In den Kommentaren hat mich jemand darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Heiseverlag in der Telepolis zum psychischen Zustand und der Behinderung von Herrn Schäuble äußert. Ich finde den Artikel in höchstem Maße bedenklich. Das habe ich Florian Rötzer, Verantwortlicher Redakteur für die Telepolis, in einer Mail mitgeteilt.
Lieber Florian Rötzer,
als ich den Artikel „Schäubles Symptome“ las, fühlte ich mich an meine Schulzeit erinnert. Ich kandidierte gerade als Mittelstufensprecherin. In einer Sendung sagte Rudolph Scharping zur Primetime, es sei
schwierig, mit jemandem zu diskutieren, wenn er im Rollstuhl sitze. Er meinte damit Wolfgang Schäuble und seine Rückkehr in die Politik nach dem Attentat. Ich fand die Äußerungen damals so empörend, dass ich ihm als 15 Jahre alte Rollstuhlfahrerin einen Brief schrieb. Ich fand nicht fair, dass jemand auf seine Behinderung reduziert wird. Schließlich wollte ich ja selber ein wenig Politik in meiner Schule machen und wollte durchaus, dass die Leute mit mir diskutieren. Ich dachte damals aber auch, dass Scharping zu einer Minderheit gehört und die meisten Leute durchaus damit klar käme, wenn ein Politiker im Rollstuhl sitzt. Wir waren ja bereits in den 90er Jahren!
Über 15 Jahre ist das jetzt her und ich kann nicht glauben, was ich bei Telepolis im Jahr 2007 lese. Da schafft es Ihr Redakteur nicht, die Politik Schäubles zu kritisieren ohne auf seine Behinderung abzuheben. Er konstruiert 17 Jahre nach dem Attentat eine psychische Erkrankung, für die er keine Belege hat. Er schließt sogar von einem der dümmsten Vorurteile über Querschnittgelähmte (hat keine Sexualität) auf Schäubles Geisteszustand. Er schreibt über die Lebensqualität Schäubles, wie einschneidend die Veränderung von einem Leben ohne und mit Behinderung ist etc. ohne wirkliche Kompetenz. Und der ganze Artikel wird noch getoppt mit einem Bild von einem Rollstuhl, wie ihn sich nicht behinderte Menschen vorstellen, der aber nichts mit den Rollstühlen zu tun hat, die in zivilisierten Ländern von aktiven behinderten Menschen wie Wolfgang Schäuble genutzt werden.
Ich möchte von Ihnen, lieber Florian Rötzer, eigentlich nur eines wissen: Warum publizieren Sie so etwas? Warum lassen Sie als
Verantwortlicher im Jahr 2007 so einen behindertenfeindlichen Artikel schreiben? Es gebe so viele bessere Argumente gegen die Politik Schäubles als seine Behinderung und der angeblich daraus resultierende psychische Zustand. Sie bestätigen mit dem Artikel die schlimmsten Vorurteile, die es in der deutschen Gesellschaft über behinderte Menschen gibt.
Ich habe einer Kollegin aus Südafrika den Artikel ins Englische übersetzt. Sie hat mich gefragt, wieso so etwas in Deutschland, einem aufgeklärten Land, geschrieben wird. Ich konnte Ihr keine Antwort darauf geben.
Egal was ein Mensch mit Behinderung macht, es wird immer auf seine Behinderung zurück geführt. Warum machen Sie da mit? Finden Sie das eine faire Art und Weise der politischen Auseinandersetzung? Sollen also alle Politiker, wenn sie eine Behinderung bekommen, sofort zurücktreten? Meinen Sie, Sie machen mit dem Artikel anderen behinderten Menschen Mut, sich politisch zu engagieren? Die Verurteilung und Herabsetzung von jemanden aufgrund seiner Behinderung, wie es in dem Artikel praktiziert wird, ist viel schlimmer als fehlende Rampen und Fahrstühle. Die Barrieren in den Köpfen der Menschen sind noch viel hinderlicher für das alltägliche Leben. Warum, um alles in der Welt, bauen Sie also noch mehr Barrieren auf? Fühlen Sie sich eigentlich gar nicht den Grundsätzen des deutschen Presserates verpflichtet?
