Ich bin seit gestern nach einiger Zeit wieder in Hamburg. Im Bus der Hamburger Hochbahn ist mir ein Plakat aufgefallen, das im Bus hing. Es soll die Probleme illustrieren, denen Busfahrer im Alltag begegnen: Störenfriede, Türblockierer…. und Rollstuhlfahrer sowie Fahrgäste mit Kinderwagen. Ich musste zwei Mal hinsehen, um zu glauben, was ich da sah. Eltern mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer werden in einer Imagekampagne als Probleme dargestellt. Da fühlt man sich ja richtig willkommen als Fahrgast.
Die Kampagne stammt von der Agentur Orange Cube. Diese schreibt auf ihrer Internetseite: „Die Werbeagentur Orange Cube hat für die Hamburger Hochbahn eine Kampagne gestaltet, die den Alltag der Busfahrer darstellt und beschreibt, welchen Hindernissen sie tagtäglich begegnen.“ Rollstuhlfahrer und Eltern mit Kinderwagen sind also Hindernisse? Und ich dachte immer, ich sei Fahrgast.
Naja… das soll Verständnis für die Busfahrer hervorrufen, gerade, weil die hier in HH wirklich enormem Druck ausgesetzt sind (weil alle fahren wie die Bekloppten). So von wegen „versetzt euch mal in deren Lage, auf was die alles achten müssen“. Da könnte ich mich auch als Fußgänger oder Radfahrer oder Bagger oder Stau oder Ampel diskriminiert fühlen. Die Pfeile zeigen genauso auf andere Verkehrsteilnehmer, Fußgänger, die über die Straße rennen, Leute, die komisch fahren, etc. etc. Das ist ein Rundumschlag, und es wirkt, die Leute sind viel freundlicher zu den Busfahrern, und die weniger genervt.
Ich bin aber kein Fußgänger, der einfach über die Straße rennt oder ein Fahrradfahrer, der komisch fährt. Ich will nur Bus fahren und habe einen Rollstuhl unterm Hintern. Ich blockiere auch keine Tür und bin kein Störenfried. Ich habe schon verstanden, was die Hochbahn mit der Kampagne ausdrücken will, nur der Zweck heiligt ja nicht immer die Mittel. Es ist einfach eine Frage der Einstellung, ob Rollstuhlfahrer als Hindernis angesehen werden oder nicht. Was mich stört ist, dort werden negative Dinge aufgezählt, die den Alltag der Fahrer schwerer machen. Ich finde nicht, dass behinderte Menschen oder Eltern in so eine Aufzählung passen.
Ich denke, die Aussage der Kampagne ist absolut klar und zu 100% verständlich…
…der Ton ist aber in der Tat leider zu 100% daneben!
Ich finde das Wort Hindernisse sehr unglücklich gewählt. Selbst bei dem Wort Herausforderungen wäre vielleicht noch ein etwas bitterer Beigeschmack verblieben – doch hätte ich jedoch als passender empfunden.
Anderseits zeigt es auch sehr gut, wie ich unsere Gesellschaft (leider) oftmals empfinde: Alles was nicht so läuft – wie es soll – wird als schlecht angesehen. Dabei wird vergessen, dass wir gerade aus den Dingen, die nicht immer reibungslos laufen auch viel lernen können. Von dem guten Gefühl – es trotzdem dann gut zu bewältigen mal ganz abgesehen.
ich war am freitag auch in hh und werde auch nächstes wochenende wieder für 3 tage hinfahren.
ich bin u-bahn gefahren und habe an dich gedacht, da mir die riesen stufe beim ein und aussteigen aufgefallen. bisher bin ich fast immer nur bei mir daheim (frankfurt) oder in Australien gefahren und da gab es nie solche „stufen“. nunja.
jedenfalls finde ich das mit dem plakat auch nicht sehr prickelnd…heut zu tage sollte die gesellschaft doch etwas weiter, anders und normaler denken.
Genau das sind wir RollstuhlfahrerInnen: Hindernisse, Unbequemlichkeiten, Zumutungen.
Es wird Zeit, dass „wir“ die Realität mal anerkennen, um dagegen angehen zu können. Weichgespülte Behindi-Freundlichkeit und Zuckerwattekindereien sind lediglich Abfederungen des „guten Gewissens“ der Behindi-Kümmeranten und Liebliebeleintantchen.
Ich find‘ das Plakat klasse! Angesichts knapper Fahrpläne empfinden viele Busfahrer das Verladen von Rollstuhlfahrern sicherlich als großes Hindernis.
@Gerhard
Genau das ist das Problem. Manche Busfahrer in Deutschland empfinden das so. Es ist eine Frage der Einstellung.
