Ich schimpfe ja durchaus manchmal auf den Flughafen Hamburg, aber so langsam glaube ich, Hamburg ist gar nicht so schlecht im Umgang mit behinderten Reisenden – zumindest bei der Sicherheitskontrolle haben sie mittlerweile mit mir Routine. Ich gebe zu, sie hatten auch genug Gelegenheiten zum Üben mit mir.
Nachdem ja die Flughäfen Düsseldorf und Tegel den Rollstuhlfahrern die Rollstühle derzeit am Check-In unter dem Hintern wegreißen, kann Frankfurt natürlich nicht zurück bleiben: Als ich gestern an die Sicherheitskontrolle kam, forderte man mich auf, meinen Rollstuhl zu verlassen. Dank einem sehr konstruktiven Briefwechsel mit der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer, wegen der Behandlung in Düsseldorf, weiß ich aber, dass das Innenministerium „Richtlinien zur Behandlung behinderter Personen bei der Luftsicherheitskontrolle“ erlassen hat. Dort kann man unter Punkt 3.1 lesen:
„Weitergehende Maßnahmen, z.B. die Aufforderung zum Verlassen des Rollstuhls, sind nach Entscheidung des Kontrollstellenleiters nur bei besonderem Verdacht oder dem Vorliegen sonstiger besonderer Gründe vorzunehmen.“
Einen besonderer Verdacht oder Grund lag aber bei mir definitiv nicht vor. Ich habe mich dann mal auf die Richtlinien bezogen und habe mich geweigert, den Rollstuhl zu verlassen. Rollstuhl verlassen ist nicht so einfach wie Schuhe ausziehen – und selbst da murren die Leute ja. Man erklärte mir, dass man zwar schon eine Staubprobe des Rollstuhls nehmen könne (genau das steht übrigens in der Anweisung!), aber das Gerät sei am regulären Eingang (ca. 10 Meter weiter). Ich war am Sondereingang für behinderte Fluggäste.
Wenn es schon einen Sondereingang gibt, wäre es vielleicht nicht das Dümmste, die Staubprobenutensilien auch dahin zu stellen, dachte ich mir. Da müsse jetzt also jemand rüberlaufen, sagte man mir als würde ich verlangen, dass jemand bis zum Ende der Welt läuft. Ich hatte noch genug Zeit und hatte keine Probleme, dass jemand das Staubtuch für die Probe holt. Aber mir dämmerte langsam, dass die aus eigener Faulheit verlangten, dass ich mich auf einen Stuhl umsetze. Es kam dann tatsächlich jemand mit einem Tuch. In zwei Minuten war die Sache erledigt – ganz ohne Umsetzen.
Die Mitarbeiterin vom Betreuungsdienst, die mich begleitete, erzählte mir dann noch, dass sie bei Umsteigern teilweise das Theater drei bis vier Mal haben, bis sie am Umsteigegate ankommen. Manchmal würden die Sicherheitsleute sogar verlangen, dass Leute in Sitzschalen – das sind oft Leute mit Mehrfachbehinderungen, mit starken Spastiken etc. – mehrfach aus dem Rollstuhl gehoben werden.
Liebe behinderte Fluggäste, liebe Sicherheitsleute, es gibt für diese Behandlung, keine rechtliche Grundlage und auch keine Notwendigkeit. Ganz im Gegenteil, die Sicherheitsleute übergehen mit derartigem Verhalten die Anweisungen des Bundesinnenministeriums.
Ich hatte den Sicherheitsleuten übrigens auch gesagt, sie könnten sich unter meinen Rolli legen. Ich sitze nämlich auf einer Art Netz. Da kann man mir von unten unters Rollikissen schauen. Das war ihnen dann aber doch zu umständlich.
erschreckend und beschämend, .. mehr fällt mir dazu nicht ein.
Gut zu wissen. In Schönefeld ist mir das nicht passiert, aber vielleicht geht der nächste Flug ja auch von Tegel.
Und es wird weiter und weiter und weiter gehen – sobald ein Krüppel – und das sind wir in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, keine "Behinderten", keine "Menschen mit Behinderungen", keine "Mitmenschen" etc. sondern störende, lästige, auszusondernde Krüppel – sich wagt, außerhalb der Ghettos und Sonderzonen ohne "pflegerische", also: beaufsichtigende, "Betreuung" aufzutauchen, wird schikaniert. So lange, bis krüppel entnervt aufgibt oder sich überlegt, wie lange die Kraft noch zu solch einem Unfug reicht, oder aber so kraftzehrend kämpfen muss, dass für das "Eigentliche", also: Leben, Arbeiten, Studieren etc. irgendwann schlicht keine Energie mehr bleibt.
