I lost my voice

Vor kurzem war ich mal wieder bei Boots. Boots ist eine große Drogeriekette in Großbritannien. Als ich meine Ware auf die Theke gelegt hatte, um zu bezahlen, wartete ich darauf, dass mir die Angestellte den Preis nennt. Stattdessen drehte sie die Kassenanzeige zu mir und zeigte auf ein Schild. „I lost my voice“ (Ich habe meine Stimme verloren) stand dort. In den USA ist mir mal eine gehörlose Kassierin begegnet. Auch sie hatte ein Schild an der Kasse stehen, dass die Kunden darauf hinwies, dass sie gehörlos ist. Ich frage mich in solchen Situationen dann immer, ob es das in Deutschland wirklich nicht gibt oder mir nur nie begegnet ist.

21 Kommentare

  1. Saranya sagt:

    Mir ist bisher im Rhein-Maingebiet noch kein(e) gehörlose(r) VerkäuferIn begegnet. Aber auch nicht in anderen Berufen bzw. Sparten.

    Aus meiner Zeit im ÖD sind mir auch wenig Menschen mit sofort erkannbaren Handicaps aufgefallen. Aber Gehörlose waren hier auch nicht dabei.

    Aber ich bin mal (naiv?) optimistisch: irgendwo gibt es auch in Deutschland Gehörlose in einem regulären Job. Hoffe ich jedenfalls – ganz dolle.

  2. Stimm- oder gehörlose Menschen sind mir in Deutschland in dem Zusammenhang auch noch nicht begegnet, allerdings beschäftigt der Coop in Lübeck immer mal wieder Menschen mit einer geistigen Behinderung an der Kasse und im Obst- und Gemüsebereich. Ich weiss allerdings nicht, ob das eine dauerhafte Beschäftigung ist, dafür bin ich da zu selten. (Coop ist vielleicht aufgrund der Entstehungsgeschichte da auch anders als andere Unternehmen.)

  3. suz sagt:

    Äh, das erinnert mich spontan an meinen Aushilfsjob in einem Gemüseladen. Ich hatte die eine Erkältung und absolut keine Stimme – und flüstern ging in der Hektik und bei dem Geräuschpegel nicht. Deshalb hatte ich einen ähnlichen Hinweis an der Seite (Pappkarton). Ich hoffe nur, dass das damals keine Anmaßung war. Aber beim Lesen deiner Geschichte hatte ich erst an so eine Sache gedacht :)

  4. Dorothea sagt:

    Lol – zu hoffen gibts da nix.

    Sogenannte „Behinderte“ sitzen hier arbeitslos zuhause rum, werden in CARP-Läden ausgebeutet oder sind in den achsotollen „Werkstätten“ ghettoisiert.

    Auch wenn es ein paar Liebeleins nicht wahrhaben mögen.

  5. Gerhard sagt:

    Beeindruckend. Ich fänd’s dennoch sehr störend, wenn ich mit der Kassiererin nicht unterhalten könnte und würde die Kasse wohl zukünftig meiden.

  6. Jan sagt:

    Ich finde auch etwas sehr störend.
    Allerdings nicht das Nichtsprechen der Kassiererin, sondern die Unverschämtheiten mancher Kunden respektive Kommentatoren.

  7. Gerhard sagt:

    Unverschämt? Ich möchte einfach freundlich begrüßt und ggf. auch beraten werden und mich mit dem Mitarbeiter an der Kasse unterhalten können. Das ist mein gutes Recht als Kunde.

  8. Ingeborg sagt:

    Hallo,
    als Mutter eines nichtsprechenden Kindes frage ich mich, warum die Frau keinen Talker nutzte, so könnte sie auch blinde Menschen bedienen.

    Oder werden diese sündhaft teuren Sprachcomputer (unser hat 13000 € gekostet) über national health nicht bezahlt?