Mit freundlichen Grüßen
Florian Rötzer hat mir daraufhin eine kurze Mail geschrieben. Ich hätte den Artikel missverstanden. Der Autor habe „nichts gegen Behinderte“. Eine dümmere Floskel kann man kaum finden, um auf eine derartige Kritik zu antworten.
Es gibt aber auch einen positiven Aspekt bei der Sache: Wenn man sich die Kommentare unter dem Artikel ansieht, entdeckt man, dass ich mit meiner Meinung keinesfalls alleine da stehe. Es gibt etliche Kommentare, die meine Kritik teilen. Die Telepolisleser sind wohl aufgeklärter als die Telepolisredaktion. Und das lässt mich dann doch ein wenig hoffen!
Auch ich habe eine e-Mail an die Telepolis geschrieben. Genauer: An den Autor, den ViSdP und die Telepolis Redaktion geschrieben. Via CC ging diese Mail auch an den interviewten Wissenschafter.
Eine Antwort habe ich bisher nicht bekommen. Bemerkenswert ist, daß der Artikel nun bei Telepolis in der Rubrik Meinung eingeordnet ist. Zum Zeitpunkt des Erscheinens war er das nicht.
Es geht in dem Telepolis-Artikel nicht um die Tatsache, dass Herr Schäuble behindert ist, sondern um die Tatsache, dass er Opfer eines Anschlags wurde. Aufgrund dieses Ereignisses ist es möglich, dass Herr Schäuble in Ausübung seines Berufs nicht objektiv sein kann und sein eventuelles Trauma dadurch zu kompensieren versucht, dass er sicherheitsfanatische Politik betreibt und dabei Bürger- und Grundrechte beschneidet. Schäuble weicht z.B. die Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst auf, was angesichts von Erinnerungen an STASI und GESTAPO höchst bedenklich ist.
Die Kritikpunkte, die in dem Artikel aufgeführt sind, blieben im Wesentlichen die gleichen, auch wenn Herr Schäuble durch den Anschlag nicht im Rollstuhl säße. Es ist das Ereignis des Anschlags, worum es primär geht.
@Arion
Ich bin der Meinung, dass sich kein Politiker eine Krankheit andichten lassen muss, so lange es dafür keine Beweise gibt. Beweis heißt für mich, dass er selber sagt, dass er die Krankheit hat oder sich sein behandelnder Arzt dazu äußert. Ferndiagnosen sind Schwachsinn, gerade bei psychischen Erkrankungen.
Es geht in dem Artikel auch nicht nur um das Attentat ansich, sondern darum, wie das Leben mit Behinderung ist. Der Autor geht davon aus, dass Schäuble Pflege braucht und keine Sexualität mehr hat. Diese angeblichen Veränderungen in seinem Leben seien auch Anhaltspunkte, die für ein PBS sprechen.
Ich bin zudem nicht der Auffassung, dass Menschen, die ein bestimmtes Erlebnis in ihrem Leben zu verarbeiten hatten, sich nicht mehr zu diesem Themenbereich äußern sollten. Ich fände es nicht schlecht, wenn wir eine chronisch kranke Gesundheitsministerin hätten. Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung hatte einen Sohn mit Behinderung. Ich denke nicht, dass das ihrer Politik schadet.
Und ich wiederhole mich: Schäuble ist kein Terroropfer. Der Anschlag hätte durch keine Onlineüberwachung oder den Einsatz der Bundeswehr im Inland verhindert werden können. Und Schäuble ist nicht der einzige Politiker, der diese Forderungen hat. Aber nur er darf sie nicht äußern, weil er ein Attentatsopfer ist?
Vor allem: Schäuble ist nicht nur Opfer. Schäuble ist Handelnder (Täter im Wortsinne). Er ist Denkender, Planender und IMHO auch Ausheckender. Er ist Taktiker, Stratege, Politiker.
Aber als WAS wird er dargestellt? Als Pflegefall, als Psychowrack, als Asexueller – halt als BEHINDERTER. Nix als Behindi. Rollstuhl mit Inhalt.
Es wird ÖFFENTLICH über Intimes spekuliert (wie er Ausscheidungen managt, wie seine Sexualität funktioniert, inwiefern er „Pflege“ braucht) – es wird ihm jegliche Privatsphäre, ja Würde abgesprochen. Klar, er ist doch nur BEHINDI. Da kömmts nicht so drauf an.
