Tag Archiv für Events

Mitdenkende Mitmenschen

Ich nehme morgen früh an einer Veranstaltung der Londoner Entwicklungsbehörde teil. Man musste sich um die Teilnahme bewerben und bei den Bewerbungsunterlagen wurde – wie überall hier – gefragt, ob man besondere Bedürfnisse hat (Essen, Barrierefreiheit etc.). Ich habe also angegeben, dass ich Rollstuhlfahrerin bin, auch wenn ich mit Sicherheit davon ausgehen konnte, dass der Veranstaltungsort barrierefrei ist. Ich habe noch keine einzige Veranstaltung hier erlebt, die mit Steuergeldern finanziert ist, die nicht barrierefrei war. Keine einzige und ich turne hier ständig auf solchen Events rum.

Nun bekomme ich heute eine E-Mail (es ist Sonntag wohlgemerkt!) von der Behörde. Sie gingen davon aus, dass ich sicherlich alles gut organisiert hätte, um zu dem Termin zu kommen. Sie möchten mir aber dennoch anbieten, wenn es für mich einfacher sei, morgen ein Taxi zu nehmen, solle ich das gerne tun. Sie würden selbstverständlich die Kosten tragen.

Nun ist die Veranstaltung an einer barrierefreien U-Bahnstation und ich wohne ja auch an einer und komme da also problemlos hin, aber alleine dass sich am Sonntag jemand Gedanken darüber macht, wie ich am Montag zu dem Termin komme, finde ich mehr als eine nette Geste. Und dann bieten sie mir auch noch ganz unbürokratisch an, meine Kosten zu übernehmen. Was es für mitdenkende und nette Menschen gibt!

Events und Barrierefreiheit

Morgen gehe ich ja zum Konzert von Herbert Grönemeyer in die Royal Albert Hall. Die Royal Albert Hall hat, wie die meisten Veranstaltungsstätten hier, ausführliche Informationen zur Barrierefreiheit veröffentlicht. Diese Broschüre ist ein gutes Beispiel, wie man behinderten Besuchern vorab die Informationen zur Verfügung stellen kann, die sie brauchen.

In Deutschland hing ich ständig am Telefon, um mich nach der Barrierefreiheit zu erkundigen. Meistens mit mäßigem Erfolg. Und sobald irgendwelche „Aber“-Aussagen getroffen wurden, konnte ich schon sicher sein, dass irgendwas nicht stimmt.

Nicht nur dass in London viele Locations für Rollstuhlfahrer zugänglich sind, sie schreiben auch auf ihren Webseiten wie sie zugänglich sie wirklich sind und bieten Zusatzservice an. Ich habe zum Beispiel für morgen Abend bei der Royal Albert Hall einen Parkplatz kostenlos reserviert.

Aber ich habe auch schon auf Plakaten von viel kleineren Events kleine Hinweise oder zumindest Rollstuhlsymbole entdeckt. Das ist zwar nicht sehr präzise, aber ich kann wenigstens davon ausgehen, dass ich keine Stufen vorfinde und es vielleicht sogar eine Behindertentoilette gibt. Und der Veranstalter signalisiert, dass auch behinderte Menschen willkommen sind und dass man auf Barrierefreiheit achtet.

A propos Behindertentoilette: Auf jedem Straßenfest, auf dem ich bislang war, gab es neben den Dixiklos auch Rollstuhl-Dixiklos. Die gibt es in Deutschland zwar auch, aber lange nicht auf jedem Straßenfest. Hier ist das selbstverständlich. So wie eben auch die Hinweise zur Barrierefreiheit dazu gehören. Und dafür braucht es wirklich nicht viel: Jeder, der eine Veranstaltung macht, kann doch mit einem Satz darauf hinweisen, wie die Lage ist und wo man sich hinwenden kann, wenn man noch Fragen hat. Ich rufe auch viel lieber irgendwo an, wenn ich den Eindruck habe, die erwarten diese Anrufe schon. Und wenn die Veranstaltung im 4. Stock ohne Fahrstuhl stattfindet, kann man auch das erwähnen. Dann sparen sich Leute wie ich einen Anruf. Und die Annahme, dass „eh keine Behinderten kommen wollen“ ist immer grundsätzlich falsch. Ich glaube, wenn es leichter wäre, an Informationen zur Barrierefreiheit zu kommen (also ohne sich mit der Telefonzentrale rumplagen zu müssen und ohne Kommentare wie „Das hat aber noch niemand gefragt“), dann würden sich auch mehr behinderte Leute trauen, zu Veranstaltungen zu gehen. Denn wenn jemand schreibt, es gibt keine Stufen und vor der Tür gibt es Behindertenparkplätze, wirkt das wie eine Einladung.

