Tag Archiv für Medien

Britain’s missing Top Model

In Großbritannien ist gerade „Britain’s missing Top Model“ gekürt worden. Das ist eine Reality-Serie der BBC, bei der am Ende eine behinderte Frau ein Fotoshooting mit der Zeitschrift Marie Claire gewinnt und eben „Britains missing Top Model“ ist.
Ich habe mir die vorletzte Folge der Serie auf BBC3 angesehen und fand es eine sehr merkwürdige Serie. In der letzten Folge waren noch drei Frauen übrig. Gewonnen hat dann am Ende eine Frau, der ein Unterarm und die Hand fehlt. Nicht zuletzt deswegen, weil die Behinderung am wenigstens Einfluss auf den Modellalltag hat. Na prima!

Die Sendung ist alles in allem ziemlich langweilig. Es wird thematisiert, dass die Rollstuhlfahrerin beim Außentermin nicht aufs Dach kommt und getragen werden muss. Wie überraschend! Und überhaupt dreht sich eigentlich nur alles darum, was die Frauen NICHT können. Das soll inspirierend für andere behinderte Frauen sein? Na, ich weiß nicht. Im Guardian gab es einen ganz guten Kommentar zu der Sendung. Die Autorin hat genau das gleiche Problem wie ich: „Though I haven’t seen all of them, I fear that this competition seems to be highlighting what the girls can’t do, rather than all the things they can.“

In Deutschland läuft gerade auch zum x.-ten Mal ein Modellwettbewerb für behinderte Frauen. Die Welt berichtet mit Bildergalerie und fragt ihre Online-Leser, ob es überhaupt Schönheitswettbewerbe für Behinderte geben soll. Die vorgegebenen Antworten sind: „Ja, auch gehbehinderte Frauen sind schön.“ oder „Nein, Behinderte sollten nicht zur Schau gestellt werden.“ Die Welt ist tief ins Sommerloch gefallen, wie mir scheint.

Ich finde Modell-Wettbewerbe insgesamt eine ziemlich bescheuerte Angelegenheit. Sie werden auch nicht besser, wenn behinderte Frauen daran teilnehmen. Was mich aber stört ist die Annahme, die Gewinnerin werde zum Vorbild für andere behinderten Frauen und würde das Bild von behinderten Menschen in der Öffentlichkeit verbessern. Sowohl bei den Shootings für den deutschen Modellwettbewerb als auch bei einem der BBC-Shootings wurde darauf geachtet, die Behinderung teilweise zu kaschieren. In der BBC-Serie kritisiert das immerhin eines der Jurymitglieder, die selber Rollstuhlfahrerin ist. Damit macht man aus behinderten Frauen nicht behinderte Frauen und das war’s dann mit den Vorbildern und dem veränderten Blickwinkel.

BBC untertitelt das gesamte Programm

So, nun ist es soweit: Die BBC untertitelt ihr gesamtes Fernsehprogramm. Rund um die Uhr werden die Sender BBC One, BBC Two, BBC Three, BBC Four, CBeebies, CBBC und BBC News untertitelt. Gehörlose und schwerhörige Menschen können nun genauso viele Sendungen sehen und verstehen, wie hörende Zuschauer. Die Gehörlosenverbände haben der BBC gratuliert, eine Feier wird es auch geben. Wann wohl in Deutschland dieses Ereignis gefeiert wird? In 5 Jahren? In 10? Nie? Die BBC zeigt damit aber, dass es für eine öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt möglich ist, dieses Ziel zu erreichen – selbst in Zeiten, in denen eigentlich gespart wird. Ich denke, es wäre ein guter Anlass für die Interessenvertreter bei ARD und ZDF nachzuhaken.

Danke, EU!

Nicht erst seit ich in Großbritannien lebe, weiß ich die Errungenschaften der Europäischen Union durchaus zu schätzen. Nun lese ich, dass die EU durchsetzen will, dass alle öffentlich-rechtlichen Sender ihr Programm komplett untertiteln müssen. Ja, was soll ich sagen, danke EU! Die BBC wird das völlig kalt lassen, die untertiteln teilweise sogar die Werbung und zeigen, dass es eine vollständige Untertitelung möglich ist. Aber ich fürchte, in Deutschland wird es wieder Heulerei geben. Ich habe auf einen Tipp eines Lesers hier im Blog hin mir mal die Untertitelung von Anne Will angesehen und empfehle das jedem einmal selbst auszuprobieren. Das ist der absolute Hammer. Die Sendung ist teilweise nicht zu verstehen. Aber es ist ja gar nicht selbstverständlich, dass überhaupt untertitelt wird.

