Tag Archiv für Rollstuhl

Fraport statt Tatort

Lieber Flughafen Frankfurt, lieber Fraport,

wie konntest Du nur wissen, dass ich am letzten Sonntag den Tatort verpasst habe? Ja, ich war mit Freunden türkisch essen und konnte daher nicht wie sonst meine Portion Spannung für die Woche genießen. Schön, dass Du mir heute dann doch ein wenig Spannung verschafft hast. Das Leben wäre ja sonst zu langweilig.

Ich kam mit der Lufthansa-Maschine aus London City bei Dir an und Deine Packer haben auch gleich den Rollstuhl ausgeladen. Er stand auf dem Flugfeld und wartet darauf, dass ich aus dem Flugzeug gebracht werde, aber das sollte noch eine Weile dauern. Du weißt ja selbst, Du kannst ganz schön hartnäckig sein, was Deinen Assistenzservice angeht, aber dazu später mehr.

Bei mir an Bord war ein älterer Herr, der schlecht gehen konnte (WCHR wie Du solche Leute nennst), aber mit dem normalen Passagierbus mitfuhr. Ich konnte von oben sehen wie Dein Busfahrer erst den Kinderwagen zur Familie mit dem dauerschreienden Kind brachte und dann versuchte, meinen Rollstuhl dem alten Herrn anzudrehen. Das gelang dann auch und mein Rollstuhl wanderte ruckzuck in den Passagierbus. Dass da ein Gepäcktag mit meinem (weiblichen!) Vornamen und Nachnamen dranhing, beeindruckte den Busfahrer natürlich nicht und hinderte ihn auch nicht daran, den Rollstuhl einem männlichen Mitreisenden zu geben, der sich darüber freute, nicht mehr laufen zu müssen. Das war schon Nervenkitzel angesagt. Ich sass ja auf meinem Sitz und konnte nichts tun, außer hysterisch nach der Flugbegleiterin schreien, die Gott sei Dank die Lage kapierte und in den Bus stürmte und dem älteren Herrn meinen Rollstuhl wieder wegnahm. 1:0 für mich, Fraport!

Dann warst Du sicher eingeschnappt und dachtest, die lass ich jetzt sitzen. Denn warum sonst dauerte es über 30 Minuten bis endlich der Hublift kam, um mich aus dem Flugzeug zu holen, obwohl der Pilot zwei Mal schon beim Anflug Dir eine Nachricht schickte, um den Hublift anzufordern? Du wolltest es eben spannend machen.

Weil das alles so lange dauerte und die Kommunikation ja nicht immer klappt, wurden auch schon die Passagiere für den nächsten Flug geschickt, die in den Bussen vor der Tür ausharren mussten. Ich saß ja immer noch im Flieger, der weiter nach Graz sollte. Da wollte ich aber nicht hin.

Irgendwann hast Du dann wenigstens schon mal den Bus geschickt, der mich zum Terminal fahren sollte. Da mein Rollstuhl die ganze Zeit im Regen stand, dachte sich Dein Busfahrer, es sei schlau, den Rollstuhl in den Bus zu holen. Irgendwann kam dann der Hublift. Man erklärte mir, man müsse jetzt aber erst einmal Platz machen für den anderen Passagierbus, damit die Maschine nicht noch später wegfliegt. Also wurden Bus und Hublift neben das Flugzeug gefahren. Bei diesem Umparkmanöver sah ich vom Hublift aus, dass mein Rollstuhl durch den Bus flog, weil er offensichtlich nicht gesichert wurde. Ich war schon etwas nervös, ich gebe es zu, als ich das sah. Mein Rollstuhl ist auf mich angepasst, kostet ein paar tausend Euro und ist so leicht nicht ersetzen. Da sieht man nicht gerne zu, wenn der durch einen Bus fliegt.

Als der Bus neben dem Hublift zum Stehen kam, sah ich, dass sich der Rollstuhl unterdessen zur Tür bewegt hatte. Und was machte der Busfahrer? Er öffnete die Bustür und der Rollstuhl fiel aus dem Bus aufs Flugfeld zwischen Hublift und Bus. Ja, da war Spannung angesagt.