    Liebe Grüße

  9. Christiane sagt:

    Was sich bei der Diskussion hier wunderbar zeigt ist, wie Behinderung von manchen so gesehen wird – als reines Defizit. Ein Teil geht davon aus, dass das angebliche Defizit dieser Frau entweder so schwerwiegend ist, dass sie besser da nicht arbeiten soll oder aber wenigstens etwas benutzt, dass das Defizit entfernt oder verringert. Warum ist es so schwer zu akzeptieren, dass sie den Job anders macht, aber nicht schlechter? Es geht sicherlich schneller, mir den Preis auf dem Display zu zeigen als ihn in den Talker einzugeben. Sobald ein blinder Kunde kommt, kann sie ihre Kollegin holen. Das wird nicht mehr als einmal die Woche vorkommen. Wo ist das Problem? Und bitte, es darf doch jeder selber entscheiden, welches Hilfsmittel er benutzt und welches nicht. Ich bin sicher, sie hätte dafür auch hier einen Kostenträger, aber die Frage ist doch, ob sich das im Alltag auszahlt. Sprechen um zu Sprechen ist auch nicht die Lösung, wenn es ewig dauert. Bei Boots muss es schnell gehen.

    Sie stand übrigens an der Kasse, war nicht in der Beratung. Sie hat mich begrüßt. Mir ist nicht aufgefallen, dass sie dabei nicht gesprochen hat. Ich habe die Ware auf die Ablage gelegt. Dann habe ich nicht geschnallt, warum sie den Preis nicht sagt, dann hat sie auf das Schild mit dem Hinweis gezeigt und dann auf den Preis. Ich habe ihr ein schönes Wochenende gewünscht und sie hat mir mit deutlichen Gesten ebenfalls ein schönes Wochenende gewünscht und hat sich bedankt.
    Mit Verlaub, mehr erwarte ich nicht von einer Drogerieangestellten. Und bei der gehörlosen Kassiererin in den USA verlief das ganz genauso.

    Letztendlich ist es wie immer, nicht die Behinderung der beiden ist das Problem, die haben den Job zu meiner Zufriedenheit gemacht, sondern wie die Leute darauf reagieren. Aber in keinem der beiden Läden war das für die Leute vor und hinter mir ein Problem übrigens.

  10. Gerhard sagt:

    Danke für deine umfangreiche Erläuterung, Christiane.

  11. Ingeborg sagt:

    Hallo,
    ich glaube nicht, daß ich eine Behinderung als reines Defizit sehe, ich sehe lediglich die Möglichkeit der Kommunikation als absolut entscheidend für einen Menschen an, da ich eben erleben darf, wie schwierig es ist,nonverbal durchs Leben zu gehen.

    Es muß den Nichtsprechenden Menschen zumindest die Möglichkeit genannt werden, wie sie mit Dritten kommunizieren können. Dies erfolgt eben häufig nicht, da eine Nichtsprachlichkeit mit einer geistigen Behinderung gleichgesetzt wird. Vielen werden einfach über Möglichkeiten nicht informiert oder diese Hilfsmittel werden nicht bezahlt, das ist das,was mich nervt. Jeder kann sich dann entscheiden, ob wann und wie er ein Hilfsmittel einsetzen möchte – aber er muß eben richtig beraten und informiert werden. Gerade im Bereich der Sprache kennen sich hier kaum Ärzte mit Hilfsmittel aus und die meisten nonverbalen Schulkinder sind absolut nicht versorgt und die Eltern haben keine Kenntnis von möglichen Hilfsmitteln.

    Über Minspeak oder den Lightwriter kann man fast im normalen Tempo kommunizieren.
    Klar kann man auch einfach den Betrag zeigen, aber vielleicht ist doch mal die Frage zu beantworten, warum es nun nicht den Rabatt gegeben hat oder wieso der Preis von der Beschilderung abweicht etc.

    Wer nicht will, muß ja nicht, aber wenn man sich in die Arbeitswelt integrieren will, muß man eben auch das machen und nutzen, was man braucht und was hilft.

    Ich trage meine Brille bei der Arbeit und würde nie von meinem Arbeitgeber verlangen, mir spezielle Programme zu installieren, damit ich am Bildschirm ohne Brille arbeiten kann.
    Ist es nun defizit orientiert, wenn ich von jedem verlange, eine Brille zu tragen, damit er seine Arbeit machen kann? Oder seine Einlagen/Absatzerhöungen, damit er länger stehen kann.

