Tag Archiv für Reisen

Der Süden Englands

Ich habe mir endlich mal wieder Urlaub gegönnt und war im Süden Englands. De facto kenne ich das Land, in dem ich jetzt seit fast drei Jahren lebe immer noch nicht richtig, auch wenn mir viele britischen Londoner versichern, sie kennen auch kaum mehr als ich von Großbritannien.
Und nach einem einwöchigen Trip durch Südengland muss ich sagen, ich lebe in einem sehr schönen Land. Und in einem relativ barrierefreien noch dazu. Wir haben selbst in den kleinsten Käffern an der Küste immer eine barrierefreie Toilette gefunden. Aber der Reihe nach:

Brighton

Brighton

Brighton liegt weniger als eine Autostunde von uns entfernt. Das Meer ist somit sogar näher als in Hamburg. Brighton ist das größte Seebad Englands und machte auf mich einen sehr studentischen Eindruck. Mein erster Eindruck war schon sehr positiv: Wir fanden problemlos einen Behindertenparkplatz ohne viel zu suchen. Wir übernachteten im Premier Inn Hotel, eine der größten Budget-Hotelketten in Großbritannien. Ich hatte noch nie bei Premier Inn übernachtet. Wir waren aber so zufrieden, dass wir auch auf der weiteren Reise öfter in Premier Inns übernachtet haben. Ungewöhnlich fand ich, dass sie zwar ein barrierefreies Bad mit Griffen hatten, aber eine Badewanne statt einer berollbaren Dusche, dafür mit vielen Griffen. Ich weiß, dass das vielen Rollstuhlfahrern Probleme bereitet. Naja, für mich war das aber okay.
Brighton selber ist ziemlich barrierefrei. Es gab genug öffentliche barrierefreie Toiletten, die Restaurants hatten mobile Rampen zum Anlegen. Aber am meisten beeindruckt hat mich der Royal Pavillion, der für ein so prunkvolles Gebäude aus dem frühen 19. Jahrhundert relativ barrierefrei war. In der Audiotour wurde sogar erklärt warum: George IV konnte irgendwann nicht mehr gut laufen und ließ alle Zimmer im Erdgeschoss einrichten. A propos barrierefrei: Es gab sogar eine spezielle Audiotour für blinde Besucher, in denen die einzelnen Zimmer beschrieben wurden.

Poole

Nachdem uns Portsmouth nicht so gut gefallen hat und außerdem regnete, sind wir einfach weiter nach Poole gefahren. Nach der guten Erfahrung mit der Premier Inn-Kette, sind wir auch dort wieder in ein Hotel von ihnen und wurden nicht enttäuscht. Auch in Poole gab es Behindertenparkplätze, die problemlos zu finden waren. In der Touristeninfo haben wir uns mit Informationen über die Region eingedeckt und sind danach thailändisch essen gegangen. Allerdings war es nicht ganz so einfach, ein barrierefreies Restaurant zu finden. Poole ist nicht so der Hit. Der Strand ist sehr schön, aber die Stadt selbst ist eher langweilig, fand ich.

Eine Broschüre brachte uns auf die Idee, auf die Isle of White zu fahren. Es gab super günstige Fährangebote und so sind wir am nächsten Tag nach Lyminton gefahren, einem kleinen Ort an der Küste. Die Hauptstraße haben wir uns gar nicht erst angesehen – zu steil. Aber unten am Hafen war es sehr nett.

Lymington

Hafen von Lymington

Es gab kleine Läden, man konnte Eis essen und die Schiffe beobachten während man auf die Fähre wartete. Bislang waren alle Autofähren, die ich hier benutzt habe, total barrierefrei. So auch diese. Man muss den Leuten, die am Anfang kontrollieren sagen, dass man Rollstuhlfahrerin ist, dann schicken sie einen an den Rand oder in eine spezielle Reihe, um sicherzustellen, dass man einen Platz in der Nähe des Lifts bekommt und genug Platz zum Aussteigen hat. Das hat sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt super funktioniert. Sie hatten uns auch angeboten, im Auto sitzen zu bleiben, aber das wollten wir nicht.

