Die Bundesregierung möchte von mir (und von allen anderen Auswanderern) wissen, warum ich ausgewandert bin und unter welchen Bedingungen ich wieder zurück käme. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Ich habe den Fragebogen sehr gerne ausgefüllt.
Die vorgegeben Antworten lassen auch schon darauf schließen, dass sie wissen, wo die Probleme Deutschlands liegen.
Fragetext: Sie haben angegeben, dass Toleranz und Gestaltungsfreiheit ein ausschlaggebender Grund für Ihre Auswanderung darstellte. Im Umgang mit wem fehlte Ihnen Toleranz und Gestaltungsfreiheit? Frauen, Personen ausländischer Herkunft / Migranten, Behinderten, älteren Menschen, Kindern, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, Menschen wegen ihrer religiösen Orientierung, Menschen wegen ihrer politischen Orientierung, Sonstigen.
Interessant fand ich, dass in der Auswahlliste alle Gruppen als „Menschen“ bezeichnet werden. Nur die Menschen mit Behinderungen sind die „Behinderten“.
Kinder und Frauen sind auch keine Menschen. Ausländer sind Personen. Steht da.
Achtung Satire:
Seit wann sind Behinderte denn Menschen?
Ich dachte das sind Behüterlis.
Ende der Satire
Aber es sind ja auch noch die „Personen ausländischer Herkunft/Migranten“ nicht als Menschen sondern nur als Personen aufgeführt. Aber immerhin bekommen die wenigstens eine Persönlichkeit.
Schönes Wochenende
Andi
Freu Dich, dass es in Sachen „Männer“ gleich noch intoleranter zugeht, denn die fallen unter „sonstiges“ oder verstehe ich das jetzt falsch?
die Carola
Es ist schon sehr bezeichnend, daß solche „Fragebögen“ verschickt werden. Erinnert mich an die unsägliche Geschichte mit diesen „Coming home, u bloody Ossi“-Päckchen von Herrn Tiefensee. Viel schlimmer allerdings empfinde ich (und deshalb lese ich hier so gerne!), die tägliche stille Ablehnung von allem, was nicht 100% gesellschaftskonform ist. Behinderte sind keine Menschen, nein. Behinderte sind behindert und müssen deshalb „bevorzugt“ behandelt werden. Nur….WARUM? Normaler Umgang mit ihnen erleichtert beiden Seiten das Leben. Selbstverständlich müssen alle physischen Barrieren abgebaut und den Behinderten eine „normale“ Bewegungsfreiheit geschaffen werden, aber ich werde auch weiterhin jedem behinderten Menschen genauso begegnen wie jedem migrierten Menschen, jeder Frau und jedem Homo/Lesbe/irgendwas. Und erwarte das auch von meinem Gegenüber. So einfach kann und sollte es sein, nest`ce pas?
Ich habe meinen Zivildienst in einer Werkstätte geleistet, in der hauptsächlich psychisch Kranke tätig waren. Der Übergang zwischen „krank“ und „normal“ ist doch recht schleichend. Was ich aber eigentlich sagen wollte: Mein Umgang mit den „Schützlingen“ war wesentlich normaler als der mit den „Aufsehern“.
Reine Geldverschwendung die Befragung. Da sind doch viele dabei, die es der Bundesregierung mal zeigen wollen, und das Ausland als Paradies hinstellen. Würde ich auch. Wer gibt denn zu, dass er sich vercshlechtert hat oder unzufrieden ist.
So lange du noch in der Lage bist, in diesem Kontext die Worte „krank und normal“ bzw. „Schützlinge“ zu schreiben, und wenn es noch so sehr in Anführungsstrichlein ist, hast du dich noch längst nicht von der Aussonderungsdenke entfernt.
Ui, was spricht denn nun gegen die Formulierung „psychisch krank“?
die Carola
Dorothea, manchmal verstehe ich einfach nicht was du uns mit deinen Beiträgen sagen möchtest.
