Morgen gehe ich ja zum Konzert von Herbert Grönemeyer in die Royal Albert Hall. Die Royal Albert Hall hat, wie die meisten Veranstaltungsstätten hier, ausführliche Informationen zur Barrierefreiheit veröffentlicht. Diese Broschüre ist ein gutes Beispiel, wie man behinderten Besuchern vorab die Informationen zur Verfügung stellen kann, die sie brauchen.
In Deutschland hing ich ständig am Telefon, um mich nach der Barrierefreiheit zu erkundigen. Meistens mit mäßigem Erfolg. Und sobald irgendwelche „Aber“-Aussagen getroffen wurden, konnte ich schon sicher sein, dass irgendwas nicht stimmt.
Nicht nur dass in London viele Locations für Rollstuhlfahrer zugänglich sind, sie schreiben auch auf ihren Webseiten wie sie zugänglich sie wirklich sind und bieten Zusatzservice an. Ich habe zum Beispiel für morgen Abend bei der Royal Albert Hall einen Parkplatz kostenlos reserviert.
Aber ich habe auch schon auf Plakaten von viel kleineren Events kleine Hinweise oder zumindest Rollstuhlsymbole entdeckt. Das ist zwar nicht sehr präzise, aber ich kann wenigstens davon ausgehen, dass ich keine Stufen vorfinde und es vielleicht sogar eine Behindertentoilette gibt. Und der Veranstalter signalisiert, dass auch behinderte Menschen willkommen sind und dass man auf Barrierefreiheit achtet.
A propos Behindertentoilette: Auf jedem Straßenfest, auf dem ich bislang war, gab es neben den Dixiklos auch Rollstuhl-Dixiklos. Die gibt es in Deutschland zwar auch, aber lange nicht auf jedem Straßenfest. Hier ist das selbstverständlich. So wie eben auch die Hinweise zur Barrierefreiheit dazu gehören. Und dafür braucht es wirklich nicht viel: Jeder, der eine Veranstaltung macht, kann doch mit einem Satz darauf hinweisen, wie die Lage ist und wo man sich hinwenden kann, wenn man noch Fragen hat. Ich rufe auch viel lieber irgendwo an, wenn ich den Eindruck habe, die erwarten diese Anrufe schon. Und wenn die Veranstaltung im 4. Stock ohne Fahrstuhl stattfindet, kann man auch das erwähnen. Dann sparen sich Leute wie ich einen Anruf. Und die Annahme, dass „eh keine Behinderten kommen wollen“ ist immer grundsätzlich falsch. Ich glaube, wenn es leichter wäre, an Informationen zur Barrierefreiheit zu kommen (also ohne sich mit der Telefonzentrale rumplagen zu müssen und ohne Kommentare wie „Das hat aber noch niemand gefragt“), dann würden sich auch mehr behinderte Leute trauen, zu Veranstaltungen zu gehen. Denn wenn jemand schreibt, es gibt keine Stufen und vor der Tür gibt es Behindertenparkplätze, wirkt das wie eine Einladung.
Barrierefreiheit? Bei einem Konzert? In Deutschland? *LOL*
Meine Ex-Freundin arbeitet in einem Wohnheim der Lebenshilfe. Das beste, was wir erlebt haben, war bei Anastacia im AWD-Dome (Stadthalle) in Bremen, wo es für Rollstuhlfahrer eine Art Bühne *ganz hinten* in der Halle gab.
Der Abschuß war Depeche Mode im Weserstadion, wo wir schon Wochen vorher eine Rollstuhl- und eine Begleiterkarte bestellt haben sowie eine zweite Karte dazu. Auf die Frage, ob die Begleiter in der Nähe der Rollstuhlfahrer sitzen/stehen können kam als Antwort nur, das wäre kein Problem.
Vor Ort wollte man mich dann nicht durch den gleichen Eingang reinlassen wie meine Ex und unseren Freund im Rollstuhl. Ich sollte durch den Haupteingang reingehen und die beiden dann drin wiedertreffen (bei ca. 40000 Leuten im Stadion!).
Wider Erwarten haben wir uns tatsächlich wiedergefunden – mußten aber fast 30 Minuten auf einen Ordner einreden, bis man mich noch mit auf die Rollstuhltribüne gelassen hat.