Eine ungewöhnliche und nette Entschuldigung

Eigentlich wollte ich vergangene Woche an einem Twitter-Event teilnehmen. Das ganze sollte in einem Restaurant stattfinden. Ich schaute mir die Webseite an und die Fotos und ich war sicher, das Lokal müsste barrierefrei sein. Als ich ankam, erlebte ich eine böse Überraschung. Die Veranstaltung sollte im Untergeschoss des Restaurants stattfinden. Von Untergeschoss hatte ich nichts gelesen. Für mich also unerreichbar. Ich war stinksauer, der Tag war sowieso schon ein „bad hair day„, wie die Briten sagen. Also ging ich irgendwo was essen und fuhr ziemlich frustriert wieder nach Hause.

Den Veranstaltern habe ich einen kurzen Kommentar in ihrem Blog hinterlassen mit der Bitte, doch beim nächsten Mal auf die Barrierefreiheit zu achten. Ich würde nämlich beim nächsten Mal gerne teilnehmen. Das war gar nicht mal als Rüffel gedacht, ich weiß, dass viele Leute nicht an Barrierefreiheit denken, sondern als Hinweis. Und dann passierte folgendes: Über Technorati fand ich einen Link zu meinem Blog. Er führte zu einem Blogeintrag der Veranstalter mit einer großen Entschuldigung an mich und der Bitte, mich zu melden. Das habe ich getan und bekam eine Entschuldigungsmail, auch im Namen der Sponsoren. Wie ungemein freundlich und nett! Mir passiert es schon öfter, dass ich irgendwo nicht teilnehmen kann, weil die Location nicht barrierefrei ist. Meistens kriege ich dann zu hören: „Wir konnten ja nicht ahnen, dass jemand im Rollstuhl kommen will.“ Aber es passiert wirklich selten, dass sich ein Veranstalter so aufrichtig und nett entschuldigt und dann auch noch verspricht, die Veranstaltung künftig in einen barrierefreien Raum zu verlegen.

Ich liebe diese Anrufe

Anruf bei einer grossen Werbeagentur.
Ich: „Guten Tag. Mein Name ist Christiane Link. Ich würde heute abend gerne eine Veranstaltung in Ihrem Haus besuchen. Können Sie mir sagen, ob Ihr Gebäude barrierefrei ist? Ich bin Rollstuhlfahrerin.“
Werbeagentur: „Sie wollen wissen, wo die nächste U-Bahnstation ist?“

Ich dachte noch: „Typisch Werber, wollen einem immer erzählen, was man eigentlich möchte.“ :-)

Dann sagte ich: „Nein, das weiss ich bereits. Ich möchte wissen, ob ich als Rollstuhlfahrerin in Ihr Gebäude komme.“
Werbeagentur: „Einen Moment bitte.“
Ich erfuhr dann, das Gebäude ist barrierefrei, wenn man einen bestimmten Eingang benutzt.

Wie Katja schon schrieb, wäre es sehr hilfreich, wenn jeder, der öffentliche Veranstaltungen macht, auch Zugangsinformationen für behinderte Menschen anbieten würde. Das kostet nix, man muss nur ein bisschen mitdenken und es erspart den Leuten wie mir Nervanrufe.