Ich denke, daß hier das gleiche Problem wie bei den Sprachfeministinnen vorliegt: Wenn man die Sprache ändert, ändert man noch lange nicht die Zustände. Insofern sind krank und normal Kategorien, die existieren und nicht aufhören werden zu existieren, dadurch daß ich sie sprachlich vermeide. Eine Aussonderungsdenke ist etwas anderes. Eine Anerkennung von Menschen, die wir als anders empfinden (egal wie) wird jedenfalls nicht dadurch erreicht, daß wir sie mit den gleichen Attributen versehen wie Menschen, wie wir nicht als anders empfinden. Menschen als anders zu empfinden ist alltäglich. Wir begeben uns auf die Straße und sofort können wir Menschen erkennen, die anders sind als wir sind. Der eine ist ein Punk, der andere ein Geschäftsmann, ich bin ein [hier was einfügen]. Daraus muß allerdings nicht automatisch folgen, daß wir diese Menschen auf eine bestimmte Art und Weise behandeln. Nennen wir den Punk ab sofort XY und den Geschäftsmann ebenfalls XY, dann ändert das überhaupt nichts. Wir machen uns nur etwas vor und glauben, die Welt sei in Ordnung.
Siehe auch: Menschen mit Migrationshintergrund. Was für ein schöner Name. Anders behandeln tut sie deswegen niemand.
Und so passiert auch obige Einteilung in Menschen und Frauen usw. Man muß krampfhaft immer einen anderen Begriff finden und raus kommt das Gegenteil von dem was man wollte.
Unermuedlich wie immer, Christiane. Gut so!!!!!
Den Fragebogen habe ich uebrigens nicht beantwortet.
@ Dorothea: Ich weiss nicht. Da ich selbst oefter nach Bezeichnungen suchen muss, befasse ich mich natuerlich automatisch mehr mit dem Thema. Mein Baby hat keine Krankheit, sondern Down Syndrom. Wenn ich dann ueber den Kleinen rede, wie soll ich im Bedarfsfall alle anderen nennen? „Die anderen“, „die ohne Down Syndrom“, „die mit dem geringeren Chromosomenhaushalt“?
Es geht dabei nicht unbedingt immer um Aussonderungsdenke. In manchen Situationen muss man doch einfach Worte finden, um dem Leser oder lauscher klar zu machen, wovon man redet. Menschen mit Krankheiten sind nunmal Kranke. Wenn jemand sich die Muehe macht, das „normal“ in Anfuehrungszeichen zu setzen, dann finde ich das schon anerkennenswert.
Kuerzlich gings bei mir mal um das Wort „behindert“. Ich glaube, was auch immer wir fuer Begriffe kreieren – ueber kurz und lang wuerde jeder davon diesen unerwuenschten negativen Beiklang haben. „handicap“, „discapacitado“ … das klingt alles gleich doof. Die Abneigung der Leute gegen das, was hinter diesen Begriffen steht, gilt es zu bekaempfen. Dann klaengen jene Woerter naemlich auch gleich anders.
Sorum koennte ein Schuh draus werden.
Meine bescheidene Meinung.
Wie soll er es denn sonst ausdrücken? Sie sind nunmal psychisch krank. Und jemand der krank ist, ist nie normal, denn Krankheit ist nicht der Normalzustand. Das schlimme ist, dass die Gesellschaft mit allem, was nicht normal ist, etwas negatives konnotiert. Ich bin nicht normal und stolz drauf. Und wie sonst soll man „Schützlinge“ sonst beschreiben? „Die Menschen, auf die wir aufpassen mussten“, „Die Insassen“ oder „Die dort arbeitenden“? Alles irgendwie nicht so prickelnd. Ich persönlich finde das jetzt nicht sonderlich diskriminierend.
Wir müssen die Welt in Schubladen einordnen, damit wir sie begreifen können, sagte mal ein Schriftsteller, dessen Name mir gerade entfallen ist. An uns liegt es, die Schubladen nicht zu bewerten, sondern lediglich zu nutzen und bereit zu sein, sie wieder zu öffnen und den Platz mancher Dinge zu ändern.