Isle of Wight

Isle of White

Auf der Isle of Wight haben wir kein Zimmer mehr im Premier Inn bekommen und sind stattdessen zu Travelodge, eine andere Budget-Kette mit etwas schlichteren Zimmern. Ich war mal in Wales und habe in einem Travelodge-Hotel übernachtet. Das Zimmer auf der Isle of Wight sah identisch aus wie das in Wales. Einfach, aber barrierefrei.
Parken war auf der ganzen Insel kein Problem. Abends waren wir in einem uralten Pub am Hafen von Newport – umgebaut mit Rampe und barrierefreier Toilette. Das finde ich jedesmal faszinierend: Da gibt es hunderte Jahre alte Gaststätten und die haben eine barrierefreie Toilette. Und dann gibt es Lokale, die weit weniger Probleme hätten, eine einzurichten und die machen es nicht. In dem Pub waren dann auch gleich noch andere Rollstuhlfahrer.

Swanage

Auf Empfehlung sind wir am nächsten Tag weiter nach Swanage gefahren. Swanage symbolisiert für mich einen Urlaubsort, der einfach nichts richtig gemacht hat in Bezug auf Barrierefreiheit. Wir kamen in Swanage an und hatten schon Probleme einen Parkplatz zu finden. Es gab kaum Behindertenparkplätze. Als wir dann endlich einen gefunden hatten, durfte man auf diesem nur zwei Stunden stehen bleiben und musste bezahlen, obwohl es ein Parkplatz der Stadt war und kein Privater. Der Hammer war aber, dass ich an die Parkautomaten nicht rankam, weil eine Stufe davor war.

Parkautomat

Der Bürgermeister dieses Ortes wird noch Post von mir erhalten. So kurbelt man den Tourismus sicher nicht an. Und das hatte sich wohl auch rumgesprochen: Während es in wirklich jedem Küstenort auffallend viele behinderte Menschen gab, die dort Urlaub machten, waren Swanages Urlauber durch und durch nichtbehindert.
Es gab leider keine Hotelketten am Ort und so mussten wir uns auf die Kompetenz der Touristeninfo verlassen. Die Frau wirkte recht ratlos als wir ankamen. Sie hatte nicht einmal eine Liste mit barrierefreien Unterkünften, telefonierte etwas halbherzig rum und riet uns dann, es in einem anderen Ort zu versuchen. Das nenne ich lokale Wirtschaftsförderung! Wir haben Swanage dann auch schnell wieder verlassen und sind zurück nach Poole gefahren, diesmal in ein anderes Premier Inn-Hotel.
Aber eine Einrichtung hat mich aber in Swanage beeindruckt: Eine alte aber barrierefreie Bahn.

Zug

Wir kamen drei Minuten vor Abfahrt des Zuges an, kauften schnell eine Fahrkarte und ruckzuck legte der Schaffner eine Rampe an.

Rampe am Zug

Rampe am Zug

Ich habe mich wirklich gefragt, wieso das eigentlich nicht immer so sein kann. Wir sind mit der Bahn bis Corfe Castle gefahren, einem Ort mit 1500 Einwohnern, einer Burg, ein paar Pubs und – natürlich – einer Behindertentoilette.

Hinweisschild fuer Rollstuhlfahrer

Corfe Castle

Weymouth

Weymouth

Eigentlich wollten wir schon nach Hause fahren, aber das Wetter war so schön und so entschieden wir uns dafür, noch ein bisschen westwärts zu fahren. Wir kamen nach Weymouth, das uns so gut gefiel, das wir dort blieben. Die Touristeninfo von Weymouth war das komplette Gegenteil zu der in Swanage. Das Premier Inn war ausgebucht und so gingen wir wieder in die Touristeninfo. Dort begrüßte uns ein Plakat mit angebotenen Dienstleistungen für behinderte Urlauber: Es gab eine Liste mit barrierefreien Unterkünften, eine Broschüre mit barrierefreien Einrichtungen, einen Stadtplan für Rollstuhlfahrer und vieles mehr. Die Hotelliste telefonierten wir dann einfach ab und schon die zweite Unterkunft auf der Liste hatte ein barrierefreies Zimmer frei. Während unseres Aufenthalts in Weymouth sind mir sicherlich 30 Rollstuhlfahrer begegnet: Alte und Junge, Leute auf Scootern, mehrfachbehinderte Menschen an Beatmungsgeräten und Aktivsportler. Der Ort hat sich auf behinderte Urlauber eingestellt und die wissen das offensichtlich zu schätzen. Der Stadtplan für Rollstuhlfahrer verzeichnete sage und schreibe 14 Behindertentoiletten.

