umzieht muss man sie neu beantragen. Den Freedom Pass zum Beispiel oder die Taxicard. Greenwich Council hat mir jetzt geschrieben, sie könnten meinen Antrag nicht bearbeiten. Auf meinem Nachweis, dass ich behindert bin, stehe noch die alte Adresse. Es handelt sich dabei um ein Schreiben des Department for Work and Pensions (DWP). Ich sollte einen Nachweis mit aktueller Anschrift einsenden.

Was habe ich mich geärgert am Wochenende und gedacht „Wie soll ich den nur beschaffen?“. In Deutschland habe ich teilweise den Bescheid von 1979 eingereicht, wenn er verlangt wurde. Natürlich mit falscher Adresse und unterdessen geänderten Gesetzen.

Ich habe heute beim DWP angerufen und gefragt, was man denn da tun kann und ob sie das Problem kennen. Da sagte die Frau am anderen Ende: „Wieso Problem? Wir schicken Ihnen den Bescheid noch einmal mit aktualisierter Adresse zu. Geht heute noch in die Post.“

Das ist hier wirklich ein anderes System. Keine Behörde in Deutschland würde einen Bescheid zwei Mal rausschicken. Auch die Bürokratie funktioniert hier definitiv anders.