    Aber viele reagieren auf die Information/Anfragen und hinsichtlich Behandlungsmethoden oder Hilfsmittel eben pieksich… einige Hörgeschädigte votieren gegen die CIs, oder Kleinwüchsige meckern gegen die Hormontherapie, weil man die Behinderten nicht so akzeptiert wie sie sind, sondern ihnen einen Schritt in Richtung „Normalität“ aufgrängen will.

    Und ja, unsere Tochter ist minderwüchsig. Wir sind zumindest in der Beratung über eine Hormontherapie, weil ich es ihr nicht zumuten möchte mit 1,44 durch die Gegend zu laufen, wenn ich ggf. eine Möglichkeit habe, das zu verhindern. Das heißt aber nicht, daß ich irgendein Problem mit einem kleinwüchsigen Menschen habe.

    Und wenn ich jemanden mit einem Schild vor sich sehen würde, auf dem stünde: „Ich habe meine Gehfähigkeit verloren“, würde ich mich auch fragen, warum er wohl keinen Rolli nutzt, um wieder Mobilität zu erlangen.

    Nicht jeder Hilfsmittelvorschlag oder-versorgung ist als Kritik an Behinderten und mangelnder Akzeptanz zu verstehen.
    Immer schön locker bleiben und liebe Grüße über die Norsee sendet Ingeborg

  12. Christiane sagt:

    @Ingeborg
    Hilfsmittel sind dazu da, um Menschen das Leben zu erleichtern und nicht um „Normalität“ zu erreichen. Das ist genau das, was mich an Deinen Kommentaren so stört. Das ist ein ein großer Unterschied.

    Für jemanden, der nicht gehen kann, ist es problemlos möglich, einen Rollstuhl zu nutzen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Das ist aber längst nicht immer so. Ich kenne die Frau nicht, ich weiß nicht wie lange sie schon nicht sprechen kann und wieso, so lange ich dass nicht weiß, kann ich doch nicht sagen, was für sie gut ist. Vielleicht hat sie ja sogar einen Talker, setzt ihn aber aus verschiedenen Gründen im Kundenkontakt nicht ein.

    Es sollte bei Hilfsmitteln und Therapien wirklich nur darum gehen, ob sie was nutzen, ob sie der Mensch, der sie nutzt wirklich braucht und vor allem selbst will. Und das CI ist nochmal eine ganz andere Ebene des Themas. Da geht es ja nicht darum, ob man das einfach nutzt, sondern ob man sich operieren lässt, sich das Ding in den Kopf einsetzen lässt und welche Rolle die Gebärdensprache noch spielt oder nicht. Auch CI-Träger haben immernoch eine Hörbehinderung, auch wenn viele Eltern hoffen, das sei anschließend nicht mehr so. Das Thema ist wirklich komplexer als die Frage Talker ja oder nein.
    Gleiches gilt für die Frage nach der Hormontherapie. Ich kenne die Nebenwirkungen nicht. Aber auch da kann es doch nur um die Frage geht, nutzt es dem Kind oder schadet es und nicht darum, „Normalität“ herzustellen. Was mich wirklich stört ist, dass Behinderung in erster Linie als medizinisches Problem angesehen wird, das medizinisch gelöst werden muss. Das gelingt erstens in den wenigsten Fällen und zweitens würde ich gerne mal die gleiche Energie darauf verwendet sehen, den Menschen Selbstbewusstsein mit auf den Weg zu geben und nicht ständig zu signalisieren, es sei etwas nicht in Ordnung mit ihnen. Das gleiche betrifft auch die Eltern. Die kriegen auch ständig erzählt, sie müssen noch dies und jenes machen, weil etwas nicht in Ordnung ist.

  13. hajo sagt:

    @12 Christiane,
    kann es sein, dass Sie zumindest genervt sind? Das ist jedoch ein schlechter Kommunikationspartner.