Das war sicher nicht die letzte Tour, die wir auf diese Weise gemacht haben. Es ist einfach toll, einfach dahin zu fahren, wo man hin möchte und dort zu bleiben, wo es einem gefällt. Und ich fand sehr interessant zu sehen, was man als Küstenort, der vom Tourismus lebt, mit ein bisschen Mitdenken machen kann.
Ich bin übrigens immer noch beeindruckt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Briten. Das macht das Reisen hier so angenehm. Wenn wir irgendwo standen und auf die Karte schauten, kam sofort jemand und fragte „Do you need a hand?“. Also verloren gehen kann man hier nicht.

Kueste

Lieber Flughafen Hamburg…

es ist immer schön zu wissen, dass alles so bleibt wie es ist, auch wenn man lange fort geht. Nicht auszudenken, wenn ich einmal bei Dir ankommen würde und es gebe plötzlich bei Dir eine angemessene Zahl an barrierefreien Toiletten an den Gates. Habe ich mich doch schon daran gewöhnt, dass der Gang zur Toilette in Bezug auf die Entfernung dem sich anschließenden Flug ähnelt.
Jetzt gibt es eine neue Toilettenanlage. Im Terminal 2, direkt am Fahrstuhl vor der Gepäckausgabe. Eigentlich ein idealer Ort, um eine barrierefreie Toilette zu installieren. Aber wir wollen ja, dass sich nichts ändert. Deshalb hast Du auch konsequenterweise keine barrierefreie Toilette eingebaut und die Anlage auch gleich mit Stufen versehen. Der alte Mann, der in meinem Flieger war, und am Stock ging, musste auch noch ein bisschen weiter laufen als alle anderen. Wäre ja aber noch schöner, wenn jeder Hans und Franz, gleich welchen Alters, Deine Toiletten benutzen könnte. Lieber Flughafen Hamburg, es ist toll, dass man bei Dir keine Überraschungen erlebt und alles beim Alten bleibt.
Auf meine Frage, was sich seit dem Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie für behinderte Passagiere am Flughafen geändert hat, sagte Deine Mitarbeiter: Ähm…Nichts. Das nenne ich wirklich konsequent.

Sechs Länder, elf Bundesländer in sieben Tagen

Ich bin gerade auf einer in Teilen spontanen Europa- und Deutschlandtour. Ich war das erste Mal in meinem Leben in Hollenbach, auf der Beerdigung von Elke Bartz – eine sehr beeindruckende Beerdigung. So viele Rollstuhlfahrer wird Hollenbach in den nächsten 50 Jahren nicht mehr sehen wie bei Elkes Beerdigung. Es war eine sehr schöne Beerdigung, sofern man das über Beerdigungen sagen kann.

Am Samstag ging es weiter nach Marburg zu einer Hochzeit und mir ist die Umstellung von Trauern auf Feiern ziemlich schwer gefallen. Die Feier war sehr interessant, denn etwa 2/3 der Hochzeitsgäste sowie das Brautpaar waren blind. Und ich habe Marburg, den Sitz der Blindenstudienanstalt kennen gelernt. Eine für Rollstuhlfahrer grauenvolle Stadt – steil, Kopfsteinpflaster, überall Stufen. Aber malerisch schön. Ich habe gelernt, dass viele blinde Bürger am Stadtrand wohnen, in Marburg-Richtsberg und gar nicht da, wo Marburg so malerisch ist. Und auch die Blista liegt nicht in der schönen Altstadt. Aber die Kellner in den Lokalen sind blinde Gäste gewohnt. Sagen, wo das Glas steht und was auf dem Teller ist.