…aber was red‘ ich? Das kennst Du ja vermutlich alles…
1999, Houston, Texas:
Ich wollte ein Baseballspiel sehen und versuchte mir Karten an der Tageskasse zu kaufen. In der festen Annahme es gibt nur eine Kategorie Karten für Rollstuhlfahrer fragte ich nur nach ‚wheelchair accessible seats’. Es kam die Gegenfrage in welcher Preiskategorie ich die Karten haben wolle. Fest davon ausgehend, dass man mich nicht richtig verstanden hatte, fragte ich noch mal nach Karten für Rollstuhlfahrer. Bis ich kapierte, dass es tatsächlich in jeder Preiskategorie Plätze für Rollstuhlfahrer gibt verging einige Zeit. Der Blick aufs Geschehen war schließlich uneingeschränkt und Begleiter (Mehrzahl!) konnten neben mir Platz nehmen.
Einige Wochen nach meinem Besuch fand das letzte Baseballspiel in diesem Stadion statt und Houstoner Baseballmannschaft trägt ihre Heimspiele seit dem in einem neuen und moderneren Stadion aus.
2006/2007, Westdeutschland:
In drei von vier Fußballstadien, im Übrigen alle (teilw. für die WM 2006) gerade renoviert bzw. neu gebaut, sitzt man als Rollstuhlfahrer so, dass wenn die Zuschauer vor einem aufstehen keinen Blick mehr aufs Spielfeld hat. Optisch bekommt man also von den interessanten Spielszenen nichts mit. (Rein hypothetisch: Sollten die Rollstuhlfahrer aufstehen hätten die dahinter sitzenden Zuschauer auch im sitzen noch einen uneingeschränkten Blick aufs Spielfeld). Der Sitzplatz für (genau) einen Begleiter ist in diesen Stadien in der Reihe vor dem Rollstuhlfahrer. Eintrittskarten für diese Plätze bekommt man bei diversesten Personen/Stellen/Organisationen jedoch nicht im herkömmlichen Vorverkauf.
Im vierten Stadion ist die Sicht aufs Spielfeld uneingeschränkt gut, der Sitzplatz für einen Begleiter ist neben dem Rollstuhlfahrer und Eintrittskarten kann man hier über die gleichen Wege im Internet bestellen wie alle anderen Zuschauer auch.
@bp: welches ist denn das vierte stadion?
Ich glaube nicht, dass es bei allen Leuten darum geht, dass sie sich nicht „trauten“.
Mir z.B. ist es zuviel Nervkram, überall rumzutelefonieren, mich dumm befragen zu lassen und letztlich doch bitte-bitte machen zu sollen.
Wenn ich nicht willkommen bin, dann eben nicht.
Um Teilhabe BETTELN werde ich nirgendswo.
@Thomas: Duisburg, wobei meine Erfahrungen aus der letzten Saison sind (für Duisburg 2. Liga).
Ich habe so einige Konzerte schon besucht. Oft auch allein. In HH (Markthalle) z.b. ist es technisch nicht rolli-freundlich. Aber die waren alle sehr hilfsbereit. Und ich war in der 1. Reihe und hab auch noch E-Gitarre mitgespielt :-D (Dank an Triosphere und Marcus Silver). In den Docks war es dagegen ziemlich doof. Etwas von Tobi Sammet zu sehen war nur zwischen diverse Köpfe hindurch möglich. Norah Jones und Katie Melua in Berlin .. in diesem Schlossgarten, weiß nicht mehr genau, wie das hieß.. gab es eine kleine Rollibühne, war also ziemlich ok, wenn auch nicht besonders nahe am Geschehen. Bei Nick Cave im Tempodrome, Berlin, gab es eine Zone für Rollifahrer, aber ziemlich seitlich. Stadtpark HH war echt fürn Ar…, da hätte ich auch vor der Tür stehen bleiben können. Davon abgesehen, ist in D diese Sache mit dem Rollizeichen eh ne Sache. Meistens hab ich das Gefühl, das haben nur Schreibtischtäter verbrochen, die keine Ahnung haben. Werde jedenfalls im März bei AC-DC im AWD-Dome sein. Mal sehen, ob ich zufrieden sein werde (was den Platz betrifft). Jedenfalls sollte man sich nicht entmutigen lassen. Manchmal ist vielleicht etwas Überwindung oder sogar etwas Hilfe wie in der Markthalle in HH nötig, dafür kann es ein super Konzert werden. Ich habe jedenfalls noch nicht erlebt, dass, wenn man nett fragt, einem Hilfe verweigert wird. In diesem Sinne…
Keep on Rockin‘