Ich war ja vor ein paar Wochen in Berlin. Ich muss sagen, ich war vor dem Flug etwas nervös. Nicht, weil ich Flugangst habe, sondern weil die Berliner Flughäfen berühmt berüchtigt sind, Rollstuhlfahrern ihre Rollstühle unter dem Hintern wegzunehmen. Martin Ladstätter hatte vor zwei Jahren die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil ihm die Bundespolizei am Flughafen Tegel den auf ihn angepassten Rollstuhl weggenommen hatte, anstatt ihn erst am Flugzeug verladen zu lassen, wie das weltweit üblich ist. Zu einer Verhandlung kam es aber gar nicht, weil die Bundespolizei nach diversen Briefen und Klageerhebung einlenkte und bekannt gab, dass er nun auch in Berlin Hilfsmittel mit zum Flieger nehmen dürfe.
Ich bin nur einmal nach Berlin geflogen, noch vor der Wende, danach nicht mehr, weil ich ja in Hamburg wohnte. Aber für die Republica bin ich ja von London nach Berlin geflogen und war gut vorbereitet: Stift und Block lagen notizbereit in meiner Tasche, um mir gegebenenfalls Namen der handelnden Personen aufschreiben zu können. Argumentationslinien hatte ich mir eingeprägt – nur für den Fall, dass die Bundespolizei oder der Flughafen die Auseinandersetzung von vor zwei Jahren schon wieder vergessen hatten und mir meinen Rollstuhl unterm Hintern wegnehmen wollten. Ich brauche, wie Martin, meinen auf mich angepassten Rollstuhl. In einem 08/15-Flughafenrollstuhl habe ich keinen Halt. Aber wir kamen in Schönefeld an (Tegel und Schönefeld haben die gleichen Flughafenbetreiber und es gab auch dort die gleichen Probleme) und mein Rollstuhl stand schon bereit. Ich hatte die Flugbegleiterin auch beim Anflug schon darauf hingewiesen, dass ich meinen eigenen Rollstuhl haben möchte. Die Ankunft war aber wohl auch früher kein Problem, eher der Abflug und so war ich dann richtig gespannt als es wieder zurück nach London ging.
Man fragte mich am Check-In sogar, ob ich meinen Rollstuhl behalten oder aufgeben wolle. Ich nahm ihn natürlich mit und fuhr mit dem eigenen Rollstuhl bis an den Flieger. Es war kein Problem.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich mich bei Martin bedankt: Einfach deshalb, weil ich davon profitiere, dass sich jemand gewehrt hat und mir deshalb der Zoff erspart wurde. Ich würde mir so wünschen, dass mehr behinderte Menschen sagen, was nicht in Ordnung ist. Darüber freut sich dann derjenige, der nach ihnen irgendwohin kommt. Nun kenne ich Martin und weiß also auch noch, wer vor mir da war und das „geregelt“ hat. Sich zu beschweren ist manchmal viel nachhaltiger als man sich das in dem Moment ausmalt. Wenn einmal etwas durchgesetzt wurde, profitieren aber oft ganz viele davon.
Nachhaltigkeit von Beschwerden
Kategorie:Barrierefreiheit, Leben / Tags:Barrierefreiheit, Bundespolizei, Fliegen, RP09, Schönefeld, Tegel
[…] Christiane ist eine Frau, die sich immer wieder beschwert, sich durchsetzt und trotzdem auch lobt, wenn etwas gelungen ist. Sie schreibt, wie wichtig es für die anderen ist, wenn jemand voran geht. Wenn es sich mehrere teilen, die Fallstricke im Alltag wegzuräumen, dann braucht der Einzelne nicht alleine seine Kraft vergeuden. « links for 2009-04-20 […]
Leider ist das wohl hier in der Deutschland nicht so stark ausgeprägt, dass behinderte Menschen für Ihre Bedürfnisse kämpfen, bzw. sich beschweren, wenn es irgendwo Barrieren gibt.
Lieber wird alles geschluckt, als „ausgelacht“ oder „nicht ernst genommen“ zu werden.
Darum freu ich mich umsomehr, wenn ich irgendwo lese, dass sie ein Behinderter etwas erkämpft und nicht aufgegeben hat.
Wie kann man das Selbstbewusstsein behinderter Menschen stärken?
Es wäre schon ein guter Anfang, wenn man sie ernst nehmen würde. Meine Tochter(19Jahre) ist körperlich klein und wenn sie bei langen Strecken ihren Rollstuhl nutzen muss, kommt sie noch kleiner daher. Sie wird fast grundsätzlich geduzt, obwohl man ihr im Gesicht ansieht, dass sie kein Kind mehr ist. Da wir in Deutschland anders als in vielen anderen Ländern normaler Weise fremde Erwachsene siezen, finde ich das eigentlich eine Unverschämtheit.
Genauso wie man Rollstuhl-gleich blöd voraussetzt.
