Tag Archiv für Verkehr

Polizei und Grönemeyer

Was für ein besch…eidener Tag. Irgendein Volldepp hat mein Auto aufgebrochen. Nun ist der Audi A3 nicht schwer aufzubrechen. Man muss dazu nicht das Seitenfenster einschlagen. Kann man aber. So ist es dann auch geschehen. Entdeckt habe ich es heute um 17 Uhr. Und mein erster Gedanke war: Wo bin ich denn hier gelandet, wenn keiner mal meldet, dass da ein Auto aufgebrochen wurde? Immerhin stand das Auto drei Tage unbewegt, weil ich immer noch mit Bronchitis samt Nebenwirkungen im Bett liege. Als ich gerade die britische Gesellschaft verfluchen wollte, kam ein Mann zu mir. Er trug traditionelle arabische Kleidung, langer Bart, weiße runde Kopfbedeckung. „Ist das Ihr Auto?“, fragte er mich mitleidig. Ich: „Ja, ich habe das gerade entdeckt.“ Er: „Ich wollte Ihnen nur sagen, ich bin mehrmals täglich an Ihrem Auto vorbeigekommen. Es ist mir aufgefallen, weil es ein deutsches Kennzeichen hat. Heute um 14 Uhr war noch alles in Ordnung.“ Ich strahlte ihn an, mein britisches Gesellschaftsbild war wieder in Ordnung. Ich bedankte mich und er bedauerte mich ein wenig.

Mein ganzes Auto war voller Glasscherben. Die Scheibe war in Tausende Teile zersprungen. Der Dieb hatte das Handschuhfach geöffnet und die Armlehne, in der eine Handyhalterung ist. Aber es wurde nichts geklaut. Ich hatte allerdings auch nicht einen Penny im Auto, weil ich das Auto eigentlich zur Waschanlage bringen wollte, das aber krankheitsbedingt nicht schaffte. Das Auto war absolut leer. Den Behindertenausweis hatte ich, Gott sei Dank, nicht im Handschuhfach, sondern am Lenkrad angeschlossen. Der Kauf dieses komischen Halters hat sich also gelohnt.

Dann rief ich meinen Bruder an (Autofreak), der mir sagte, ich solle unbedingt Anzeige erstatten. Das würde teuer. Ich hatte gehofft, den Tag nicht bei der Polizei zu verbringen. Also bin ich zur Polizeiwache gefahren. Es warteten Dutzende Leute dort, es gab zwei Schalter, die wiederum von einer Glaskabine umschlossen waren. Nur einer war besetzt. Ich erkundigte mich bei den Mitwarteten wie das abliefe. Und die sagten, man müsse einfach warten. Irgendwann sei man dran. Aha.

In der Kabine war gerade eine Frau und gab eine Anzeige auf. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die ältere Dame in der Ecke des Warteraums auch zu ihr gehörte. Ich telefonierte als es unruhig wurde im Warteraum. Die Dame war unterdessen auch in der Kabine und war wohl ohnmächtig geworden. Es ging ihr schlecht, die Gesichtsfarbe war schneeweiß. Immer mehr Polizisten quetschten sich in die Kabine, um die Frau wieder aufzuwecken. Vergebens. Ein Arzt wurde geholt. Der war irgendwie sowieso schon im Gebäude. Der wiederum rief einen Notarzt. Sie schafften es irgendwie die Frau aus der Kabine zu kriegen. Dann kam der Krankenwagen.

Plötzlich tickte mich ein Mann an. Ob er meinen Autoschlüssel haben könne. Mir gehöre doch wohl das Auto ohne Scheibe mit den Behindertenausweis. Ich muss ihn sehr verdutzt angesehen haben. Er sei Officer, sagte er mir und zeigte mir seine Dienstmarke. Der Krankenwagen müsse auf den Hof und komme nicht an meinem Wagen vorbei. Okay, ich gab ihm meinen Autoschlüssel. Wenige Minuten später war er wieder da.

