Tag Archiv für Leben

Die vielen Seiten des NHS

Nachdem ich umgezogen bin, haben wir jetzt auch einen neuen NHS-Hausarzt. Der Hausarzt vorher war ja unterirdisch schlecht und ich hätte gerne seine Praxis mal mit einem Kärcher-Hochdruckreiniger geputzt. Die Praxis in Greenwich Millenium Village ist das absolute Gegenteil. Hochmodern, eigenes Labor, acht Hausärzte in einer Praxis, mehrstöckig mit Fahrstuhl und Behindertentoilette, man muss nicht warten, wenn man einen Termin hat, und den bekommt man sofort.

Ich war jetzt zum zweiten Mal da (ich huste immer noch) und habe schon den dritten Termin. Jedesmal am Tag darauf. Das faszinierende am NHS finde ich diese vielen Seiten, die das System hat. Auf der einen Seite Praxen, die aussehen wie jahrelang nicht geputzt mit Personal, das schlecht Englisch spricht (ebenso der Arzt), und dann so Inseln der Gesundheitsglückseligkeit wie diese Praxis oder auch das Krankenhaus, in dem ich war.

Gestern habe ich das erste Mal auf NHS-Kosten Medikamente bekommen. Sechs Pfund kostet das für mich und funktioniert ähnlich wie in Deutschland. Dafür gibt es keine Praxisgebühr. Es ist wirklich interessant zu sehen, was ich in Deutschland so über NHS gehört habe und wie die Realität aussieht. Und eines finde ich wirklich hervorragend, das in diesem Land wirklich jeder krankenversichert ist. Man muss nur hier leben und wird behandelt.

Ja, ich lebe noch

Hat Euch schon mal jemand gebeten, einen Nachweis zu erbringen, dass Ihr noch lebt? Ich habe heute ein Schreiben bekommen, in dem mich die Allianz-Versicherung auffordert, einen solchen Nachweis zu erbringen. So schreiben die das natürlich nicht, sondern bitten um die Rücksendung eines Formulars, in dem eine offizielle Behörde oder die Hausbank bestätigt, dass man dort persönlich war. Hintergrund sind Leistungen, die ich bekomme, weil ich ja durch den Fehler eines Arztes querschnittgelähmt bin. Der Arzt ist bei der Allianz berufshaftpflichtversichert.

Die legitimierten Behörden befinden sich natürlich alle in Deutschland, wo ich erstmal nicht bin. Nun nehme ich an, dass mir die Deutsche Botschaft in London auch bestätigen würde, dass ich am Leben bin. Aber soweit ich weiß, ist die Deutsche Botschaft in London nicht barrierefrei. Die Allianz will also, dass ich einen Nachweis erbringe, den ich aber nur mit viel Umstand erbringen kann, weil die Ursache, für die sie selber zahlen, mich daran hindert, in die Behörde zu gehen. Das ist ein wenig zynisch und grotesk, aber meine Realität.

Und dann stellt sich die Frage, warum die Allianz auf die Idee kommt, dass ich tot sei. Ich bin 30! Aber vielleicht ist das ja auch versicherungsmathematisches Wunschdenken. Und wo kommen dann die Rollstuhl-Reparaturrechnungen her, die ich Ihnen regelmässig schicke?

Aber wenigstens weiß ich jetzt, wie der Slogan „Eine Allianz fürs Leben“ gemeint ist.

Barcamp Berlin

Nicht, dass mich jemand in Berlin vermisst. Ich bin doch nicht gefahren, habe hier noch so viel zu tun. Muss auch nochmal zu IKEA und so…

In der NHS-Augenklinik

Am Donnerstag war ich mit meiner besseren Hälfte in der Augenklinik. Bei Augenkliniken in Deutschland habe ich immer den Eindruck, der Archtitekt hat gedacht, die Patienten sehen eh nicht, dass das Gebäude hässlich ist. Augenkliniken sind immer hässlich. So auch in England. Artur ist blind und muss in eine NHS-Augenklinik, um ein CVI, ein Certificate of Visual Impairment, zu bekommen. Nur damit ist er gesetzlich blind in England.

