Was man bei der Suche nach seinem Impfpass so alles in alten Ordnern findet… Ich hatte es schon längst vergessen. Unangenehme Dinge vergisst man ja gerne und damals kam ich mir ziemlich machtlos vor. Heute kann ich darüber lachen und darüber bloggen.
Beim Suchen fiel mir ein gelber Zettel ins Auge. „Studentische Hilfskraft gesucht“ steht darauf. Ich hatte ihn fein säuberlich abgeheftet. Die „Zeitschrift für Politikwissenschaft“ suchte 1997 eine studentische Hilfskraft. Zur Tätigkeit steht auf dem Zettel: „Mitarbeit bei verschiedenen redaktionellen Tätigkeiten, z.B. Korrekturlesen, formale Bearbeitung von Rezensionen, Arbeiten mit einer Bücherdatenbank, Erfassen und Bearbeitung von Büchern, allgemeine Bürotätigkeiten, sukzessive Einbindung in alle zur Herausgabe und Koordination der Bibliographie erforderlichen Arbeitsschritte.“
Ich war damals Studentin der Politikwissenschaft und bewarb mich um die Stelle. Hinter dem gelben Blatt mit der Stellenausschreibung entdeckte ich ein Schreiben, über das ich heute laut lachen kann. „Zeitschrift für Politikwissenschaft“ steht auf dem Briefkopf. „Herausgegeben von Klaus Dicke, Eberhard Schütt-Wetschky und Gesine Schwan.“ Gesine Schwan kannte ich damals noch nicht. Ich war selbst überrascht als ich den Namen dort heute entdeckte. Ich nehme aber zur Ehrenrettung der Herausgeber an, dass sie den Brief nicht kannten und nur das Briefpapier dafür herhalten musste.
Unterhalb des Briefkopfs schreibt mir eine promovierte Mitarbeiterin:
„Sehr geehrte Frau Link, wir danken Ihnen für Ihre Bewerbung. Es tut uns sehr leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß wir die ausgeschriebene Stelle aufgrund der körperlichen Arbeitsanforderungen nicht mit einer Rollstuhlfahrerin besetzen können. Wie telefonisch besprochen, senden wir Ihnen Ihre Bewerbungsunterlagen zu unserer Entlastung zurück. Wir wünschen Ihnen für ihre private und berufliche Zukunft alles Gute.“
Das Schreiben ist jetzt neun Jahre alt und wenn ich meinen Lebenslauf heute rückwirkend betrachte, muss ich einfach ganz unbescheiden lachen. Und noch etwas freut mich: So ein Schreiben schickt heute niemand mehr ungestraft raus. Seit 2001 ist das Ablehnen von behinderten Bewerbern wegen ihrer Behinderung schadensersatzpflichtig. Das (kommende) Gleichbehandlungsgesetz verbietet es ebenfalls. Es gibt natürlich Ausnahmen! Aber dieses Schreiben ist aus heutiger Sicht ein gefundenes Fressen für jeden Juristen und das freut mich sehr! Damals konnte ich juristisch nichts dagegen tun. Ich musste das einfach hinnehmen.
Ich wünsche der „Zeitschrift für Politikwissenschaft“, dass sie unterdessen wenigestens einen behinderten Mitarbeiter hat. Nicht als Wiedergutmachung, sondern aus Einsicht.