Christiane, du bist noch jung, du hast Power, das ist bewunderungswürdig. Nur – wie lange wirst du diesen Kampf gegen Windmühlen noch durchhalten können? Notfalls noch 40 Jahre lang oder länger?
Ich für meinen Teil muss ehrlich zugeben: im Moment kann ich nicht mehr, ich ertrage das Geglotze, das Getuschel, die Schikanen, das Immer-Wieder-Meine-Existenzberechtigung-Erläutern/Erklären/Nachweisen-Müssen nicht mehr, ich bin gerade froh über meine Arbeitslosigkeit, ich verlasse meine Wohnung nur noch für das Allernötigste, obwohl ich körperlich "könnte".
Viel Glück und viel Kraft wünsch ich dir – mach weiter so!
@Dorothea
Ich verstehe, was Du meinst und kann sogar nachvollziehen, dass Du resigniert hast. Und ja, das alles kostet irre Kraft. Dennoch habe ich den Glauben daran, dass man nicht alles als gegeben hinnehmen muss und auch etwas ändern kann. So lange ich die Kraft habe, kämpfe ich, eben auch weil ich weiß, dass es Menschen gibt, die nicht so viel Kraft haben.
Ich habe manchmal das Gefühl, man verändert etwas alleine durch die eigene Anwesenheit – im Bus, im Kino, im Hotel, in der Schule. Man ist nicht unsichtbar, sondern mittendrin.
Und sowohl die Einstellung als auch die Umwelt hat sich in den vergangenen Jahren ja bereits geändert. Anfang der 90er konnte ich als Rollstuhlfahrerin nicht so ohne weiteres mit der Bahn fahren. Heute ist es noch nicht toll, aber es hat sich was getan.
Jedes Mal wenn ich am Hauptgebäude der Uni Hamburg vorbei komme, freue ich mich über die Rampe die davor steht, weil ich weiß, die habe ich durchgesetzt. Dafür habe ich gekämpft. Und 3 Jahre nach meinem Abschluss steht die da immernoch und nutzt anderen Rollifahrern.
Ich weiß, es ist das Bohren dicker Bretter, aber ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, etwas ändern zu können. Und wenn ich dann in 50 Jahren auf mein Leben zurück blicke, weiß ich, ich habe meine Zeit genutzt, um was zu ändern.
Gratulation!
Menschen wie Sie/Dich möchte ich kennenlernen!
Schlimm genug, dass ein Mensch mit einer – wie auch immer gearteten, Behinderung geplagt ist.
Nein, unsere Sicherheits-"Fachkräfte" – allein der Begriff "Sicherheits-Fachkraft" ist schon anstößig, angesichts dessen, was sich einem da so manchmal bietet! -, die vielleicht noch nicht einmal ihren Namen schreiben können, maßen sich an – und das auch meist im herrischen Ton (sind wir nun eine Herrenrasse, oder nicht?), Menschen wie Ihnen/Dir unmögliche (weil aufgrund der Behinderung nicht auszuführenden) Anweisungen zu erteilen.
Das Traurige an dieser Tatsache ist, dass auch diese Menschen nichts dafür können. Weil auch sie behindert sind!
Und zwar, weil sie durch ihre Erziehung, Ihren Kulturkreis, oder auch durch "falsche" Freunde, in ein Denkschema gepresst sind, dessen Tragweite sie einfach nicht begreifen. Es war und ist offenbar immer noch leichter, auf Schwächere zu schlagen, denn Ihre Probleme zu verstehen.
Wenn Ich Ihre/Deine Darstellung der Abläufe am Flughafen Düsseldorf (oder war’s Berlin? – egal!?) so lese, tja, dann kommt mir das "Kotzen", ob der Aussage André Hellers. Er scheint seines Zeichens Hofnarr unseres "Kaisers", Franz Beckenbauer zu sein und ist der Urheber des Spruchs:
"Die Welt zu Gast bei Freunden!".
Tja, wie ich das sehe, wenn die Welt solche Freunde wie uns hat, ja braucht sie dann noch Feinde?
In diesem Sinne
Liebe Grüße aus Kelheim (in Niederbayern, falls das nicht bakannt ist)
Ihr/Dein
Peter Bodics
pb@nemecos.net