Tag Archiv für Bahn

Kein Zug und auch kein Mitarbeiter

Als ich heute morgen auf dem Weg nach Willesden Junction war, hatte ich den Beschwerdebrief fertig in meiner Tasche, um ihn einzuwerfen. Ich war gut gelaunt und dachte mir, wenn es heute klappt, werde ich nochmal Gnade vor Recht ergehen lassen. Als ich ankam begrüßten mich die Mitarbeiter freundlich und ich dachte, das wird jetzt klappen. Warum sie so freundlich lächelten, verstand ich erst als ich unten auf dem Gleis stand: Alle Züge nach Euston waren gecancelt, stand da. Von einem Mitarbeiter war weit und breit nichts zu sehen. Durch die Lautsprecher kam die Ansage, dass es in einer Stunde einen Busersatzverkehr gebe. Da ich nicht wusste, ob der barrierefrei sein wird und mir das auch zu lange dauerte, überlegte ich, wie ich anders zur Arbeit fahren konnte. Hätte ich das gewusst, wäre ich gleich mit dem Bus gefahren. Taxi konnte ich vergessen, weil auf diese Idee schon meine Mitreisenden erfolglos gekommen waren. Kein Taxi war mehr verfügbar.

Ich hatte irgendwo gelesen, dass ich in Baker Street in die U-Bahn nach Westminster umsteigen kann und ging zu einer U-Bahnmitarbeiterin und fragte sie, ob das stimme. Sie sagte, ihr Mann arbeite in der Station Baker Street. Sie werde ihn anrufen, er könne mir auch helfen. Man muss auch mal Glück haben, dachte ich! Sie war super nett und wollte mir in die U-Bahn helfen. In dem Moment fuhr wie aus heiterem Himmel ein Silverlink-Zug ein. Ich bin zu den aussteigenden Passagieren und fragte sie, wo sie herkämen. Sie kamen aus Euston. Ich bin vor zu dem Fahrer und sagte, ich wolle nach Euston, ob er da in absehbarer Zeit hinfahre. Ja, das tat er. An den Anzeigetafeln stand nach wie vor „Euston – all trains are cancelled„.

Die U-Bahnmitarbeiterin rief bei Silverlink an, denn natürlich war wieder kein Mitarbeiter da, um mir in den Zug zu helfen. Als das nichts half, funkte der Zugführer seine Zentrale an, damit die Willesden Junction anweisen, mit der Rampe zu kommen. Der Zug stand bereits 10 Minuten sinnlos rum, war aber sowieso fast leer, weil ja alle dachten, der Zugverkehr sei eingestellt. Alle warteten nur auf die Rampe. Irgendwann kam dann der Station Manager, den ich prompt fragte, ob er sich noch an sein Versprechen von gestern erinnern könne. Ja, er hätte so viel zu tun gehabt. Ich sagte ihm, dass ich auf dieser „Viel zu tun Liste“ aber relativ weit oben stehen müsse. Keine Reaktion, keine Antwort. Damit war für mich klar, dass ich den Brief abschicke. Der Typ versteht einfach die Regeln seines Arbeitgebers nicht und das muss man denen mal sagen. Ich habe ihm dann noch gesagt, dass er nicht glauben braucht, dass er schafft mich zu vergraulen. Ich werde weiter ab Willesden Junction fahren. Ich bin gespannt, was morgen passiert.

Schnee und Zug verpasst

Der heutige Tag fing schon denkbar schlecht an: Ich schaute aus dem Fenster und es lag Schnee. Schnee ist für Rollstuhlfahrer teilweise genauso hinderlich wie 10 Stufen vor dem Eingang. Und es wird in London bei weitem nicht mit der Gründlichkeit geräumt wie bei uns. Seit 2003 lag hier nicht mehr so viel Schnee, konnte ich dann später in TheLondonPaper, einer der vielen Gratiszeitungen lesen. Schön, dass der Winter auf mich gewartet hat. Ich war also nicht so richtig gut drauf als ich heute morgen in Willesden Junction ankam.

