Tag Archiv für Sprache

Notting Hill, britische Akzente und Air Canada

Notting Hill

Notting Hill Film Locations – Self-Guided Walking Tour

Sobald das Wetter es erlaubt, mache ich die „Notting Hill“-Tour. Ich liebe den Film und muss schon immer schmunzeln, wenn ich am Hotel „Ritz“ vorbeikomme…

Akzente

A tour of the British Isles in accents – YouTube
Wer dachte, nur in Deutschland würde überall anders gesprochen. Von wegen…

Air Canada

Air Canada apologizes after staff abandoned disabled violinist Itzhak Perlman at Pearson airport | National Post
Air Canada apologizes to Itzhak Perlman | Toronto Star

Dass Airlines behinderte Passagiere nicht immer fürstlich behandeln, ist bekannt. Ist der Fluggast aber behindert und prominent, kann das sehr unangenehm werden, rein pr-technisch.

Britische vs. Deutsche Gebärdensprache

Erst einmal Entschuldigung, dass ich so lange nichts geschrieben habe, aber mein Freund und ich haben seit Weihnachten eine kleine Krankenhaus-Tournee unternommen und kennen bald jeden Gastroendrologen in dieser schönen Stadt. Mir geht es gut, aber mein Freund wird diese Woche operiert – endlich! Ich hoffe, 2010 wird besser als es angefangen hat und als 2009 endete.

Seit November lerne ich British Sign Language (Britische Gebärdensprache) an der Citylit in London. Ich habe in Deutschland schon Deutsche Gebärdensprache (DGS) gelernt (DGS1), kann mich aber jetzt davon überzeugen, dass es wirklich stimmt: Gebärdensprachen sind nicht international. Sie sind teilweise sogar grundverschieden.

Die Britische Gebärdensprache unterscheidet sich schon beim Fingeralphabet von vielen anderen Gebärdensprachen. Die Briten gebärden das Alphabet mit zwei Händen. Die Deutschen nur mit einer.

Der Kurs, den ich besuche, hat ziemlich hohe Anforderungen. De facto muss man jede Woche da sein und zu Hause wirklich lernen, sonst verpasst man den Anschluss. Die Prüfungen werden von einer landesweiten Zertifizierungsstelle abgenommen. Bei meiner ersten Prüfung habe ich einen Fehler gemacht: Ich habe vor Aufregung das deutsche Fingeralphabet für ein Wort benutzt statt das britische. Und auch ansonsten muss ich aufpassen, nicht alles zu mischen. Am Anfang habe ich die Vokabeln auf Deutsch gelernt, aber britische Gebärden dazu gemacht. Das konnte nicht gut gehen: Wie soll das Hirn kapieren, dass Gemüse mit V auf dem Arm gebärdet wird (V für Vegetable) etc.
Das habe ich mir jetzt abgewöhnt und lerne die Vokabeln auf Englisch.

Heute hatte ich meine zweite von drei Prüfungen in diesem Semester. Es ging darum, zu verstehen, was die Prüferin gebärdet und das zu wiederholen und gleichzeitig selber möglichst viel zu gebärden. Je mehr Vokabeln man kann, umso besser. Man konnte sich das Thema unter drei Themen aussuchen. Ich habe „Meine Familie“ gewählt. Da konnte ich die meisten Vokabeln (Wie sehen die Familienmitglieder aus? Wo wohnen sie? Was sind ihre Hobbys?).

Ganz spannend sind auch die Kursteilnehmer. Rund die Hälfte der 18 Leute ist nicht britischer Herkunft, lernt also von einer Fremdsprache in die andere zu übersetzen – genauso wie ich. Wir haben halb Europa im Kurs (Deutschland, Niederlande, Frankreich, Italien) plus eine Iranerin, einen Iraker, jemand aus dem Sudan, eine Marokkanerin und eine Amerikanerin. Typisch London eben!

Ich hab noch keine Ahnung, was ich mit meiner neuen Sprache anfangen werde. Ich lerne das so schnell wie niemals eine Fremdsprache zuvor. Wäre also schade, es nicht zu nutzen. Ich habe mich jetzt für BSL2 angemeldet und habe auch die Aufnahmeprüfung bestanden. BSL3 führt schon zur Dolmetscherausbildung. Ich werde wohl immer irgendwie Journalistin bleiben, aber ich kenne auch Flugbegleiter, die nebenbei dolmetschen. Warum also nicht? Es gibt im ganzen Land derzeit nur rund 400 BSL-Dolmetscher.

