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Nachtreten

Dieses Interview in der Netzeitung kann man wohl als „Nachtreten“ bezeichnen. Da legt jemand aus Krankheitsgründen sein Amt nieder und der Herr Politologe Diederich hat nix besseres zu tun als zu Protokoll zu geben:

„Platzeck war von Anfang an nicht der Richtige.“

Außerdem schreibt die Netzeitung: „Für Diederich ‚deutet die Krankheit darauf hin, dass Platzeck sich überfordert‘ hat.“ Achso, Politiker dürfen nie krank werden und wenn, sind sie natürlich überfordert und deshalb krank geworden.

Ich saß mal vor ein paar Jahren in einem Restaurant neben zwei Abgeordneten. Sie ignorierten uns und dachten wohl, wir wüssten nicht, wer sie sind. Die eine erzählte, sie habe Krebs, könne sich aber erst nach dem Wahlkampf operieren lassen – wegen Terminen und wenn das jemand merkt und so… Ihr Arzt würde ihr schon in den Ohren liegen, aber ihre Berater hätten davon abgeraten.

Es kann doch nicht sein, dass sich Krankheit und Politik nicht vereinbaren lassen. Ich kenne noch andere Fälle, die mit auftretender Krankheit nicht mehr angetreten oder in Pension gegangen sind. Alle mit der Ansage: „Das kann gegen mich verwendet werden.“ Klar, Fälle wie dieser in der Netzeitung zeugen nicht gerade von Mitmenschlichkeit. Aber ich habe doch noch so viel Vertrauen in die Gesellschaft, dass Angriffe unter der Gürtellinie nicht ohne Folgen bleiben – für den Angreifer. Für mich disqualifizieren sich solche Leute.

Ich habe aber Respekt davor, wenn jemand wie Platzeck aus gesundheitlichen Gründen zurück tritt. Es ist seine freie Entscheidung. Ich würde mir aber wünschen, wenn mal mehr darüber gesprochen würde, dass nicht alle Politiker quitschfidel und gesund sind und vielleicht dennoch einen guten Job machen. Dann machen sich so genannte Experten und Berater irgendwann lächerlich, wenn sie die Krankheit mit Qualität der Arbeit gleichsetzen.

Barrierefreiheit und Steuergelder

Der ehemalige Blogger und heutige Staatssekretär Kajo Wasserhövel (SPD) scheint ein sehr ehrlicher Mann zu sein. Wie ich darauf komme? Auf eine kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Ilja Seifert (Die Linke) antwortet er mit ungewohnter Ehrlichkeit. Seifert, der selbst Rollstuhlfahrer ist, wollte wissen: „Welche aktuellen Förderprogramme und -mittel des Bundes sind an die Schaffung bzw. Gewährleistung der Barrierefreiheit gebunden oder damit verknüpft?

Antwort Wasserhövels vom 28. Dezember 2005: „Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass aktuelle Förderprogramme und -mittel des Bundes an die Schaffung bzw. Gewährleistung der Barrierefreiheit gezielt gebunden oder damit verknüpft sind.“

Das ist wenigstens ehrlich. Ich habe auch den Eindruck, dass die Bundesregierung nicht weiß, dass man Steuergelder so einsetzen kann, dass die Barrierefreiheit gewährleistet ist. Aber eine Frage habe ich dann doch noch nach so viel Ehrlichkeit: Herr Staatssekretär, kennen Sie das Behindertengleichstellungsgesetz und ist es geplant, dass die Bundesbehörden in Zukunft dieses Gesetz aus dem Jahr 2002 kennen und anwenden?