Ich lese mir gerade das Echo zum A-Tag, einer Konferenz rund um Barrierefreiheit in Wien durch, und bin unter anderem über den Vortrag von Christian Heilmann gestolpert. Gestolpert deswegen, weil ich dachte, ich wäre in eine Zeitmaschine gestiegen ins Jahr – sagen wir – 2000. Zuvor hatte ich schon auf Twitter gelesen, dass die Barrierefreiheit im Internet erst am Anfang stehe.
2000 war das Behindertengleichstellungsgesetz in Deutschland noch nicht verabschiedet, die Diskussionen darum liefen auf Hochtouren. Klar war damals aber schon, das Internet muss in einem Gesetz vorkommen. Die Barrierefreiheit muss sich auch auf das Internet beziehen.
Jetzt haben wir das Jahr 2009. Das Behindertengleichstellungsgesetz ist seit 2002 in Kraft, mit ihm die BITV. Zudem gibt es ein Antidiskriminierungsgesetz in Deutschland, ein Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich, in UK das DDA, in den USA das ADA und die Section 508, die Barrierefreiheit im Internet regelt. Und zudem viele viele regionale Gesetze und Gesetze in anderen Ländern. Und dann lese ich tatsächlich von Geduld, die man mit den Entwicklern und Designern haben müsse!? Davon, dass man Barrierefreiheit nicht von oben herab verordnen dürfe. Und frage mich: Huch? Habe ich was verpasst? Hat jemand all die oben genannten Gesetze und Richtlinien außer Betrieb genommen? Es ist doch bereits verordnet. In noch nicht allen Bereichen und Ländern, aber wir stehen definitiv nicht am Anfang.
Und dann die Sache mit der Geduld: Ich bin definitiv kein ungeduldiger Mensch. Das kann ich mir gar nicht erlauben. Ich warte ständig auf irgendwas: Dass mir jemand den Seiteneingang aufmacht, dass die Behindertentoilette frei wird, dass mich jemand wegen eines Interviews zurückruft. Mir jemand hilft. Und ich behaupte mal: Vielen anderen behinderten Menschen geht es ähnlich. Wir warten ständig auf irgendwas. Und eben auch auf Gesetzgebungen, die uns den Zugang zur Gesellschaft sichern.
Es gibt so viele Bereiche, in denen ich mir mehr ungeduldige behinderte Mitbürger wünschen würde. Mit Geduld bringt man keinen amerikanischen Supermarktkonzern dazu, seine Webseite barrierefrei zu machen. Mit Geduld hätte es in Deutschland kein Behindertengleichstellungsgesetz samt BITV gegeben. Mit Geduld hätte ich mein Studium heute noch nicht beendet, weil kein Raum verlegt worden wäre.
Designer sind kreative Menschen und sollten diese Kreativität auch nutzen. Aber sobald man etwas „für die Gesellschaft“ entwickelt, also eine große Bank-Webseite zum Beispiel oder ein Informationsangebot, dann kann man sich nicht nur auf Kreativität verlassen. Dann geht es darum, möglichst vielen Menschen Zugang zum Angebot zu eröffnen, eben auch blinden Menschen, Leuten mit motorischen Einschränkungen oder auch gehörlosen Menschen. Sich dabei allein auf das Good Will der Designer zu verlassen, ist ziemlich blauäugig. Es stimmt, es gibt viele Menschen, die sich für das Thema Barrierefreiheit im Internet (und in der realen Welt) begeistern. Aber es wird immer Leute geben, die Verantwortung tragen und sich dennoch nicht dafür interessieren oder es sogar ablehnen. Es gibt Kreative, die sich nur für das Kreative interessieren und nicht dafür, ob die Seite irgendjemand lesen kann.
Ich hatte mal das zweifelhafte Vergnügen mit einem angesehenen Architekten in einem Bauausschuss zu sitzen. Der erzählte uns ständig von der „Schönheit der Treppe“ und warum man auf Stufen in keinem Fall verzichten dürfe, schon aus Designgründen. Dass man auch ohne Stufen schönes Design entwickeln kann, wollte er nicht hören. Letztendlich hat ihn die Bauordnung indirekt in die Schranken gewiesen. Es ging um ein öffentliches Gebäude.