Jetzt bin ich nach über einem Jahr mal wieder in Hamburg und morgen fahre ich nach Berlin. Dann geht es weiter nach Dänemark und mit der Fähre von dort nach Hause. Für mich ist das ein bisschen eine Abschiedstour von Deutschland. Es ist ein bisschen stressig, aber macht mir Spaß.

Kevin Connolly gafft zurück

Kevin Connolly ist Photograf und hat die ganze Welt bereist. Er kam ohne Beine zur Welt und ist auf einem Skateboard unterwegs. In Wien starrte ihn mal wieder jemand an und er nahm die Kamera und drückte ab. Das war der Beginn einer Fotoserie, die auf der ganzen Welt entstanden ist: Menschen die ihn anstarren. Sehr sehenswert!

via National Public Radio

Im Ausland

Ich war mal wieder zwei Tage beruflich in Frankfurt und habe jedesmal mehr das Gefühl, ich fahre ins Ausland. Dabei ist das ja eigentlich meine Heimat. Dieses Mal stand ich bereits am Beginn der Reise vor der Herausforderung, mir eine Fahrkarte für den öffentlichen Nahverkehr ziehen zu müssen. Das habe ich noch nie in meinem Leben in Deutschland gemacht, denn als deutsche Rollstuhlfahrerin hat man ja eine Wertmarke, mit der man kostenlos fahren kann. Ich habe aber keine deutsche Wertmarke mehr und so machte ich Bekanntschaft mit Frankfurter Ticketautomaten und Zonenkarten. Wie das ein Ausländer ohne Deutschkenntnisse verstehen soll, ist mir völlig schleierhaft. Dass Rollstuhlfahrer eine Karte ziehen müssen, ist auch nicht vorgesehen. Fahren ja alle kostenlos und deshalb kommt man kaum an die Schlitze und Knöpfe dran. Gleiches Problem stellte sich dann später beim Busfahren. Wie soll ich vorne eine Fahrkarte ziehen, wenn ich hinten einsteigen muss? Ich habe mir dann gleich eine Tageskarte gekauft.

Das Hotel, in dem ich sonst wohne, wird gerade renoviert und es gab keine barrierefreien Zimmer. Also musste ich mir ein anderes Hotel in der Nähe des Flughafens suchen. Meine Wahl fiel auf das Intercity Hotel am Flughafen. Doch leider war die Dame am Telefon nicht in der Lage, mir eine adäquate Auskunft darüber zu geben, ob der Shuttle zwischen Hotel und Flughafen für mich zugänglich ist. „Das wird schon irgendwie gehen“, sagte sie mir. Ich habe dann zu ihrer großen Überraschung nicht gebucht.

Ich habe mir dann ein Hotel in der Bürostadt Niederrad gebucht, nicht wissend, dass dieser Stadtteil nach 20 Uhr völlig ausgestorben ist. Mein Zimmer war im Souterrain mit Blick auf die Unterböden der Autos auf der A5. Obwohl es ein nagelneues Hotel war und es offiziell ein barrierefreies Zimmer war, konnt man sich weder im Zimmer noch im Bad im Rollstuhl ordentlich bewegen. Im E-Rollstuhl hätte man überhaupt keine Chance gehabt. Ist die hessische Bauordnung wirklich so schlecht oder war die Bauaufsicht bestochen? Keine Ahnung.

Ich bin abends noch in die Stadt gefahren, nur eine Station mit der S-Bahn bis Hauptbahnhof und barrierefrei. Auf der Rückfahrt habe ich aber einen entscheidenden Fehler gemacht. Ich bin zwar in die S-Bahn in Richtung Wiesbaden gestiegen, aber nicht in die, die Richtung Niederrad fährt, sondern die, die über Griesheim fährt. Da fühlte ich mich dann wirklich wie im Ausland, denn ich war hoffnungslos verloren. Ich hatte keine Ahnung, welche der folgenden Stationen barrierefrei sind, damit ich wieder zurückfahren konnte. Denn die Frankfurter Verkehrsbetriebe weisen das natürlich nicht auf ihrem S-Bahnplan in den Zügen aus, wie das Hamburg oder London macht. Auf den jeweiligen Bahnsteigen waren auch keine Hinweisschilder für Fahrstühle zu sehen. Ich wusste nur, dass Wiesbaden einen Sackbahnhof hat und ich dort auf alle Fälle rauskomme. Also fuhr ich durch bis Wiesbaden – eine fast einstündige Fahrt. In Wiesbaden wartete ich dann weitere 30 Minuten auf die S-Bahn zurück nach Frankfurt. Gegen 0.30 Uhr kam ich dann in Niederrad an.

