Nicht mein Tag

Ich bin seit ein paar Stunden in Frankfurt und hab schon wieder Heimweh nach London. Ja, mag sein, dass ich einfach nur einen schlechten Tag hatte.

Ich bin das erste Mal ab London City Airport geflogen. Der ist 20 Minuten von uns entfernt und damit für Londoner Verhältnisse wirklich um die Ecke. Schon am Check-In wusste ich, dass die Reise unter keinem guten Stern stand. Der Typ am Business-Schalter blaffte mich an, ich sei am falschen Schalter. Ohne mich zu fragen, welchen Vielfliegerstatus ich habe oder welche Klasse ich fliege. Rollstuhlfahrer fliegen immer Eco und haben auch keinen Vielfliegerstatus… Der wahre Grund seines Verhaltens offenbarte sich später, nachdem ich ihn überzeugt hatte, am richtigen Schalter zu sein: Er hatte keine Ahnung, wie er den Rollstuhl einbuchen sollte und wie man Assistenz bestellt. Der Supervisor musste kommen und die Schlange am Business-Schalter war unterdessen länger als die der Eco-Schalter.

Der Flughafen ist winzig und dementsprechend auch die Maschinen. Ich wusste vorher, dass ich nicht in einem Airbus oder einer Boeing sitzen werde. Es sollte eine Dash von Lufthansa Regional (operated by Augsburg Airways) werden.
Keines der 10 Gates am Flughafen hatte einen Fahrstuhl, es gab einen für alle Gates. Dieser landete irgendwo auf dem Flugfeld. Und so bin ich gemeinsam mit den Mitarbeitern über das Flugfeld zum Flugzeug gerollt. Erinnerungen an Indien wurden wach, nicht nur bedingt durch die indischen Mitarbeiter, die mich begleiteten.

Man erklärte mir, dass sie keinen Hublift haben, sondern eine Art Treppenraupenstuhl. Ich kenne das Ding aus Anzeigen in von Senioren gern gelesenen Zeitschriften. Ich habe noch nie daran geglaubt, dass die Dinger gut funktionieren. Als ich das Firmenschild sah, wusste ich, das war wirklich das Ding aus der Werbung, made in Germany. Ich sollte Recht behalten: Auf der Hälfte der Treppe blieb das Ding stehen und die Mitarbeiter mussten mich samt dem Teil (das dank des Motors nicht leicht ist) die Treppe hochhiefen.

In Frankfurt war ich dann hocherfreut als ich den Hublift sah, der kam, um mich abzuholen. Der Flugbegleiter versuchte, die Treppe am Flugzeug zu entfernen, während seine Kollegin meinte, die wäre nicht abnehmbar. Aber gegenüber gab es ja noch eine Tür ohne Treppe. Diese könne man nicht öffnen, sagte man mir. Meine „Warum nicht?“-Frage blieb unbeantwortet und der Pilot schien das Theater nicht zu interessieren.

Die zwei Mitarbeiter holten mich also mit dem Bordrollstuhl über die Treppe raus, weil man nicht in der Lage war, die Tür zu öffnen. Unten angekommen, wollte ich in meinen eigenen Rollstuhl umsteigen. Ich hasse diese Bordrollstühle und will darauf nicht kilometerweit rumgefahren werden. „Sie können sich im Bus umsetzen“, belehrte mich der Mitarbeiter. Eine meiner Lieblingsvokabeln im Englischen ist „patronising“. Ich musste spontan daran denken und das sollte nicht das letzte Mal an diesem Tag sein. Ich setzte mich natürlich nicht im Bus um, sondern ignorierte den Mitarbeiter und setzte mich sofort in meinen Rollstuhl.

Ich wollte am Flughafen noch etwas essen und ging in ein Restaurant, an dem man sich erst das Essen aussucht und dann am Ende bezahlt. Als ich an der Kasse ankam und bezahlt hatte, riss mir die Mitarbeiterin meine Tasche aus der Hand und stellte mein Tablett auf einen Tisch, den sie für mich ausgesucht hatte. Sicher nett gemeint, aber….