Ich glaube also nicht daran, dass man jeden Designer und jeden Entwickler nur über „gut Zureden“ erreicht. Und auch in kreativen Berufen muss man damit leben, dass man nicht für die Kunst, sondern für den Benutzer entwirft und entwickelt. Und dass der Benutzer eine Behinderung haben kann, gehört durchaus dazu.
Ja, ich bin für Inspiration und Überzeugungsarbeit. Aber ich bin nicht naiv. Dafür stehe ich zu oft vor Stufen, für die es „eigentlich längst eine Rampe hätte geben sollen“ oder Menschen, die sich für nicht zuständig erklären. Ich bezweifele, dass die IT- und Designmenschen per se bessere Menschen sind und Gesetze und Urteile nicht brauchen. Ich denke mittlerweile sogar: Es ist mir egal, warum etwas barrierefrei ist – aus Empathie oder aus Zwang – hauptsache ich kann patizipieren. Das hält mich ja nicht davon ab, besonders engagierte Menschen und Projekte zu würdigen.
Amen.
Softwareprojekte leiden chronisch daran, um den Faktor zwei bis vier mehr Anforderungen erfüllen zu sollen als Geld&Zeit zur Realisierung zur Verfügung stehen. Für privatwirtschaftliche Projekte, bei denen es weder eine gesetzliche Vorschrift gibt noch z. B. der Auftraggeber aus eigenem Antrieb und Selbstverständnis Wert auf Barrierefreiheit legt, ist damit leider klar, was als erstes dem Rotstift zum Opfer fallen wird. Wenn das Thema überhaupt jemals auf der Liste stand.
Denn andererseits ist es immer noch erschreckend, dass selbst manche Agenturen für Webdesign nicht einmal die trivialsten Regeln der Barrierefreiheit im Netz zu kennen scheinen, die sich ohne Aufwand einhalten ließen. Unkenntnis sowohl bei Auftraggebern als auch Machern scheint leider auch immer noch ein zentrales Problem zu sein.
Ich würde auch mal vermuten, dass Unkenntnis das weitverbreitetere Übel ist gegenüber absichtliches Ignorieren oder auf die Kunst pochen. Habe aber nicht so die Erfahrung wie Du… Vielleicht sollten Gesetze mal gezielt Ausbildungspläne und Prüfungsordnungen thematisieren.
Ich glaube es gibt ein Verständnisproblem, das aus zwei verschiedenen Sichtweisen herrührt: Auch Chris dürfte nicht gegen eine (europaweit einheitliche) Gesetzgebung sein, noch wird er fordern Gesetze zurück zu nehmen.
Er sieht das aber als Entwickler. Die Gesetze können noch so gut sein, wenn der Entwickler nicht mit Empathie dabei ist, dann wird die Lösung zwar eine barrierefreie sein (die Wahrheit sieht natürlich im Web anders aus, viele Webseiten, die barrierefrei sein müssen sind es nicht), aber keine gute. Deshalb müssen Entwickler die Prozesse, die Denkmuster lernen um gute Webseiten zu machen, deshalb ist es wichtig das in den Grundlagen eines Projektes zu verankern. Ansonsten kostet das nicht nur Geld sondern auch Zeit, Zeit in der eine schlecht oder sogar gar nicht barrierefreie Webseite online steht.
@Beethoven
Letztendlich sind die Beweggründe egal, warum etwas nicht barrierefrei gebaut oder programmiert wird. Unlust, Unwissen oder was auch immer. Es zählt, was am Ende rauskommt. Und genau da setzt die Gesetzgebung an. Wenn ich zu schnell fahre, interessiert sich auch keiner dafür, warum ich das getan habe. Und das ist auch in Ordnung so.
@Eric
Ich habe Christians Vortrag letztes Jahr gehört und denke, ich verstehe sehr wohl seinen Standpunkt. Selbst wenn Du recht hast und es kommt eine barrierefreie aber schlechte Seite raus, dann hat aber immer noch jeder Zugang dazu. Und genau das sichert die Gesetzgebung. Ich mag auch lieber Seiten, die schön UND barrierefrei sind. Aber ich glaube eben nicht daran, dass es ohne Zwang bei allen geht. Die meisten machen nur schön (wenn überhaupt) aber nicht barrierefrei.
Und wenn eine Seite qualitativ oder vom Design her schlecht ist, betrifft das alle. Und das regelt sich dann schon. Aber von Barrierefreiheit sind nur ein Teil der Nutzer betroffen. Da dauert das schon länger oder es passiert gar nichts. Und genau deshalb muss der Bereich reguliert werden.