Danke. Danke. Danke. Dass es doch auch mal jemand sagt, wieviel einfacher und schoener es doch ist, wenn einem vorher ein Unbequemer den Weg freigewalzt hat. Es ist zwischendurch wirklich gut, das mal zu lesen. Und nein, ich hatte auch nicht den Eindruck, dass sich besonders viele Behinderte aufsaessig fuer ihre Belange einsetzen. Was da im Bereich Armprothetik zum Teil an Material zu absoluten Traumpreisen angeboten wird, ist teilweise (gallespuck, blauschwarz anlauf, hust) erstaunlich, muss ich aber zum Glueck nicht so hinnehmen (wowarwirstehngeblieben? AH!…… weiterfreiwalz…
Hallo NickelPic,
ich glaube nicht, dass es das Selbstbewusstsein ist, das fehlt. Beschweren ist schlicht und ergreifend eine Zusatzbelastung, für die man Zeit und Kraft braucht. Wenn man also einen anstrengenden Beruf lebt und vielleicht sogar auch noch Freunde hat, mit denen man oft etwas unternimmt, dann ist es schwierig nebenher auch noch einen manchmal monatelangen Streit auszufechten.
Hast du dich schonmal bei der Bahn beschwert? Mach mal. Die sind Meister im „Beschwerden versickern lassen“.
Also: Frag nicht, wie du unser Selbstbewusstsein stärken kannst, sondern baue selber Barrieren ab oder sorge dafür, dass keine entstehen. Das würd wirklich weiterhelfen… Beispielsweise frage ich mich jedes Mal wieder, warum man unbedingt eine Stufe vor sein neugebautes Haus setzt. Was wenn das eigene Kind mal einen Freund im Rollstuhl hat? Manchmal kann es so einfach sein…
Danke!
Viele Grüße,
Thomas
Ich denke, wir können helfen und die Menschen mit Behinderungen ermutigen, zu sich selbst und ihren anspruch auf den gleichen Wert wie andere Menschen zu fordern.Darüber ist es wichtig,behinderung nicht zu ein Tabu zu machen.
[…] einen Flughafenrollstuhl setzen. Genau das gleiche Problem, das ich schon in Düsseldorf, Köln und Martin in Berlin hatte (dort allerdings beim […]
Am 3.5.09 wurde ich am Flughafen Wien kontrolliert. Da ich eine (mechanische) Armprothese trage, geht das Warnsignal des Metalldetektors jeweils los. Der Sicherheitsmitarbeiter kam gleich auf mich zu. Seine Finger begannen rasch, in etwas verwirrter Weise meinen Kabelzug abzutasten, aber irgendwie schoen er dort haengen geblieben zu sein unmd fiel in eine Art Rewind-Play-Rewind-Play-Mode. Er begann dann etwas von „Hemd ausziehen“ zu sagen, was ich nicht genauer verstand, da es kein ganzer Satz war.
Nachdem nach eine Weile klar wurde, dass der Sicherheits-Mitarbeiter schwitzte, nervoes war und keine Ahnung hatte was er da tat, sagte ich ihm, dass ich das Hemd sehr gut fuer ihn ausziehen wuerde, aber nicht vor allen Leuten.
Da das nicht wirkte, sagte ich es noch einmal, diesmal langsam und sehr laut. Es wirkte dann.
Er deutete dann in Richtung von so Kabaeuschen. Ich nahm zunaechst meinen Geldbeutel und die Tasche und wir gingen zu einem dieser Kabaeuschen mit Vorhang. Dieses entpuppte sich als schlecht beleuchtet und so winzig, dass der Sicherheitsmann direkt vor meinem Bauch stand. Wie die Leute im Winer Flughafen so Sicherheitskontrollen durchfuehren wollen ist mir schleierhaft.
Ich begann dann in aller Ruhe mein Hemd hochzuziehen, um die Prothese abzunehmen, worauf die Sicherheitsperson mich auf halbem Wege unterbrach und das Kabel noch einmal befingerte.
Die Kabel sind aber uninteressant, da gibts nichts zu sehen. Was interessant sein duerfte ist der Prothesenschaft: da der Sicherheitsmann ja nicht wissen kannm, wieviel Arm bei mir noch dran ist, sollte kontrolliert werden, dass ich da nichts drin reingepackt habe. Vor allem ja kein Apfelsaft, denn der waere ja streng verboten; Nagelscheren kann ich sowieso nicht brauchen da ich die Naegel ja feile.
Also bot ich ruhig und freundlich dem Wiener Flughafen-Sicherheitsmenschen an, ihm diesen Teil auch noch vorzufuehren. Ich habe etwa 800 Tage Militaerdienst gemacht, mir ist wurst, wenn einer 1 cm vor mir steht und schwitzt und zittert, ich gebe dem auch eine Demo meines Mobiltelefons oder Schluesselbundes oder erklaere ihm, warum es morgen schlechtes Wetter wird.