I really admire you und andere Phrasen

Es gibt ja so Phrasen, die dienen ziemlich gut dazu „Bullshit Bingo“ zu spielen, wenn man als behinderter Mensch unterwegs ist. Sätze und Ausdrücke, die immer wieder vorkommen und meist umso dämlicher sind. Im Englischen musste ich die erst lernen, aber mittlerweile steigt meine Sammlung kontinuierlich. Die erste Bingo-Phrase, die ich als solche wahrnahm und die zu mir jemand sagte, war „You’re very brave.“ Ich kannte den Satz aus diesem Film und musste deswegen unvermittelt laut lachen, was mein Gegenüber natürlich nicht verstand.

Seit gestern ziert auch die Formulierung „I really admire you“ meine Sammlung. Das war leicht, denn die kannte ich schon aus dem Deutschen. Meist wird die Bewunderung aber eben nicht für Dinge zum Ausdruck gebracht, die wirklich bewundernswert wären, sondern für normale alltägliche Dinge wie alleine einkaufen gehen, ins Kino gehen oder wie gestern den Rollstuhl ins Auto heben.

Nachdem mich immer öfter Leute fragen, ob ich „wheelchair bound“ bin, weiß ich, dass die unsägliche Formulierung „an den Rollstuhl gefesselt“ auch die englische Sprache heimgesucht hat.

Aber die meisten Bingospieler sind ältere Menschen, denen ich das nicht so richtig übel nehmen kann und beim Rest mache ich Witze.

Deutsche Sprache, schwere Sprache

Die Vereinten Nationen haben im vergangenen Jahr eine Vereinbarung über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verabschiedet. Das 40 Seiten starke Papier ist jetzt vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom Englischen ins Deutsche übersetzt worden –offensichtlich von Menschen, die das Fachvokabular nicht so richtig drauf hatten. Da wurde „Inclusion“ mit Integration übersetzt, „Living independently“ als „unabhängige Lebensführung“ statt als „Selbstbestimmt Leben“ und „accessibility“ mit „Zugänglichkeit“ statt mit „Barrierefreiheit“.

Jetzt gibt es einen Aufschrei und eine Anfrage im Deutschen Bundestag. Ja gut, man muss sich schon fragen, warum im Bundeministerium keine Leute sitzen, die die Fachbegriffe kennen. Der Begriff Barrierefreiheit hat sogar Einzug in die deutsche Gesetzgebung gefunden und ist eindeutig definiert. Auch Integration und Inklusion sind zwei verschiedene Dinge, aber trotzdem lässt mich das irgendwie kalt, weil ich nicht so richtig sehe, was eine korrekte Übersetzung ändern würde. Dennoch halte ich die Konvention für sehr wichtig, aber dass sie konkrete Veränderungen bringt, daran kann ich noch nicht so richtig glauben.

Politisch korrekte Sprache hinderlich bei der Einstellung

Die Angst davor, sich nicht politisch korrekt auszudrücken, hindert Arbeitgeber an der Einstellung behinderter Menschen. Sagt jedenfalls diese Studie. Ich würde sagen, das ist, wenn überhaupt, ein eher angelsächsisches Problem. Ich habe in Deutschland noch nie erlebt, dass jemand nach Worten suchte, um sich korrekt auszudrücken beim Bewerbungsgespräch. Im Gegenteil. Und überlegt sich wirklich jemand „Ich weiß nicht, wie ich die Behinderung nenne, deshalb lade ich ihn nicht zum Bewerbungsgespräch ein“? Das Problem ist wohl doch etwas vielschichtiger.

Mir ist auch schon passiert, dass ich im Bewerbungsgespräch als erstes gefragt wurde: „Warum sitzen Sie denn im Rollstuhl?“ Das ist zwar eine einwandfreie Formulierung. Aber als Eröffnungsfrage selten dämlich.

Words of the week

In dieser Rubrik sammele ich Wörter und Begriffe, die ich hier Tag für Tag aufschnappe und lerne.

to stifle something / someone – sich in etwas / in jemandem verbeißen
fly-tipping – illegales Müllabladen
to dodge – sich drücken
goosebumps – Gänsehaut
suspicious – verdächtig
addled – faul (Lebensmittel)
gentrififcation – Wenn in einem Wohngebiet eine statusniedrige Bevölkerung durch eine statushöhere Bevölkerung ausgetauscht wird
blatant – eklatant

Words of the week

Dann starte ich mal meine kleine Serie an neuen Vokabeln. Ich habe mir gedacht, ich liste immer am Wochenende die Wörter auf, die ich unter der Woche gelernt habe. Ihr findet sie alle unter der neuen Kategorie „Words of the week“.

casual – in der Medienbranche ein Begriff für freie Mitarbeiter
appraisal – Personalgespräch
outlook, future prospects – Ausblick
salubrious – heilsam
to leverage something – etwas zu seinem Vorteil nutzen
nasty – böse, gemein
self-conscious – auf sich selbst bezogen, sich seiner selbst bewusst sein
tramp – Landstreicher
let’s face it – seien wir ehrlich
to get rid of something – etwas loswerden
skinflint – Geizhals