Ich meinte nicht, dass Unkenntnis etwas entschuldigt. Aber Unkenntnis läßt sich oft am leichtesten beheben. Auch Unkenntnis über Gesetze oder gesetzesähnliche Regelungen, zumal solche die nur unbestimmte Vorgaben machen und in Bereichen wo gilt, dass wenn kein Kläger dann kein Unrecht.
Ich habe beruflich schon einiges mit der Entwicklung von Webseiten zu tun gehabt, wenn ich auch eher auf der Auftraggeber-Seite als auf der Designer-Seite saß. Dabei ließ sich wiederholt feststellen, dass gut durchdachtes barrierefreies Design auch insgesamt den Nutzwert der Seite erhöht und im Endeffekt auch anderen als „nur“ den behinderten Nutzern zugutekommt. Zum Beispiel: Websites, die konsequent alt tags fuer Bilder einsetzen; Sites, die auch funktionieren, wenn der Nutzer die Schriftgröße ändert; Sites, die sich mit einem reinen Textbrowser navigieren lassen, die die Benutzung ohne Maus ermöglichen etc. – all diese Features sind gut für die Barrierefreiheit, erleichtern aber auch Browserkompatibilität (insbesondere auch für Mobilanwendungen) und sind oft positiv für den Page Rank…
„Design“ in seiner besten, ursprünglichen Bedeutung bedeutet nämlich auch Funktionalität, nicht nur vordergründig hübsches Aussehen.
Es wird langsam Zeit, dass sich auch Web-Entwickler professionalisieren. Autobauer fangen auch nicht an, dass sie sich von den Sicherheitsvorschriften „eingeschränkt“ fühlen in ihrer Kreativität. Es ist trotzdem möglich, einen Mini oder einen Ferrari zu bauen.
Es ist falsch zu fordern, dass es keinen Druck von oben geben sollte. Ohne Druck funktioniert es nicht. Barrierefreiheit bleibt sonst einfach ein Flickwerk.
Man nehme mal ein Beispiel außerhalb des Webs: In England müssen alle Ampeln mit einem kleinem drehendem Kegel und taktilen Bodenplatten barrierefrei gemacht werden – flächendeckend.
In Deutschland gibt es nur an „wichtigen“ Überquerungen eine nicht-einheitliche akkustische Signalanlage.
Für mich als blinden Fußgänger bringt mir die deutsche „Nettigkeit/Empathie“ überhaut nichts, da ich gar nicht durchgehend barrierefrei Straßenüberquerungen habe. Meist fehlt irgend eine Straßenüberquerung auf meinem Weg von A nach B.
In England jedoch komm ich von A bis B – ohne Unterbrechung – ans Ziel.
Das funktioniert nur mit Zwang, Gesetzen – eben mit Druck von oben. Wenn Christian aber öffentlich fordert, dass es keinen Druck von oben geben sollte, führt es für mich nur zu einem barrierefreiem „Good Will“ Flickwerk im Netz, mit dem ich aber nicht alles das machen kann, was ich machen müsste. Solche Forderungen kann nur jemand stellen, der selbst nicht behindert ist und nicht ständig vor nicht barrierefreien Seiten steht und 11 Jahre nach der WCAG 1.0 bei einigen Webseiten fast Wutanfälle bekommt.
A-TAG 09 – Ein Rückblick…
Am 16. Oktober 2009 fand der vierte A-TAG, einer DER Veranstaltungen in Österreich zur Web Accessibility (des Vereins Accessible Media) statt. Auf der Website des A-TAG 09 findet ihr das Programm.
Ebenfalls finden sich dort bald die einzelnen Refera…
Wow, wo hab ich bitte jemals gefordert das es keinen Druck von oben gibt oder wie habe ich bitte die Macht Gesetze zu aendern oder zu loeschen.
Hier ist mein Punkt: jedesmal wenn eine Agentur einem Kunden erklaert das er ein Gesetz befolgen muss wird dieser Kunde eine Checkliste fordern, die dann sinnlos abgehakt wird.
Gesetze sind meiner Meinung nach zu langsam verabschiedet und auch ein tolles Ruhekissen fuer Agenturen die sich nicht mit inclusive Design beschaeftigen wollen sondern Accessibility als ein „Muss“ verkauft.
Morgen mehr, bin muede.