Natürlich geht es für den Busfahrer einfacher, wenn keine Behinderten oder Kinderwagen mitfahren. Aber das ist nunmal so. Wenn wir eine Gesellschaft sein wollen, die Behinderte voll akzeptiert, dann gehört das zu den Dingen, die wir ohne großen Kommentar hinnehmen müssen – im Gegensatz etwa zu Idioten, die die Türen aus Spaß blockieren. Oder man muss eben dazu stehen, dass diese Gesellschaft eben tatsächlich behindertenfeindlich ist.
Wenn Rollstuhlfahrer und Kinderwagenschieber angesichts zu enger Fahrpläne für Busfahrer ein Hindernisse sind, gehören die Fahrpläne angeprangert, nicht die Kunden.
In meinen Augen ist diese Kampagne eine üble Geldverschwendung.
die Carola
Gerhard,
interessant finde ich, dass du vom „Verladen von Rollstuhlfahrern“ sprichst.
Also ich verlade vielleicht Güter…aber ähm..auch wenn ich nicht selbst auf einen Rollstuhl angewiesen bin wäre ich nicht erfreut zu hören, dass ich verladen werden soll.
Ich finde den Ausdruck „Verladen von Rollstuhlfahrern“ durchaus passend. Das ist für die Busfahrer selbst bei Niederflurbussen ein echter Kraftakt. Die zumindest in ländlichen Gebieten im Linienverkehr hauptsächlich eingesetzten Reisebusse sind für Rollstuhlfahrer auch mit viel gutem Willen nicht benutzbar.
Bitte bedenkt, dass ihr bei der HVV keine Kunden seid, die für ihren Transport Geld bezahlt haben, sondern Beförderungsbittsteller.
Also immer schön untertänig dankbar sein, dass ihr mitgenommen werdet, keine Probleme bereiten, ruhig sein.
Oder bezahlt man bei der HVV doch Geld? Wofür dann aber, wenn nicht zum Bearbeiten der Probleme, die die Beförderung mit sich bringt? Und wenn die Busfahrer überfordert sind, wessen Problem ist das? Mal überlegen… vielleicht des Managements des HVV? Eventuell? Nein?
Seltsames Hamburg. Da sind ja sogar die früher so säuerlichen Berliner Verkehrsbetriebe inzwischen ein Hort der Kundenfreundlichkeit dagegen. Vermutlich wegen der inzwischen größeren Internationalität und Weltoffenheit von Berlin. Oder so.
Da kann ich auf unsere Bremer Straßenbahn ja fast ein bißchen stolz sein: http://www.bsag.de/6708.php#9174
(nein, ich bin dort nicht angestellt)
Mensch nun seid mal nicht so mimosenhaft und überempfindlich. Von Hindernissen oder Problemen steht auf dem Plakat gar nichts. Im Wortlaut lese ich da „Der Alltag“ unserer Busfahrer. Und im Bild sehen wir mit Augenzwinkern auf was der Busfahrer alles achten muss. Wir sehen eine Mutter mit Kind, wir sehen einen Mann mit Hund, wir sehen ein Auto, Menschen die in der Tür stehen, einen Jugendlichen im toten Winkel.
Ich frage mich, warum die Behinderten sich immer dauerbeleidigt in den Vordergrund drängen und meinen die ganze Gesellschaft hätte sich gegen sie verschworen.
Natürlich ist es nicht leicht, wenn man im Rollstuhl sitzt, aber es bringt doch nichts der ganzen Welt daran die Schuld zu geben.
Wir Normalos geben uns ja schon echt Mühe für euch das Leben so einfach wie möglich zu gestalten. Dafür könnte man ja wohl ein wenig Dank erwarten.
@ User
Ich sehe das genauso wie du. hier wird etwas hineininterpretiert was gar nicht da ist. Das Plakat zeigt lediglich worauf ein Busfahrer, meist zeitgleich, im Arbeitsalltag zu achten hat. Und Rollstuhlfahrern bedarf es nunmal einer besonderen Aufmerksamkeit sowie einem erhöten Zeitaufwand. Und in diesem Zusammenhang können die abgebildeten Situationen (nicht Personen!) ein Problem darstellen. Oder wollt ihr mir erzählen, daß sowohl Eltern mit Kinderwagen als auch Rollstuhlfahrer nicht an der Haltestelle stehen und genervt auf die Uhr schauen wenn der Bus nicht pünktlich an der Haltestelle steht? Das Plakat soll einfach nur zu mehr Rücksicht und Umsicht ALLER Fahrgäste aufrufen. Von daher halte ich es für sehr gelungen.
Aber wenn es nichts zu meckern gibt, dann gibt es halt Leute die sich was zu meckern suchen. Und mal ehrlich, wäre dort kein Rollstuhlfahrer abgebildet hättet ihr euch doch sicher aufgeregt daß man euch vergessen hat und hineininterpretiert, daß man Rollstuhlfahrer offensichtlich nicht als erwähnenswerte oder willkommene Fahrgäste ansieht.
Und leider ist es so, daß oftmals behinderte Menschen ein größeres Problem mit ihrer Behinderung haben als ihre Mitmenschen.