Wir waren in der größten Augenklinik der Welt (laut Wikipedia), dem Moorfields Eye Hospital. Die Beschilderung war schon für mich lediglich Kurzsichtige ein Graus, aber mit Durchfragen fanden wir die richtige Abteilung. Alles war in hässlichem Braun gehalten, die einzelnen Abteilungen hatten unterschiedliche Farben. Warum man ausgerechnet in einer Augenklinik auf die Farben Rot und Grün zur leichteren Orientierung setzt, wird das Geheimnis des Architekten bleiben.

Artur meldete sich also in der Abteilung an und eine hochschwangere Mitarbeiterin führte ihn ins Behandlungszimmer. Dass das nicht so ihr Tag war, sah man ihr an. Sie forderte Artur auf, sich auf den Untersuchungsstuhl zu setzen und ließ ihn beim Hinsetzen gegen die Apparatur knallen. Er schlug sich die Nase auf, es blutete und er sollte eine schöne Wunde mitten im Gesicht mit nach Hause nehmen. Die Szene war filmreif. Wie man einen blinden Patienten führt, hatte die Mitarbeiterin offensichtlich nicht gelernt. Und dann stand sie da und sagte nichts, schaute ihn nur hilflos an wie er da so blutete. Artur sagte: „Ich denke, wir müssen das mal desinfizieren und etwas drauf machen.“ Die Mitarbeiterin ging also an den Erste-Hilfe-Kasten, der an der Wand hing und einen ähnlich schäbigen Eindruck machte, wie der Rest des Behandlungszimmers. Und, oh Wunder, der Verbandskasten war leer. Irgendwo fand sie aber doch noch etwas, um ihn zu verarzten.

Als sie Arturs Augen untersuchte, tupfte sie zwischendurch immer das Blut aus seinem Gesicht. Sehr schöne Szene! Dann wollte sie den Augeninnendruck messen. In Deutschland wird das seit Jahrzehnten mit einem Gerät gemacht, das kurz in die Augen pustet. Die Mitarbeiterin nahm aber ein Gerät, das ich in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen habe, und drückte auf Arturs Augen. Keine angenehme Prozedur…

Dann war er fertig und wir warteten auf den Augenarzt. Wir mussten nicht lange warten. Der Arzt saß in einem moderneren Raum und machte einen kompetenten Eindruck. Er stellte die richtigen Fragen und war sehr bemüht. Bei Augenärzten ist nicht immer sichergestellt, dass sie sich auch mit Blindheit auskennen. Wir hatten in Hamburg mal die Situation, dass ein Augenarzt nachdem (!) Artur sagte, was er hat, ihn aufforderte, die Buchstaben auf der Karte vor ihm vorzulesen. Aber der Augenarzt hier war kompetenter und beließ es bei den nötigsten Untersuchungen.

Und dann passierte etwas, was den schlechten Start am Anfang wieder ausglich. Der Arzt brachte uns zum Social Service des Krankenhauses. Diese sollten uns über alle Rechte informieren, die blinde Menschen in England haben. Wir bekamen stapelweise Unterlagen und Telefonnummern und alles war sehr lebensnah organisiert. Man machte uns verschiedene Angebote zur Unterstützung etc. Weder Artur noch mich hat in den vergangenen 30 Jahren in Deutschland irgendwer mal über meine Rechte aufgeklärt. Das muss man sich alles selber zusammen suchen. Ich finde auch super, dass die Leute noch gleich im Krankenhaus, also bei vielen direkt nach der Diagnose mit dem Social Service sprechen können. Ich habe immer mehr den Eindruck, dass in diesem Land einige Dinge sehr schlecht und einige Dinge super gut laufen und man sich fragt „Warum gibts das eigentlich in Deutschland nicht?“. Einen guten sozialen Dienst mit Rechtsberatung in großen Augenkliniken einzurichen kostet nicht die Welt, ist aber für Leute, die gerade erfahren haben, dass sie erblinden werden, unheimlich wichtig.