Am Anfang als ich in Großbritannien lebte, habe ich mir einige Serien mit Untertitel angesehen, um mich in die Akzente reinzuhören und wirklich alles verstehen zu können. Seit dem weiß ich, was Untertitel für Ausländer für eine Bereicherung sein können. Insofern ist dieser Vorstoß nicht nur für gehörlose Menschen eine gute Sache.

Ich bin mal gespannt, wer als erstes gegen den Vorstoß aufjault…

Interview

Ich führe zwar bei weitem lieber Interviews als dass ich welche gebe, aber manchmal lasse ich mich überreden.

Die Zeitung ist da

So, ich bin der glücklichste Mensch der Welt, denn meine Zeitung ist erschienen. Es hat alles geklappt – die Grafik, der Druck, der Inhalt, der Anzeigenverkauf und die Verteilung läuft gerade. Die Zeitungen für die Abonnenten sind schon auf den Weg gebracht.

Zeitungscover

Ich bin sehr sehr froh und erleichtert. Das Feedback ist bislang auch durchweg gut. Ich bin froh, dieses Projekt gestartet zu haben und ich bin jetzt sicher, dass es ein Erfolg wird. Jetzt wird erstmal Schlaf nachgeholt und die zweite Ausgabe wartet ja auch schon… Wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, berichte ich mal über meine Erfahrungen der letzten sechs Monate.

P.S.: Abonnieren kann man das gute Stück hier. Eine Liste mit Verteilstellen gibt es auch.

Behinderte Menschen in den Medien

Ich beobachte, seit ich hier bin, wie die britischen Medien mit dem Thema Behinderung umgehen und bin beeindruckt. Ich gebe allerdings zu, ich ignoriere die Boulevardpresse völlig, was angesichts des umfangreichen Angebots guter Tageszeitungen nicht wirklich schwer ist.

Was mir dabei besonders auffällt ist, dass behinderte Menschen hier weit öfter selbst zu Wort kommen als ich das in Deutschland wahrgenommen habe. Und offensichtlich scheint es auch eine ausreichende Anzahl an Leuten zu geben, die man als Journalist befragen kann und die auch noch schlaue Sachen sagen. Die Verbände, so mein Eindruck, machen hier professionelle Pressearbeit, was in Deutschland ganz und gar nicht der Fall ist. Viele haben nicht einmal einen Presseverteiler.

Und behinderte Menschen beteiligen sich hier viel stärker an Diskussionen, so scheint mir. Artikel wie dieser erwecken bei mir diesen Eindruck. Und die Journalisten gehen anders mit den Leuten um. Zu dem Programm der Regierung zur Gleichstellung behinderter Menschen druckte der Guardian die Meinungen verschiedener Verbände und Lobbygruppen. Ich habe mir mal den Spaß erlaubt und nachgesehen, wie oft die taz in den letzten sechs Monaten über das Behindertengleichstellungsgesetz berichtet hat. Das Wort, seine Varianten und Abkürzung ergab keinen Treffer im Online-Archiv. Das Wort DDA findet sich im Guardian Online-Archiv fünf Mal seit Oktober. Insgesamt liefert die Suche sogar 86 Treffer.

Ich habe dennoch nicht den Eindruck, dass behinderte Menschen zu wenig in den deutschen Medien vorkommen. Die Frage ist, wie sie dargestellt werden und welche Themen behandelt werden. Wie schwer es ist in Deutschland mit einem behindertenpolitischen Thema in die Medien zu kommen, kann man gerade hier nachlesen.

Es geht los

Wer sich in den letzten Monaten gefragt hat, was ich eigentlich in England so treibe, dem kann ich heute eine Antwort darauf geben. Ich arbeite seit August nicht mehr für BBC, sondern habe eine eigene Firma gegründet, die Ortegalink Ltd. Im März werde ich eine Monatszeitung für die deutschsprachige Community auf den Markt bringen. Sie heißt „The German Link“ und wird logischerweise auf Deutsch erscheinen. Ich erfülle mir gerade einen Lebenstraum, denn als Journalistin gibt es nichts schöneres als sein eigenes „Baby“ zu haben. Ich habe, glaube ich, nur in meinem Volontariat so viel gearbeitet wie die letzten Wochen, aber es macht mir riesig Spaß. Und ja, die Zeitung erscheint auf Papier.