Der Bau einer barrierefreien Website muss zu allererst von Agenturen, Webdesignern und Webentwicklern als Prozess verstanden werden und nicht als das abhacken einer Checkliste. Bei diesem Prozess ist nicht nur der Designer oder der Webentwickler gefordert, auch die Projektleitung sollte Wissen was Barrierefreiheit im Netz bedeutet. Hinzukommt das ein Teil der Auftraggeber mit Barrierefreiheit im Netz wenig anfangen können. Wenn der Auftraggeber in der Ausschreibung nur den Hinweis vermerkt, die Seite muss barrierefrei sein, ist das zu wenig. In dem Fall wird vermutlich die Agentur eher ökonomisch handeln und eine Checkliste abhacken. Der Auftraggeber denkt die Website ist barrierefrei und kann aus Mangel an Fachwissen nicht die Qualität einschätzen.
Die reine Forderung nach einer Einhaltung von gesetzlich verordneten Richtlinien wird nicht unbedingt ein umdenken in den Köpfen bewirken. Barrierefreiheit wird dann eher als ein „muss sein“ verkauft, weil gesetzlich verordnet. Der eigentliche Gedanke ein Netz für alle zu schaffen tritt in den Hintergrund.
@Peter
Ja, ich bin auch für Barrierefreiheit als Prozess. Es wird aber immer Agenturen und deren Macher geben, die es nicht so verstehen. Da ist mir lieber, die machen überhaupt irgendwas als gar nichts. Es gibt so viele wichtige Seiten, die völlig unzugänglich sind. Wenn die mal nur irgendeine Checkliste durchgegangen wären, wäre das schon ein Fortschritt. Ich weiß, dass das nicht das Ideal ist, aber es ist besser als nichts. So lange es schlechte Agenturen und Entwickler gibt, braucht man den Druck, um zumindest irgendwas zu erreichen. Den Guten können die Gesetze zu großen Teilen wurscht sein. Sie erfüllen die Anforderungen sowieso. Übrigens, die Checklisten ganz zu verbannen ist auch falsch. Sie dienen unter Umständen auch der Qualitätskontrolle.
[…] Christiane Link: Behindertenparkplatz […]
Wo genau sollen denn die Grenzen für eine gesetzlich Verordnete Barrierefreiheit bei Internetseiten liegen? Soll es nur für Unternehmen einer bestimmte Größe gelten? Für Privatpersonen?
Und unter welchen näher spezifizierten Umständen soll die Barrierefreiheit gefordert werden? Wenn über die Internetseiten etwas verkauft wird? Wenn bestimmte Informationen an die Kunden weiter gegeben werden (welche?)?
Ich halte es für bedenklich, Barrierefreiheit in Bezug auf das Internet von oben herab zu verordnen. Bei Behörden geht das, aber bei Firmen in privater Hand…
Von der Idee halte ich nichts. Schon alleine, weil man damit tief in die Gestaltungsmöglichkeiten der Designer eingreift. So wären zum Beispiel Flashbasierende Internetseiten – so sehr ich sie auch verabscheue – nicht mehr möglich (zumindest nicht, ohne nicht zumindest eine komplette weitere Seite zu designen).
Trackback:
Rückblick: A-Tag 2009 in Wien oder Panta rhei und dann sind wir tot
http://hyperkontext.at/weblog/artikel/rueckblick-a-tag-2009-in-wien-oder-panta-rhei-und-dann-sind-wir-tot/
[…] Um den Vortrag von Chris entfachte auch schon eine Diskussion […]
Ich würde ja mal vor meiner eigenen Tür kehren.
Link zu Validator [Link wegen Länge gekürzt, Anm. Christiane]
Und ja, Validität ist wichtig damit z.B. Reader, T2S oder alternative Ausgabegeräte was nit den Content anfangen können.
Das ist ein Märchen, gute Struktur ist viel wichtiger, WAI-ARIA-Techniken machen Webseiten invalide, verbessern aber die Barrierefreiheit.
@MacSpi
Hatte zwar nix mit Barrierefreiheit zu tun, Seite ist aber wieder valide. Danke für den Hinweis!