Gut in Greenwich gelandet

Seit ein paar Tagen wohnen wir jetzt schon in Greenwich und ich muss sagen, es gefällt uns sehr. Ich kann stundenlang am Fester stehen und auf den Teich vor unserem Balkon schauen. Es ist sehr ruhig und dennoch in der Stadt.

Faraday Lodge

Am Mittwoch will BT endlich Internet schalten. So lange weile ich derzeit bei Starbucks, wenn ich nicht gerade auf Ämtern rumhänge, um die Ummeldungen zu machen. Aber Canary Wharf ist ja um die Ecke…

Umzug

Hier geht es in den nächsten Tagen etwas ruhiger zu, denn wir ziehen um. Juhu! Ich habe keine Ahnung, wann ich wieder einen Internetanschluss habe.

Ich war ja schon immer am Puls der Zeit, jetzt wohnen wir auch dort, nämlich in Greenwich. Greenwich wird übrigens, wie fast alle Stadtteile hier, nicht so ausgesprochen, wie wir Deutschen das meinen, sondern anders, nämlich ungefähr wie „Gränitsch“. Greenwich gehört zu London und ist seit 1997 UNESCO-Weltkulturerbe und durch das Royal Greenwich Observatory verläuft der Nullmeridian.

Wir ziehen in eine ganz interessante Siedlung, nämlich das Greenwich Millenium Village. Das liegt direkt an der Themse und vor allem an einer barrierefreien U-Bahnstation. So komme ich problemlos nach Canary Wharf, Waterloo oder auch nach Westminster. Ich habe einen Garagenparkplatz (ich will ja nicht Autoglass-Dauerkunde werden) und wir haben ein Zimmer mehr als jetzt und einen Balkon.
Ich glaube, die Gegend ist eine Mischung aus Las Vegas und Naturschutzgebiet. Auf der Halbinsel, auf der das GMV liegt, gibt es unter anderem die O2 Arena, eine Konzerthalle mit vielen Restaurants, einem Kino etc. Aber es gibt auch ein Biotop und eben viel Wasser.

Also, ich hoffe, es war eine gute Entscheidung nach Greenwich zu ziehen und dass uns die typischen Londoner Wohnungsprobleme wie undichte Fenster, zu wenig Wasserdruck etc. erspart bleiben. Bislang hatte ich ja Glück, auch die jetzige Wohnung ist super, aber für Zwei einfach zu klein.

Arzt von Ashley nimmt sich das Leben

Der Arzt, der die operativen Eingriffe bei dem behinderten Mädchen Ashley in den USA zu verantworten hat und deshalb im Zentrum einer weltweiten ethischen Debatte stand, hat sich das Leben genommen, berichtet MSNBC.

Polizei, Werkstatt und die Helden

Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mich um meinen fahrbaren Untersatz zu kümmern.

Auto mit zerschlagenem Fenster

Um 8 Uhr bekam ich eine SMS von einer Freundin, bei der ich das Auto untergestellt hatte. Ich solle sie anrufen, es gebe Probleme mit meinem Auto. Ich wollte eigentlich gar nicht aufstehen und ahnte böses. Sie sagte mir, um 4.30 Uhr sei die Alarmanlage angegangen und sie hätten sie nicht mehr ausgekriegt. Ich glaube, mein Auto sehnt sich nach einem neuen Besitzer… Als es aufgebrochen wurde, ging die Alarmanlage nämlich nicht an und auch ein Test von mir danach zeigte keine Reaktion. Ich dachte, sie sei kaputt. Aber heute nacht hat sie dann doch funktioniert und halb South Harrow aus dem Bett gerissen.