Vor noch gar nicht so langer Zeit war es undenkbar, öffentlich auch nur Scheidungen oder Liebschaften von PolitikerInnen zu besprechen. Es gab eine klare Trennung zwischen dem Menschen als PolitikerIn und dem Privatmenschen. Zweiteres ging die Öffentlichkeit nix an.
Im Gegensatz dazu jetzt das hämische und lustvolle Gerühre in Schäubles Intimstem. Es scheint, als könnte all die bislang zurückgehaltene Verachtung eines BEHINDERTEN endlich ausgekübelt werden, indem dem BEHINDI seine Anmaßung um die Ohren gedroschen wird, weiterhin ein Leben abseits von Gepflegt-und Verstecktwerden führen zu wollen. Was wagt der Kerl denn? BEHINDERT und nicht DEMÜTIG? Schon die symbolträchtige Tatsache, dass Schäuble sich nicht schieben lässt, ist anscheinend ein Affront. Da wagt ein „Versehrter“, sich nicht in die Abhängigenrolle abSCHIEBEN zu lassen, sich selbständig fortzubewegen, sein Leben in die eigenen Hände zu nehmen anstatt sich „pflegen“ und „schonen“ und „betüddeln“ zu lassen. Und weitere Frechheit: Der Behindi DENKT. Er schreibt, er redet, er handelt. Er legt NICHT die Händchen in den Schoß und lächelt dankbar. Er streitet und kämpft – und dies NICHT für gnädig als angemessen erachtete „Behindertenspezifika“, sondern in seinem individuell gewählten Fachfeld. Er ist anstrengend, unsympathisch, intelligent, fordernd, unverschämt (ich mag ihn nicht. Aber das tut hier nichts zur Sache). Er ist alles, was andere auch sind.
Nur, dass er dies nicht darf.
Schließlich ist der Kerl BEHINDERT. Und damit OPFER. Immer.
Schröder und seine ‚Behinderung’…
Der Telepolisartikel ‚Schäubles Symptome‘ hat ja hohe Wellen geschlagen und Christiane bringt es eigentlich auf dem Punkt.
Ich würde gar nicht ausschliessen das Schäuble es damals versäumt hat sich helfen zu lassen, denn immerhin gehört er no…
Es geht in der Tat um die erworbene Behinderung: der Herr Schäuble hat maßlose Angst, die er offenbar nur beherrschen zu können meint, indem er uns alle zu beherrschen versucht. So sieht das aus.
Gegen behinderte Menschen auf der Regierungsbank ist nichts einzuwenden – im Gegenteil besteht die Möglichkeit der Sensibilisierung für besondere Aspekte gesellschaftlichen Zusammenlebens – aber: Menschen, die aufgrund besonderer persönlicher Vorfälle ihre Behinderung erworben haben, seien es Unfälle, Anschläge oder andere persönliche Schicksalsschläge, müssen von der Regierungsverantwortung ausgeschlossen werden. Das klingt nach Benachteiligung und Ausgrenzung von Minderheiten und ist daher nicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren? Dann muß das Gesetz geändert werden – dringend und vor allem Rückwirkend.
Wie wäre es mal mit ein bißchen Toleranz den Nichtbehinderten gegenüber?
Könntet Ihr mal bitte Eure Scheuklappen ablegen und erkennen, daß in dem Artikel an keiner einzigen Stelle auch nur angedeutet wird, daß ein Querschnittsgelähmter kein Ministeramt bekleiden dürfe?
Ihr regt Euch hier über nicht einmal 2,5 Zeilen Text auf, in dem lediglich ein Autor versucht, sich in den Lebensalltag von Schäuble hineinzuversetzen – und das nicht einmal abwertend, an keiner Stelle.
Und daraus konstruiert Ihr dann eine imaginäre Behindertenfeindlichkeit, während Ihr den Rest des Artikels komplett ausblendet.
Es geht eben nicht nur darum, ob jemand nicht gehen kann, sondern, ob er infolge eines Attentates auf ihn eine gestörte Wahrnehmung an den Tag legt.
Der Mann ist unser Innenminister. Da darf man schon erwarten, daß er nicht jegliches Augenmaß verliert, ob behindert oder nicht.
Und doch, Dorothea, es geht uns alle etwas an, wenn ein Mann den Rechtsstaat demontieren will, weil er unter Verfolgungswahn leidet.