Dann bin ich in den Supermarkt, um mir etwas zu trinken zu kaufen. Am Ausgang gab es so Drehkreuze, die es vor Jahrzehnten mal bei Aldi gab. Ich konnte den Supermarkt ohne die Hilfe der Kassiererin nicht verlassen. Ich war langsam wirklich genervt.

Dann nahm ich den Bus zum Lufthansa Trainingszentrum. Der Busfahrer senkte den Bus ab und klappte die Rampe aus. Er forderte ein wohlhabend aussehendes Paar auf, ihren Koffer vom Rollstuhlplatz zu nehmen, was sie auch taten. Als ich drin war, sagte der Mann zu mir: „Ich nehme die Linie fast jeden Tag, aber sowas wie Sie habe ich hier noch nie gesehen.“ Ich habe nichts geantwortet. Mir fiel einfach nichts ein und vielleicht war ich auch schon zu genervt. Das Paar hat sich dann noch darüber unterhalten, dass es ja erstaunlich sei, dass es eine Rampe gebe. Morgen kann nur besser werden.

9 Kommentare

  1. bp sagt:

    Ich hatte bisher einmal das Vergnügen mit dem London City Airport. Nach dem Hinflug am morgen hat mich dort besagter Treppenraupen-Bordrollstuhl erwartet. Erst dachte ich: Das ist ja pfiffig. Bis dato kannte ich für die Propeller-Maschinen und kleineren Regional-Jets nur die „Lösung“ mit 2 menschlichen Trägern. Doch bevor es überhaupt die erste Stufe der Flugzeugtreppe runter ging stockte das Gerät. Gute 10 Minuten „schwebte“ ich also auf dem Bordrollstuhl und der Treppenraupe über der obersten Stufe der Flugzeugtreppe bevor das sch… Dingen dann das tat wozu es mal konstruiert wurde und es sanft abwärts ging. Die ganze Aktion hatte schon etwas Nervenkitzel zu bieten.
    Die Fehlfunktion schiebe ich mal zur Hälfte auf die mangelnde Schulung und Routine des Personals in der Bedienung der Treppenraupe und zur anderen Hälfte auf eine Fehlkonstruktion der Raupe im Hinblick auf die verschiedensten Flugzeugtreppen.

    Abends zum Rückflug kam ich deutlich später als geplant am Flughafen an. Es mögen vielleicht noch 35-40 Minuten bis zum Abflug gewesen sein. Etwas hektisch begab ich mich zum Check-In (übrigens auch zum Business Schalter) und sagte dem Mitarbeiter, dass mein Flug gleich abfliegt, dass ich schon eingecheckt bin (bereits vor dem Hinflug in Deutschland erledigt) und fragte ihn wie das denn jetzt mit der Assistenz funktioniert. Darauf hin beruhigte er mich erstmal und schaute sich meine Bordkarte an. Er sagte, dass es noch reichlich Zeit bis zum Abflug ist und fragte ob ich Assistenz benötige um in die departure lounge zu gelangen. Die brauchte ich nicht und dort erwartete mich schon einer der Mitarbeiter vom morgen. Die Treppenraupe war „out of service“ erklärte er und zusammen mit seinem Kollegen werde er mich und Bordrollstuhl ins Flugzeug tragen. Das funktionierte gut und das Flugzeug hieb pünktlich ab.
    Das abendliche Erlebnis hat mich ziemlich beeindruckt. Das mag zum einen an der übersichtlichen Größe von London City liegen aber zum anderen auch an dem dann doch eingespielte Personal. Als Rollstuhlfahrer würde ich es an einem deutschen Flughafen nicht freiwillig ausprobieren wollen, was passiert wenn ich „erst“ 35-40 Minuten vor Abflugzeit dort bin.