Also ehrlich gesagt ist das eine seltsame Debatte. Die Einen sprechen von Barrierefreiheit als Prozess, die anderen von Zwang und Verordnung. Als ob sich das ausschließen würde. Ich stimme Peter und Christian insoweit zu, als Gesetze oft zu spät verabschiedet worden sind und oft als Ruhekissen genutzt werden, denn man sieht ja, dass die immer noch gültige BITV nicht den aktuellen Anforderungen entspricht. Das ändert aber eben nichts daran, dass Gesetze notwendig sind. Ob in dem Vorschlag wirklich gefordert wurde, dass es keine gesetzlichen Regelungen geben soll, kann ich nicht beurteilen, ich habe mir nicht die Mühe gemacht, den Vortrag selbst zu lesen. Aber man kann das eine anstreben und das andere trotzdem tun. Man kann Gesetze erlassen und trotzdem versuchen, Webdesignern klarzumachen, dass Barrierefreiheit ein integriertes Element ihrer Arbeit werden kann, ohne sie in ihrer Kreativität zu behindern. Man kann übrigens auch an den Bereich Barrierefreiheit mit Kreativität herangehen. In den 11 Jahren, in denen ich mich mit dem Thema befasse, habe ich immer wieder gehört, dass Barrierefreiheit eine Einschrenkung der Freiheit der Webdesigner sei. Allein die sprachliche Parallele ist paradox, aber bitte. Ich kann das Argument nicht mehr hören, es ist nicht wahr. Drum sollte man zum einen die Gesetze unbürokratisch auf dem aktuellen Stand halten und Druck auf die ausüben, die überhaupt keine Anstrengungen unternehmen wollen, Barrierefreiheit als Aktivposten zu betrachten und als Selbstverständlichkeit in ihr Gesamtkonzept einzufügen, und man sollte auf der anderen Seite Webdesignern fachlich und kompetent nahebringen, was Barrierefreiheit tatsächlich bedeutet. Und ehrlich gesagt: Das sollte nicht als Abhaken von Listen geschehen, man sollte ein Gefühl für das Ziel haben. Hakt man Checklisten ab, das sage ich ungern, aber als Betroffener habe ich das Recht dazu, das zu sagen, wird Barrierefreiheit im offiziellen Sinne hin und wieder auch zu einer neuen Barriere, indem man Seiten überfrachtet und die Einfachheit der Navigation verhindert. Es muss einfach ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, was mit der Barrierefreiheit erreicht werden soll, und zumindest das geht nicht allein mit Gesetzen, da könnten sogar einige auf die Idee kommen, sie müssten nur abhaken, und die Betroffenen haben auch nichts davon. Aber notwendig sind die Gesetze mit klaren, ausführlichen Anforderungen unbedingt. Möglicherweise sind die Gegner in dieser Debatte gar nicht so weit auseinander, wie es scheint. Gesetze: JA! Schnellerre Reaktion offizieller Stellen: JA! Barrierefreiheit als integrierter Bestandteil der Arbeit von Webdesignern: JA!
@Jens Bertrams: Die Einschränkung der Webdesigner ergibt sich bei einer gesetzlichen Vorschrift schon daraus, dass Webdesigner dann nicht mehr ganz frei über die Struktur ihrer Programmierung entscheiden können. Zwar stellt sich ohnehin die Frage, warum man Internetseiten nicht klar strukturieren sollte, aber da würde man Designer schon einschränken. Zudem wären sie gezwungen, sich in gesetzliche Vorschriften einzuarbeiten. Was müssen sie genau beachten? Gibt es eventuell bestimmte Strukturvorschriften?
Ich lasse mal dahingestellt, ob diese Einschränkungen berechtigt sind; Dass eine Einschränkung stattfindet kann man aber schwer bestreiten.
@MrBrook: Es ist für Webdesigner dasselbe, ob sie sich in gesetzliche Vorschriften zur Barrierefreiheit einlesen müssen, wie z. B. die BITV, oder ob sie als Schulung Selfhtml lesen oder ähnliches, um es zu lernen. Viel anders sehen die tatsächlichen technischen Details der Verordnung nicht aus. Man muss sich das ja nicht so vorstellen, dass man wirklich Gesetzestexte büffeln müsste. Ist ein Teil des Pflichtenhefts, nichts weiter. Wer da rumzickt, entschuldigt die freche Ausdrucksweise, ist unprofessionell. Stimmts oder hab ich recht, Otti?
@Jens: Amen
@Jens: Das mag ja durchaus sein und ich sage ausdrücklich nicht, wie stark ein Webdesigner eingeschränkt wird und ob das Ziel die Einschränkung nicht rechtfertigt. Aber Fakt ist: Schon alleine der Zwang zur Beachtung bestimmter Vorschriften und schon der Zwang, die Vorgaben der Verordnung zu beachten (die man sich ja dennoch durchlesen bzw. zu Gemüte führen muss) stellt eine Einschränkung der Freiheit der Webdesigner dar.