Kaum war die Frau abtransportiert, trat eine ca. 15-jährige Jugendliche auf die Bildfläche. Sie war von draußen gekommen und verkündete schreiend und weinend, sie werde ihre Mutter umbringen. Gefolgt von schlimmen Schimpfwörtern. Dann schmiss sie ihr Handy in die Ecke, das an der Wand zerschellte. Was ein Auftritt! Sie schrie, nie sei ihre Mutter da, wenn sie sie brauche. Sie werde nun verhaftet und nur weil ihre Mutter nicht auf der Wache erschienen sei. Das sei nicht fair. Eine Art Sozialarbeiterin betrat die Bühne. Sie war wohl mit der Jugendlichen verabredet und fragte nach der Mutter. Das Mädchen fing wieder an zu weinen und verfluchte ihre Mutter, die nie da sei, wenn es wichtig werde. Sie fing an, mir sehr leid zu tun. Die Sozialarbeiterin versuchte sie zu beruhigen. Unterdessen war man aber hinter der Glasscheibe auf die Unruhe im Warteraum aufmerksam geworden und ein Polizist kam. Er verwarnte sie, weil sie an einem öffentlichen Ort geflucht hatte. Aber er versuchte auch, sie zu beruhigen. Die Sozialarbeiterin versuchte, die Mutter zu erreichen. Vergebens. Das Mädchen geriet daraufhin in Panik und rannte davon.

Plötzlich erschien sie wieder und setzte sich am anderen Ende des Raumes neben eine Frau, die vor einer ganzen Weile gekommen war. Sie war offensichtlich die Mutter, die sich aber nicht zu erkennen gegeben hatte. Die Sozialarbeiterin fragte sie, warum sie nicht sage, wenn sie da sei. Keine Reaktion. Es ging offensichtlich um eine Straftat der Tochter. Man hatte der Tochter offensichtlich gedroht, sie einzubuchten, sollte sie zu dem Termin nicht mit ihrer Mutter erscheinen. Zusammen mit einem Polizisten gingen sie nach hinten.

Irgendwann war ich dran. Ein Polizist begutachtete mein Auto und versuchte, Fingerabdrücke zu nehmen. Dann fragte er mich, wo der Wagen gestanden habe und sagte mir, sie werden das CCTV-Material auswerten. In England ist ja jeder Winkel Kamera überwacht. Ich glaube zwar nicht, dass etwas dabei herauskommt, aber ich brauche die Anzeige ja für die Versicherung. Alles lief genauso ab wie ich es aus Deutschland kenne. In Hamburg ist mir auch schon drei Mal mein Autoradio gestohlen worden.

Ja, und eigentlich wollte ich ja zum Grönemeyer-Konzert. Ich war mir nicht sicher, ob ich das noch schaffen würde. Und dann ohne Seitenfenster! Aber es kam noch besser: Als ich an mein Auto kam (immerhin auf dem Polizeiparkplatz) stellte ich fest, dass mir jemand in die Seite gefahren war. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie ich getobt habe. Meine Vermutung ist: Es war der Krankenwagen. Ich stand ihm ja im Weg, auch wenn ich richtig geparkt hatte. Da ich aber zum Grönemeyer-Konzert wollte und der Parkplatz unübersehbar kameraüberwacht war, habe ich die zweite Anzeige auf morgen vertagt.

Bei Grönemeyer war ich dann auch noch. Ich habe mein Auto einfach vor die Royal Albert Hall gestellt – ohne Fenster. Ich habe einfach gedacht, ein drittes Mal passiert nichts mit dem Auto heute. Ich sollte recht behalten. Das Konzert war super, auch wenn wir etwas zu spät kamen. Einziger Wermutstropfen: Obwohl es Sitzbestuhlung gab, standen die Leute und ich konnte auf meinem eigentlich super positionierten Rollstuhlplatz nicht immer was sehen. Und irgendwie war ich auch nicht so richtig in Konzertlaune, aber nun gut. Ich war immerhin da. Morgen habe ich einen Termin bei Autoglass, dann fahre ich zur Polizei für die zweite Anzeige und dann geht es zum „Wir sind Helden“-Konzert. Ich hoffe, morgen wird ein besserer Tag.

