Tag Archiv für Fliegen

Über den Wolken

Nein, ich bin noch nicht in Indien angekommen, aber es läuft bislang alles prima. Es gibt Internet an Bord und ich befinde mich gerade über Teheran in 3600 Metern Höhe. Bislang hat alles geklappt. Ich hatte Gott sei Dank genug Umsteigezeit, denn ich bin in Frankfurt in der blöden Flughafenbahn hängen geblieben auf freier Strecke. Das Ding fuhr einfach nicht mehr und so standen wir da 20 Minuten bis wir wieder an den Einsteigebahnhof zurück gefahren wurden.

Der Flieger hatte leider eine Stunde Verspätung, weil die Maschine zum einen verspätet ankam und zum anderen wieder irgendwelche Leute nicht erschienen sind, aber das Gepäck bereits eingeladen war. Die Crew ist super nett. Ich habe meinen Rollstuhl an Bord und muss nicht Angst haben, dass er irgendwie abhanden kommt.

Die Hälfte des Fluges habe ich hinter mir. Das Essen ist auch super. Kurzum: Bis jetzt ist alles gut gegangen.

Ab nach Indien

Flugzeug

Sehr originell, AirAsia

Die Fluggesellschaft AirAsia hat angekündigt, allein reisende blinde, gehörlose und andere behinderte Passagiere nicht mehr zu transportieren. Man habe nicht genug Bodenpersonal, um behinderten Passagieren zu helfen.

Es würde mich nicht wundern, wenn ich demnächst lese:

„Die Fluggesellschaft AirAsia hat angekündigt, Passagiere mit Gepäck nicht mehr zu transportieren. Man habe nicht genug Bodenpersonal, um das Gepäck ein- und auszuladen.“

Und was soll ich bitte von einer Airline halten, die von sich selbst sagt, zu wenig Bodenpersonal zu haben? Klasse Ansage, AirAsia. So verliert man ganz schnell nicht nur die lästigen behinderten Kunden, sondern vielleicht auch ein paar nicht behinderte. Aber wahrscheinlich fliegt ihr sowieso am liebsten ganz ohne Passagiere – da kann man dann auch gleich die Flugbegleiter einsparen.

Gewalt ist doch ne Lösung

Einige Rollstuhlfahrer meiden ja lange Flugreisen, weil Flugzeuge nicht gerade die barrierefreiesten Verkehrsmittel sind und zudem immer etwas Unsicherheit in sich bergen: Kommt der Rollstuhl an? Wie ist das Personal? Ist ein Bordrollstuhl da? Etc.

Ich versuche diese Unsicherheiten dadurch zu eliminieren, in dem ich möglichst gut plane. Aber der Rückflug von Philadelphia nach München mit US Airways hat mir mal wieder gezeigt, dass man nicht alle Unwegsamkeiten ausschalten kann, aber sich dennoch immer irgendwie eine Lösung finden lässt.

Ich kenne die Abläufe bei Flügen ziemlich genau und ich versuche, mögliche Fallen durch Mitdenken zu umgehen. Ich achte darauf, dass mein Rollstuhl getaggt ist und ich frage bei Langstreckenflügen, ob der Bordrollstuhl auch wirklich an Bord ist, damit ich während des Fluges zur Toilette gehen kann. Ein Bordrollstuhl ist ein kleiner klappbarer Rollstuhl, der in den Gang der Kabine passt. Normale Rollstühle sind zu breit dafür.

Ich fragte also auf dem Rückflug von Philadelphia nach München, wie immer beim Einsteigen, ob ein Bordrollstuhl an Bord sei. Die Flugbegleiterin ging nochmal nachsehen und sagte, es sei einer da. Diesmal konnte ich nicht meinen eigenen Rollstuhl nutzen, wie auf dem Hinflug.

Wir flogen also los, es gab etwas zu essen und zu trinken. Danach wollte ich zur Toilette und bat die Flugbegleiterin um den Bordrollstuhl. Sie bat um etwas Geduld und es passierte erst einmal nichts. Ich dachte schon, sie habe mich falsch verstanden. Aber irgendwann fiel mir auf, dass sie immer wegschaute, wenn sie an mir vorbei lief. Ich ahnte schon, dass irgendwas nicht stimmte. Nachdem sich nach 15 Minuten nichts tat, schaute ich sie offensiv fragend an als sie wieder bei mir vorbei kam. Und tatsächlich, sie sagte, mit dem Bordrollstuhl sei etwas nicht in Ordnung. Er stecke in der Verkleidung des Flugzeugs fest. Sie habe so etwas noch nicht erlebt und es tue ihr leid etc. Man versuche es weiter, ihn aus dem Schrank zu bekommen.

