Ich fühle mich schlecht informiert

Ich komme gerade vom Flughafen und bin seit 5 Tagen nicht wirklich auf dem Laufenden, was in Deutschland los ist, habe nur einmal online Nachrichten gelesen. Dass es in Deutschland einen Amoklauf gab, habe ich den britischen Abendnachrichten entnommen. Über Hintergründe war ich ahnungslos.

Als ich eben im Taxi die Nachrichten hörte, erfuhr ich als Ahnungslose über den Täter: Er war ein Waffennarr und hat gewaltverherrlichende Computerspiele gespielt, deshalb sei in Deutschland mal wieder eine Diskussion über das Verbot der Spiele entbrannt. Es äußern sich dazu Politiker A, B und C, während Experten Meinung D vertreten. Aha.

Dann habe ich mich an meinen Rechner gesetzt, bin auf Nachrichtenseiten gewesen. In Blogs lese ich Informationen zu der Tat, die ein anderes Bild zeichnen. Da gibt es einen Abschiedsbrief, dieser wird von den Medien teilweise falsch oder verfremdet zitiert. Dank einigen Bloggern kann ich ihn im Original lesen. Der Täter hatte massive psychische Probleme und war bereits 2004 auf der Suche nach Hilfe in einem Forum. Da die Polizei die Seiten systematisch mit Passwörtern versehen oder löschen lässt, finde ich, was ich suche im Google Cache und wiederum in Weblogs. Wer sich das alles mal durchliest, kann sich nur wundern, dass es hier angeblich um Computerspiele geht und es ist mir ein Rätsel, warum die Behörden die Seiten entfernen lassen.

Da hatte jemand massive psychische Probleme, war aggressiv. Die Ursache scheinen mir allerdings kaum die Computerspiele zu sein, sondern vielmehr sein nächstes Umfeld. Das Bild des Täters ist viel komplexer als das, was ich den Mainstreammedien entnehmen konnte. Dank Google Cache und Weblogs weiß ich das jetzt. Und wieder ist ein Stück Gatekeeper-Funktion der Medien abhanden gekommen…

9 Kommentare

  1. Katharina sagt:

    Mir ging es ähnlich hier in Spanien: als erstes erhielt ich die generalsierten Informationen aus den Medien, während man eben aus den Blogs den wahren Hintergrund der Tat erfahren konnte.

    Aber es ist doch immer einfacher eine solche Tat auf etwas naheliegensdes wie Computerspiele zu schieben. Aber mal die Augen auf zu machen und das System zu hinterfragen und die wirklichen Gründe zu finden…das ist wohl leider zu viel verlangt.

  2. Rosa sagt:

    Nun gut, ich würde nicht alle Medien über einen Kamm scheren wollen, aber mal ehrlich: Kann einen die Reaktion gerade der Boulevard-Blätter verwundern? Da wird geschrieben, was gelesen werden soll, was gut Stimmung also Schlagzeile also Verkaufszahlen macht. Es gab einige Blätter, die auch ganz schnell den Nickname kannten, im Internet ein bisschen gesucht haben. Aber das interessiert die, die jetzt lauthals nach Verboten schreien doch eh nicht. Kinder werden vernachlässigt, sind einsam, unter Druck…egal. Populärer Pragmatismus muss her und es gibt doch nichts einfacheres als Verbote.

  3. Zum Teil waren sogar die üblichen Rollenmuster bei den Medien umgekehrt: In vielen -zumindest nach deren Selbstverständnis- seriösen Blättern wurde in den Kommentaren Aktionismus bejubelt, während ausgerechnet „Brisant“, das Blut- und Herzschmerzmagazin der ARD, in einem Beitrag anmahnte, sich mehr um die psychische Betreuung von isolierten und gemobbten Schülern zu kümmern.

  4. Tobias sagt:

    Liebe Christiane,
    es war auch hier nicht besser mit der Berichterstattung. Die üblichen Verdächtigen schwadronieren über Verbote und das eigentliche Problem wird nur teilweise angesprochen. Man mag ja über die Bloggerszene denken was man will, aber in diesem Punkt habe ich mehr Wertvolles über Blogs erfahren als in den klassischen Medien. Ich weiß nicht, ob darüber erfreut oder traurig sein soll.

  5. Christiane sagt:

    @Tobias
    Genau das meinte ich, die DEUTSCHEN Medien. Ich war ahnungslos als ich hier ankam und war nicht besser informiert als ich die Nachrichten hörte. Erst als ich Blogs las, war ich im Bilde. Ich glaube, dass die Medien sich das auf Dauer nicht mehr leisten können, wenn sie nicht noch mehr Vertrauen verlieren wollen.

  6. Statistik für Politiker: Eine Einführung…

    Eigentlich hatte ich vor, mich aus der Wiederkäuerdiskussion über Amokläufer und Killerspiele dieses Mal herauszuhalten. Die Politiker sind sich ja immer so schnell einig, dass da etwas getan werden muss. Amoklauf in Emsdetten? Verbot von Counterstr…

  7. Das Nest sagt:

    Tja, das war aber auch ein Schock für unsre Medien: Erst der MOrd der Häftlinge an einem anderen, dann der Amoklauf. Aber im Fall von Hermann H. finde ich das noch viel extremer mit der Nicht-Information. Gestern hab ich nochmal einen lapidaren Satz gehört: es habe noch weitere Vorfälle in Gefängnissen gegeben, aber weiter hört man davon erst recht nichts. Und bei unserm Amokläufer klappt es wohl nur deshalb nicht so perfekt, weil eltern sich über Sachen, die in Schulen geschenen, doch noch irgendwie aufregen und nachhaken. Ich bin da guter HOffnung, daß sich da nicht alles wird unterm Teppich halten lassen können. Aber es zieht sich halt wirklich durchs ganze System: Egal, auf welche Art Du am Rand stehst: Vernünftige INformation will keiner von den PolitikerInnen.

  8. Die Computerspiele sind nicht allein schuld. Vieles ist daran schuld, wenn man sowas macht.

    Lorenz

  9. Sind die Computerspiele wirklich Schuld? – ein nachdenklicher Streifzug…

    Was kann einen jungen Mann von 18 Jahren dazu bewegen, in seine alte Schule zu gehen, mit einer Waffe um sich zu schießen, mehrere Menschen zu verletzen und sich dann selbst umzubringen? Die Computerspiele, sagen die Politiker, aber stimmt das wirklic…