    Ich stimme Ihnen zu, dass man zuerst einmal den Menschen so zu nehmen hat, wie er/sie ist (basta!), aber ist es wirklich so abwegig, für Behinderte (insbesondere die, welche sich in der Entwicklung befinden) eine gewisse Anpassung an die Normalität zu wünschen (nicht zu fordern!)?

    Es ist doch wohl unbestritten, dass eine Behinderung etwas verhindert, was andere können. Ob dies ein wirklicher Nachteil ist oder ob Behinderte nicht durch diesen „Umstand“ (mir fällt grad nichts Besseres ein) zu „Dingen“ fähig sind, zu denen wir „Normalos“ keinen oder nur mühsamen Zugriff haben, weiss ich nicht, kann’s mir aber vorstellen.

    Aber, bei aller Barrierefreiheit und allem aufzubringenden Verständnis sollten Sie eines nicht vergessen: Es wird immer Mitmenschen geben, die vergessen/verdrängt oder nie gelernt haben, sich die Lebensumstände von Behinderten (zumal es ja nun eine ganze Menge erheblich unterschiedlicher Behinderungen mit ebenso unterschiedlichen Bedürfnissen gibt) vor Augen zu führen.

    Dabei fällt mir noch ein: können Sie wirklich ausschliessen, dass alle Behinderten für alle anderen Behinderten/Behinderungen Verständnis aufbringen?

    Abschliessend herzlichen Dank für dieses blog, auch für die Emotionen, die Sie manchmal rauslassen. „Wir Normalos“ (wieder mal so eine tolle Verallgemeinerung, aber ich denke, Sie können damit umgehen) sind in unserer Welt so gefangen (ich mein‘ das nicht ironisch!!!), dass es notwendig ist, auch Einblicke in diesen Teil des Lebens zu erhalten.

    Gruss
    hajo

  14. Christiane sagt:

    @Hajo
    Nein, ich bin nicht genervt, so schnell geht das nicht, mich zu nerven. Ich versuche nur zu erklären, dass es wichtig ist, jemanden auch mit Behinderung zu akzeptieren und nicht reflexartig darüber nachzudenken, wie man die Behinderung wegkriegt.
    Und nein, ich wünsche niemandem die „Anpassung an die Normalität“. Ich wünsche jedem, dass er die besten Hilfsmitteln für sich persönlich findet und vor allem die Behinderung annimmt und ein glückliches Leben führt. Mit dem Begriff „Normalität“ kann ich in Bezug auf Behinderung nichts anfangen. Ich nehme für mich in Anspruch, normal zu sein, auch wenn ich Rollstuhlfahrerin bin. Ich finde es sehr verräterisch, wenn Menschen von Normalen und behinderten Menschen sprechen.

    So lange Behinderung von der Gesellschaft als etwas Unnormales empfunden wird, ist es noch ein weiter Weg zu Gleichberechtigung.

  15. hajo sagt:

    @14 Christiane
    Ich glaube, über meine Auffassung bezüglich der Akzeptanz von Behinderten habe ich deutlich genug gemacht.
    Ich kann aus dem Betrag von Ingeborg nicht entnehmen, dass sie sich NICHT über Risiken und Nebenwirkungen der angedachten Behandlung informiert hat (habe ich übrigens bei keiner der mir bekannten ähnlichen Fälle beobachtet), somit ist das von Ihnen verwendete Attribut „reflexartig“ doch wohl unzutreffend.
    Sie haben etwas gegen das Wort Normalität als Gegensatz zu behindert sein. ok, diese Aversion konnte ich schon mehrfach beobachten, aber ist sie nicht eher das Problem der Behinderten, die meinen, Ihre Lebensumstände stets und ständig erklären oder gar entschuldigen zu müssen? Kein Mensch, der ein wenig Grips im Hirn hat, wird dies erwarten oder gar verlangen und die anderen, ja mit denen muss jeder, ob behindert oder nicht behindert fertig werden, denn die haben in der Regel nicht nur Probleme mit Behinderungen sondern auch mit „der ganzen Welt“.
    Das meiste, was Sie als Unnormales klassieren, ist doch eher Gedankenlosigkeit. Und etwas sollten sich alle Menschen, gleich ob behindert oder nicht behindert bewahrt haben: das Vergessen und Verzeihen.
    Aber vielleicht sehe ich das zu idealistisch!?
    Gruss
    Hajo

