Familienbetriebe

Ich muss gestehen, ich bin kein Fan von familiengeführten Betrieben ohne Schriftzug einer großen Hotelkette über der Tür. Man weiß da nie so recht, was einen erwartet. Ich bin gerade in einem solchen Hotel und diese „deutschen Traditionsunternehmen mit Herz“ sind mir irgendwie ein Graus: Oft läßt die Ausstattung des Zimmers auf das Wohnzimmer und den Geschmack der Familie schließen und der Fernseher macht den Anschein als sei er aus dem Nachlass der Großmutter übrig geblieben. Vielleicht habe ich auch einfach immer Pech gehabt, aber irgendwie habe ich den Eindruck, bei Marriott, Holiday Inn & Co. besser aufgehoben zu sein. Da wackelt kein Türgriff, die Rezeptionistin ist durch 10 Schulungen für Kundenorientierung gegangen und wenn doch mal was nicht okay ist, läuft ein „Wie machen wir den Fehler wieder gut?“-Programm ab. Und diese Hotels halten im Zweifelsfall, was sie versprechen und wenn nicht, gibt es eine kostenlose Hotline, die einem zumindest das Gefühl vermittelt, es werde was getan und der Kunde wird ernst genommen.

Ich hatte das Familienhotel am Stadtrand von Kiel vorher angerufen und gefragt, ob es barrierefrei ist. Ich hatte gesagt, dass ich Rollstuhlfahrerin bin. Ja, man sei „behindertenfreundlich“, sagte man mir. Das Wort „barrierefrei“ ist noch nicht so etabliert, deshalb war ich über die Antwort nicht verwundert sondern dachte, ich finde ein barrierefreies Zimmer vor.

Ich kam hier also an und es wurde schon ein riesen Trara veranstaltet, weil ich auf dem viel zu hohen Tresen die Anmeldung nicht ausfüllen konnte. Ich bat um eine Unterlage. Man hatte keine und ich kam mir schon total lästig vor. Sowas gibt es bei den Ketten einfach nicht. Da wird immer irgendwas organisiert, ein Buch oder Ordner ist immer da. Ich hab dann irgendwie auf dem Schoß rumgekritzelt.

Als ich ins Zimmer kam, war ich mir nicht sicher, ob ich wirklich im Rolli-Zimmer war. Die Toilette ist sehr niedrig, es gibt nirgendwo Haltegriffe, der Platz neben der Toilette reicht nicht, um mit dem Rollstuhl daneben zu fahen, meine Knie passen nicht unter das Waschbecken im Sitzen und die Dusche ist zwar zu ebener Erde, aber darum ist ein Glaskasten gebaut, der nicht in ein barrierefreies Zimmer gehört und stört.

Bad

In meiner grenzenlosen Naivität rief ich die Rezeption an und fragte, ob ich im richtigen Zimmer sei. Man habe keine barrierefreien Zimmer, nur „behindertenfreundliche“ klärte man mich auf. Eine derartige Unterscheidung ist absolut unüblich und jeder versteht unter „behindertenfreundlich“ offensichtlich etwas anderes. Für barrierefreie Zimmer gibt es eine DIN und dass die auch bitter nötig ist, erlebe ich hier gerade. Das Hotel wirbt mit dem Merkmal „behindertenfreundlich“ übrigens auch und ich nehme an, ich bin nicht die Einzige, die vermutet, das Hotel kenne nur den richtigen Ausdruck für Barrierefreiheit nicht.

Da nutzt mir die ganze Herzlichkeit eines familiengeführten Betriebes nichts, wenn ich nicht das vorfinde, was ich erwarte oder auch nicht sicher sein kann, was auf mich zukommt. Mir reicht die antrainierte Freundlichkeit des Hotelkettenpersonals durchaus und ich erwarte auch nicht, dass ich vom Hausherrn begrüßt werde. Ich will einfach vorher wissen, was ich buche und nicht die Katze im Sack kaufen.

5 Kommentare

  1. Martin Ladstätter sagt:

    Der Bericht ist typisch und wiederholt sich sicherlich hundert Mal in der Woche. Ich bin schon soweit, dass ich beim Wort „behindertenfreundlich“ sekptischer bin, als wenn wer sagt „Nein wir sind nicht zugänglich“. Der Grund ist leicht erklärt: Die, die „behindertenfreundlich“ sind, glaube zumindest etwas zu haben – ohne abschätzen zu können was für Schwachsinn sie haben.

    Man lerne: „behindertenfreundlich“ ist ein wichtiges Wort. Man möge um solche Angebote IMMER einen Bogen machen.

  2. Dorothea sagt:

    Behindertenfreundlich = freundlich zu Behinderten. So wie – freundlich zu Hunden und Katzen. Tierfreundlich insgesamt.

    Kinder-freundlich ist genau so ein Wort, passt aber hier nicht in den Kontext.

