Wenn man sich bei einem Hausarzt registriert, um über den National Health Service versichert zu werden, muss man danach zu einer Untersuchung bei der Arzthelferin. Dafür bekommt man einen eigenen Termin. Nachdem mein erster Termin wegen eines Unfalls von Seiten der Praxis abgesagt wurde, hatte ich die Untersuchung heute. Untersuchung ist übrigens bei weitem übertrieben. Die „Nurse“ geht mit einem den Fragebogen über Vorerkrankungen durch und misst Blutdruck. Mich würde wirklich mal interessieren, ob der NHS das einzeln bezahlt oder die Ärzte quartalsweise pro Patient bezahlt werden. Wenn das einzeln bezahlt wird, würde ich das sofort abschaffen – reine Zeit- und Geldverschwendung. Aber okay. Ich musste da nunmal hin.
Ich kam also da an und mich begrüßte eine Arzthelferin im fortgeschrittenen Seniorenalter, die irgendjemand vergessen haben muss, in Rente zu schicken. Ich wollte gerade zum „Good morning and happy new year“ ausholen, da blaffte sie mich an „Why you are in a wheelchair?“. Ich: „I’am paraplegic.“ Sie: „Parapleeeeeegic. You must say parapleeeegic, not paraplegic.“ Ich musste irgendwas falsch betont haben und sie machte mich in einer ziemlich herablassenden Art darauf aufmerksam. Dabei hatte ich gerade in so einem „Hilfe, ich bin in England und nun?“-Buch gelesen, dass die Briten sehr tolarant gegenüber Ausländern sind und es als unhöflich gilt, Ausländer im Mitten im Gespräch auf ihre falsche Aussprache anzusprechen. „Toll, kann die sich bitte auch ans Drehbuch halten?“, dachte ich mir. Ich fand das alles ziemlich merkwürdig und beschloss noch heute, den Antrag auf eine private Krankenversicherung abzuschicken, was ich auch getan habe.
Irgendwo muss sie aufgeschnappt haben, dass Querschnittgelähmte Spezialbetten brauchen und so fragte sie mich, ob ich ein Pflegebett habe. Ich sagte ihr, dass dem nicht so sei und dass ich keines benötige. Und ihre Antwort ließ mich fast aus dem Rollstuhl kippen: „Ah, you sleep in your wheelchair!?“ Diese Frage hat mich dann endgültig aus der Bahn geworfen. Ich musste lachen, aber das wäre ja unpassend gewesen. Also erklärte ich ihr, dass ich ein ganz normales Bett habe und damit gut zurecht komme.
Dann ging sie mit mir diesen Fragebogen durch und nach 10 Minuten war ich fertig – aber da war ja noch das Formular für die Stadt, für das ich einen Stempel des GP brauche. Ich ging also nach vorne und bat um einen Stempel, der bestätigt, dass ich querschnittgelähmt bin. Nach ausführlicher Studie des Formulars sagte man mir, man werde mich anrufen, wenn man wisse, wann das Papier gestempelt sei. 15 Pfund werde man dafür in etwa berechnen. Ich glaube, ich brauche noch viele Stempel bis ich hier alles Bürokratische hinter mir habe. Ob es da wohl Mengenrabatt gibt?
Bestimmt nicht!
Unglaublich. Lass das nicht die Krankenkassen wissen, sonst wird ein kostensparender Rollstuhl mit Liegesitz wie im Auto eingeführt.
Erinnert mich leider auch an das Orthodpädie-Krankenhaus in Santiago de Chile, wo es zwar 12 schöne Stufen am Eingang gab, aber keine Rampe. In der Orthopädie…
Und die U-Bahn-Station am Rehazentrum für Querschnittsgelähmte hat keinen Fahrstuhl.
Gute Neues Jahr!
Also beim Meyrastammwerk wurde mir erzählt, sie hätten mal einen Rollstuhl in dem man auch schlafen kann hergestellt, als absolute Sonderanfertigung.
Eine private Krankenversicherung für eine 30-jährige Person im Rollstuhl? Da dürfte der Gesundheitscheck vorab doch erheblich intensiver ausfallen, als beim staatlichen Dienst.
Ich kann ja meine Neugierde kaum unterdrücken, welche Monatsprämie da wohl herauskommt?
And a happy New Year!
@Al
Sorry, da muss ich Dich enttäuschen. Es gibt spezielle Versicherungen für Deutsche, die vorübergehend im Ausland arbeiten. Dort gibt es keinen Gesundheitscheck. Dafür sind Vorerkrankungen und behinderungsbedingte Kosten ausgeschlossen. Da ich dafür sowieso einen anderen Kostenträger habe (auch im Ausland) ist mir das schnuppe und der Beitrag ist damit genauso hoch wie bei nicht behinderten Mitgliedern.
In Deutschland bekomme ich im Inland keine private Krankenversicherung, auch nicht mit Zuschlag. Das wird sich mit dem Antidiskrimnierungsgesetz aber künftig ändern.
Die Frage, ob ich im Rollstuhl auch schlafe, ist mir ebenfalls schon ein paar mal gestellt worden. Jedoch waren es (junge) Kinder die aus Neugier gefragt haben und wo ich solche Fragen absolut respektiere und nachvollziehen kann. Eine solche ernsthaft gemeinte Frage von „Fachpersonal“ in einem „modernen“ Land hätte ich jedoch nicht erwartet. Vielleicht bin ich naiv?
Du hast es nicht ganz so leicht, will mir scheinen.
Hättest die Nurse fragen sollen, warum denn andere im Rollstuhl sind, bzw. was andere denn Antworten… Das würde mich brennend interessieren … *g*
Ach Christiane, nicht ärgern:
Nun kennst du die richtige Aussprache. Ist doch schön, wenn wir was lernen können ….. *gg* ..
(Obwohl ich jetzt gerade nicht die Aussprache meine)
Und ich dachte, nur in Deutschland sei es so bürokratisch. Meine Güte!
@bp:
auch von Leuten aus nicht „modernen“ Ländern (welche wären das denn? Alle, die nicht in Europa/USA/Australien und Finanzasien beheimatet sind? Oder solltest du auf „irgendwo im Busch“, „da unten irgendwo“ anspielen?) kenne ich solche Fragen nicht. Es soll auch „da unten“ RollstuhlfahrerInnen bzw. nicht gehen könnende Personen geben, huchz, die werden nicht alle ausgesetzt.
Wenn nicht so nervig wäre, was Du alles erlebst, würde ich sagen: grandiose Geschichte. Für den Leser recht amüsant. Allerdings nicht, wenn man die Hauptperson ist, befürchte ich. Unglaublich, die Bürokratie auf der Insel, wirklich unglaublich. Du hast mein Mitgefühl.