Also, wer abonnieren will, hier gehts lang. Anzeigen verkaufen wir natürlich auch.

Mein Dank geht an alle Leute, die mich bis heute bei diesem Projekt unterstützt haben und an mich glauben.

„Freak“-Film beim Disability Film Festival unerwünscht

Die British Academy of Film and Television Arts (BAFTA) mag einen Film nicht, der beim Disability Film Festival laufen sollte und hat ihr Veto eingelegt. Es geht um den Film „The Last American Freak Show“ von Regisseur Richard Butchins. Butchins, der übrigens selbst eine Behinderung hat, schreibt in seinem Blog:

„After 3 days of trying Corinna Dowling, head of events at BAFTA and the person responsible for the decision, finally returned my calls to tell me that the ‘aesthetic’ of the film was wrong, that it was too explicit, raised too many questions and was too demanding for the event in question ( an event held at BAFTA to raise the level of awareness about disability in film etc ).“

Ich habe nur den Trailer zu dem Film gesehen und nehme stark an, dass ich den Film nicht wirklich toll finde, vielleicht sogar total bescheuert finde, wenn ich denn dann mal irgendwo sehen darf. Aber einen Film aus dem Programm zu nehmen, weil er zu viele Fragen aufwirft, finde ich schon bemerkenswert. Dass er behinderte Menschen diskriminiert, halte ich nicht für ausgeschlossen, aber wenn man dieser Meinung ist, dann muss man als BAFTA das auch so kommunizieren. Ich traue der hiesigen Zuschauerschaft zudem zu, auch mit diesem Film fertig zu werden, sollte er diskriminierend sein. Man ist hier fernsehtechnisch schlimmeres gewohnt, auch ganz ohne „Freaks“.

Hier ist der Trailer zum Film:

Radio Fritz

Wer mich mal hören und nicht nur lesen will, kann heute abend Radio Fritz in Berlin einschalten. Die Sendung Trackback läuft von 18 bis 20 Uhr und wird auch hier online gesendet. Ich spreche ein bisschen über dieses Blog.

Update: Den Podcast zur Sendung gibts hier.

Der ORF tappt im Dunkeln

Wer sich vor Weihnachten in Wien aufhält, kommt nicht an der Aktion „Licht ins Dunkel“ vorbei. Was sich anhört wie ein Verein für investigativen Journalismus ist in Wahrheit die jährliche Spendenaktion des ORF zugunsten behinderter Menschen. Es wird den spendenwilligen Österreichern vor Augen geführt, wie schlimm es ist, behindert zu sein. Als ich vor ein paar Jahren die Plakate zum ersten Mal in Wien sah, fragte ich einen Freund, was denn das für eine gruselige Kampagne sei und musste erfahren, es handelt sich um eine Aktion des ORF.

Nun gibt es in diesem Jahr eine Gegenkampagne, ins Leben gerufen von Franz-Josef Huainigg, Abgeordneter und Rollstuhlfahrer. Sie heißt „Nicht ins Dunkel“ und sammelt online Unterschriften gegen die Art und Weise wie die Kampagne Geld eintreibt:

„In dramatischen Fernsehspots wird den Zuseher/inne/n vor Augen geführt, wie schlimm es ist, behindert zu sein. Es geht nur um Mitleid, nicht um Rechte und Gleichstellung. Dieses Fernsehbild hat mit der Lebensrealität vieler behinderter Menschen nichts zu tun. Gleichstellung und Integration sollten vielmehr den Umgang mit behinderten Menschen bestimmen. Statt allweihnachtlich das schlechte Gewissen durch eine Geldspende zu beruhigen, sollten die Spender besser animiert werden, in ihrem Umfeld aktiv mitzuhelfen.“

„Menschen mit Behinderung sollen nicht nur als Objekte Teil der Kampagne sein, sondern diese aktiv mitgestalten. Das Prinzip der Gleichstellung und Integration soll in die Aktion „Licht ins Dunkel“ Eingang finden“, sagt Huainigg.

Und der angegriffene Verein reagiert auf diese Forderung ziemlich patzig mit einer Pressemitteilung.
Ich glaube, die Kampagnenmanager werden für nächstes Jahr umdenken müssen. Man kann nicht dauerhaft eine Kampagne fahren, die den Leuten, die davon profitieren sollen, nicht gefällt.