So weit ich das bislang gesehen habe, ist der Rollstuhl aber heil geblieben. Der Busfahrer hat ihn wieder aufgesammelt und wunderte sich über meine empörte Reaktion. Erst da verstand ich, dass diese Spannung eine Serviceleistung Deinerseits sein muss. Denn, dass Du völlig überfordertes Personal beschäftigst und die Koordinierung des Hublifts überhaupt nicht klappt, das kann ich mir nicht vorstellen. Du bist doch Kontinentaleuropas größter Flughafen und sicherlich hoch professionell durchorganisiert. Der Pilot der Maschine wird Dir ebenfalls noch schreiben. Ich glaube, der dachte wirklich, Du bist zu chaotisch, um behinderte Passagiere angemessen abzufertigen.

Liebe Grüße
Deine Christiane

Motorantrieb für Aktiv-Rollstühle

Zumindest, was die manuellen Rollstühle angeht, gab es in den vergangenen Jahren keine wirklich bemerkenswerte Entwicklung mehr. Die Technik ist ziemlich ausgereift, mein Rollstuhl wiegt weniger 9 Kilo und ist dennoch gut belastbar. Die Farbpallette gleicht der von BMW oder Audi und ein Rollstuhlkauf läuft auch ähnlich ab wie ein Autokauf. Bereifung? Sitz? Metalliclackierung?

Nun habe ich aber bei Youtube eine Entdeckung gemacht, die doch so etwas wie eine kleine Revolution darstellt. Es ist der Zinger. Damit lässt sich einem Aktiv-Rollstuhl einen Motor zuschalten und dann geht es über Gras und Unebenheiten, bergauf und was weiß ich. Außerdem ist das Ding ziemlich schnell. Motorisierte Fahrhilfen (mir fällt kein besseres Wort ein) gab es zwar schon, aber die waren nicht abnehmbar und irre schwer und schon gar nicht schnell.

Einfach aber gut

Writing table

Es gibt ja Dinge im Leben, die sind eigentlich simpel, es muss nur jemand auf die Idee kommen, sie zu bauen. In einem Buchladen in Canary Wharf habe ich einen „Writing Table“ für Rollstuhlfahrer entdeckt. Der hing unten an dem Tresen, der für Rollstuhlfahrer viel zu hoch war. Ich finde den Tisch gar nicht so spannend, weil ich so wahnsinnig auf ihn angewiesen wäre. Meist reichen mir die Leute eine Unterlage zum Unterschreiben, wenn ich mit Kreditkarte zahle. Ich finde an dem Teil etwas anderes gut: Es signalisiert mir als behinderte Kundin, dass man sich über mich Gedanken macht und versucht, das Einkaufen einfacher zu machen. Das ist mir fast wichtiger als dass mir niemand mehr eine Unterlage zum Unterschreiben reichen muss.

Walking is overrated

Rollstuhl mit Aufkleber Walking is overrated

Gesehen auf einem Rollstuhlrad bei einer Veranstaltung

Rolle rückwärts

Ich behaupte ja, ganz gut Rollstuhl fahren zu können und ich nehme auch die ein oder andere Stufe mit. Als Jugendliche habe ich auch schon getestet, ob so ein Skateboardpark auch für Rollstühle geeignet ist. Aber auf die Idee, ein Backflip zu versuchen, bin ich nicht gekommen.
(Für alle die das Video unten nicht sehen können: Ein Rollstuhlfahrer springt über alle möglichen Hindernisse und macht am Ende eine Rolle rückwärts).

Aufmerksamkeit

Für Menschen, die meinen, sie bekämen zu wenig Aufmerksamkeit, gibt es jetzt eine Lösung. Einfach klingeln.

Schild Please ring for attention

Schild Please ring for attention

Gesehen bei zwei Eingängen in der Nähe des Trafalgar Square.

Radbruch

Das, verehrte Leserschaft, ist mein Hinterrad – leider mit Felgenbruch.