Und dann begann die Diskussion, die ich jeden Morgen führe wieder von vorne: Wer holt die Rampe? Diesmal streikten alle Anwesenden. Ja, sie waren nicht einmal bereit, den Station Manager anzurufen, wie ich es dann verlangte. Das Ende vom Lied: Ich habe den Zug verpasst, obwohl ich überpünktlich da war. Als der Station Manager dann endlich kam, war ich wirklich stinksauer, hab ihm die Disability Policy von Silverlink runtergebetet und ihm gesagt, dass ich mich beschweren werde, weil er und seine Mitarbeiter gegen diese Policy verstossen. Ooooh, da war aber Reue angesagt. Er hat sich tausend Mal entschuldigt, hat mich dann zum nächsten Zug gebracht und versprach mir, dass das nicht mehr vorkommt. Außerdem versprach er mir, in Euston bescheid zu sagen, dass ich einen Zug später genommen habe.

Eigentlich hatte ich schon davon Abstand genommen, mich zu beschweren. Doch als ich in Euston ankam, war niemand da. Ich bin fast geplatzt vor Wut. Der Lokführer hat dann jemanden mit Rampe besorgt. Und der Mitarbeiter, den ich schon kenne und der sonst immer zuverlässig ist, erzählte mir, der Station Manager von Willesden Junction hätte ihm am Telefon gesagt, ich sitze im vorherigen Zug. Ich sagte ihm, dass ich den auch gerne genommen hätte, aber dass sich niemand durchringen konnte, die Rampe zu holen. Er meinte ganz trocken, dass ihn das nicht wundere. „They are lazy in Willesden.“ Er riet mir dringend zu einer Beschwerde. Ich sei nicht die Einzige mit dem Problem bei dieser Station. Wie tröstlich!

Erfahrungen nach einer Woche Zug fahren

Ich betrachte viele meiner alltäglichen Erfahrungen hier ein wenig als Experiment an. Eines meiner Experimente heißt Silverlink Metro und ist die Regionalbahn, mit der ich jeden Tag zur Arbeit fahre und abends wieder zurück. Ich habe mich bei der Zuggesellschaft für die vergangenen und kommenden Tage für den Zug um 9:52 Uhr angemeldet. Ich MUSS das nicht machen, aber dann „complaint“ es sich besser, wenn etwas schief geht.

Jeden Morgen, wenn ich in Willesden Junction ankomme, schauen mich die Mitarbeiter mit großen Augen an. Ich teile ihnen dann mit, dass ich mich angemeldet habe und wie jeden Morgen um 9:52 Uhr mit dem Zug fahren möchte. Heute morgen zum Beispiel veranlasste das noch keinen Mitarbeiter zur Aktivität. Einer schickte mich zu seinem Kollegen. Und der Kollege wieder zum Kollegen. Als ich fragte, warum ich mich anmelde, wenn dann doch wieder keiner zuständig ist, meinte einer: „An dieser Station macht es keinen Unterschied, ob sie angemeldet sind oder nicht.“ Ahja.

Bis es 9:51 Uhr war bewegte sich keiner und dann versuchte ich es auf die deutsche Art. Ich teilte ihnen mit klarer Ansage, aber freundlich mit, ich ginge jetzt auf den Bahnsteig und nehme an, dass jemand mit der Rampe kommt. Der Zug fuhr ein. Ich bin zum Lokführer und habe ihm gesagt, er soll warten. Da käme gleich jemand mit der Rampe. Ich habe selber nicht wirklich dran geglaubt, aber der Lokführer wartete. Und tatsächlich – nach ein paar Minuten kam ein Mitarbeiter samt Rampe. Vielleicht hatten sie nicht damit gerechnet, dass ich wage, den Zug warten zu lassen und dass der Lokführer auch noch mitmacht.

In Euston klappt das alles um Welten besser. Da ist immer sofort jemand und wenn ich abends (unangemeldet) nach Hause fahre, ist das auch kein Problem. Nur beim Aussteigen habe ich immer Bammel, dass die Mitarbeiter in Willesden Junction mit dem Auswürfeln, wer nun die Rampe anlegt, noch nicht fertig sind. Deshalb steige ich jetzt immer im ersten Wagen ein. Da kann ich wenigstens Kontakt zum Lokführer halten. Es ist immer ein kleines Abenteuer, aber ich glaube, nach ein paar Wochen merken sie, dass ich mich nicht abschrecken lasse.