Ich habe also mein Auto abgeholt, die Alarmanlage war unterdessen aus, und ich bin zu Autoglass nach Heathrow gefahren. Als ich dort ankam, stellte man fest, dass kein Termin für mich vermerkt sei. Aber man war dennoch sehr bemüht, mir zu helfen. Der Computer offenbarte dann ein neues Problem: Die Seitenscheiben für Rechts- und Linkslenker sind unterschiedlich. Und was gibt es in England für den A3 vorrätig? Richtig, die für Rechtslenker. Die anderen müssten aus Deutschland geschickt werden. Ich versuchte noch, jemanden in einer Audi-Werkstatt zu erreichen. Nix zu machen. Also entschied ich mich, die Scheiben zu bestellen und Plastik einbauen zu lassen. 3-5 Tage sollten die Scheiben auf die Insel brauchen.

Mit hübscher Plastikscheibe bin ich dann wieder zur Polizei. Gleiches Prozedere wie am Tag zuvor. Und sogar einige Gesichter waren gleich. Die Jugendliche war wieder da, weil man irgendwelche Sachen von ihr einbehalten habe, die sie erst heute zurück bekommen sollte. Die Sachen waren aber noch nicht von der Untersuchung oder was auch immer zurück, was sie sofort wieder veranlasste auszuflippen. Ich wartete eine Stunde, dann kam ich dran und schilderte meine etwas skurrile Geschichte. Der Officer nahm sich viel Zeit für mich, aber irgendwie tat er nichts, was ich als logisch empfand. Mein genialer Einfall, das Kameramaterial zu sichten, ignorierte er. Er wisse gar nicht, wie man an das Material komme. Dann telefonierte er überall rum, um Leute zu finden, die gestern Dienst hatten und gesehen haben, wer mein Auto gerammt hat. Wenn ein Polizist (zumal im Dienst) sieht, dass auf dem Polizeiparkplatz ein Auto touchiert wird, sagt er nix, sondern wartet darauf, dass er gefragt wird? Das kam mir nicht logisch vor. Und während ich gar nicht davon ausgehe, dass der Polizist, der mein Auto versetzt hat, das gewesen ist, sprach er immer davon, dass er den Kollegen finden müsse. Ich habs nicht kapiert. Der Stationsvorsteher wurde auch eingeschaltet. Man wollte mich wieder anrufen, wenn sie was wissen. Ich glaube nicht, dass da noch was kommt. Die wollten partout nicht an das CCTV-Material ran.

Als ich wieder draußen war, rief Autoglass an. Das Fenster käme per Expressendung aus Deutschland und könne morgen nachmittag eingebaut werden. Endlich mal eine gute Nachricht!

Dann bin ich zu Wir sind Helden. Hmm, naja. Ich muss mich korrigieren, was die Barrierefreiheit von Locations angeht. Diese war es nicht zu meiner großen Überraschung. Mit der Security bin ich dann aber doch zur ersten Ebene gelangt und hatte einen sehr ungewöhnlichen Blick auf das Konzert. Ich saß hinten rechts über der Bühne. Ein Logenplatz! Warum das Mean Fiddler nicht barrierefrei ist, ist mir ein Rätsel, aber ich werde das rauskriegen. Es ist alt, es ist im Keller, aber sie hätten massenweise Platz, einen Treppenlift einzubauen und ordentliche Rolliplätze. Ich ruf da am Montag mal an und frage, was das soll. Zumal sie ganz sicher gegen die britische Gesetzgebung verstoßen.

Das Konzert war okay, aber ich fand es nicht überragend und auch nicht sehr lang. Dafür musste man vorher zwei Vorgruppen ertragen. Die Zuschauer waren mehrheitlich Touris, würde ich mal sagen, während bei Grönemeyer viele Londoner waren. Jedenfalls ganz andere Leute.

Wir sind Helden

Fotos vom Helden-Konzert gibt es bei Flickr. Und jetzt hoffe ich, dass morgen der Fenstereinbau reibungslos klappt.