  16. Christiane sagt:

    @Hajo
    Vergessen und Verzeihen? Das ist eine Fähigkeit, die behinderte Menschen von Grund auf lernen. Auch die Dankbarkeit nicht zu vergessen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es behinderten Menschen daran mangelt, nachsichtig zu sein und über Dinge hinwegzusehen. Sonst wäre der Alltag ziemlich ungemütlich – für behinderte und nicht behinderte Menschen. Ich habe eher den Eindruck, dass sich behinderte Menschen viel zu wenig wehren und viel zu wenig kommunizieren, was ihnen eigentlich so tagtäglich passiert. Genau deshalb schreibe ich dieses Blog.

    Und ja, es gibt viel Gedankenlosigkeit und Unbeholfenheit. Ich bin in einer größtenteils nicht behinderten Umgebung aufgewachsen und weiß, dass man auch als behinderter Mensch lernen muss, nicht alles auf die Goldwaage zu legen. ABER: Es gibt auch einen mindestens genauso großen Teil an bewusster Diskriminierung und Ignoranz. Und auch die Gedankenlosigkeit hat Ursachen. Nämlich unter anderen die, dass behinderte Menschen immer noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Und wer nicht sichtbar ist, den vergisst man. Insofern würde ich mich eher wünschen, dass zwar verziehen wird, aber nicht ohne vorher zu kommunizieren, was falsch gelaufen ist.

  17. hajo sagt:

    Christiane

    Christian Fürchtegott Gellert hat im 18. Jahrhundert ein Gedicht geschrieben, das in diesem Zusammenhang ein interessantes Fazit aufweist:
    Es geht um das Ihnen möglicherweise (nicht nur wegen Ihrer eigenen Behinderung) bekannte Gedicht „Der Blinde und der Lahme (der Begriff „Lahmer“ wird Sie hoffentlich nicht beleidigen: es handelt sich um eine umgangssprachliche Bezeichnung eines Gehbehinderten – aber damals war man noch nicht so „sensibilisiert“ in der Wortwahl).
    Der Schluss lautet (aus dem Gedächtnis heraus):
    „Du hast das nicht, was andre haben
    und andern mangeln Deine Gaben.
    Durch diese Unvollkommenheit
    entspringet die Geselligkeit.“
    und jetzt kommt der m.E. eigentliche Kernsatz
    „Wenn jenem nicht die Gabe fehlte
    die die Natur für Dich erwählte
    so wird er nur für sich allein
    und nicht für Dich bekümmert sein.
    Beschwer die Götter nicht mit Klagen,
    den Vorteil, den sie Dir versagen
    und jenem schenken, wird gemein:
    wir dürfen nur gesellig sein.“

    Ist Ihnen das Ganze zu philosophisch (DER kann gut reden ..!)? Ich hoffe nicht. Ausserdem sollten Sie mich bitte – ich ahne die Gefahr, setze mich dieser jedoch trotzdem aus – nicht für einen Zyniker halten: ich gelte zwar nicht als Behinderter, aber ich trage, wie viele andere auch, ebenso „mein Päckchen“.

    Ich kann mir nicht helfen: Ihren Worten entnehme ich doch eine gewisse Aggression. Eigentlich schade, denn solche Emotionen helfen nicht weiter, andererseits jedoch verständlich angesichts des Verhaltens einiger Mitmenschen.
    Aber denken Sie auch an die Menschen, die Ihnen Freude machen (wie die Kellnerin in Ihrem neuen Beitrag), davon gibt es vielleicht nicht genug, aber doch so viele, dass man für die nächste Zeit „auftanken“ kann.

