Voll bemüht

Christiane Link

Die Aktion Mensch hat heute eine „Aufklärungskampagne“ (Zitat Aktion Mensch) gestartet. „Voll im Leben“ heißt die Kampagne. „Sie zeigen, dass sie [Menschen mit Behinderungen] ganz selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft sind,“ heißt es auf der Kampagnenseite, die mit Sprüchen wie „Voll behindert, nicht alle mitspielen zu lassen. Für Freizeit, in der jeder gewinnt.“ Zu sehen ist ein Mann mit Prothese, der gemeinsam mit anderen Fußball spielt. Plakat der Aktion Mensch

Ähm, waren wir nicht schon einmal weiter? Muss 2010 wirklich noch dafür geworben werden, einen Mann mit Prothese im Fußballverein nicht auszugrenzen? Und muss die Gesellschaft wirklich über eine Plakatkampagne lernen, dass es behinderte Menschen gibt, die dazu gehören?

Ich gebe zu, ich lebe nicht mehr in Deutschland und kriege einiges nicht mehr so mit, aber ich halte Deutschland dann doch für fortschrittlicher.

Berufliche Integration und schulische Integration sind wichtige Themen. Ich weiß, dass es da riesen Probleme in Deutschland gibt, aber ich glaube leider nicht an den Effekt der Kampagne. Dafür ist sie zu brav und auch nicht provokant, wie die Aktion Mensch aber glaubt.

Ein rollstuhlfahrendes Mädchen in eine Regelschule zu schicken ist doch nicht wirklich das Problem, jedenfalls nicht für die Klassenkameraden auf dem Poster. Ein Problem sind die Bürokraten, die die Pflege während der Schulzeit nicht zahlen wollen und der nicht barrierefreie Schulbus. Und ich vermute mal, dass die Gäste weit weniger Probleme mit einer Kellnerin, die Down-Syndrom hat, haben als der Arbeitgeber. Die Kampagne verschweigt die Ursachen für Ausgrenzung.

Die Idee, Sonja Kurfiß Carina Kühne, die Kellnerin, einen Blog über ihren Alltag schreiben zu lassen, fand ich gut, allerdings nur so lange bis ich den Eindruck hatte, da hat eine Agentur über die Texte nicht nur drüber gelesen. Da lobe ich mir Ohrenkuss. Gerade weil da keine Agentur „drüber schaut“.

Die Aktion Mensch hat schon in den 90er Jahren eine erheblich pfiffigere Kampagne gestartet: Die Aktion Grundgesetz, die sich für mehr Rechte behinderter Menschen einsetzte – provokant und präsent.

Postkarte der Aktion Grundgesetz:

Die Aktion Grundgesetz hatte gute Werbemittel und flotte Sprüche. „Voll behindert…“, „voll krank…“, „voll gestört“… finde ich weder provokant noch originell. Zudem benennt die Kampagne keine Adressaten. Ich bin sicher, die Mehrheit der Deutschen ist für die Inklusion behinderter Menschen. Die Probleme bei der Umsetzung sind aber komplexer als einen amputierten Mann mitspielen zu lassen.



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