Das ist genau wie mit dem „innen“ an so vielen Berufsbezeichnungen. Meine Güte, jeder weiß, dass es männliche und weibliche Beamte gibt, dieses „innen“ an alles dran zu hängen ist meiner Meinung nach sehr umständlich. Zumindest wenn es – wie bei manchen – in jedem zweiten Satz vorkommt.
Ich persönlich halte mich für kein bisschen diskriminierend. Ich habe mit vielen Menschen der Gruppen zu tun, die die Gesellschaft als „Randgruppen“ bezeichnet. Und ich sehe sie als Menschen. Egal wie sie nun bezeichnet werden.
Wie soll er es denn sonst ausdrücken? Sie sind nunmal psychisch krank. Und jemand der krank ist, ist nie normal, denn Krankheit ist nicht der Normalzustand. Das schlimme ist, dass die Gesellschaft mit allem, was nicht normal ist, etwas negatives konnotiert. Ich bin nicht normal und stolz drauf. Und wie sonst soll man „Schützlinge“ sonst beschreiben? „Die Menschen, auf die wir aufpassen mussten“, „Die Insassen“ oder „Die dort arbeitenden“? Alles irgendwie nicht so prickelnd. Ich persönlich finde das jetzt nicht sonderlich diskriminierend.
Wir müssen die Welt in Schubladen einordnen, damit wir sie begreifen können, sagte mal ein Schriftsteller, dessen Name mir gerade entfallen ist. An uns liegt es, die Schubladen nicht zu bewerten, sondern lediglich zu nutzen und bereit zu sein, sie wieder zu öffnen und den Platz mancher Dinge zu ändern.
Das ist genau wie mit dem „innen“ an so vielen Berufsbezeichnungen. Meine Güte, jeder weiß, dass es männliche und weibliche Beamte gibt, dieses „innen“ an alles dran zu hängen ist meiner Meinung nach sehr umständlich. Zumindest wenn es – wie bei manchen – in jedem zweiten Satz vorkommt.
Ich persönlich halte mich für kein bisschen diskriminierend. Ich habe mit vielen Menschen der Gruppen zu tun, die die Gesellschaft als „Randgruppen“ bezeichnet. Und ich sehe sie als Menschen. Egal wie sie nun bezeichnet werden.
Vorurteile, und da spreche ich mich nicht von frei, sind da, um eliminiert zu werden. Aber sie sind essentiell, um unsere Umwelt einzusortieren und zu begreifen. Zumindest in der ersten Sekunde.
@Susanne
Also meine Wahrnehmung ist eine andere. Die meisten Menschen haben irgendwelche Krankheiten und Behinderungen. Mehr oder weniger ausgeprägt natürlich. Derzeit ist Heuschnupfenzeit. Schau Dich mal um, wieviele Leute Heuschnupfen haben.
Ich kann mit dem Begriff „normal“ nichts anfangen, denn er wirkt nicht einordnend. Im Gegenteil. In einem Krankenhaus ist es normal, dass die meisten Leute krank sind. In Kenia ist es normal, dass die meisten Menschen schwarz sind. Normal kommt von Norm und die ändert sich ständig.
Jemanden als normal zu bezeichnen, hilft nicht, etwas einzuordnen, außer vielleicht den, der es sagt.
Christiane … was haelst Du von den Australiern?
Hast Du dies gesehen?
@cabronsito: Ein beeindruckender Film. Da ich die Diskussionen hier auf behindertenparkplatz.de schon seit längerer Zeit verfolge, gehe ich allerdings davon aus, dass die Bezeichnung „child with special needs“ also Kind mit speziellen Bedürfnissen bei den betroffenen Menschen auf große Ablehnung stößt.
Gerhard,
da kannst dann auch gleich sagen „Kind mit großem Kümmerbedarf“ – semiotisch das Gleiche.