    Abschliessend noch eine Frage: warum hört man von Behinderten immer wieder die Vokabel „Dankbarkeit“? Es ist zwar für jemanden, der einem Anderen einen „Gefallen“ tut, schön, ein „Danke“ zu hören und ich bin (Jahrgang 1950) in einer Zeit aufgewachsen, in der Kinder dieses Wort noch eindringlich gelernt haben (galt übrigens für ALLE Kinder, behindert oder nicht behindert!), deshalb ist es aber absolut nicht notwendig, sich für Selbstverständlichkeiten permanent zu bedanken: dies bringt den Anderen oft nur in Verlegenheit.

    Grüsse aus Frankfurt am Main, in dem auch noch lange nicht alles barrierefrei ist (aber es wird dran gearbeitet)

    Hajo

  18. Christiane sagt:

    Puh, okay, ich kapituliere. Ich glaube, wir kommen auf keine gemeinsame Ebene. Ich habe aber eine Bitte: Schau Dir mal die Rede von Lars Odegard, einem rollstuhlfahrenden Politiker aus Norwegen an: http://tinyurl.com/2b5rz
    Die Rede fasst wunderbar zusammen, worum es mir und anderen eigentlich geht.

  19. hajo sagt:

    Christiane,

    Sie werden sicherlich nichts weiteres von mir lesen, aber eines muss ich noch schreiben (Sie können’s ja aus dem blog löschen, wenn’s Ihnen nicht passt):

    1. wir leben in einer realen Welt
    2. Menschen sind unterschiedlich und empfinden unterschiedlich

    Was Sie fordern ist doch, dass Nicht-Behinderte Behinderte wie „Ihresgleichen“ behandeln, sehen aber nicht, dass dies nicht möglich ist. z.B. haben Sie in Ihrem Thema „dafür sind wir nicht zuständig“ bemängelt, dass die Betriebsgesellschaft nicht bereit war, Ihnen den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln zu eröffnen. Dieser – auch in meinen Augen skandalöse – Umstand zeigt aber doch ganz deutlich, dass es noch (massenhaft) „Barrieren“ gibt, die verhindern, dass Behinderte sich wie Nicht-Behinderte OHNE UNTERSTÜTZUNG bewegen können.
    Es ist selbstverständlich Ihr gutes Recht, die Beseitigung der Barrieren zu fordern, bitte behalten Sie aber dabei – oder zumindest bei der Beurteilung des Umganges Anderer mit Ihren Forderungen – im Auge, dass es auch noch andere, und seien es materielle, Gründe gibt, die eine Lösung in Ihrem (ich meine damit auch immer andere Behinderten) Sinne verhindert, zumindest aber verzögert. Ich weiss, die Geduld ist dabei oft „am Anschlag“.

    Abschliessend noch etwas: Ich habe – vielleicht etwas kryptisch – angedeutet: Sie sehen das Ganze von Ihrem Standpunkt (von Ihrer Art der Behinderung) aus, das ist verständlich und absolut ok, aber haben Sie sich auch einmal klar gemacht, wieviele unterschiedliche (und ich meine hier z.Tl. gravierende Unterschiede) Behinderungen mit völlig unterschiedlichen Ansprüchen an Massnahmen zur „Hilfe zur Selbsthilfe“ (so würde ich Ihre Intention in einem Begriff zusammenfassen, liege ich da falsch?) es gibt? Und all das soll SOFORT und durch die Allgemeinheit erledigt werden.

    Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin schon der Meinung, dass die Allgemeinheit auch die Verpflichtung hat, Behinderten ein Leben im Sinne des zuvor Geschriebenen zu ermöglichen, die Betonung liegt jedoch hier – wie bei so Vielem – auf dem Wort AUCH.

    Sehen Sie die Tatsache, dass ich mich auch emotional intensiv in diesem blog beteiligt habe, als Zeichen, dass mich dieses Thema beschäftigt. Ihre – verzeihen Sie meine Wiederholung und die folgende harte Wortwahl – Verbitterung und Sturheit bringt zwar meine Weltanschauung nicht ins Wanken, sorgt jedoch dafür, dass ich mir meine „Gesprächs-„Partner in Zukunft noch genauer ansehe.