Über das Autofahren (und Parken) in England

Ich fahre jetzt seit ein paar Tagen Auto hier und es ist wirklich nicht so schwer. Ich bin bereits in Australien links gefahren. Allerdings hatte ich dort einen Mietwagen mit dem Lenkrad auf der rechten Seite. Das empfand ich als eigentliche Herausforderung – ich habe immer die Scheibenwischer betätigt, wenn ich abbiegen wollte und wenn es regnete, habe ich erstmal geblinkt.

Hier fahre ich in meinem gut vertrauten Auto und komme klar. Seit gestern tobt in London ein relativ großes Verkehrschaos. Die U-Bahn wird bestreikt, nur wenige Linien sind noch in Betrieb und so fährt der Londoner wohl oder übel mit dem Auto zur Arbeit. Die Folge sind Staus, Staus, Staus. Ich stehe eigentlich mehr als dass ich fahre.

Eine besondere Herausforderung stellen die Regelungen für „Blue Badge Holder“ (blauer Parkausweis) dar. Jeder Bezirk in London hat ihre eigenen Regelungen und man muss immer wissen, wo man sich gerade befindet. Während mein Bezirk Ealing mich im überall kostenlos parken lässt, darf ich in Westminster nicht einmal jeden Behindertenparkplatz nutzen.

Wie in Deutschland kann man beim Bezirk einen personenbezogenen Behindertenparkplatz beantragen, wenn man keinen geeigneten Parkplatz zur Verfügung hat. Nur hier sind diese Parkplätze nicht wirklich personenbezogen, wie ich schon erfahren habe. Ich war am Montag in einem Kurs in Islington (auch ein Bezirk). Ich hatte mir vorher in der Internetdatenbank den nächsten Behindertenparkplatz rausgesucht (ja, sowas geht hier!) und er war tatsächlich frei. Als ich am Ende des Tages kam ich zu meinem Auto und fand ein Schreiben an der Windschutzscheibe. Ich dachte noch: „Klasse, zum ersten Mal geparkt und prompt einen Strafzettel.“ Aber so war es nicht.

Auf dem Papier stand:
„This parking space has been provided for me by Islington council as I need to park outside my front door. I would be grateful therefore if you did not park here. As a Blue Badge holder you are entitled to park in a residents‘ parking bay for an unlimited amount of time so perhaps you could park in one of those in future. P.S.: I’d be grateful if you could knock on my door when you leave so that I can move my car back into my space. Thanks.“

Ich habe dann also an die Tür geklopft und hörte mir das Klagen einer Rollstuhlfahrerin an. Ich hätte zwar juristisch korrekt geparkt und könne es auch nicht wissen, aber sie brauche den Parkplatz. Ihr Bezirk vergebe aber keine Parkplatznummern wie andere Bezirke. Also jeder Besitzer eines Parkausweises darf auf „ihrem“ Parkplatz parken. Definitiv eine bescheuerte Regelung. Ich konnte den Ärger der Frau verstehen. Und ich habe unterdessen noch mehr Parkplätze entdeckt von denen ich annehme, das sie eigentlich für jemanden eingerichtet wurden, aber ich dort auch parken dürfte – unbefristet übrigens.

Ich muss zusammenfassend sagen, dass die Regelungen für Parkausweisbesitzer in Deutschland zum einen einheitlich und teilweise auch durchdachter sind. Dafür sind hier die Parkplätze so gut wie nie von Nichtbehinderten besetzt und wenn wird es teuer. Ich bin gespannt, ob ich das in ein paar Monaten immer noch sage.

Belgien und die Barrierefreiheit

Sorry, ich war ein wenig beschäftigt. Ich war in Hamburg, habe unsere Wohnung ausgemistet und habe mein Auto nach England überführt. 800 Kilometer Fahrt durch Deutschland, die Niederlande, Belgien, Frankreich und England liegen hinter mir.

Mir sind ja noch gut französische Autobahnraststätten vom Familienurlaub in den 80er-Jahren in Erinnerung. Dieses wenig erfreuliche Bild wird jetzt von den belgischen Raststätten überlagert. Die Belgier beleuchten zwar ihre Autobahnen, aber ich glaube, das machen sie nur, damit ein Schatten auf die Raststätten fällt und man die nicht so sieht. Vier Raststätten musste ich ansteuern, um eine Behindertentoilette zu finden – und das war nicht der einzige Grund, belgische Raststätten in schlechter Erinnerung zu behalten. Die Raststätten waren überlaufen, die Einrichtungen teilweise ziemlich ekelig und Behindertenparkplätze Mangelware. Barrierefreie Rasthöfe waren nicht ausgeschildert – ich kam mir vor wie beim Bingospiel.