Zug fahren

Ich habe eine neue Möglichkeit entdeckt, zur Arbeit zu kommen – mit dem Zug von Willesden Junction bis Euston (für die Einheimischen). Ich bin hier noch nie Zug gefahren, wusste nur, dass beide Stationen als barrierefrei angegeben sind. Ich habe das heute abend mal probiert und es spart mir rund 30 Minuten meines Weges zur Arbeit – wenn denn alles klappt. Die Generalprobe heute hat Silverlink (so heißt die Zuggesellschaft) leider vermasselt. Eigentlich kommt man barrierefrei bis zum Gleis, aber es gibt eine Stufe zum Zug.

Ich bin Euston eingestiegen. Da gab es einen Mitarbeiter mit Rampe zum Anlegen. Er versprach mir, in Willesden Junction bescheid zu sagen. Und wer war in Willesden Junction nicht da? Der Mensch mit der Rampe. Die Deutsche Bahn läßt grüßen! Da es aber nur eine Stufe ist, war es nicht so ein riesen Problem. Ein Mann war mir behilflich.

Ich bin natürlich trotzdem zum Stationsvorsteher getrabt und habe ihm gesagt, dass ich jetzt öfter fahre und dass das irgendwie besser klappen müsse. Er meinte, er hätte so viel zu tun gehabt, konnte aber an meinem Gesicht ablesen, dass er damit bei mir auf wenig Verständnis stößt. Jedenfalls habe ich jetzt seine Handynummer. Morgen fahre ich dann mit dem Zug zur Arbeit. Ich werde meine Busfahrer vermissen. Viele kennen mich unterdessen und suchen nicht mehr lange nach dem Knopf, wenn sie die Rampe ausfahren. Am Anfang war das ein Drama, aber ich habe sie unterdessen geschult. ;-)

„Der Rollstuhl“ und „die Uniform“

Heute am Gate in Hamburg.
Angestellte hinter dem Tresen zu den Assistenzleuten: „Der Rollstuhl kann als erstes einsteigen.“
Gedacht habe ich: „Und die Uniform bleibt in Hamburg.“
Gesagt habe ich mit einem freundlichen Lächeln: „Mein Rollstuhl wird verladen. Aber ich steige gerne als Erste ein.“

Aber das toppt noch nicht den Mitarbeiter der Bahn, der mal zu seinem Kollegen mit Hinweis auf mich sagte: „Das hier muss auch noch mit.“ Vorher wurden die Pakete für den IC-Kurierdienst verladen…

Abenteuer Deutschland

Katja war in Deutschland und ist unter anderem mit der Bahn gefahren. Die Bahn hat sich angestrengt und ihr ein Gefühl vermittelt als sei sie hier zu Hause: Denn in Stuttgart kam kein Hublift. Schön, wenn auch behinderten Touristen gezeigt wird, wie der Alltag mit der Bahn für Rollstuhlfahrer in Deutschland aussieht.

Die Bahn schon wieder

Ich hasse Bahn fahren, ich hasse Bahn fahren, ich hasse Bahn fahren. Weil die „Das geht nicht“-Quote einfach zu hoch ist und die „Da ist uns ein Fehler unterlaufen“-Quote auch. Ich fahre morgen relativ spontan nach Berlin. Also wie gehabt die Mobilitätszentrale online darüber informiert, damit ich in Hamburg und Berlin Ein- und Ausstiegshilfe bekomme. Die Züge sind ja nicht barrierefrei, sonst bräuchte ich das ja nicht tun.

Wenig später nach der Anmeldung: Anruf der Mobilitätszentrale, die definitiv den Namen nicht verdient hat. Am Hamburger Hauptbahnhof würden die Fahrstühle repariert. Bis 17.9. Die Züge nach Berlin fahren auf Gleis 8, da ginge der Fahrstuhl nicht. Eine Alternative ab Hauptbahnhof gebe es nicht. Zug verlegen ginge auch nicht. Mein Vorschlag: Ich steige Hamburg-Dammtor ein. Was blieb mir auch anderes übrig?