Da die Bürostadt Niederrad in der Nacht durchaus als Ökoprojekt durchgehen könnte, was die Beleuchtung angeht, war der Rückweg umso mühseliger. Ich sah meine eigene Hand vor Augen nicht und blieb prompt mit dem Vorderrad in einem Schlagloch hängen. Das Vorderrad war völlig verbogen und fuhr nicht mehr. Also fuhr ich hochgekippt auf den zwei Hinterrädern im Dunkeln ins Hotel. Ich war bedient.

Am nächsten Tag hat mir aber ein Lufthansa-Techniker den Rollstuhl repariert. Und ich habe mir fest vorgenommen, auswendig zu lernen, welche der Stationen im Rhein-Main-Gebiet barrierefrei sind. Viele scheinen das ja nicht zu sein.

Alles wie gehabt

Ich bin gestern zum ersten Mal richtig Bahn gefahren in Großbritannien. Um es vorweg zu sagen: Es war ziemlich enttäuschend. Alles lief fast genauso ab wie bei der Deutschen Bahn – ziemlich nervtötend.

Ich hatte mich entschieden, zu einer Veranstaltung der Deutsch-Britischen Handelskammer nach Birmingham zu fahren. Morgens vermeldete der Verkehrsfunk aber bereits Staus überall und dann entschied ich mich, mit VirginTrains nach Birmingham zu fahren anstatt mit dem Auto. Auf der Internetseite wurde ich schon darüber aufgeklärt, dass man sich als Rollstuhlfahrer 24 Stunden vorher anmelden sollte. Das ist bei der Deutschen Bahn auch so und ich finde das eine Zumutung. Es sollte doch im Jahr 2008 möglich sein, auch als behinderter Reisender mal spontan von A nach B zu fahren.

Ich rief die Hotline trotz 20-stündiger Verspätung dennoch an. Dort blaffte man mich sofort an, dass ich eigentlich 24 Stunden vorher anmelden müsse. „Und was ist, wenn ich vor 24 Stunden noch nicht wusste, dass ich mit Ihnen fahren möchte?“, fragte ich die Dame. „Ja, dann nehmen wir Ihre Anmeldung dennoch entgegen. Aber ich kann für nichts garantieren.“ Welches Bahnunternehmen garantiert denn irgendwas? Das war mir neu. Naja egal, sie nahm meine Anmeldung auf. War dabei sehr nett und sagte mir dann noch, wo Behindertenparkplätze bei den Bahnhöfen sind etc. Das fand ich einen ganz guten Service.

Am Bahnhof angekommen, kaufte ich mir eine Fahrkarte für den Zug um 15:10 Uhr und ging zur Customer Information, um Assistenz zu bekommen. Und schon wieder blaffte mich ein Mitarbeiter an, ich habe mich nicht rechtzeitig angemeldet. Ich erklärte ihm, dass ich eigentlich mit dem Auto fahren wollte und sie sich doch mal freuen sollten, eine Neukundin gewonnen zu haben. Er hatte meine Anmeldung vorliegen, es gab gar keinen Grund mich anzublaffen, alle Angaben waren korrekt und ich wartete auf den Menschen mit der Rampe. Der kam auch und sagte: „Ich habe schlechte Nachrichten: Ich Zug wurde gecancelt.“ Sie würden mich auf den nächsten Zug umbuchen. Damit war die Anmeldung also sowieso für die Katz.