Auf der Raststätte mit Behindertentoilette gab es sogar einen Behindertenparkplatz. Einen einzigen! Und der hatte einen sehr originellen Zugang zum Raststättengebäude:

Behindertenparkplatz mit Stufe

Eine Stufe hoch und dann wieder hinunter musste man. Alternativ konnte man auch um den ganzen Parkplatz herum und auf der Straße mitten im Verkehr stufenlos zum Gebäude rollen. Ganz toll! Über die britischen Verkehrseigenheiten (als ob das Linksfahren nicht schon Abenteuer genug wäre) schreibe ich später.

Breaking News: Londons U-Bahn ist nicht barrierefrei

Heute stand es in vielen Zeitungen. Londons U-Bahn ist nicht barrierefrei und wird es auch bis zu den Olympischen Spielen nicht werden. Einen Fernsehbeitrag gab es dazu auch. Guten Morgen, London! Auch schon gemerkt?

Man könnte sich ja auf den Standpunkt stellen, dass das eigentlich ein Grund sein müsste, die Paralympics nicht austragen zu dürfen. Aber dann wären die handvoll Stationen, die dann doch für die Olypmischen Spiele umgebaut werden, auch nicht barrierefrei.

Schön finde ich, dass die Liberal Democrats die Statistik, mit der sich der, eigentlich von mir geschätzte, Ken Livingstone in jeder Pressemitteilung zur U-Bahn brüstet, untersucht hat. Er nennt immer eine Prozentzahl an Stationen, die bis zu dem Olypmischen Spielen barrierefrei seien. Ich dachte mir schon, dass es wieder um Stationen außerhalb Londons geht, die umgebaut werden. Das schönt die Statistik, nutzt aber im Alltag wenig. Da verirrt sich ja kaum ein Tourist hin. Ich weiß, dass Londons U-Bahn in Teilen schwer umzurüsten ist. Aber eben nur in Teilen. Die Station vor meiner Haustür zum Beispiel ist North Acton. Die liegt oberirdisch mit einer freistehenden Treppe. Die Treppe ist über eine Brücke zu erreichen, an die man jeden Standardfahrstuhl dranklatschen könnte, wenn man denn wollte. Einen Beschluss, genau das zu tun, gab es bereits im Jahr 1998 im Gemeindeparlament. Bis 2001 sollte das umgesetzt sein. Die nächsten Planungen sprechen von 2011, meinte ein U-Bahn-Mitarbeiter zu mir. Das wären 13 Jahre nach Beschlussfassung. Dass behinderte Menschen aber auch immer so ungeduldig sein müssen…

In London erwischt es jeden

Ordnungshueter schreibt falschparkende Polizei auf

Er hatte noch mit seinem Kollegen diskutiert, ob sie sich trauen sollten, den Polizeiwagen in der Ladezone aufzuschreiben… Sie haben es dann doch getan.

Londoner Taxifahrer

Fahrer: „Sind Sie Frau (Namen, der nicht meiner ist)?
Ich: „Nein. Mein Name ist Link.“
Er: „Ich weiß. Ich mach nur Spaß.“
Später.
Er: „Woher ist Ihr Akzent? Ich würde tippen Norwegen.“
Ich: „Nein, Deutschland.“
Er: „Oh, eine Deutsche mit Humor.“
Ich: „Ja, ich kenne sogar noch ein zwei andere Deutsche, die Humor haben.“
Er: „Ah. Das ist interessant. Wie kam es, dass sie zu den wenigen Deutschen gehören, die Humor haben?“
Ich: „Kann ich mir auch nicht erklären. Ist aber schon immer so. Sind Sie ursprünglich aus London?“
Er: „Meine Mutter ist aus Jamaika und mein Vater von der Insel Barbados. Aber ich wurde im sonnigen Hammersmith geboren.“

Defekte Kegel melden

Seit ich weiß, dass die Londoner Ampeln alle Kegel haben, die sich drehen, wenn es grün ist, um blinden Menschen einen Hinweis zu geben, wann es grün ist, checke ich jetzt immer, ob die Dinger auch funktionieren oder überhaupt noch da sind. Gerade in Touristenecken sind sie oft abgerissen. Das Schöne ist, dass man in London solche Defekte online melden kann, eine Nummer bekommt und checken kann, ob die Ampel bereits repariert ist. Ich werde berichten, ob das in der Praxis auch so gut funktioniert wie es im Internet aussieht. Als erstes habe ich mal die Ampel vor meiner Haustür gemeldet. Da dreht sich der Kegel nicht mehr.