Redlich bemüht

Sie haben es geschafft: Es gab in dem Theater tatsächlich eine Rampe. Also zumindest etwas, was Menschen, die sich nicht wirklich mit der Materie auskennen, als Rampe bezeichnen. Genauer gesagt gab es zwei einzelne Auffahrschienen, die auf die Treppe gelegt wurden. Da es sich um etwa sechs Stufen handelte, war die Steigung bei rund 20 Prozent. Mein Urteil: Sie haben sich redlich bemüht, das reicht halt nicht immer und muss ich nicht noch einmal haben. Ich streiche das Theater am Holstenwall von der Liste meiner „Kommt man akzeptabel rein“-Locations. Essen und Getränke gab es später unten und es wurde dann doch noch ein netter Abend.

Ich komme – wenn es barrierefrei ist

Anruf einer PR-Agentur. Termin, blabla, Ort: Theater. Einladung kommt per Mail.

Ich maile zurück: „Herzlichen Dank für die Einladung. Können Sie für mich in Erfahrung bringen, ob das Theater rollstuhlgerecht ist. Ich bin Rollstuhlfahrerin. Herzlichen Dank!“

Wieder Anruf PR-Agentur: „Meine Kollegin, die Sie kennt, hat mich schon darauf hingewiesen, dass es da ein Problem geben könnte. Das Theater sagt, die Theatertechniker tragen Rollstuhlfahrer immer die Treppe hoch.“
Ich: „Das ist für mich keine Option. Dann kann ich leider nicht an Ihrer Veranstaltung teilnehmen.“
Schweigen. Dann: „Das Theater sagte, mit etwas Aufwand könnten sie auch eine Rampe hinlegen.“
Ich: „Ja bitte, das wäre gut. Bitte besorgen Sie die Rampe. Wenn eine daliegt, komme ich gerne. Wenn nicht, geh ich wieder.“ Erstaunen am anderen Ende der Leitung.

Wenig später wieder eine Mail: „Das Thetaer hat mir gerade fest zugesagt, dass es eine Rampe geben wird.“ Na bitte, geht doch. Aber so ganz glaub ich noch nicht dran. Aber macht nix, ich fahr vorbei, schau mir das an und sonst geh ich wieder. Ich liebe diese semi-barrierefreien Kann-man-Hingehen-Muss-man-nicht-Termine. Da wird Barrierefreiheit plötzlich zum PR-Element. Da müssen sich dann PR-Agenturen überlegen, ob sie eigentlich nicht eine klitzekleine Anforderung an die Location bei der Planung vergessen haben. Huch, sowas Lebensnahes plötzlich!

Nicht kommunizieren ist keine Lösung

Ich bekomme ja diverse Einladungen zu mehr oder weniger interessanten Veranstaltungen, Pressekonferenzen und zu anderen, von gut bezahlten Agenturen erdachten Events. Geschätzte 90 Prozent der Veranstaltungen finden bereits in einigermaßen barrierefreien Räumlichkeiten statt – für mich ein eindeutiges Indiz dafür, dass sich ein bisschen was tut in diesem Land und dass man nicht mehr Wahnwitziges fordert, wenn man erwartet, dass Veranstaltungen barrierefrei sind. Manchmal kommt es vor, dass die erdachten Events an Orten stattfinden, die ich nicht erreichen kann. Im Planetarium in Hamburg zum Beispiel oder auch in Restaurants im Keller etc.

Ich sage diese Einladungen immer ganz nett ab, nicht ohne Begründung. Ich erkläre, dass ich Rollstuhlfahrerin bin und dass der Ort für mich nicht zugänglich ist, warum das so ist und dass ich deshalb nicht kommen kann. Meistens antworten mir die Einladenden sehr freundlich, entschuldigen sich, lassen sich noch was einfallen, bieten mir einen Redaktionsbesuch an und/oder versprechen, beim nächsten Mal darauf zu achten. Wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, ist das sicher alles in Ordnung und ich registriere sehr wohl, dass sich da jemand bemüht.

Ein kleiner Teil reagiert allerdings gar nicht. Ich denke mir dann immer, wie kann man nur glauben, dass Sich-nicht-Mucken, Ducken, Schweigen, Nicht-Kommunizieren die Lösung sein kann? Und das sollen Kommunikationsprofis sein?