Wie an den Flughäfen werden die Abfahrtsgleise an Sackbahnhöfen immer erst kurz vor Abfahrt bekannt gegeben, damit die Leute nicht auf den Bahnsteigen rumstehen, sondern in der Wartehalle. Das hat für mich den Vorteil, dass ich ohne Eile einsteigen kann, denn die Assistenzleute wissen die Gleisnummer natürlich schon vorher. Der Einstieg der Fernzüge ist ähnlich bescheuert wie in Deutschland: Zwei hohe Stufen. Dafür ist er Einstieg per Rampe erheblich besser. In jedem Wagen, in dem es einen Rollstuhlplatz gibt, gibt es in einem Schrank eine Rampe, die man an die Treppe anlegen kann. Die ist stabil und es geht ruckzuck. Ich war also als Erste im Zug bis die Horden einfielen. Da der Zug davor ja nicht fuhr, waren also doppelt so viele Menschen im Zug wie Plätze da waren. Aber ich konnte nicht meckern, ich hatte ja einen Platz.

In einer Broschüre las ich dann, dass ich viel zu viel für mein Ticket bezahlt habe. Rollstuhlfahrer, die keinen Sitzplatz benötigen, zahlen nur einen reduzierten Fahrpreis. Hat mir natürlich niemand gesagt. In der Broschüre stand auch, dass Rollstuhlfahrer den Schaffner darauf hinweisen sollen, dass er am Ankunftsbahnhof Assistenz anfordert. Aber von einem Schaffner war angesichts der Überfüllung des Zuges nichts zu sehen.

Und so war ich dann auch wenig überrascht, dass in Birmingham niemand war, um mir die Rampe an den Zug anzulegen. Aber in solchen Fällen, ist ja auf die Briten Verlass: Die Leute, die einsteigen wollten, haben sofort einen Virgin-Mitarbeiter auf dem Bahnsteig gesagt, er soll eine Rampe holen und das ging ruckzuck.

Die Rückfahrt verlief anfangs problemlos. Der Zug war fast leer, die Leute am Customer Service in Birmingham sehr nett, aber wieder war kein Schaffner zu sehen. Wie kamen also in London Euston an und keiner war da. Ich schaffte noch, einem der wenigen Mitreisenden aufzutragen, im Bahnhof bescheid zu sagen, dass ich aus dem Zug will. Aber der Zug stand an der Endhaltestelle und nichts passierte. Kein Personal weit und breit und ich war relativ weit hinten im Zug, so dass ich auch den Lokomotivführer nicht erreichen konnte. Ich hatte dann nach 20 Minuten Angst, dass irgendwann jemand die Türen schließt und den Zug ins Depot fährt, es war ja schon spät. Auch vom Putzpersonal war nichts zu sehen. Ich stellte mich also an die Tür, eine Hand an der Wagentür, um das Schließen zu verhindern. Die andere am Handy. Es gelang mir nicht, die Telefonnummer des Bahnhofs rauszukriegen und so entschloss ich mich, 999 zu wählen. Die würden mich schon aus dem Zug holen. Dazu kam es aber gar nicht, weil plötzlich am Ende des Bahnsteigs ein kleiner Wagen auftauchte. Die Mitreisenden hatten wohl doch bescheid gesagt.

Die Leute von Nationalrail sagten, ihnen habe niemand etwas gesagt und die Leute von VirginTrains seien vor 30 Minuten nach Hause gegangen. Der Bahnhof war total ausgestorben als ich in der Halle ankam und die Mitreisenden hatten sicherlich einige Probleme, jemanden zu finden, dem sie sagen können, dass ich noch im Zug bin.

Ja, natürlich beschwere ich mich bei VirginTrains. Nur ich fürchte, das wird auf so unfruchtbaren Boden fallen wie bei der Deutschen Bahn. Transportunternehmen sind in vielen Bereichen nicht verpflichtet, das DDA umzusetzen, was mich tierisch ärgert. Ich habe in Deutschland Bahn fahren gemieden und werde das wohl hier auch so handhaben. Aber ich werde jetzt jeden Abgeordneten, dem ich begegne damit nerven, endlich die Transportunternehmen zur Barrierefreiheit nach DDA zu verpflichten und zwar umfassend.