    Gibt es eigentlich eine funktionierende Lösung für das barrierefreie (barrierearme) Boarding von Propeller-Maschinen und kleineren Regional-Jets? Die Raupe scheint man ja nun mindestens als unausgereift ansehen zu können. Die 2 Träger Lösung ist nicht wirklich eine Alternative.

  2. Frank sagt:

    Hallo,

    zum Drehkreuz bei ALDI. Hier hat man vor Jahren den ALDI umgebaut und elektrische Türen eingebaut. Meine Frau, die im Rollstuhl sitzt, fand das natürlich super. Vor einigen Wochen sind wir zum ALDI, und da war dann hinter der elektrischen Tür wieder ein Drehkreuz. Ich habe geschimpft und den Filialleiter verlangt. Der Platz war sehr begrenzt, sodass man selbst bei weggeklappten Drehkreuz nur mühevoll durchkam. Auf meine Frage, warum hier wieder ein Drehkreuz ist, sagte man mir, es sei wegen den Ladendieben. Bei Lidl hat man übrigens wegen Ladendiebe eine elektrische Schranke angebaut, die nur in eine Richtung aufgeht und Alarm macht wenn man dadurch will. Da kommt man mit dem Rollstuhl jedenfalls durch. Diese Lösung ist der Firma ALDI aber zu teuer! Tja, und die beiden PLUS-Märkte in unserer Nähe haben auch die Drehkreuze, auch wegen Ladendiebe, sagte man uns.
    Und neulich sind wir beim Plus durch die Kasse, weil unser Plus-Markt hat zwei Drehkreuze hintereinander, sodass man die nicht wegklappen kann (!), und da mussten einige Leute Platz machen und da sagt doch ein älterer Herr, dass die Kasse kein Eingang ist und ob das denn nun nötig ist, dass wir da durch müssen…

    Liebe Grüße,
    Frank

  3. Christian sagt:

    Au weia. Ich kann nur hoffen, dass dir sowas wie dieses Paar nicht allzuoft begegnet…

  4. Markus Ladstätter sagt:

    Ohje ohje, solche Tage sind wirklich zum abhaken. Jedes Erlebnis für sich (bis auf das ehepaar) keine wirklichen „extrem“-situationen, aber zusammengenommen ganz schön nervig. Spätestens bei Ehepaar wäre ich explodiert.

  5. Lars sagt:

    OMG, an solchen Tagen nur schnell heim ins Bett, denn es kann morgen nicht viel schlimmer werden.

  6. Dorothea sagt:

    @Frank

    Drehkreuze bei Aldi: Bei „unserer“ Filiale dieser netten Firma wurde mir vom Fillialleiter gesagt, es sei ja auch „komisch, das sojemmmant wie Sieeeeeee selbst einkauft. Kann doch Ihr Pfleger machen“.

    Süß. Klar, jeder Krüppel hat nen Pflegeralllallla, und wir wohnen alle in der Puppenkiste.

  7. Frank sagt:

    @Dorothea

    Meine Frau hat mal eine Jeans bei Karstadt kaufen wollen und ich habe, da meine Frau auch sprachbehindert ist, den Dolmetscher gemacht und der Verkäuferin erklärt, was meine Frau haben will.
    Da sagt die Verkäuferin: „Ohh, das ist aber schön, das sie auch ihre eigene Vorstellung hat.“
    Tja, als ob ich das denken für meine Frau übernehmen soll…

  8. Chrizzo sagt:

    Uuih und dann noch als Krönung dieses Ehepaar!
    Da kann einem echt die Spucke weg bleiben, vollstes Verständnis, oder man explodiert, aber dazwischen gibt es nichts.
    Ich hoffe, die Tage sind besser geworden!!?

  9. Tom Goetze sagt:

    Als ich den Satz von dem Ehepaar gelesen habe, ist mir einen Moment fast das Herz stehen geblieben. Wärs ein Film, hätte ich spätestens jetzt das Geld zurück verlangt. Leider war es in Ihrem Fall die Realität.