Das Geheimnis britischer Ampelanlagen

Ich habe mich in London schon länger gewundert, warum es nur so wenige akustische Ampeln gibt. Auf der einen Seite, sind überall Noppen auf dem Boden, damit sich blinde Menschen orientieren können. Nur über die Straße kommen sie nicht. Es passte irgendwie nicht ganz zusammen. Nun bin ich dahinter gekommen. Es gibt eine nicht hörbare Möglichkeit für blinde Menschen mitzukriegen, ob die Ampel rot oder grün ist.

Das hier ist ein normales Tableau, wie es an jeder Ampel in London zu finden ist. Fußgänger müssen das Signal so gut wie immer anfordern.

Ampel

Unter dem Tableau gibt es allerdings einen kleinen Kegel. Wenn es grün ist, dreht der sich. Blinde Menschen können also ertasten, ob es rot oder grün ist. Ich habe in den vergangenen Tagen Stichproben gemacht, den Kegel gibt es an jeder Ampel, wenn ihn nicht irgendwer abgerissen hat.

Kegel unter der Ampelschaltung

Verschlafen

Am Freitag habe ich richtig schön verschlafen. Mir blieb nur noch, mir ein Taxi zu nehmen, um noch pünktlich zur Arbeit zu kommen. Das habe ich dann auch gemacht, aber irgendwann staute es auf der Stadtautobahn und der Fahrer fuhr von der Autobahn runter. Er meinte aber, er kenne eine super Route. Und tatsächlich, er fuhr mit mir durch den Hydepark, vorbei am Buckingham Palace, den Big Ben in Sichtweite.

Park mit Big Ben

Wir überholten die Reitgarde der Queen in Richtung Trafalgar Square.

Prachtstrasse

Und das alles bei herrlichem Wetter. Da macht dann sogar die Fahrt zur Arbeit Spaß. London ist wirklich eine wunderschöne Stadt.

London und die Barrierefreiheit

Ein Grund, warum ich Großstädte schon als Kind toll fand war ihre bessere Barrierefreiheit im Vergleich zu den Käffern, in denen ich aufgewachsen bin. Und Großstädte auf der ganzen Welt sind unterdessen, das ist meine Erfahrung, auch im Rollstuhl gut zu erobern – mal besser, mal schlechter. In London gibt es diesbezüglich Licht und Schatten.

Öffentliche Verkehrsmittel:

Um es vorweg zu sagen: Die U-Bahn ist die Pest. Von den 275 Stationen sind, ich schätze mal, 60 barrierefrei, was nicht bedeutet, dass es einen stufenlosen Einstieg in die Bahn gibt, sondern, dass man stufenlos zum Gleis kommt. Die meisten barrierefreien Stationen liegen am Stadtrand, in der Innenstadt ist kaum eine Station barrierefrei. Was gut funktioniert, ist offensichtlich die Reparatur der Fahrstühle. Ich bekam bislang immer die Info, um wieviel Uhr der Fahrstuhl wieder gehen wird. Bis 2025 will London 2/3 seiner Stationen barrierefrei umbauen, kann man im Papier „Transport vision for a growing world city“ nachlesen, das gerade veröffentlicht wurde.