Wortschatz

Ich bin gerade nach Hause gekommen. Es ist 2 Uhr und ich habe den Versuch, mich einigermaßen fließend mit dem Taxifahrer zu unterhalten, irgendwann abgebrochen. Wenn man müde ist, schrumpft der Wortschatz einer Fremdsprache doch massiv, muss ich sagen. Und ich habe auch immer noch das Gefühl, dass Englisch in einem anderen Teil des Gehirns abgerufen wird als Deutsch. Am schlimmsten ist das Umschalten. Wenn ich den ganzen Tag Englisch höre und rede, geht das mühelos. Aber heute Abend war ich mit einer deutschen Freundin essen und schon ist das Gehirn auf Deutsch eingestellt. Und wenn man dann noch müde ist…

Ich schreibe mir übrigens die neuen Wörter und Redewendungen auf, die ich jeden Tag so lerne. Ich überlege gerade, ob ich die mal regelmäßig bloggen soll – quasi zum Mitlernen.

Das „Mich versteht hier ja eh keiner“-Syndrom

Seit ich in London bin, beobachte ich eine Krankheit, die unter Deutschen, die hier sind, sehr weit verbreitet ist: Das „Mich versteht hier ja eh keiner“-Syndrom. Diese Krankheit tritt vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Tage, ist aber bei Männern und Frauen gleichermaßen verbreitet.

Deutsche erzählen sich Dinge, die sie niemals in einem deutschen Bus erzählen würden – da versteht sie ja jeder. Sie würden auch nicht Handytelefonate führen, in denen sie versuchen, zwei Frauen unter einen Hut zu kriegen. Die eine darf von der anderen natürlich nichts erfahren. Ich habe einen Mitreisenden, den ich abends manchmal im Bus treffe, über den weiß ich bereits wo er herkommt, dass er fremd geht und wieviel er verdient. Ich finde das ist nicht schlecht für eine 10-minütige Busfahrt. Und nein, ich höre nicht extra hin. Er steht vor mir, plärrt in sein Handy und telefoniert jedesmal mit einem Gesichtsausdruck als sei er sicher, dass ihn ja eh keiner versteht.

Dann gibt es aber auch Frauen, die hemmungslos ihrer besten Freundin erzählen, wie gut welcher Mann im Bett ist. Dass sie jetzt aber doch mal langsam heiraten wollen. Sie hat ihn da vor vollendete Tatsachen gestellt: Entweder heiraten oder es ist aus. Kann man ja mal drüber reden. Versteht ja eh keiner.

Und am meisten mag ich die Leute, die über mich reden. Das sind meist Touristen oder Österreicher oder beides. „Hast Du gesehen, die fährt ganz alleine Bus.“ – „Ja, das britische Gesundheitssystem ist ja so schlecht.“ – „Aber schon toll, dass die Busse Rampen haben. Gibt es das bei uns auch?“
Ich lächel dann immer schön freundlich, nur wenn sie zu blöd daherreden, sprech ich sie auf Deutsch an. Das ist dann immer sehr lustig – für mich jedenfalls.

Wie Blinde im Kino

Analphabetismus spielt auf der diesjährigen Buchmesse erstmals eine Rolle. Mit einer Kampagne widmet sich die Buchmesse dieses Themas. Das findet auch die Kulturredaktion der Süddeutschen interessant und schreibt dazu einen Artikel. Überschrift: „Wir Blinde im Kino“. Analphabetismus auf der Buchmesse sei wie Blinde im Kino, könnten einige meinen, lese ich in dem Artikel.

Journalisten bedienen sich ja ganz gerne Vergleichen und Bildern. Nicht selten haben diese Bilder etwas mit Behinderungen zu tun und sind falsch. „Wie Blinde im Kino“ gehört sicherlich dazu. Ich kenne viele blinde Menschen, die ins Kino gehen. Warum auch nicht? Es gibt eine Menge Filme, die man auch genießen kann, ohne sie zu sehen. Weil die Handlung gut ist und die Musik schön.

„Dialog unter Gehörlosen“ kann man auch oft lesen, wenn es in politischen Verhandlungen nicht weitergeht. Dabei können gehörlose Menschen mit niemandem besser kommunizieren als mit jemandem, der auch Gebärdensprache kann. Es müsste also ein besonders konstruktives Gespräch sein, das da beschrieben wird. Das ist aber nicht gemeint.

Man sollte wirklich öfter mal darüber nachdenken, welche Bilder man verwendet, wenn man etwas beschreibt. Oft resultieren sie aus Vorurteilen, haben aber mit der Realität nichts zu tun.