Mit dem Fake-Blindenhund auf Reisen

Ich bin ja einiges gewöhnt, was Spam angeht, aber die Mail, die mich vorhin erreichte, die musste ich zwei Mal lesen, um zu glauben, was da steht. Sie war an meinen Freund gerichtet. Lest selbst:
Sehr geehrter Herr A.,

Sie werden sich sicher wundern, von mir (unbekannterweise) zu hören. Im Internet sind wir durch Zufall auf Sie gestoßen. Wir haben eine ganz ungewöhnliche Bitte und wenden uns deshalb vertrauensvoll an Sie.

Wir wollen ganz offen und ehrlich zu Ihnen sein. Mit unserer ganz lieben Golden Retriever Hündin planen wir eine
Übersiedlung nach Costa Rica. Unserer größtes Problem ist dabei der Transport unseres Tieres im Flugzeug. Da für uns der Transport im Frachtraum unmöglich erscheint, haben wir schon an den Transport per Schiff usw. gedacht. Doch alles war bisher
erfolglos. Bitte verstehen Sie uns jetzt nicht falsch. So haben wir auch bereits überlegt, einem sehbehinderten Menschen eine
Reise nach Costa Rica zu finanzieren, um es unserer Hündin zu ermöglichen, im Flieger oben im Flugzeug bei uns in einer Box
untergebracht zu sein. Dazu hatten wir uns auch bereits mit einem Blindenverein des Ortes in Verbindung gesetzt. Diese hatten Verständnis für unsere Situation und vermittelten auch einen Kontakt. Leider wurde aber trotzdem nichts daraus.

Da wir jedoch nichts unversucht lassen wollen, hier nun unsere Bitte. Wüssten Sie eventuell jemanden, der sich auf so ein Abenteuer einließe. Sie würden uns damit überaus behilflich sein. Jeder kleinste Hinweis würde uns helfen.

In der Hoffnung, von Ihnen zu hören, verbleibt
mit freundlichen Grüßen
(Name gelöscht)

Blindenführhunde und andere Assistenzhunde dürfen oben in der Kabine mitfliegen, weil sie speziell trainierte Hunde sind. Die Regelung heißt nicht „Jeder Blinde darf einen Hund mitbringen.“ Ich finde das ein ziemlich unmoralisches Angebot und verstehe nicht, warum dieser Hund nicht wie alle anderen auch unten im Gepäckraum mitfliegen kann. Die Ausnahme, dass Blindenhunde und andere Assistenzhunde oben mitfliegen dürfen, hat ihren Sinn und wird von den Fluggesellschaften akzeptiert. Sie zu missbrauchen gefährdet diese Regelungen. Und wer sagt mir, dass dieser Hund nicht vollgepumpt mit Drogen ist oder sonst irgendwas nicht mit ihm stimmt?

Aber ich bin sicher, gegen Geld werden sie jemanden finden, der das macht. Und die Fluggesellschaften werden, wenn sich die Geschichte rumspricht, künftig Papiere verlangen, die nachweisen, dass es sich um einen Blindenhund handelt.

Hell Airways again

Ich habe ja so meine eigenen Erfahrungen mit Jet Airways gemacht. Diese Airline gilt noch als eine der besseren in Indien und ist Kandidat, um Mitglied der Star Alliance zu werden, eine Allianz in der sich auch Lufthansa oder United befinden. Jet Airways fliegt unterdessen auch nach Europa, genauer gesagt, nach London und Brüssel.

Aber trotz dieser Bestrebungen hat Jet Airways überhaupt kein Konzept, behinderte Reisende zu transportieren. Das liegt schon daran, dass sie keine Bordrollstühle haben. Nun haben sie aber eine sehr reiche behinderte Passagierin diskriminiert und diese hat die Aufsichtsbehörden eingeschaltet. Man hatte ihr am Check-In ein Schreiben vorgelegt, auf dem Sie unterschreiben sollte, dass sie die Fluggesellschaft von Haftung jeglicher Art entbindet. Ihr Mann musste sie letztendlich ins Flugzeug tragen. Jet Airways hat sich jetzt entschuldigt, allerdings nur bezogen auf die reiche Businessclass-Reisende. Das Verhalten in diesem Fall (!) sei unangemessen gewesen. Und wer jetzt meint, das sei alles ein rein indisch, kulturell bedingtes Problem, der irrt. Das Geschäft dieser Airline leitet ein Österreicher.