    Freundlich = wir machen vielleicht ein bischen duziduzidudeldei, lächeln lieeeeeepppp, ekeln uns nicht allzu offensichtlich, und notfalls übernehmen wir auch das „Pflegen“, also Waschen, Duschen und Hin- und Herkarren. Macht uuuuuns doch nix aus, wir sind doch behindi-freundlich.

    Barrierefrei drückt einen Standard aus, einen Anspruch, eine Norm. Huchz, da kommen die Behindis her und sind nicht daaaaankbaaaaar, dass sie hier ein wenig Rundumbelächelung finden, sondern wollen auch noch nachvollziehbare Standards? Wieso, die haben doch eh immer nen Pfleger dabei, der sich „kümmert“. Die KÖNNEN doch nix alleine. Die sind doch BEHINDERTE.

    Ich kenn das, ich habs durch. Ich verreise _nie_ in behindifreundliche Angebote. Entweder können sie einer Rollstuhlfahrerin nachvollziehbar vermitteln, dass sie ALLEINE klar kommt, oder sie kriegen meine Kohle nicht. Ganz einfach. – Oder auch nicht. Denn die barrierefreien Geschichten sind meist teurer, ich kann sie mir nicht leisten. Also fällt Reisen häufig aus. Aber besser dies, als rundumbetuutelt und -bemuttelt werden und auf großes oooooocchhhhhhh zu treffen, wenn ich allein das Bad benutzen will.

  3. bp sagt:

    In dieser Woche habe ich eine Nacht in Ostfriesland übernachtet. Grundsätzlich bevorzuge ich bei Hotels, die ich noch nicht persönlich kenne, auch die großen Ketten. In der Gegend war jedoch weit und breit kein Hotel der großen Ketten aufzutreiben, so daß ich auch bei einem Familienbetrieb gebucht habe. Für den Fall, daß irgendetwas völlig unmöglich sein sollte, hatte ich noch die Kontaktdaten eines weiteren Familienbetriebes der Region im Gepäck.

    Ich wurde äußerst positiv überrascht. Bei der Ankunft erzählte der Inhaber (nicht ohne Stolz), daß er das Zimmer nach DIN hat umbauen lassen und genau so war es auch. Zimmer und Bad waren sauber, geräumig und schön eingerichtet. Es gab einen Computer mit Internet auf dem Zimmer, so wie zusätzlich auch (kostenlos) WLAN. Während meiner Abreise erkundigte sich der Inhaber nochmals ob alles in Ordung gewesen sei und ob noch etwas zu verbessern wäre. Ich erwähnte, daß es im Bad kaum Ablageflächen gibt (was aber nach meiner Erfahrung bisher in allen Hotels so war). Er würde da noch etwas nachrüsten und erwähnte noch, daß das Zimmer erstmals nach 1,5 Jahren „richtig“ genutzt wurde.

    Für den Endpreis, den ich dort bezahlt habe (inkl. Übernachtung, Frühstück und Abendessen), hätte ich in den meisten Hotels der großen Ketten nichtmals die Übertnachtung bekommen. Es geht auch positiv! Trotzdem sagt mir mein Verstand, daß ich bei zukünftigen Buchungen in unbekannten Familienbetrieben besser ein etwas mulmiges Gefühl haben sollte.

  4. outsider sagt:

    Wir haben in Deutschland auch schon böse Überraschungen erlebt. Wenn wir eine behindertengerechte FEWO mieten lasse ich mir vorher schriftlich bestätigen, dass keine Stufe (auch nicht eine einzige) vorhanden ist und die Türbreite zum Bad ein Normalmaß hat. Bei den internationalen Hotelketten ist es wirklich etwas besser. Aber auch hier kann man auf Anfrage eine seltsame Antwort bekommen. Ein Iberostar hat mir gerade geantwortet, dass das Zimmer nur für mobile Rollstuhlfahrer geeignet ist. Aber wie mobil muss ein Rollifahrer sein? Ich fühle mich mobil, habe aber lieber nicht gebucht.

  5. lachgas sagt:

    ich hab das aber auch schon öfter erlebt das es da Unterschiede gibt … ich würde auch mit meinem Freund nur in Hotels fahren die barrierefrei sind.
    Mit ner Rollifreundin war ich mal in der DomRep (das war ja schon die Sensation 2 Krüppels machen alleine ohne Pfleger Urlaub*g*) und das Hotel war auch toll, recht geräumiges Zimmer, überall wo auch nur eine einzige Stufe war waren auch Rampen aus Stein gebaut … nur das Bad … es gab eine Badewanne und neben dem Klo war auch nicht viel Platz für den Rolli. Zum Glück war die Badewanne nicht sehr hoch und auf dem Balkon stand ein kleiner Platikttisch der gerade perfekt in die Wanne passte so dass die Freundin immer von Rolli auf Wannenrand auf Tisch umsetzen konnte.