In dem TP Artikel geht es um den Geistestzustand von Schäuble. Von einer Person die unseren Staat in Richtung absoluter Überwachung lenkt, kann ich absolute Aufklärung übr den geistigen Zustand verlangen.
„Er konstruiert 17 Jahre nach dem Attentat eine psychische Erkrankung, für die er keine Belege hat.“
Die Indizien für den Geisteszustand sind öffentlich an den forderungen Schäubles abzulesen. Da ist der Verdacht angebracht, dass es ein Mensch mit einem Trauma ist und damit unfähig für solch ein Amt.
Die Tatsache, dass Schäuble im Rolli sitzt, wurde hier überhaupt nicht thematsiert. Lediglich der Fakt, dass er Opfer eines Anschlages wurde, der sein Leben einschneidend verändert hat, kann zu der Vermutung fürhren, dass er traumatisiert ist.
Die Diskussion ist ein interessantes Spiegelbild der deutschen Gesellschaft und ihr Verhaeltnis zu behinderten Menschen.
@Lars
Warum sollten behinderte Menschen tolerieren, dass andere behinderte Menschen diskriminiert werden? Die Zeiten, in denen behinderte Menschen einfach nichts gesagt haben (das meinst Du wohl mit Toleranz) sind einfach vorbei. Du sagst, der Autor schreibe nicht abwertend. Wolltest Du gerne ueber Dich lesen, Du haettest keine Sexualitaet? Ganz egal ob es stimmt, es wird Dir einfach abgesprochen.
Und der Rest des Artikels schliesst von einem Erlebnis darauf, dass jemand 17 Jahre spaeter psychisch krank ist. Das ist keine faire Auseinandersetzung und auch noch eine ungeschickte Art, den politischen Gegner zu kritisieren. Viele behinderte Menschen haben aehnliche Erfahrungen gemacht wie Schaeuble, gerade Leute mit Querschnittlaehmung, die oft durch Unfaelle, aber auch andere aeussere Einfluesse verursacht wird. Es ist einfach ein Vorurteil zu glauben, diese Menschen seien traumatisiert. Es gab Untersuchungen die belegten, dass behinderte Menschen mehrheitlich nicht unzufriedener sind als vor dem Eintritt einer Behidnerung.
Es ist kein Zufall, dass bei Schaeuble dieses Konstrukt genutzt wird. Kanther, Beckstein etc. konnten ohne diese Unterstellungen aehnliche politische Forderungen aufstellen. Die mussten nichts derartiges ueber sich in den Medien lesen.
@Jan
Ich will aber keine Vermutungen ueber den Gesundheitszustand von irgendjemandem hoeren, sondern Argumente. Ich will Sachargumente hoeren gegen die Online-Durchsuchung etc. Mich interessiert auch nicht, ob Seehofer eine Freundin hat und ob die Ehe der Kanzlerin in Ordnung ist. Ich bewerte Politiker nach dem, was sie sagen und das kann auch ein Politiker erwarten, der vor 17 Jahren Opfer eines Attentats wurde.
Von wem willst Du denn den Geisteszustand noch ueberpruefen lassen? Von allen Abgeordneten, die sexuell missbraucht wurden? Von den Geschiedenen? Von den Betrogenen? Von denen, die durchs Examen gefallen sind? Es gibt noch einen Abgeordneten im Rollstuhl. Auch jemand mit Querschnittlaehmung, dessen Leben sich irgendwann mal „einschneidend veraendert hat“, wie Du das formulierst. Ist der als naechstes dran?
[…] Punkt sehr unangenehm auffällt. Keine Kommentare bisher Hinterlasse deinen Kommentar! RSS-Feed für Kommentare zu diesem Beitrag • Einen Kommentarhinterlassen […]
Leute, ich sehe Schäuble als meinen politischen Gegner, und da nutze ich jede „erdenkliche “ und „vermeintliche “ Schwäche aus um ihn zu treffen, zu schwächen…ist doch logo! Gebe es einen prominenten Gegner Schäubles der/die im Rollstuhl sitzen würde…ich würde ihn/sie in den Himmel loben mit seiner/ihrer Behinderung…Aber es geht darum Schäubles Gesetzesvorschläge zu verhindern und da muss man nicht gutmenschmäßig vorgehen…tut die andere Seite ja auch nicht!