Abgesehen davon bleiben natürlich eine große Frage bei gesetzlichen Vorschriften offen: Unter welchen konkreten Umständen kann man den Leuten zumuten, die Seite zwangsweise barrierefrei zu gestalten? Dass so etwas nicht bei jeder privaten Homepage von irgendeinem 12-jährigen sein kann ist glaube ich jedem klar. Dann bekäme man wirklich ziemliche verfassungsrechtliche Probleme und die Vorschrift würde zur Gängelei.
@Christiane
Es geht nicht um das verbannen von Checklisten. Checklisten sind nützlich und hilfreich, und ein probates Mittel zur Qualitätskontrolle. Das durchgehen einer Checkliste allein, reicht ja nicht aus, man muss verstehen welche Anforderung dahinter stehen. Nur dann kann der Webentwickler auch die Qualität seiner Arbeit einschätzen. Einschätzen kann der Entwickler den Grad der Barrierefreiheit, wenn er das Fachwissen und die Motivation hat neues zu lernen.
Gesetze schaffen Rahmenbedingungen und sind bestimmt auch notwendig und nützlich. Allerdings sehe ich eine stärkere Hinwendung zum Gesetz als Druckmittel, nicht als Lösung. Vielleicht als flankierende Maßnahme, aber nicht als Katalysator um die Qualität von barrierefreien Webseiten zu verbessern. Qualität bekommen wir nur, wenn barrierefreies arbeiten Spass macht und Sexy ist. Und hier von sind wir meilenweit entfernt. Stattdessen führen wir in Deutschland eine Diskussion im Elfenbeinturm.
Und wenn ich eine Prognose abgegeben würde, die heißen würde, eine Verschärfung der Gesetze. Dann Diskutieren wir in 10 Jahren wieder an selber Stelle und müssen frustriert zu Kenntnis nehmen, es hat sich nicht viel verbessert.
Jens & Otti, sorry wenn ich mich da einmische, aber wenn im Jahr 2009 die BITV in ihrer nach wie vor gültigen Fassung und darüber hinaus auch noch SELFHTML als Schulungsmaterial angepriesen werden (Layout-Tabellen anyone? Bitteschön: http://de.selfhtml.org/html/tabellen/layouts.htm), dann rollen sich mir die Zehennägel hoch.
[…] Barrierefreiheit, Geduld und Zwang – Behindertenparkplatz […]
@Der Caspers: Nee, war nur ein Beispiel für den Aufbau des Dokuments, das man lesen muss, weil es hieß, man müsse Gesetzestexte büffeln. Dem habe ich widersprochen und gemeint, es lese sich wie selfhtml oder so, um zu zeigen, dass man kein Juristendeutsch braucht, sondern etwas durchaus fachliches liest.
@mrbrooks: Jedes Pflichtenheft ist dann eine Einschränkung der Webdesigner. Machen wir es also juristisch korrekt und sagen, dass tatsächlich ein Eingriff in die Rechte des Webdesigners stattfindet, dieser allerdings gerechtfertigt ist. Jede Vorgabe ist dann ein gerechtfertigter Eingriff, also jede Vorgabe, die ihren Sinn hat.
Nein in die Rechte eines WebDesigners kann nicht eingegriffen werden, weil dies kein geschützter Beruf ist, man greift in die Rechte des Website Besitzers ein.
Was viel eher den Prozess der Umdenkerei oftmals verhindert ist das *wir-wissen-alles-besser-*der sogenannt barrierefrei-Wissenden – und das Niedermachen von Menschen, die sich bemühen-jeder winzigste Fehler wird angekreidet anstatt, dass das was geschafft wurde gelobt wird.
Die Entwickler und WebDesigner sind die angekreideten, weil sie nicht barrierefrei liefern, die Menschen, die slow-food nur bezahlen wollen – die werden als die Betrogenen der Entwickler dargestellt – so mag ich nicht denken (müssen).
Ich wage zu behaupten, dass 90% der WebsiteBesitzer dies alles völlig egal ist- es muss blinken wie bei der Konkurrenz und wenn geht um das wenigste Geld.