4 von 5 Bussen in London haben bereits Rampen. De facto bin ich aber noch keinem nicht barrierefreien Bus begegnet. Mit dem Ende der Routemaster dürfte sich das Problem erledigt haben. Ich komme mit den Bussen gut klar. Auf der Seite von London Transport steht, dass kein Bus die Garage verlassen darf, wenn die Rampe nicht funktioniert. Es scheint mir, dass dem wirklich so ist. Ich bin in den letzten Wochen wirklich viel Bus gefahren in London. Nie waren die elektronischen Rampen defekt. Allerdings haben sie auch andere als bei uns. Man muss aber auch sagen, Routine haben die Busfahrer mit dem Prozedere nicht wirklich. Weil man als Rollstuhlfahrer die hintere Tür benutzen muss und nicht nach vorne kommt, um zu bezahlen, muss man für die Busfahrten kein Ticket lösen. Für die U-Bahn zahlt man ganz normal.
Was für blinde Menschen und auch für mich als Ortsfremde ein Problem ist: Die Haltestellen werden nicht angesagt, nicht mal angezeigt. Man muss immer andere Leute fragen, wo man gerade ist. Allerdings sind die Londoner sehr hilfsbereit diesbezüglich. Aber es nervt trotzdem.

Mit den Zügen habe ich bislang auch gute Erfahrungen gemacht. Die, die ich gesehen habe, hatten nur eine Stufe und es gab eine mobile Rampe, die angelegt wurde. Da es an den großen Bahnhöfen auf den Gleisen Personal gibt, habe ich mich bislang auch nie angemeldet und es klappte dennoch.

Toiletten:

Wer den deutschen Behindertentoilettenstandard nach DIN gewöhnt ist, findet ausländische Behindertentoiletten meist unpraktischer. Dafür gibt es sie dann wenigstens in höherer Anzahl. Viele Restaurants in London haben Behindertentoiletten und es gibt, ähnlich wie in Berlin, öffentliche vollautomatische Toiletten, die auch barrierefrei sind.
Es gibt aber ein Phänomen in England, das ich etwas nervig, aber auch lustig finde. Der Händetrockenpustautomat hängt ganz oft über den Haltegriffen. Wenn man sich also abstützen will, wird man angepustet, weil die Dinger automatisch angehen.

Britische Behindertentoilette

Restaurants:

Ganz viele Restaurants sind barrierefrei zu erreichen. Viele haben Rampen nachgerüstet, wenn sie in alten Gebäuden sind, haben ein bisschen Beton aufgekippt etc. Ich habe auch schon einige Restaurants mit Rollstuhltoilette gesehen, insbesondere Restaurantketten.

Hotels:

Das klassische „Bed & Breakfast“ kann man knicken – nix mit Barrierefreiheit. Auch kleine Hotels sind eher wenig barrierefrei. Aber, da ist es wie in Deutschland, die Hotelketten sind schon eine gute Wahl. Ich habe mit Express by Holiday Inn ganz gute Erfahrungen gemacht. Die sind bezahlbar (für Londoner Verhältnisse) und eröffnen gerade stadtweit ein Hotel nach dem anderen. Die Zimmer sind wirklich barrierefrei, es gibt Sprachausgaben in den Fahrstühlen, die Beschriftung ist tastbar und es gibt visuelle Alarmmelder.

Straßen:

Als ich während meiner Schulzeit in London war, war kaum ein Bürgersteig abgeflacht. Jetzt sind es fast alle. Zudem gibt es viele taktile Bodenplatten, die blinden Menschen den Weg zu den Übergängen weisen. Es könnte allerdings mehr Blindenampeln geben.

Informationsschalter:

Es gibt fast überall Induktionsanlagen für Hörgeräteträger – am Ticketschalter, im Hotel, an der Supermarktkasse. Zudem gibt es meist ein Schalter, der niedriger ist, so dass Rollstuhlfahrer auf Augenhöhe mit den Leuten reden können.

Zusammenfassend:

Also, ich denke, man kommt in London zurecht. Aber man muss sicherlich Kompromisse machen und ein wenig improvisieren. Was die Sache wirklich erleichtert ist, dass sie Barrierefreiheit nicht diskutieren. Da wird gewartet, bis die Rampe draußen ist. Es läuft jemand zum Fahrer, wenn der pennt und die Rampe nicht rausfährt etc. und die Londoner wissen, um ihre Barrieren und versuchen nicht künstlich noch zusätzlich welche aufzubauen, ist mein Eindruck. Und wenn sie die U-Bahn wirklich barrierefreier machen, wäre das ein riesen Gewinn.