Rad

Ich habe schon seit ein paar Tagen das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt mit meinem Rolli. Und nachdem ich gestern das gute Stück geputzt habe, traf mich heute morgen fast der Schlag als ich den Bruch an der Bushaltestelle entdeckte. Ich hatte mich schon gewundert, warum der Weg so holprig war. Aber es war gar nicht der Weg, sondern das Rad. Die Fahreigenschaften lassen doch sehr zu wünschen übrigen im Moment. Ich komme mir selbst auf einer glatten Straße vor als würde ich über einen Feldweg fahren. Außerdem quietscht das Rad jedes Mal wie irre, wenn die Bruchstelle den Boden berührt. Aber wenn ich mir hier die Rollstühle so manch anderer Rollifahrer anschaue, fällt das nicht weiter auf.

Meine Hauptangst ist allerdings, dass das Rad das nicht lange mitmacht. Die Bereifung hält derzeit das Rad zusammen. Aber mein Lieblingsrollstuhltechniker Fred hat mir versprochen, das Rad so schnell wie möglich zu besorgen. Problem: Rad, Nabe und Bereifung kommen von drei unterschiedlichen Firmen – das kommt davon, wenn man einen getuneten Rollstuhl fährt. Also, bitte Daumen drücken, dass das Teil durchhält. Ich fahre jetzt schon ziemlich omamässig durch London. Fahre keine Stufe mehr und auch keine zu steilen Rampen. Und ich fürchte, ich muss mir hier echt ne Werkstatt suchen. Das ist aber nicht ganz trivial, weil ich keinen NHS-finanzierten Rolli habe und auch noch ganz gerne ne Rechnung hätte.

Barrierefreie Gefängniszellen

Vorhin wurde in dem Einkaufszentrum, das ich auf dem Weg zum Bus durchquerte eine Rollstuhlfahrerin festgenommen. Ich hatte die Frau bereits morgens dort gesehen. Als wir nach Stunden wieder dort ankamen, war sie umringt von Polizisten.

Eine Polizistin war gerade dabei, ihr Handschellen anzulegen, was wegen der Spastiken der Festfgenommenen eine Herausforderung war und ich habe mich ernsthaft gefragt, ob die Angst haben, dass sie wegläuft. Ihr E-Rolli sah mir nicht gerade danach aus, als würde er mehr als 10 km/h schaffen. Ich habe nicht mehr gesehen, wie sie sie abtransportiert haben. Wegen der Handschellen konnte sie den Rollstuhl ja nicht mehr selber steuern und einen E-Rolli zu schieben ist auch nicht der Brüller. Ob die hier wohl barrierefreie Gefängniszellen haben?

Was ein Bordrollstuhl alles auslösen kann

Man fragt sich ja manches Mal, warum Flugzeuge verspätet sind. Vor allem dann, wenn es der erste Flug morgens ist und man davon ausgehen müsste, dass alles klar geht.
Heute hatte die Germanwingsmaschine aus London nach Hamburg Verspätung und ich schätze mal, das war nicht der letzte Flug, den die Maschine heute zu erledigen hat.

Und die Verspätung kam so:
Ich hatte mich gestern abend spontan entschlossen nach Hause zu fliegen. Ich habe einen Vorvertrag für eine Wohnung unterschrieben (einen anderen, als ich ursprünglich vorhatte – ich habe auf mein Bauchgefühl gehört) und mein Rückflug war eigentlich für Donnerstag geplant. Ich hatte aber keine Lust, noch zwei Tage umsonst alleine in London rumzuhängen, in die Wohnung kann ich erst nächste Woche frühstens und ich versuchte, meinen Rückflug umzubuchen. Das ging nicht, jedenfalls nicht für heute. Ich habe den Rückflug stattdessen nach hinten verschoben, um ihn später nutzen zu können und habe einen sehr preiswerten One-Way-Flug bei Germanwings gebucht. Bei Germanwings kann man sich neuerdings online als Rollstuhlfahrerin anmelden. Ging alles problemlos. Am Check-In wusste die Dame auch bescheid. Ich sagte, ich ginge alleine zum Gate. Die Assistenz solle dahin kommen.