Mein Entwickler braucht aber für ein wirklich gutes zugängliches Script einfach mehr Stunden, als für ein nicht zugängliches – soll ich den Mann nicht mehr beschäftigen, weil er nicht schnell genug ist?
Ich mag diese Diskussionen, doch ich mag nicht deren moralinsauren Beigeschmack.
Ich versteh Ungeduld, doch meine Auftraggeber haben von all dem noch nie gehört – also brauch ich Geduld und auch die Chance diese arbeitsmäßig leben zu können, sonst hat man bei KMU keine Chance.
lg
@Monika: Was für ein Unsinn ist denn das mit dem Eingriff? Erstens schützt Artikel 12 GG nicht nur herkömmliche Berufe, sondern alle Tätigkeiten die beruflich ausgeübt werden.
Aber selbst wenn dem nicht so wäre: Spätestens über Artikel 2 – der als Auffangtatbestand so ziemlich alle Tätigkeiten schützt – kann ein Eingriff stattfinden. In die Rechte des Webdesigners kann also durchaus eingegriffen werden.
@Jens Bertrams: Ob der Eingriff gerechtfertigt ist oder nicht hängt ganz von der gesetzlichen Ausgestaltung ab. Wenn ich jeden 15-jährigen der irgendeine designerische Tätigkeit im Bereich Internet wahrnimmt – beispielsweise für die private Homepage – zu einer barrierefreien Programmierung verpflichte wird es schwer, eine derartige Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht zu verteidigen. Es ist keineswegs so, dass jede Vorgabe einen gerechtfertigten Eingriff darstellt nur weil sie sinnvoll ist. Um es anders auszudrücken: Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Es muss schon irgendwo die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.
Juristen werden sich streiten – das mag sein,
auch unabhängig von jeder Verhältnismäßigkeit –
bestellt Person A beim Webdesigner aus Bangladesh ist dies alles Makulatur,
wenn dann muss in die Rechte des .de Domain Besitzers eingegriffen werden, weils sonst nichts bringt.
Durchsetzungsfähigkeit? habe ich keine Ahnung, es wird wieder nur Anwälte und Abmahnungen bringen, weil ja LieschenXYZ das vielleicht gar nie erfährt. ;-)
versteht man barrierefrei jetzt mal schlicht als Zugänglichkeit – verwehrt man auf diese Art eventuell vielen die Zugänglichkeit zur eigenen Website-
Hindernis gegen Hindernis austauschen?
dies sind Gedanken, die ich dazu habe, keine Endergebnisse
I want to quote your post in my blog. It can?
And you et an account on Twitter?
Mich haben die Seiten von http://www.Freiburg-für-alle.de begeistert und auch wie engagiert sie sind. Freiburg für alle war „ zu einem Symposium in Grenoble, den „ Europäischen Tagen der Barrierefreiheit „ eingeladen, übrigens als einzige Stadt aus Deutschland!
@Karin: Leider ist die Page nicht mehr online!
Ich finde das Gesetzt und Verordnungen umgesetzt werden sollten, auch wenn die Kreativität der Designer hierdurch eingeschränkt werden sollte.
Ich finde auch, dass Gesetze und Richtlinien dafür da sind eingehalten zu werden, leider fühlen sich manche durch diese in Ihrer Freiheit zur Gestaltung von Webseiten allerdings eingeschränkt oder sind sich deren einfach nicht bewusst.
Ich finde das Gesetzt und Verordnungen umgesetzt werden sollten, auch wenn die Kreativität der Designer hierdurch eingeschränkt werden sollte.
Grüße Mark
Ich bin auch der Meinung das dass Gesetz umgesetzt werden soll, allerdings würden es viele Meinungsverschiedenheiten geben und weitere Probleme auftauchen
Das stimmt. Immerhin wurden die Gesetze ja nunmal nur deswegen gemacht…
Es müssen halt auch alle zusammenhalten und an einem Strang ziehen.
Die Frage ist immer, wie man die Menschen dazu bekommt, die Gesetze von sich aus einzuhalten.
Gerade solche Menschen, die sich nicht so wehren können, sollten mehr geschützt werden.
Ich hoffe immer noch, dass solche Gedanken mal zur Normalität werden.
