Großbritannien schließt Behindertenwerkstätten

An Nachrichten wie dieser kann man sehr schön sehen, dass Großbritannien im Bezug auf behinderte Menschen anders tickt als Deutschland: Remploy, der Betreiber von 83 Behindertenwerkstätten im Land, schließt mehr als die Hälfte seiner Werkstätten. Mehr als 2270 behinderte Menschen und 280 nicht behinderte Menschen sollen künftig auf dem ersten Arbeitsmarkt statt in einer Werkstatt arbeiten. Dafür hat Remploy ein Mamutprogramm aufgelegt. Während sechs große Behindertenverbände die Entscheidung begrüßen, protestiert die Gewerkschaft.

In Deutschland hingegen werden Werkstätten eröffnet statt geschlossen. Es gibt kaum erfolgreiche Programme zur Integration behinderter Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt. Ich bin gespannt, ob die Integration in Großbritannien dann so klappt, wie das jetzt angedacht und versprochen ist. Aber die Grundrichtung gefällt mir schon mal ziemlich gut.

9 Kommentare

  1. syrabo sagt:

    Ich hoffe, das wird ein Erfolg, denn diese Beschränkung, dieser Irrglaube an „schützende“ Institutionen Heim & Co. muss weiter und weiter aufgebrochen werden in DE und dafür braucht es Beispiele

  2. Dorothea sagt:

    Klasse!

    Ich werd`s nie vergessen, wie ich einer völlig verdatterten britischen Studentin mal das Aussonderungssystem in Deutschland versuchte zu erklären …

    Aber dass Doofland sich ein Beispiel nähme … daran glaub ich nicht. Hier werden doch die Knäste („Heime“ / „Werkstätten“, „betreutes“ Wohnen) und Aussonderungsmechanismen gerade ausgebaut …

  3. syrabo sagt:

    @Dorothea,

    ich selbst merke in Diskussion darueber, gerade beim Thema Daheim statt Heim, dass es denn Leuten an der Vorstellung mangelt, wie es ohne Sondereinrichtungen geht. Wenn sie dann merken, wie bei uns, es geht ohne, dann bricht das auf und es wird vorstellbar, z.B. fuer die Eltern von behinderten Kindern, es sie auch selbst anders regeln moechten, statt ihr Kind mit 18 in ein Heim zu stecken (oder wenn sie ein seelisches Frack sind), Skandinavien als Beispiel alleine reicht nicht ganz.
    Das Hauptproblem in DE sind halt die „netten“ Traeger in der Behindertenhilfe. Einerseits ueben sie sich in der ambulanten Unterstuetzung und eroeffnen nebenbei ein Heim, was dann noch Gewinn abwirft (weil sonst gaeb es ja kein Grund zu bauen, mal salopp gesagt).

  4. Heim, Warteplatz und selbstbestimmt…

    Man könnte es auch als einen sanften Weg zu alternativen Wohnformen bezeichnen, wenn Heime voll sind und und ein Betreiber darüber nachdenkt, “Heimplätze” außerhalb des Heimes zu schaffen. Eine Idee, die laut dem Artikel…

  5. […] Und auch in dem Artikel wird mir die erlebte Politik wieder vor geführt, da Herr Worm von der großen Bedeutung der Werkstätten für behinderte Menschen geredet habe. Da fällt mir nur eins ein: Werkstätten seien nicht mehr zeitgemäß. Ein Punkt der in England schon seine Umsetzung findet. Und eine Kritik von Karl Herrmann Haack (ehemaliger Bundesbeauftragte für die Belange behinderter Menschen) lautet (nicht wörtlich): […]

  6. B.Hindert sagt:

    Die Werkstätten erhalten für jeden Werkstattbeschäftigten bis zu 1200 Euro im Monat. Der durchschnittliche Werkstattlohn beträgt knapp unter 160 Euro im Monat. Oder anders ausgedrückt:

    Die Werkstätten erhalten pro Jahr um die 4 Milliarden Euro Sozialhilfegelder. Die Werkstätten erzielen durch ihre wirtschaftliche Tätigkeiten (Produktion, Dienstleistung) um 2 Milliarden Euro. Die Lohnsumme der Werkstattbeschäftigten beträgt um die 0,5 Milliarden Euro. Die Vermittlungsquote in den allgemeinen Arbeitsmarkt liegt unter 0,5 Prozent.

    Die berechtigte Frage ist – wenn insgesamt um die 6 Milliarden Euro in den Werkstätten bewegt werden und hiervon nur 0.5 Milliarden als Lohnsumme den Werkstattbeschäftigten zukommen – wohin gehen die Gelder?

  7. Thor1 sagt:

    Hallo Ihr Schlaumeier,
    schon einmal eine Behindertenwerkstatt besucht?
    Glaubt Ihr wirklich, daß Deutsche Unternehmen einen Behinderten beschäftigen würde?
    -Soziales Angagement und Betreuung aufbringen möchte?
    -Investitionen erbringen würde?
    Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regeln.
    Aber lieber stecken sich die Manager Geld in die eigene Tasche, als diesen Aufwand zu betreiben
    ( Siehe Ausgleichsabgabe.)
    Diese Menschen brauchen Betreuung und müssen beinah täglich neu angelernt werden. Sie erhalten nur Aufträge, die Sie trotz Behinderung ausführen können.
    Nennt man auch Integration!
    Also sollten wir froh sein, daß es diese Werkstätten gibt und nicht über Fördergelder nachdenken.
    Typisch Deutsch.

  8. B.Hindert sagt:

    Donnerwetter,

    Thor schwingt seinen Hammer und wendet sich an die Schlaumeier: „… wir sollten froh sein, dass es die Werkstätten gibt und nicht über Fördergelder nachdenken, Typisch Deutsch.“

    Wie bereits gesagt, die WfbM in Deutschland bewegen in einem Jahr um die 6 Mrd. Euro, die Lohnsumme der Beschäftigten bewegt sich um 0.5 Mrd. Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Werkstattlohn von 160 Euro für einen Beschäftigten.

    Lasst uns froh und munter sein. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die Betreiber der WfbM legen die Verteilungsprozesse der Werkstatt-Gelder nicht – oder wenn doch, sehr bedeckt dar. Was fehlt, ist Transparenz und Offenheit gegenüber all den Beteiligten, die als lohnabhängige Beschäftigte mit arbeitnehmerähnlichen Status oder ohne Arbeitnehmerstatus tätig sind. Unicef Deutschland lässt grüßen.

  9. […] eins ein: Werkstätten seien nicht mehr zeitgemäß. Ein Punkt der in England schon seine Umsetzung findet. Und eine Kritik von Karl Herrmann Haack (ehemaliger Bundesbeauftragte für die Belange behinderter […]