In diesem Sinne
WhiteHaven
Den Artikel hier kann ich nur unterschreiben, diese persönlichen Angriffe die auf einen vermeintlichen Geisteszustand abzielen sind geschmacklos und dienen der Sache überhaupt nicht.
WhiteHaven: was für ein Unsinn! Wäre es für dich auch ok, Homosexuelle zu verunglimpfen? Oder die ‚raffgierigen Juden‘? Hauptsache es passt in dein Argument? Der Zweck heiligt die Mittel? Gott bewahre uns vor Leuten wie dir!
Was bitte geht denn hier ab?
Du projizierst Scharpings allgemeine Aussage (s.o.) mit einer „Analyse“ über Schäubles Gesundheitszustand auf die Allgemeinheit (bzw. auf dich?)?
Das klingt für mich eher nach einem „ich muss mich wehren – um jeden Preis“ also nach einem Problem mit deinem Selbstwertgefühl. Verdammt, über was reden wir denn hier bitte? Es geht darum, dass Schäuble als deutscher Bundesinnenminister nun mal tagtäglich von Bedrohung, Terror, abstrakten Gefährdungsräumen faselt und mit dieser Polemisierung nicht nur Angst in der Bevölkerung schürt sondern diese Angst auch noch dazu nutzt um seine „Anti-Terror“ Kataloge (siehe ebenfalls heise.de/spiegel.de) zu verkaufen.
Es geht hier aber ganz bestimmt nicht darum, dass die persönliche Meinung von Mühlbauer bezogen auf Schäuble auf viele Personen – unter anderem dich – abfärbt. Ich unterstelle dir auch nicht, dass du dir einen Schwachsinn wie den Präventivstaat ausdenkst und das durch Bundesrat und Bundestag boxt.
Du redest von Fakten – also los: wo ist denn in dem von dir genannten Artikel bitte die Stelle bei der Mühlbauer über deinen Gesundheitszustand reflektiert? Fakten schaffen heißt für mich nicht, sich Verallgemeinerungen auszudenken.
Was Mühlbauer über Schäuble schreibt, mag die Meinung eines Einzelnen sein, die muss niemand teilen. Aber man muss sich auch nicht den Schuh anziehen, von anderen auf sich zu schließen.
Und hört mir bitte auf mit Verallgemeinerungen wie „so ist das Bild unserer Gesellschaft“. Oh was sind wir doch alle moralisch versaut von Medien, Killerspielen, Terrorangst, Internet, WTF.
Dorothea oben bringt es auf die Spitze: „Und damit OPFER. Immer.“ – Zu meinem Gesundheitszustand: meine Galle lief gerade über, als ich das gelesen habe. Glaubt ihr _ernsthaft_, es würde auch nur ein Hahn nach ihm krähen, wenn er nicht berühmt (nein das Wort impliziert Bewunderung und das trifft es hier _nicht_) – bekannt wäre? Lebt er sein Leben wie ein Durchschnittsbürger (wie z.B. ich von mir behaupte einer zu sein) glaube ich nicht das heise.de, spiegel.de und andere zitierte Medien sich so auf ihn einschießen würden.
Wenn euch etwas nicht passt, dann lasst bitte die Kirche im Dorf und setzt euch mit der Thematik auseinander (vermisse ich übrigens in deinem Blog-Eintrag!)
Anlass für diesen Artikel waren schließlich ganz andere Dinge – und nicht die Tatsache das er im Rollstuhl sitzt oder gerne Grünkernbratlinge in der Bundestagskantine verdrückt.
just my 2 cents.
@Christian
Ich glaube, dass der Autor sich klassischen Vorurteilen bedient, wenn er gegen Schäuble argumentiert. Das ist diskriminierend. Ich wehre mich gegen die Diskriminierung behinderter Menschen, genauso wie ich Diskriminierung gegenüber anderen Minderheiten verurteile. Dass Medien (auch ein Artikel bei Telepolis) Einfluss auf die Gesellschaft haben, habe nicht ich mir ausgedacht, sondern das ist einfach so. Wenn behinderte Menschen in den Medien in einer bestimmten Weise dargestellt werden, hat das mehr oder weniger Einfluss auf mein Leben und das Leben anderer behinderter Menschen. Nicht immer unmittelbar, aber langfristig. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Wenn im Fernsehen an prominenter Stelle über angebliche Heilerfolge bei Querschnittgelähmten gesprochen wird, sprechen mich Leute darauf an.