Behindertenparkplatz…
Ein gutes Beispiel, wie es nicht gemacht werden sollte und wo behinderte Menschen mehr Aufmerksamkei…
Arno: Das ist das große Problem, was manche Menschen mit Randgruppen haben. Solange wie keiner am eigene Leib erfährt wie das ist, wird sich bei den Wenigsten was ändern. Leider…
Grüße Mike
Ich finde das Gesetzt und Verordnungen eingehalten werden sollten, auch wenn die Freidenken der Designer hierdurch vermindert werden sollte.
Grüße Phil
Schleiße mich den Meinungen an, das Gesetzt sollte angedacht werden
Eine Gesunde Mischung aus Freigeist und sich an Standards / Gesetze zu halten sollte viele erleichtern. Sei es nun im Internet oder im realen Leben.
Jeder Webmaster kann eine kleinen Beitrag leisten zur Barrieerefreiheit seiner eigenen Seiten. Zum Beispiel durch Scripts eine Schriftgrößenänderung direkt in der Webseite erlauben, oder durch Verzicht von Texteelementen als Bilddokument, um die Vorlesbarkeit zu verbessern, oder einfach mit alt-Tags in den Bildern diese näher beschreiben.
Für einen Designer sollte es eigentlich kein Problem sein, eine Seite behindertengerecht umzusetzen. Letzlich muss er sich nur an Regeln halten und kann dann seiner Kreativität freien Lauf lassen. Wer frei im Geist und Schaffen sein möchte sollte auch flexibel in der Umsetzung sein.
Meine Mutter arbeitet bei JugendamWerk in Wien.
Einen ihrer Klienten half ich einmal beim wieder aufsetzten seines Computers.
Von da wird einem klar, dass so ziemlich einiges am Computer nicht unbedingt barriere Frei gestaltet ist.
Leider ist es beim Web nicht so viel anders.
Hoffe bei euch in deutschland hat sich da schon mehr getan.
Icg finde auch das jeder Designer die Möglichkeit hat seinen Beitrag zu leisten :)
Als Betroffener sehe ich das immer mit einem lachenden und weinenden Auge… Vorallem weil „Nichtbetroffene“ teilweise groteske Gedankenspiele entwickeln.
ich bin mir nicht wirklich sicher ob Gesetze und Verordnungen weiterhelfen das Internet behindertengerechter zu gestalten. Aus meiner Sicht sind staatliche Förderprogramme oder Anreize zweckmäßiger.
Ich verstehe es auch nicht, warum viele Seiten nicht wirklich barierrefrei sind. Meine eigene Internetseite habe ich so aufgebaut, dass sie optisch zwar relativ schlicht wirkt, ok es liegt auch mit daran dass ich kein Händchen für Grafikprogramme habe, dafür stehen aber auch die Inhalt im Vordergrund. Man ist eigentlich sogar sehr dumm, wenn man die Gestaltung der Webseiten nicht barierrefrei/ barierrearm gestaltet, denn Suchmaschinen wie Google belohnen solche Seiten durch etwas bessere Rankings.
Danke für den ausführlichen und leicht verständlichen Artikel. Ich werde mal sehen wie viel ich davon umsetzen kann.
sehe ich auch so @ Matthias
[…] […]
Das größte Problem ist meiner Meinung nach, dass sich viele gar nicht mit dem Thema beschäftigen. Es fehlt einfach an Aufklärung, nicht an Gesetzen. Ich glaube nicht das der Großteil der Leute ihre Webseiten nicht barierrefrei gestaltet, weil sie anderen damit schaden wollen. Das ist einfach Unkenntnis. Und das kann man nicht wirklich mit zu schnell fahren vergleichen. Denn das zu schnell fahren verboten ist, das ist wahrscheinlich 90% der Menschen bekannt. Das Webseiten barierrefrei sein müssen ist aber nicht 90% der Menschen bekannt und genau das ist das Problem.
Die reine Forderung nach einer Einhaltung von gesetzlich verordneten Richtlinien wird nicht unbedingt ein umdenken in den Köpfen bewirken. Barrierefreiheit wird dann eher als ein „muss sein“ verkauft
Ich verstehe, wo Sie herkommen. Ich stimme Ihnen zu, dass jeder Designer und jeder Entwickler nur „gutes Zureden“ erreicht wird. Und auch in kreativen Berufen müssen mit dieser Tatsache, dass es nicht für die Künste entwerfen leben, aber sowohl für den Anwender und Entwickler
Hallo!
Ich finde es traurig, dass es nach wie vor Probleme gibt, und die Menschen quasi somit auch unterschieden und abgewertet werden!