Ich drehte mich um und tatsächlich stand im Gang weiter hinten eine Scharr an Menschen, die sich an einem Schrank zu schaffen machten. Offensichtlich ohne Erfolg. Ich schickte A. nach hinten, um zu klären, was los ist. Unterdessen war auch der Pilot nach hinten gegangen und dann wieder nach vorne. Er telefonierte mit Stirnrunzeln. Lief wieder zurück. Telefonierte wieder. Ich überlegte mir unterdessen wie ich dennoch zur Toilette kommen könnte, malte mir aus, dass man alle Sitze der Businessclass vor mir zurückkippen könnte, alle Leute müssten aufstehen und ich könnte vielleicht vor bis zur Küche über die Sitze klettern. Vielleicht hätte mein eigener Rollstuhl zumindest in diesen Küchengang gepasst. Der war nämlich nicht verladen, sondern oben in der Kabine im Schrank. Ich überlegte mir dann noch, ob ich mich nicht auf einen der Essenswagen setzen könnte – das wäre sicher ein lustiger Auftritt gewesen. Und ich überlegte mir, was ich mit dem zweistelligen Millionenbetrag machen würde, der mir sicherlich durch ein amerikanisches Gericht zugesprochen werde, wenn ich stundenlang nicht zur Toilette kann.

Nach geschätzt einer Stunde kam A. endlich mit dem Bordrollstuhl. Er hatte sich unter einer Metallverkleidung im Schrank verhakt. Die Verkleidung war mit drei Schrauben gesichert, die man spielend leicht hätte entfernen können, wenn es nur einen einzigen Schraubendreher an Bord gegeben hätte. Aber die sind ja bekanntlich verboten.

Nach dem x-ten Telefonat mit einem Verantwortlichen am Boden entschied der Pilot, Gewalt anzuwenden und zu versuchen, die Wandverkleidung rauszureißen. Wahrscheinlich hatte schnell jemand ausgerechnet, dass die Wandverkleidung in jedem Fall preiswerter ist als eine Klage oder eine Zwischenlandung in Grönland. A. und er zogen den Rollstuhl gegen den Willen der Wandverkleidung aus dem Schrank. Die Platte sprang mit einem riesen Knall nach vorne und auch genauso schnell wieder zurück. Aber der Rollstuhl war draußen. Die Wandverkleidung dennoch in Ordnung.

Die Flugbegleiterin sagte dann, nachdem alles vorbei war und ich endlich zur Toilette konnte, zu mir: „Sehen Sie, da haben Sie jetzt wenigstens was zu erzählen, wenn Sie wieder zu Hause sind.“

Nach Hause

Flugzeuge am Flughafen

Willkommen in Philadelphia

Hochhäuser in Philadelphia

Gestern bin ich das erste Mal nicht als Letzte aus dem Flugzeug. Normalerweise müssen Rollstuhlfahrer immer warten, bis alle anderen aus dem Flugzeug sind. Diesmal musste ich nicht warten, und das kam so: Wir sind ja über Manchester nach Philadelphia geflogen. Als ich den Eingangsbereich der Maschine (Airbus 330 von US Airways) sah, ahnte ich schon, dass das Flugzeug relativ großzügig geschnitten ist. Und ich hatte Glück, da ich einen Platz in der Nähe des Eingangs hatte, konnte ich mit meinem Rollstuhl bis hinter meinen Sitz fahren, mich auf die Armlehne des Sitzes setzen und einfach rüberrutschen. Dann entdeckte ich noch einen relativ großzügigen Schrank, in den mein Rollstuhl passte. Die Crew schaute zwar etwas ungläubig („Wheelchairs don’t fit in here„), aber wir belehrten sie eines besseren. Ohne Hinterräder passte der Rollstuhl in den Schrank. So konnte ich sogar meinen eigenen Rollstuhl nutzen, um zur Toilette zu gehen. Im Flugzeug! Die Toilette lag direkt hinter unseren Sitzen.

Als wir dann in Philadelphia ankamen, haben wir den Rollstuhl aus dem Schrank genommen, ich habe mich rein gesetzt und bin relativ früh an der Immigration gewesen und das völlig ohne Assistenz. Das hat uns zwar nichts genutzt, weil wir dann noch rund eine Stunde auf unser Gepäck warten mussten. Aber die Geschichte zeigt, dass es durchaus Möglichkeiten gebe, Flugzeuge barrierefreier zu machen als sie es heute sind: Man gibt Rollstuhlfahrern Sitze in der Nähe der Tür, schafft einen Schrank, in den zumindest klappbare oder Rollstühle mit abnehmbaren Hinterrädern passen. Dann hat diese Bordrollstuhl-Prozedur mal ein Ende.

Von Philadelphia habe ich bislang noch nicht viel gesehen. Aber ich ahne, was ich mir unter den „Streets of Philadelphia“ vorzustellen habe. Ich dachte schon mehrfach seit der Ankunft, dass Kärcher mit seinen Hochdruckreinigern hier ein Vermögen verdienen könnte, wenn nur mal jemand den Bedarf deren Nutzung erkennen würde.