Polizei und Grönemeyer

Was für ein besch…eidener Tag. Irgendein Volldepp hat mein Auto aufgebrochen. Nun ist der Audi A3 nicht schwer aufzubrechen. Man muss dazu nicht das Seitenfenster einschlagen. Kann man aber. So ist es dann auch geschehen. Entdeckt habe ich es heute um 17 Uhr. Und mein erster Gedanke war: Wo bin ich denn hier gelandet, wenn keiner mal meldet, dass da ein Auto aufgebrochen wurde? Immerhin stand das Auto drei Tage unbewegt, weil ich immer noch mit Bronchitis samt Nebenwirkungen im Bett liege. Als ich gerade die britische Gesellschaft verfluchen wollte, kam ein Mann zu mir. Er trug traditionelle arabische Kleidung, langer Bart, weiße runde Kopfbedeckung. „Ist das Ihr Auto?“, fragte er mich mitleidig. Ich: „Ja, ich habe das gerade entdeckt.“ Er: „Ich wollte Ihnen nur sagen, ich bin mehrmals täglich an Ihrem Auto vorbeigekommen. Es ist mir aufgefallen, weil es ein deutsches Kennzeichen hat. Heute um 14 Uhr war noch alles in Ordnung.“ Ich strahlte ihn an, mein britisches Gesellschaftsbild war wieder in Ordnung. Ich bedankte mich und er bedauerte mich ein wenig.

Mein ganzes Auto war voller Glasscherben. Die Scheibe war in Tausende Teile zersprungen. Der Dieb hatte das Handschuhfach geöffnet und die Armlehne, in der eine Handyhalterung ist. Aber es wurde nichts geklaut. Ich hatte allerdings auch nicht einen Penny im Auto, weil ich das Auto eigentlich zur Waschanlage bringen wollte, das aber krankheitsbedingt nicht schaffte. Das Auto war absolut leer. Den Behindertenausweis hatte ich, Gott sei Dank, nicht im Handschuhfach, sondern am Lenkrad angeschlossen. Der Kauf dieses komischen Halters hat sich also gelohnt.

Dann rief ich meinen Bruder an (Autofreak), der mir sagte, ich solle unbedingt Anzeige erstatten. Das würde teuer. Ich hatte gehofft, den Tag nicht bei der Polizei zu verbringen. Also bin ich zur Polizeiwache gefahren. Es warteten Dutzende Leute dort, es gab zwei Schalter, die wiederum von einer Glaskabine umschlossen waren. Nur einer war besetzt. Ich erkundigte mich bei den Mitwarteten wie das abliefe. Und die sagten, man müsse einfach warten. Irgendwann sei man dran. Aha.

In der Kabine war gerade eine Frau und gab eine Anzeige auf. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die ältere Dame in der Ecke des Warteraums auch zu ihr gehörte. Ich telefonierte als es unruhig wurde im Warteraum. Die Dame war unterdessen auch in der Kabine und war wohl ohnmächtig geworden. Es ging ihr schlecht, die Gesichtsfarbe war schneeweiß. Immer mehr Polizisten quetschten sich in die Kabine, um die Frau wieder aufzuwecken. Vergebens. Ein Arzt wurde geholt. Der war irgendwie sowieso schon im Gebäude. Der wiederum rief einen Notarzt. Sie schafften es irgendwie die Frau aus der Kabine zu kriegen. Dann kam der Krankenwagen.

Plötzlich tickte mich ein Mann an. Ob er meinen Autoschlüssel haben könne. Mir gehöre doch wohl das Auto ohne Scheibe mit den Behindertenausweis. Ich muss ihn sehr verdutzt angesehen haben. Er sei Officer, sagte er mir und zeigte mir seine Dienstmarke. Der Krankenwagen müsse auf den Hof und komme nicht an meinem Wagen vorbei. Okay, ich gab ihm meinen Autoschlüssel. Wenige Minuten später war er wieder da.