Die ganze Geschichte kann man bei Rolling Rains nachlesen.

Hinweis: Ich bin Trainerin bei Lufthansa Flight Training.

Belgien und die Barrierefreiheit

Sorry, ich war ein wenig beschäftigt. Ich war in Hamburg, habe unsere Wohnung ausgemistet und habe mein Auto nach England überführt. 800 Kilometer Fahrt durch Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich und England liegen hinter mir.

Mir sind ja noch gut französische Autobahnraststätten vom Familienurlaub in den 80er-Jahren in Erinnerung. Dieses wenig erfreuliche Bild wird jetzt von den belgischen Raststätten überlagert. Die Belgier beleuchten zwar ihre Autobahnen, aber ich glaube, das machen sie nur, damit ein Schatten auf die Raststätten fällt und man die nicht so sieht. Vier Raststätten musste ich ansteuern, um eine Behindertentoilette zu finden – und das war nicht der einzige Grund, belgische Raststätten in schlechter Erinnerung zu behalten. Die Raststätten waren überlaufen, die Einrichtungen teilweise ziemlich ekelig und Behindertenparkplätze Mangelware. Barrierefreie Rasthöfe waren nicht ausgeschildert – ich kam mir vor wie beim Bingospiel.

Auf der Raststätte mit Behindertentoilette gab es sogar einen Behindertenparkplatz. Einen einzigen! Und der hatte einen sehr originellen Zugang zum Raststättengebäude:

Behindertenparkplatz mit Stufe

Eine Stufe hoch und dann wieder hinunter musste man. Alternativ konnte man auch um den ganzen Parkplatz herum und auf der Straße mitten im Verkehr stufenlos zum Gebäude rollen. Ganz toll! Über die britischen Verkehrseigenheiten (als ob das Linksfahren nicht schon Abenteuer genug wäre) schreibe ich später.

Hilfe, die Deutschen kommen

Woran merkt man in London, dass ein verlängertes Wochenende in Deutschland vor der Tür steht? An der steigenden Zahl deutscher Touristen in Bus und Bahn. Seit heute sind sie wieder da, die Sandaletten- und Rucksackträger.

Gegenüber meinem Haus steht ein nagelneues Holiday Inn Express Hotel, in dem man zu einem, für Londoner Verhältnisse moderaten Preis, nächtigen kann. Ich begegne meinen Landsleuten also bereits morgens auf der Straße und abends wieder. Die Pfennigfuchser haben schon rausgekriegt, dass der Bus zwar länger braucht, aber günstiger ist als die U-Bahn. Das heißt, ich treffe die Damen und Herren auch im Bus. Und da kommt es schonmal zu Szenen wie dieser: Der Bus hält. Die Wochenendurlauber und ich möchten aussteigen. Der Fahrer fährt die Rampe aus. Dabei bleibt die Tür geschlossen und ein Warnton macht darauf aufmerksam, dass die Rampe ausgefahren wird.

Während die Menschen nicht-deutscher Nationalität geduldig warten, versucht der deutsche Londonbesucher durch Dauerklingeln den Busfahrer darauf aufmerksam zu machen, dass er aussteigen möchte. Jetzt. Sofort. Fruchtet diese Aktion nicht, zieht man auch schon mal gerne an der Bustür, um den Vorgang manuell zu beschleunigen. Ohne Erfolg natürlich.

Das ist der Moment, in dem ich mit möglichst wenig deutschem Akzent, aber umso posh die Herrschaften darauf hinweise, dass sie doch bitte „patient“ sein sollen, weil der Fahrer die Rampe „deploys“. Als Antwort erhalte ich dann sowas wie: „Ah, ramp. For you. I see.“ Und zur Begleitung richtet er dann den erklärenden Satz: „Wir müsse watte, wege der Frau. Wege der Ramp.“ Ich sags ja, Reisen bildet…