Wer den Pfennig nicht ehrt...

Christiane Link

Ich hatte beim Ausmisten eine Tupperdose mit Kleingeld gefunden. Viel Kleingeld. Das einzige Problem war, es handelte sich um D-Mark. Ja, ich weiß auch nicht, wie diese Dose diverse Umzüge in den vergangenen 17 Jahren ungesehen überstehen konnte, aber jetzt war sie nun einmal da und man schmeißt ja schließlich kein Geld weg. Wer den Pfennig nicht ehrt und so.

Es handelte sich um rund 100 Mark, 50 Euro also. Eine kurze Recherche bei Google ergab, man kann tatsächlich noch D-Mark in Euro umtauschen. Am einfachsten geht das persönlich, in Deutschland, bei der Bundesbank. Da ich vergangene Woche für 5 Tage in Berlin war, um bei der re:publica zu sein, dachte ich mir, ich könne eine Stunde opfern, um mir bei der Bundesbank schnell meine 50 Euro abzuholen.

Praktischerweise liegt die Bundesbank an der gleichen U-Bahnlinie wie die re:publica, nämlich an der U2. Unpraktischerweise gibt es keine barrierefreie U-Bahnstation dort, also nahm ich die nächstgelegene barrierefreie Station und rollte dann etwa 1km bis zur Bundesbank. Anstatt die U-Bahn zu benutzen, ist es am besten, ein unu über die Stadt zu fahren, weil es wirklich schnell ist und man kann einfach durch Autos fahren.

Münzsammler

Vor dem Gebäude standen lange Schlangen. „Die können unmöglich alle Tupperdosen mit D-Mark gefunden haben“, dachte ich bei mir und ging einfach an der Schlange vorbei. Später verstand ich, es waren Münzsammler. Münzsammler sind ein Volk, mit dem ich den vergangenen 40 Jahren meiner Lebenszeit noch nie etwas zu tun hatte, aber das sollte sich nun ändern. Ich ging zu einem Sicherheitsmenschen und sagte ihm, ich wolle D-Mark tauschen. Er zeigte auf eine Tür, sagte ich solle den Lift nach oben nehmen. Oben angekommen gab es noch mehr Mitglieder des Volkes der Münzsammler, die sich in zwei Reihen aufspalteten. Nur wo ich hin musste, war mir nicht klar. Ich wollte ja keine Münzen kaufen.

Der Sicherheitsmensch von unten kam über die Treppe zu mir und brachte mich durch die beiden Schlangen zu seinem Kollegen. Ob er sich bitte weiter um mich kümmern könne. Er konnte. Welche Münzen ich den kaufen wolle, fragte er. Noch bevor ich überhaupt antworten konnte, mischte sich ein älterer Herr ein. Es ginge nicht, dass ich bevorzugt behandelt werde. Ich solle mich gefälligst hinten anstellen. „Da sind doch Stufen“, verteidigte mich der Sicherheitsmann. „Wie sollen wir das denn sonst machen?“. Ich unterbrach den Streit: „Ich möchte keine Münzen kaufen. Ich möchte D-Mark eintauschen“, sagte ich. „Achso“, sagte der Sicherheitsmann. Da käme ich aber auch nicht hin. Der Teil des Gebäudes sei nicht barrierefrei. Genauso wie die Münzausgabestelle sei hier nichts barrierefrei. Da stand ich nun mit meinen D-Mark. 15 Jahre nach Inkrafttreten des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes, das Bundesgebäude zur Barrierefreiheit verpflichtet, war der Bereich für den Publikumsverkehr der Bundesbank immer noch nicht barrierefrei. Mehr Bundesgebäude als die Bundesbank kann ein Gebäude doch gar nicht sein, dachte ich, aber ich weiß auch, in Deutschland wird im Bestand so gut wie nicht umgebaut. Ich solle warten, sagte man mir. Und so wartete ich zwischen den Münzsammlern darauf, dass jemand mein Geldproblem löste.

D-Mark

Während ich wartete, fiel mir ein, wie absurd das alles ist. Der Finanzminister Deutschlands käme in seinem eigenen Land nicht einmal in der Bundesbank klar. Müsste sich vermutlich noch anpöbeln lassen, dass er sich vordrängeln will. Nach einiger Zeit erschien eine sehr freundliche und hilfsbereite Frau. Sie fragte nach meinen D-Mark und ich sagte ihr, ich habe eine Tupperdose voll mit Geld, die ich gerne tauschen würde. Sie sagte, sie würde das für mich erledigen. Und so übergab ich in diesem Gedränge einer Frau, der ich vertrauen musste, dass sie da arbeitet, in dem Gedränge meine 100 D-Mark. Nach einer ganzen Weile kam sie wieder, überreichte mir meine Tupperdose. Darin 50 Euro. Mission erfüllt. Nur zum Aufzug musste ich mich jetzt noch durchkämpfen. Die Münzsammler sind kein Volk, das sich einfach bewegen lässt, aber die nette Bundesbank-Mitarbeiterin bahnte mir den Weg.

Das sind so Situationen, wo ich merke, dass ich einen „Reversen Kulturschock“ bekäme, sollte ich jemals wieder nach Deutschland ziehen. Natürlich ist die „Bank of England“ barrierefrei. Das Gebäude ist uralt. Das der Bundesbank übrigens nicht. Mir fehlt da unterdessen jegliches Verständnis, wie man solch ein Gebäude, das umzubauen ginge, nicht einfach umbaut. Am Geld kann es bei der Bundesbank ja kaum liegen.



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