Die Gegner von Schäubles Politik, die auf das Attentat und die Behinderung abstellen, schaden ihrer eigenen Sache meines Erachtens. Denn sie erwecken den Eindruck, dass es keine besseren Argumente gegen die Politik Schäubles gebe.
Hmm.
Also die Kritik der Blogbetreiberin kann ich größtenteils nachvollziehen. Die Frage, ob und wie Wolfgang Schäuble nach seinen privaten Lebensalltag gestaltet, IST unangemessen. Die Kritik an diesen Teilen des Artikels teile ich.
Die Frage aber, welches Motiv, welches Gesellschaftsverständnis, welcher Sicherheitsbegriff im Kopf des Menschen wirken, der von Amts wegen die Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland zu betreuen hat, ist legitim. Klar, diese Frage sollte immer und überall im sinne einer modernen Demokrateie gestellt werden. Wenn aber ein Politiker die Speerspitze einer Bewegung bildet, die unseren zur Zeit geltenden RECHTSSTAAT-begriff zu einem Drehbuch für „Minority Report -the early days“ umstülpt, möchte ich shcon gerne wissen, was im cerebralen Diskursraum eines BUndesinnenministers vorgeht.
EINES ist natürlich ebenso spannend wie ungeklärt: Welche politische Sozialisation haben die anderen Rechtsaußen-Politiker? Welche Sachargumente können Beckstein, Schily und andere vorbringen, um ihre Politik zu legitimieren?
Sind diese Argumente sachlich-rational begründet, oder haben diese Amtsinhaber ihrer Studienzeit ein unangenehmes Erlebnis mit einem ungeduschten linksliberalem Kommilitonen gehabt?
Und um ehrlich zu sein: im besagten Telepolis-Artikel habe ich zwar bei der Erwähnung des Privatlebens des Herrn Schäuble die Stirn gerunzelt – es dann aber schnell vergessen, weil ich die These, das seine Politik von einem „Anti-Stockholm-Syndrom“ gesteuert wird, durchaus ebenso nachvollziehbar und erschreckend finde.
Eine interessante und vielschichtige Debatte. Ich habe mir den TP-Artikel und deinen Brief, liebe Christiane, gut durchgelesen, und irgendwie ist meine Antwort „teils teils“.
Es stimmt: Schäubles Privatleben gehörte nicht in den Artikel, und die Aussagen darüber sind von Nichtwissen geprägt. Ich nehme auch an, dass deine Kritik am geözeigten Photo korrekt ist, ich sehe es nicht und vertraue da einfach mal deiner Urteilsfähigkeit. Aber ehrlich gesagt, den Rest deiner Kritik an diesem Artikel kann ich nicht ganz nachvollziehen. Es ist eine Meinung, und in diesem Lande herrscht Meinungsfreiheit, solange niemand beleidigt wird, dass der Autor sagt: Könnte doch sein, dass Schäuble unter PTBS leidet, immerhin gab es ja das Attentat, und es gibt immerhin eine 18-prozentige Wahrscheinlichkeit dafür. Anders würde es schwerer fallen, die Äußerungen des Herrn zu verstehen. Das ist eine Meinung, und die an sich ist nicht abwertend. Ich könnte mir vorstellen, dass er damit recht hat. Warum sollte das einem Innenminister nicht passieren können? Du sprachst über andere Querschnittgelähmte Menschen. Die sind aber nicht per Schusswaffe verletzt worden, oder in den seltensten Fällen. Wenn ein Innenminister öffentlich sagt, dass er das Grundgesetz als eine „lästige Fessel“ empfindet, ein Mann also, der auf dasselbe Grundgesetz vereidigt ist, dann muss mit ihm irgendetwas nicht stimmen, oder?