Auch wenns wieder beinahe niemand verstehen WILL
Sehr weit sind wir nicht gekommen hiermit, was? ;-)
Christiane, da die vor Jahren so hochgepriesene Technologie des trackbacks leider niemals zu interblogialer Wirklichkeit wurde, muss ich auf manuelles tb zurueckgreifen, denn ich konnte nicht anders, als mich dem Thema noch einmal etwas ausfuehrlicher zu widmen. Ganz ungewollt ist am Ende sogar ein Aufruf an die Bloggerwelt daraus geworden. Aber schaut selbst: Ist der Name die Wurzel allen Uebels?
Sprachlich gesehen ist allerdings das Gegenteil von „normal“ nicht „krank“, sondern „unnormal“ oder „von der Norm abweichend“. „Normal“ und „unnormal“ sind fuer mich eigentlich nicht wertend, sondern sachlich (werden aber sicher von vielen so empfunden). „Krank“ allerdings ist eindeutig wertend: wer krank ist, will in der Regel gesund werden.
@Susanne:
Dass wir die Welt in Kategorien und Schubladen einteilen, entspricht sicher den Tatsachen. Idealerweise ist man sich jedoch dessen bewusst, dass diese Kategorien Konstrukte sind, denen sich die Realitaet nicht unbedingt anpasst. Kategorien sind nur dann hilfreich, wenn man flexibel mit ihnen umgeht und bereit ist, sie zu ueberdenken. Ein Beispiel dazu ist Homosexualitaet, die bis vor kurzem als psychische Krankheit eingestuft wurde. Ein neueres Beispiel ist Autismus: Menschen mit dieser offiziellen „psychischen Krankheit“ bemuehen sich teilweise, ihre Symptome neutral zu bewerten — sicher nicht unumstritten.
@DrNI:
Auch wenn die Realitaet der Sprache nicht direkt folgt, ist es doch naiv zu meinen, Sprache beeinflusse nicht das Denken. Die Haltung „dieser Begriff ist doch objektiv richtig, deshalb verwende ich ihn auch“ ist in meiner Erfahrung eine Haltung, die ich irgendwo zwischen naiv, dumm und arrogant einstufen wuerde (ohne das jetzt persoenlich zu meinen). Die „political correctness“ hat sicher viele negative Seiten und Auswuechse. Eine ihrer grossen Errungenschaften besteht meines Erachtens darin, auf die in der Regel von der Norm abweichenden Menschen zu hoeren, wenn diese kundgeben, wie Bezeichnungen auf sie wirken. Warum auch nicht? Schlechte PC ist es, Witze ueber unnormale Personengruppen zu verbieten. Gute PC ist es, nicht so zu tun, als haette man Respekt vor Menschen, aber dann so zu tun, als waere die Meinung dieser Menschen darueber, wie man sie bezeichnet, irrelevant. Ich moechte Dir dabei keineswegs eine solche Haltung unterstellen — jeder benutzt haeufig Begriffe, ohne sich klar zu sein, wie sie ankommen. Man sollte dann jedoch offen fuer Kritik sein.
Ich wuerde sogar noch weiter gehen: sogar wenn Sprache gar nicht das Denken beeinflusst, und viele Menschen nur aus oberflaechlicher Hoeflichkeit sich bemuehen, die „korrekte“ Terminologie zu verwenden, so ist die Hoeflichkeit an sich schon ein Gewinn, die den Alltag angenehmer gestalten kann.
Die Diskussion ist nicht neu. Mir fällt dazu z.B. Schopenhauer ein (Parerga und Paralipomena):
„Die Weiber wollen nicht mehr Weiber heißen, aus dem selben Grunde, aus welchem die Juden Israeliten, und die Schneider Kleidermacher genannt werden wollen und Kaufleute ihr Comtoir Büreau tituliren, jeder Spaaß oder Witz Humor heißen will, weil nämlich dem Worte beigemessen wird was nicht ihm, sondern der Sache anhängt. Nicht das Wort hat der Sache Geringschätzung zugezogen, sondern umgekehrt; – daher nach 200 Jahren die Betheiligten abermals auf Vertauschung der Wörter antragen würden…“
Ersetzt man „Sache“ durch „allgemeines Bewusstsein/Denken“, trifft’s wohl.