Dieses Kabaeuschen war aber wirklich sehr eng und die Situation war eigentlich absurd. Der Sicherheitsmensch meinte dann, er habe sowas noch gar nie gesehen. Er war irgendwie sehr nervoes. Er wollte dann die Kontrolle am Prothesenschaft nicht zu Ende fuehren. Ich haette also streng genommen und theoretisch dort Apfelsaft mitnehmen koennen und er haette es vermutlich nicht gemerkt.
Das war wohl nett gemeint von ihm, drauf hinzuweisen, dass er sowas noch nie gesehen haette – aber von Anfang an klar. Der Sicherheitsmensch hatte dann offenbar genug von dieser Situation und entliess mich aus dieser fuer ihn sehr unangenehmen Situation (obschon ich keineswegs stank: ich war auf der Heimreise von einem Schwimm-Wettkampf und bestens gewaschen, geduscht und parfuemiert).
Ich habe aber selbst auch ein Interesse daran, dass diese Sicherheitsmenschen ihre Ablauefe etwas verbessern, da ich sicher wieder nach Wien komme und mir so bald der Unterarm nicht wieder nachwaechst.
1) Wenn jemand eine Prothese traegt, muss man weder nervoes werden noch schwitzen. Manche Leute haben Gebiss, Peruecke oder tragen eine Brille. Also tief durchatmen und locker nehmen.
2) Als *erstes* in den Privatraum gehen. Oeffentliches Herumturnen ist zwar fuer alle anderen Zuschauer interessant, aber schadet vor allem dem Sicherheitsgedanken – denn der Sicherheitsmensch braucht vor allem geistigen Raum zum frei Denken. Nicht alle Fluggaeste koennen wie ich spontan die Einsatzleitung uebernehmen und die Schritt-fuer0-Schritt-Anweisungen freundlich und kompetent supplememtieren.
3) *Dann* der Reihe nach schauen, *wo* ist *was*. Wenn man nicht in *meinen* Prothesenschaft reinschaut dann schaut auch keiner sonst in einen rein, und dann haben die Security-Verantwortlichen da ein Sicherheitsloch von ca. 1/2 bis 1 Liter (Armprothesen) oder mehr (Beinprothesen). Das *muessen* die sich ansehen, sonst koennen Sie uns auch Apfelsaft und Orangensaft mitnehmen lassen (statt die alle abzunehmen und hinter der Security diese laecherlich hohen Preise zu verlangen).
4) Diese Untersuchungskabaeuschen waren derart winzig und schlecht beleuchtet, das ist schon mehr ein erotischer Touch-Room als eine Sicherheits-Massnahme.
Fuer mich wars eine unterhaltsame Nummer etwa wie aus „Kottan ermittelt“ – aber mit einer modernen Sicherheit im Jahr 2009 hatte das nichts zu tun.
Wenn wir das naechste Mal zum Flughafen Wien raus fliegen, haben die das ja vielleicht etwas besser im Griff ;-)
Ich hatte es diesen Leuten auch geschrieben dort, aber vermutlich fanden sie es nicht lustig. Ich habe ihnen empfohlen, eine Fortbildung bei Otto Bock zu buchen, die sollen ihnen erklaeren was es fuer Prothesen gibt, und wie man die Kontrollen so macht, dass es wenigstens den ***ANSCHEIN*** von Kompetenz erweckt.
There is *much* left to explore!
Alptraum Berlin Tegel, jetzt glotzen wir zurück: http://www.swisswuff.ch/tech/?p=177
Darum rate ich allen behinderten Menschen schließt euch zu Vereinen oder Verbänden zusammen gemeinsam seit ihr starkt. Unsere Ortsgruppe ist auch in einem Dachverband integriert, wir sind mittlerweile über 80.000 und können auch unsere Anliegen bei den Behörden in die Waagschale legen und wir erreichen viel. Nur einige Beispiele; Mitsprache auf die Gesetzgebung und Vollziehung.
Kompetente Beratung und Vertretung vor Behörden und Gerichten.
Preisgünstige Urlaubsmöglichkeiten in unseren Erholungshäusern und Vertragshotels im In- und Ausland.Betreiben einer orthopädischen Sonderkrankenanstalt.Hilfeleistung bei beruflicher Integration und Existenzgründung sowie in Notlagen.Aus- und Weiterbildung behinderter Menschen und deren Vertrauenspersonen.Betreuung der Mitglieder in Orts- und Bezirksgruppen sowie im privatwirtschaftlichen Arbeitsbereich.
Abschließend möchte ich noch bemerken, dass dieser Blog hier sehr hilfreich ist das sich behinderte Menschen austauschen können.
[…] Christiane ist eine Frau, die sich immer wieder beschwert, sich durchsetzt und trotzdem auch lobt, wenn etwas gelungen ist. Sie schreibt, wie wichtig es für die anderen ist, wenn jemand voran geht. Wenn es sich mehrere teilen, die Fallstricke im Alltag wegzuräumen, dann braucht der Einzelne nicht alleine seine Kraft vergeuden. April 20th, 2009 in Leben | tags: Beschwerden, beschweren, Feedback […]