Germanwingswerbung für die Strecke nach Hamburg

Da sie mir auch noch das Gate verriet – normalerweise wird das immer erst kurz vor Boarding bekannt gegeben – war ich schon vor allen anderen Passagieren da. Die Assistenz kam auch pünktlich und sie fragten mich, ob ich einen Bordrollstuhl benötigte. Ich sagte, das dem so sei und konnte schon mal in den Vorraum der Fluggastbrücke. Dort standen drei Bordrollstühle – alles unterschiedliche Modelle. Was ich auf den ersten Blick nicht sah, war, dass diese ankettet waren. Aber keiner hatte einen Schlüssel, stellte sich dann bald heraus. Einer der Assistenzleute ging los, um einen vierten Bordrollstuhl zu suchen. Ich plauderte mit dem Ramp Agent, der immer nervöser wurde. Ich fragte in meiner organisationstechnisch stark Deutschland geprägten Art, wieso die denn überhaupt angekettet seien. Wer denn Bordrollstühle klaue. Damit könne man ja zu Hause nichts anfangen. Und erfuhr folgendes: In Gatwick gebe es drei verschiedene Ground Handling Companies – die einen gut mit Bordrollstühlen ausgestattet, die anderen weniger gut. Welche meine war, war mir sofort klar. Und die gut Ausgestatteten wollten nicht, dass die schlecht Ausgestatteten ihre mitbenutzten. Es passte auch gut ins Bild, dass es sich bei den angeketteten Bordrollstühlen um amerikanische Modelle mit einem großen Aufkleber „Made in USA“ handelte. Die gut ausgestatteten Unternehmen fertigten wohl amerikanische Airlines ab. Meine Ground Handling Company halt eben Deutsche – offensichtlich ohne Bordrollstuhl.

Nach ewiger Zeit kam der Typ zurück – wieder ohne Bordrollstuhl. Der Ramp Agent rief seine Leitstelle an, die ihm mitteilte, unser Flieger müsse weg von der Position, weil auf dem Vorfeld eine Maschine stehe, in der ein Passagier einen Herzinfarkt erlitten hätte. Der Krankenwagen warte und alle anderen Positionen seien besetzt. Er wurde noch nervöser, aber war zu mir sehr freundlich und versprach mir, man werde mich auf alle Fälle mitnehmen und ich dürfe in jedem Fall preboarden. Alles andere verstoße gegen das DDA. Er kannte das britische Antidiskriminierungsgesetz! Allerdings hatte ich ab dem Zeitpunkt eher Sorge um den Mann in der Maschine auf dem Vorfeld als um meinen Heimflug. Nichts passierte. Irgendwann ließ der Druck der Zentrale aber nach, man hatte den Flieger wohl anderswo angedockt.

Die beiden Assistenzleute standen nur dumm rum, bis der Ramp Agent sie aufforderte, doch noch mal auf die Suche zu gehen. Zwischenzeitlich starteten sie den Versuch, mich zu überreden, es ohne Bordrollstuhl zu versuchen. Einer ging wieder los, um auf dem riesigen Flughafen einen nicht abgeschlossenen Bordrollstuhl zu finden. Währenddessen ging eine Durchsage an die Mitarbeiter per Funk, dass jemand, der einen Schlüssel für die Kette oder einen Bordrollstuhl hat, sich umgehend melden solle. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass sich niemand meldete. Die Zeit verging, die Maschine war jetzt definitiv verspätet.

Als ich schon nicht mehr daran glaubte, kam einer der Assistenzleute mit einem total schrottigen Bordrollstuhl an. Besser als nix. Zum Borden reichte es allemal. Beim Abschied entschuldigten sich die beiden bei mir. Ich habe gelacht und gesagt: „Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ihr Unternehmen sollte sich besser Bordrollstühle zulegen. Damit ist uns allen am meisten geholfen.“

„Der Rollstuhl“ und „die Uniform“

Heute am Gate in Hamburg.
Angestellte hinter dem Tresen zu den Assistenzleuten: „Der Rollstuhl kann als erstes einsteigen.“
Gedacht habe ich: „Und die Uniform bleibt in Hamburg.“
Gesagt habe ich mit einem freundlichen Lächeln: „Mein Rollstuhl wird verladen. Aber ich steige gerne als Erste ein.“

Aber das toppt noch nicht den Mitarbeiter der Bahn, der mal zu seinem Kollegen mit Hinweis auf mich sagte: „Das hier muss auch noch mit.“ Vorher wurden die Pakete für den IC-Kurierdienst verladen…