Zwischenstopp in Manchester

Notebook in der Lounge

Zubringerflug über Mannheim

Ich: „Ich habe bei Ihnen einen Zubringerflug zu einem Flug in die USA gebucht.“
Hotline: „Ja, ich sehe schon – über Mannheim.“
Ich: „Nein, über Manchester.“

Barrierefrei buchen

Das ist die Buchungsmaske für Flüge bei Expedia.de.

Buchungsmaske Expedia

Und was sehe ich da? Ich kann dort der Fluggesellschaft per Internet mitteilen, dass ich Rollstuhlfahrerin bin. Auch wenn jemand blind oder gehörlos ist, kann er das angeben und es wird an die Fluggesellschaft weitergeleitet. Normalerweise muss man nämlich die Fluggesellschaft telefonisch kontaktieren, wenn man sich vorher anmelden will. Einige Beförderungsbedingungen schreiben sogar vor, dass ich mich als behinderte Passagierin vorher anmelden muss. Bei Expedia hat offensichtlich jemand mitgedacht. Und jetzt müssen mir die Fluggesellschaften wirklich mal erklären, warum das nicht in ihren eigenen Buchungsformularen möglich ist. Und den anderen Reiseportalen kann ich nur raten: Nachmachen!

Faulheit behindert

Ich schimpfe ja durchaus manchmal auf den Flughafen Hamburg, aber so langsam glaube ich, Hamburg ist gar nicht so schlecht im Umgang mit behinderten Reisenden – zumindest bei der Sicherheitskontrolle haben sie mittlerweile mit mir Routine. Ich gebe zu, sie hatten auch genug Gelegenheiten zum Üben mit mir.

Nachdem ja die Flughäfen Düsseldorf und Tegel den Rollstuhlfahrern die Rollstühle derzeit am Check-In unter dem Hintern wegreißen, kann Frankfurt natürlich nicht zurück bleiben: Als ich gestern an die Sicherheitskontrolle kam, forderte man mich auf, meinen Rollstuhl zu verlassen. Dank einem sehr konstruktiven Briefwechsel mit der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung, Karin Evers-Meyer, wegen der Behandlung in Düsseldorf, weiß ich aber, dass das Innenministerium „Richtlinien zur Behandlung behinderter Personen bei der Luftsicherheitskontrolle“ erlassen hat. Dort kann man unter Punkt 3.1 lesen:

„Weitergehende Maßnahmen, z.B. die Aufforderung zum Verlassen des Rollstuhls, sind nach Entscheidung des Kontrollstellenleiters nur bei besonderem Verdacht oder dem Vorliegen sonstiger besonderer Gründe vorzunehmen.“

Einen besonderer Verdacht oder Grund lag aber bei mir definitiv nicht vor. Ich habe mich dann mal auf die Richtlinien bezogen und habe mich geweigert, den Rollstuhl zu verlassen. Rollstuhl verlassen ist nicht so einfach wie Schuhe ausziehen – und selbst da murren die Leute ja. Man erklärte mir, dass man zwar schon eine Staubprobe des Rollstuhls nehmen könne (genau das steht übrigens in der Anweisung!), aber das Gerät sei am regulären Eingang (ca. 10 Meter weiter). Ich war am Sondereingang für behinderte Fluggäste.

Wenn es schon einen Sondereingang gibt, wäre es vielleicht nicht das Dümmste, die Staubprobenutensilien auch dahin zu stellen, dachte ich mir. Da müsse jetzt also jemand rüberlaufen, sagte man mir als würde ich verlangen, dass jemand bis zum Ende der Welt läuft. Ich hatte noch genug Zeit und hatte keine Probleme, dass jemand das Staubtuch für die Probe holt. Aber mir dämmerte langsam, dass die aus eigener Faulheit verlangten, dass ich mich auf einen Stuhl umsetze. Es kam dann tatsächlich jemand mit einem Tuch. In zwei Minuten war die Sache erledigt – ganz ohne Umsetzen.

Die Mitarbeiterin vom Betreuungsdienst, die mich begleitete, erzählte mir dann noch, dass sie bei Umsteigern teilweise das Theater drei bis vier Mal haben, bis sie am Umsteigegate ankommen. Manchmal würden die Sicherheitsleute sogar verlangen, dass Leute in Sitzschalen – das sind oft Leute mit Mehrfachbehinderungen, mit starken Spastiken etc. – mehrfach aus dem Rollstuhl gehoben werden.

Liebe behinderte Fluggäste, liebe Sicherheitsleute, es gibt für diese Behandlung, keine rechtliche Grundlage und auch keine Notwendigkeit. Ganz im Gegenteil, die Sicherheitsleute übergehen mit derartigem Verhalten die Anweisungen des Bundesinnenministeriums.

Ich hatte den Sicherheitsleuten übrigens auch gesagt, sie könnten sich unter meinen Rolli legen. Ich sitze nämlich auf einer Art Netz. Da kann man mir von unten unters Rollikissen schauen. Das war ihnen dann aber doch zu umständlich.