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Diskriminierung im Urlaub und die Berichterstattung

Weil ihr behinderter Sohn Windeln trägt, wurde eine Familie von der Vermieterin einer Ferienwohnung auf Usedom wieder nach Hause geschickt. Das berichten Spiegel Online und andere.

Ich frage mich allerdings, warum ich bei meinen ehemaligen Kollegen bei dpa ohne Einordnung die Aussage der Vermieterin lese, Windeln gehörten nicht in den Hausmüll, sondern in den Sondermüll. Keine Einordnung, kein Widerspruch. Spiegel Online hat diese Aussage überprüft, als falsch dargestellt und nennt übrigens auch den Namen der Vermieterin.

Und dann steht in der Agenturmeldung noch die Regelung, dass Vermieter übermäßige Verschmutzung nicht dulden müssen. Diese Regelung hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Urlaub behinderter Menschen zu tun. Sie in Verbindung mit inkontinenten Urlaubern zu bringen, empfinde ich als diskriminierend. Behinderte Urlauber sind nicht dreckiger als andere, auch nicht solche, die inkontinent sind. Da reicht es nicht, dass man die Verbraucherzentrale NRW darauf hinweisen lässt, dass Windeln alleine kein Kündigungsgrund sind. Stattdessen fehlt in dem Artikel komplett, dass es sich um ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz handeln könnte.

Die Leserschaft zeigt sich bestürzt

Seit dem Wochenende beobachte ich, wie eine Falschmeldung der dpa weite Kreise zieht. Dass es sich um eine Falschmeldung handelt, wusste ich schon ziemlich früh. Ich hatte es in einem Blog gelesen.

Wer jetzt lauthals schreit, wie denn sowas passieren kann, weiß nicht, unter welchem Druck Agenturjournalisten arbeiten. Ich habe ja bis Dezember selbst im Dienste des dpa-Konzerns gestanden und habe zuvor dort volontiert. Gleich zu Beginn meines Volos hatte ich ein ziemlich lehrreiches Erlebnis: Der neue Innensenator Hamburgs musste die Kriminalstatistik seines Vorgängers korrigieren. Die Pressekonferenz wurde relativ kurzfristig einberufen und ich düste zum Polizeipräsidium.

Aber was genau war falsch an den Zahlen? Das war die Frage, die sich mir, der Redaktion und natürlich auch den Lesern stellte. Die Polizei hatte die Zahlen nicht wirklich journalistenfreundlich aufbereitet und teilte die Stapel an Papier erst zum Ende der Pressekonferenz aus. Ich suchte händeringend jemanden unter den Kollegen, mit dem ich gemeinsam rechnen und den Stapel Papier bewältigen konnte. Ich war in der Schule richtig schlecht in Mathe und die Zahlen machten mir Angst, aber ich musste ja so schnell wie möglich eine Meldung absetzen. Keiner der Kollegen von Zeitung und Rundfunk wollte sich mit mir gemeinsam die Zahlen ansehen und durchrechnen. „Ich warte auf die Agentur,“ bekam ich zu hören. Und: „Das rechnet dpa für uns.“ dpa war in dem Fall aber ich.

Also ging ich in die Offensive und zu einem der Sprecher und sagte, dass die Zahlen so unbrauchbar seien. Er möge mir Eckdaten nennen. Er hatte keine. Aber er setzte sich mit mir hin und wir rechneten das Wichtigste aus. Ich setzte die Meldung per Laptop ab und als ich unten am Auto ankam, lief schon haargenau mein Text als Nachricht bei NDR Info, samt der Zahlen. Ich befürchtete das vorzeitige Ende meiner noch jungen Karriere – übrigens völlig unbegründet. Die Zahlen waren korrekt. Mein mathematisches Selbstbewusstsein hatte sich danach wieder etwas stabilisiert. Solche und ähnliche Erlebnisse hatte ich danach noch öfter. Z.B. wenn ein japanischer CEO meinte, die Pressekonferenz in gebrochenem Englisch abhalten zu müssen statt einen Dolmetscher zu bemühen. „Haben Sie das verstanden?“, fragte ich einen Kollegen neben mir. „Nein, ich warte nachher auf die Agentur,“ war die Antwort. Ich bin in solchen Fällen dann zu dem jeweiligen Sprecher (der meist auch nichts verstanden hatte, aber nochmal bei seinen japanischen Kollegen nachfragen konnte). Aber was hätte ich auf so einer Demo gemacht? Darauf vertrauen, dass man sich nicht verhört hat? Vielleicht.

Das Problem ist für mich nicht, dass Kollegen Fehler machen, schon gar nicht bei so einem stressigen Event. Was ich nicht verstehen kann ist, warum der Fehler nicht früher bemerkt wurde. Denn in Blogs wurde darüber relativ schnell geschrieben. Es reicht heutzutage halt nicht mehr, als CvD n-tv zu schauen und die Konkurrenz zu beobachten. Ich finde, für die Berichterstattung zu einem solchen Großereignis muss man zwischendurch auch mal schauen, was in den Blogs und den Online-Medien passiert.

Ich finde ich es bemerkenswert, wie viele Tageszeitungen die falsche Meldung am Montag dann auch noch in die Blätter hoben und Dinge hinzudichteten, obwohl der Fehler in Kleinbloggersdorf längst bekannt war. Das heißt, da fahren x Journalisten nach Heiligendamm, weit mehr sitzen daheim in der Redaktion und brüten über den besten Leadsatz und keiner kommt mal auf die Idee, bei Technorati vorbeizuschauen.

Gekommen, um zu bleiben

Ich habe mich entschlossen, vorerst in London zu bleiben. Deshalb habe ich am Wochenende bei dpa gekündigt. Ich war ja bei dpa sechs Monate beurlaubt und hätte im Juli zurück auf meine Stelle gehen können. Jetzt habe ich mich entschieden, zu bleiben. Die Gründe hierfür stehen ja bereits ausführlich in diesem Blog. Ab Mitte April bin ich in der Wirtschaftsredaktion bei BBC World TV. Bitte Daumen drücken, dass das alles so gut weitergeht wie bisher.