Natürlich ist die Meinung des Autors spekulativ, und ich betone noch einmal, dass ich die Äußerungen über Schäubles Privatleben unmöglich finde. – Aber die Vermutung, es könnte sich bei seinem Verhalten um eine PTBS handeln, würde ich nicht als Diskriminierung begreifen. Zumindest so lange nicht, als damit nicht die Forderung erhoben wird, dass „solche Menschen“ nicht das Recht haben sollen, in unserem Land politisch tätig zu werden. Ganz egal, warum Schäuble seine Meinung hat, er hat sie und wir müssen dagegen vorgehen, zumindest wenn wir anderer Ansicht sind. Abe wir begeben uns auf einen Nebenkriegsschauplatz, wenn wir uns über Diskriminierung streiten. Ich halte nur begrenzt etwas von politischer Korrektheit und finde sie da unangebracht, wo sie zum Schutz nicht schutzwürdiger Interessen und Handlungsweisen führt. Schäubles Handeln ist nicht schutzwürdig. Offenbar hat sich nach Aussagen von Menschen, die ihn kennen, sein Verhalten nach dem anschlag geändert. Das muss man sagen dürfen, ohne eine Lobby auf den Plan zu rufen, die schwer mit abweichenden Meinungen umgehen kann. Behinderte Menschen sind nicht per se überempfindlich, aber es gibt eine Tendenz, auch dort eine Diskriminierung zu sehen, wo sie nicht intendiert ist. Ich kenne Verbandsvertreter, die sich da hervor tun. Wir sollten uns dem nicht anschließen. Wir sollten kritisieren, was kritikwürdig ist. Für mich sind das die unhaltbaren Aussagen über Schäubles Sexualität und die Alltagsverrichtungen. Für mich ist das die von dir zitierte Scharping-Äußerung. Aber eine mögliche – vom Autor auch nicht als unbedingt richtig bezeichnete – Erklärung für Schäubles Radikalität, die nichts mit seiner Behinderung, sondern mit einem speziellen Lebensereignis zu tun hat, ist für mich persönlich als solches nicht kritikwürdig, zumal ich zwar Spekulationen, aber keine Herabsetzungen finden konnte.
Danke für eure Aufmerksamkeit.
Liebe Christiane, liebe Vorschreiber:
Ich stimme euch zu, dass der Telepolis-Artikel ziemlich unpassend ist. Über ein eventuelles Trauma zu spekulieren, mag gerade noch tragbar sein. Schäuble ist ein wichtiger Entscheidungsträger, und die Frage, ob ein Politiker aufgrund von Erlebnissen in seiner Vergangenheit zu seinem Amt fähig ist oder nicht, muss erlaubt sein, sofern dies respektvoll und fundiert geschieht. Die Textpassage über Schäuble’s Intimsphäre ist dumm, gar keine Frage, das ist einfach kein Thema, über das irgendwer zu diskutieren hat.
Whitehaven kann ich mich natürlich nicht anschließen – den politischen Gegner mit allen Mitteln fertigmachen, wo kämen wir denn da hin? Genau das, wenn auch an einer anderen Front, wird ja Schäuble vorgeworfen.
Andererseits erwarte ich mir auch von euch, die ihr euch über Verallgemeinerungen und Diskriminierungen gegen Behinderte aufregt, mehr Differenzierung. Nicht jeder blickt auf „Rollis“ herab, nicht jeder glaubt, „Behindis“ könnten als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.
Noch ein Wort zum Schluss: Meiner Erfahrung nach sind viele Vorurteile und Meinungen „gegen“ Behinderte keineswegs böswillig oder abschätzig gemeint. Viele Menschen haben schlicht und einfach keine Erfahrung im Umgang mit Behinderungen, können sich das Leben mit einer solchen nicht vorstellen und haben dadurch verständlicherweise gewisse Ängste, bzw. sind unsicher und ungelenk, weil sie einen behinderten Mitmenschen nicht vor den Kopf stoßen wollen. Dagegen hilft meiner Meinung nach nur Verständnis und Aufklärung, nicht aber das Draufhauen mit der Moralkeule mit Diskriminierungsnägeln.
Er ist und bleibt trotzdem eine bedrohliche Gefahr, für die Rechte der Bürger, für das deutsche Grundrecht und nicht zu letzt für die Demokratie.
ts, ts, ts,
auch behinderte können schlechte menschen, arschlöcher, idioten sein.
die behinderung an sich macht niemanden unangreifbar oder zum besseren menschen.
[…] sich die Deutschen so über ihren Innenminister Wolfgang Schäuble aufregen und dabei ständig fragwürdige Witze über Rollstuhlfahrer vom Stapel lassen, statt in der Sache zu diskutieren, wieso die Journalisten ausgerechnet da den […]