Kaum war die Frau abtransportiert, trat eine ca. 15-jährige Jugendliche auf die Bildfläche. Sie war von draußen gekommen und verkündete schreiend und weinend, sie werde ihre Mutter umbringen. Gefolgt von schlimmen Schimpfwörtern. Dann schmiss sie ihr Handy in die Ecke, das an der Wand zerschellte. Was ein Auftritt! Sie schrie, nie sei ihre Mutter da, wenn sie sie brauche. Sie werde nun verhaftet und nur weil ihre Mutter nicht auf der Wache erschienen sei. Das sei nicht fair. Eine Art Sozialarbeiterin betrat die Bühne. Sie war wohl mit der Jugendlichen verabredet und fragte nach der Mutter. Das Mädchen fing wieder an zu weinen und verfluchte ihre Mutter, die nie da sei, wenn es wichtig werde. Sie fing an, mir sehr leid zu tun. Die Sozialarbeiterin versuchte sie zu beruhigen. Unterdessen war man aber hinter der Glasscheibe auf die Unruhe im Warteraum aufmerksam geworden und ein Polizist kam. Er verwarnte sie, weil sie an einem öffentlichen Ort geflucht hatte. Aber er versuchte auch, sie zu beruhigen. Die Sozialarbeiterin versuchte, die Mutter zu erreichen. Vergebens. Das Mädchen geriet daraufhin in Panik und rannte davon.

Plötzlich erschien sie wieder und setzte sich am anderen Ende des Raumes neben eine Frau, die vor einer ganzen Weile gekommen war. Sie war offensichtlich die Mutter, die sich aber nicht zu erkennen gegeben hatte. Die Sozialarbeiterin fragte sie, warum sie nicht sage, wenn sie da sei. Keine Reaktion. Es ging offensichtlich um eine Straftat der Tochter. Man hatte der Tochter offensichtlich gedroht, sie einzubuchten, sollte sie zu dem Termin nicht mit ihrer Mutter erscheinen. Zusammen mit einem Polizisten gingen sie nach hinten.

Irgendwann war ich dran. Ein Polizist begutachtete mein Auto und versuchte, Fingerabdrücke zu nehmen. Dann fragte er mich, wo der Wagen gestanden habe und sagte mir, sie werden das CCTV-Material auswerten. In England ist ja jeder Winkel Kamera überwacht. Ich glaube zwar nicht, dass etwas dabei herauskommt, aber ich brauche die Anzeige ja für die Versicherung. Alles lief genauso ab wie ich es aus Deutschland kenne. In Hamburg ist mir auch schon drei Mal mein Autoradio gestohlen worden.

Ja, und eigentlich wollte ich ja zum Grönemeyer-Konzert. Ich war mir nicht sicher, ob ich das noch schaffen würde. Und dann ohne Seitenfenster! Aber es kam noch besser: Als ich an mein Auto kam (immerhin auf dem Polizeiparkplatz) stellte ich fest, dass mir jemand in die Seite gefahren war. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie ich getobt habe. Meine Vermutung ist: Es war der Krankenwagen. Ich stand ihm ja im Weg, auch wenn ich richtig geparkt hatte. Da ich aber zum Grönemeyer-Konzert wollte und der Parkplatz unübersehbar kameraüberwacht war, habe ich die zweite Anzeige auf morgen vertagt.

Bei Grönemeyer war ich dann auch noch. Ich habe mein Auto einfach vor die Royal Albert Hall gestellt – ohne Fenster. Ich habe einfach gedacht, ein drittes Mal passiert nichts mit dem Auto heute. Ich sollte recht behalten. Das Konzert war super, auch wenn wir etwas zu spät kamen. Einziger Wermutstropfen: Obwohl es Sitzbestuhlung gab, standen die Leute und ich konnte auf meinem eigentlich super positionierten Rollstuhlplatz nicht immer was sehen. Und irgendwie war ich auch nicht so richtig in Konzertlaune, aber nun gut. Ich war immerhin da. Morgen habe ich einen Termin bei Autoglass, dann fahre ich zur Polizei für die zweite Anzeige und dann geht es zum „Wir sind Helden“-Konzert. Ich hoffe, morgen wird ein besserer Tag.

Thames Festival

Taenzerinnen mit leuchtenden Roecken

Mehr Bilder gibt es bei Flickr.