    Zu allerletzt noch einen Rat, der nichts mit Behinderungen zu tun hat: beschäftigen Sie sich doch mal mit dem Thema „brainstorming“. Hier werden Ideen gefunden durch „hemmungsloses“ Äussern von Gedanken zu einem Thema. Aber vielleicht wollen Sie ja in Ihrem blog nur Ihre eigene Meinung bestätigt sehen?

  20. Christiane sagt:

    @Hajo
    Ich fordere nicht, dass behinderte Menschen wie nicht behinderte Menschen behandelt werden. Ich fordere Gleichberechtigung. Das ist etwas völlig anderes.

    Ich fordere auch nicht, dass alles von heute auf morgen geschieht, sondern, dass Barrierefreiheit und die gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen realisiert wird. Ich weiß, dass das Zeit kostet, auch Geld. Aber viele Maßnahmen kosten keinen Cent, sie müssen nur gewollt sein. Die Rampe an einen Zug anlegen, die sowieso da ist, kostet kein Geld. Das ist eine Frage des Willens. Und wenn man beim Neukauf von Zügen darauf achtet, dass sie auf gleicher Ebene zum Bahnsteig halten, braucht man nicht mal eine Rampe.

    Und ich frage mich, warum Sie mir vorwerfen ich sei aggressiv, verbittert… Ich bin ein politisch denkender Mensch mit einer Meinung, die ich nicht hinter dem Berg halte. Ich kann schreiben, ich kann reden und so lange ich das kann, werde ich das nutzen, um für Barrierefreiheit einzutreten. Und zwar nicht nur für Rollstuhlfahrer, sondern für alle behinderten Menschen. Auch wenn die Maßnahmen unterschiedlich sein mögen, um Barrierefreiheit zu erreichen, die Hüren bis dahin sind doch immer die gleichen.

    Ihre Frage, ob ich nur meine eigene Meinung in diesem Blog bestätigt haben möchte, ist schon dadurch widerlegt, in dem Sie hier ungehindert Ihre Meinung sagen dürfen. Aber dass ich so manches nicht unwidersprochen stehen lasse, damit muss man in Blogs wie diesem schon rechnen.

  21. Tesch sagt:

    hallo, ich gehöre leider auch zu den Hör-
    geschädigten Menschen, die u.a. als Kassierin
    arbeiten. Der Kommentar von Gerhard Beitrag 5
    ist der Hammer,das gibt es doch wohl nicht, das
    dieser Mensch die Kasse meiden will nur weil
    kein Gespräch mit der Kassenkraft möglich ist.
    Echt super wie manch gesunde Leute auf Menschen
    mit Behinderungen reagieren. Ich mußte mir auch
    schon mal anhören dann dürfen sie hier nicht
    arbeiten ja wie jetzt sollen behinderte nicht
    arbeiten, Frechheit sondergleichen sowas.
    Ich bin zwar nicht ganz gehörlos aber durch
    Tinnitus und Geräuschempfindlichkeit stöpsel
    ich mir mein auch schon angedischtes Ohr mit
    Silikonstopfen zu und höre somit auch so gut wie
    nichts auch ich mache die Kunden dann mit
    Fingerzeig drauf aufmerksam was zu zahlen ist
    wo ist das Problem? Dann frag ich mich mit welchem
    Recht die Kunden jemanden dann anfassen dürfen
    um auf sich aufmerksam zu machen weil vielleicht
    was nicht stimmt unmöglich ist das hier das
    Behinderte Menschen so diskriminiert werden.
    Ach ich würde nicht bereit sein mir da irgendwas
    in den Kopf pflanzen zu lassen nur um meine
    Mitmenschen hören zu können die müssen mich eben
    so nehmen wie es ist. Außerdem ist man wohl auch
    nicht zum quatschen da sondern zum arbeiten.
    Daumen hoch für den Beitrag von Jan Beitrag 6:
    Die unverschämtheit mancher Kunden hat er Recht
    denn kein Behinderter hat es sich so ausgesucht.
    Irgendwie kommt einem da der Gedanke, das man
    sowas wie uns dann wohl besser ausrotten sollte
    oder so.
    Mfg