Dann mach ich’s eben selber

UpDownLondonAls ich vor einiger Zeit in Wien war, zeigte mir Martin Updownvienna.com. Das ist eine Webseite, mit der man auf einen Blick sehen kann, welche Fahrstühle im Wiener U-Bahn-Netz kaputt sind.

Ich wollte so etwas auch für London haben und fing an, Transport for London damit zu nerven. Ich weiß, dass TfL alle seine Lifts überwacht und die Informationen vorliegen hat. Sie lassen sie sogar auf ihre Webseite fließen, aber versteckt in viel Text und schon gar nicht so, dass man es auf einen Blick sieht. Zudem twittert TfL wenn ein Lift außer Betrieb ist, allerdings auch nur versteckt zwischen anderen Tweets. Aus Gründen, die mir bislang verborgen geblieben sind, twittern sie sogar mehr Liftstörungen als sie auf ihrer Webseite erwähnen.

Zu wissen, welche Lifts nicht gehen, ist als Rollstuhlfahrer oder gehbehinderter Passagier bei der Routenplanung extrem wichtig, sonst bleibt man irgendwo vor einem defekten Lift stehen statt einfach eine andere Route nehmen zu können. In London muss TfL zudem ein Taxi zahlen, wenn es keine direkte Buslinie zur Station mit dem defekten Lift gibt. Wenn man also weiß, wo ein Lift kaputt ist, kann man das mit dem Taxi schon gleich an der ersten Station organisieren.

Ein Jahr lang bat ich immer wieder darum, diese Informationen auf der Webseite doch übersichtlicher zugänglich zu machen. Ich sprach mit Managern, Direktoren und alle lächelten mich immer freundlich an „Jaja, machen wir“. Irgendwann lud man mich zu einem Termin ein, die Beta-Version ihrer neuen Webseite anzuschauen. Voller Vorfreude suchte ich nach Liftinformationen und sie waren noch bescheuerter zu finden als zuvor. Wer es mal ausprobieren möchte: Hier klicken und dann jede einzelne Stationsinformation durchlesen. „Auf einen Blick“ geht anders.

Nach einer abendlichen Facebook-Diskussion zu dem Thema dachte ich mir „Dann mach ich’s halt selber“. Ich fing erst an, mit Yahoo Pipes rumzuspielen. Es musste doch möglich sein, die Daten zusammenfließen zu lassen. Das ging auch, aber TfL hat auch einen Open Data-Feed. Nur ich hatte keine Ahnung davon, wie man auf die Daten zugreift und sie auswertet.

Aber ich bin gut vernetzt in London, kenne sehr viele Menschen im Bereich Verkehr, darunter auch ein paar richtige Geeks. Ich mailte meine Transport-Geek-Freunde an und fragte, ob jemand jemanden kennt, der sich damit auskennt. Es dauerte nur wenige Stunden, da meldete sich Kirk bei mir, ein Transport- und Open-Data-Entwickler, der sofort bereit war, mir zu helfen.

Innerhalb von 24 Stunden setzten wir die Webseite UpDownLondon.com auf – in Ahnlehnung und mit freundlicher Genehmigung von UpDownVienna. Er schrieb ein Programm, um die offiziellen Daten auszuwerten und zusätzlich überwacht das Programm die Twitter-Accounts von Transport for London. Uns entgeht so also nichts.

Nach zwei Wochen Probelauf waren wir sicher, dass die Software ordentlich läuft und ich fing an, die Seite zu bewerben. Unser Glück war, dass Londonist die Geschichte aufgriff, ein sehr beliebtes Nachrichtenportal für London. So war es einfach, ganz schnell viele Leute zu erreichen. UpDownLondon läuft jetzt seit ein paar Wochen einwandfrei und die Reaktionen waren ganz toll. Wir bekommen E-Mails von Rollstuhlfahrern, die uns für den Service danken und ich bin zur Stammnutzerin meiner eigenen Seite geworden und stehe seitdem vor keinem defekten Lift mehr. Man muss Dinge einfach manchmal selber machen statt darauf zu warten, dass sie passieren.

7 Kommentare

  1. marie sagt:

    Herzlichen Glückwunsch! Trotzdem finde ich die Ignoranz der Verantwortlichen extrem beschämend.

  2. Sebastian sagt:

    Wenn die Daten ohnehin publiziert werden (Website + Twitter), dann hätte ich es wohl gleich selbst gemacht und nicht erst ein Jahr auf ein anscheinend äußerst flexibles Unternehmen gewartet. :)
    Glückwunsch zur Umsetzung einer tollen Idee!

  3. Lauscher sagt:

    Super Projekt. Und wieder ein Grund mehr, auf Open Data Projekte hinzuweisen und die öffentliche Verwaltung dazu zu bewegen, mehr Daten freizugeben.

    Hier in Deutschland tun sich viele Behörden immer noch sehr schwer damit, als hätte jemand das irgendwann komplett verwechselt. Von den Bürgern alle Daten frei zugänglich zu haben, scheint ja weniger schlimm und , im Gegenteil, gerade in Mode zu sein. :-/

  4. Peter sagt:

    Klasse Idee. Die Umsetzung hast Du auch prima hinbekommen. Ich finde es toll wie Du Dich einsetzt.

  5. profin sagt:

    wowh
    Reminder an mich selbst: einfach losgaloppieren

  6. Patrick sagt:

    Ich finde es extrem beeindruckend wie Du dich einsetzt! Und die Idee ist natürlich auch Klasse!

    Viele Grüße
    Patrick

  7. marelian sagt:

    Ich habe neulich eine interessante Überlegung gehört, nämlich dass sich das Bewußtsein für die Behinderungsproblematik automatisch durch das Altern der Gesellschaft ändern wird. Und zugleich auch die Infrastruktur, denn wenn mehr Leute barrierefreiheit benötigt, muß man leider sagen, „wird der Markt das regeln“, auch wenn das wieder total kapitalistisch klingt. Allein der Marktführer [Werbung gelöscht] konnte sich mit seinen Treppenliften am Markt etablieren, wie es noch vor Zehn Jahren nicht denkbar gewesen wäre.