Nächstes Problem: Es gibt im gewünschten Zug keinen Rollstuhlplatz mehr. Im Klartext: Da es in dem hochmodernen ICE sowieso nur einen Rollstuhlplatz gibt (außer er fährt mit zwei Zugteilen, dann gibt es zwei), kann ich nicht nur nicht da abfahren, wo ich gerne möchte, sondern auch nicht zu der Zeit, an der ich gerne fahren möchte. Ich muss sagen, die Bahn erwartet schon ziemlich viel Flexibilität von ihren behinderten Kunden.

Die Bahn und ihre Vorstellungen über behinderte Kunden

Ich fahre am Mittwoch auf die Internationale Funkausstellung nach Berlin. Beruflich und mit der Bahn. Da die Züge bekanntlich nicht barrierefrei sind, muss ich mich bei der Bahn voranmelden. Seit geraumer Zeit geht das sogar im Internet (Liebe Fluggesellschaften, ausnahmsweise könntet ihr das der Bahn mal nachmachen! Es gibt ja ansonsten wenig, was man sich da abgucken sollte.).

Das Formular zu eben dieser Voranmeldung sieht so aus (Ausschnitt):

Formular

In den Vorstellungen der Deutschen Bahn über ihre behinderten Kunden scheinen Berufstätige nicht vorzukommen. Auch wenn mein Arbeitgeber weder eine Schule, noch ein Verband und schon gar kein Rehazentrum ist, ich habe mir erlaubt den da jetzt mal hinzuschreiben.

Nicht alle Bahnhöfe müssen barrierefrei sein

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass nicht jeder Bahnhof barrierefrei sein muss, auch wenn er neu- oder umgebaut wird. Die Bahn hatte am Bahnhof Oberkochen lediglich Fahrstuhlschächte gebaut, aber keinen Fahrstuhl. Nur Bahnhöfe mit einem Fahrgastaufkommen von mindestens 1000 Menschen täglich müssen laut Bundesverwaltungsgericht barrierefrei sein. Noch mal im Klartext: Es geht hier nicht um uralte Bahnhöfe, die kurz vor der Stilllegung sind, sondern um Bahnhöfe die neu gebaut oder grundsätzlich umgebaut werden. Die Deutsche Bahn AG hat sich die Grenze 1000 selber gesetzt und das sei auch okay so.

Wann werden Herr Mehdorn & Co. endlich verstehen, dass Fahrstühle nicht nur behinderten Fahrgästen nutzen? Und dass es einfach nicht mehr zeitgemäß ist, nicht barrierefreie Bahnhöfe zu bauen? Die jetzige Regelung bedeutet, dass ein Drittel der deutschen Bahnhöfe nicht barrierefrei sein müssen (Quelle: Programm der Deutschen Bahn AG)

Den Richtern mache ich übrigens gar keinen Vorwurf. Die Richter brauchen für eine anders lautende Entscheidung eine gesetzliche Grundlage. Die hat die Bundesregierung aber 2002 mit dem Behindertengleichstellungsgesetz bewusst nicht geschaffen. Stattdessen hat sie der Bahn aufgetragen, doch bitte ein Programm für behinderte Reisende aufzulegen – und genau da steht die 1000-Fahrgäste-am-Tag-Regelung drin.

Ich habe allerdings wenig Hoffnung, dass sich die gesetzlichen Regelungen diesbezüglich ändern. Ich habe beispielsweise mal nachgesehen, wer eigentlich der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim ist, in dem Oberkochen liegt. Es ist Georg Brunnhuber (CDU), seines Zeichens Kreisbaurat und Leiter des Kreisplanungsamtes im Landratsamt. Außerdem sitzt er im Ausschuß für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung. Zufälle gibts…

Technik, die begeistert

Am Hauptbahnhof Bochum gibt es zwar Fahrstühle, aber nutzen kann man sie seit längerem nur mit Hindernissen, schreibt der Medienbeobachter. Schön, dass sowas auch noch anderen Leuten auffällt.

Übrigens haben die wenigsten Bahnhöfe überhaupt Fahrstühle. Zudem bietet die Bahn an lediglich 300 Bahnhöfen Ein-, Aus- und Umstieghilfe für behinderte Reisende an – in die meisten Züge kommt man als Rollstuhlfahrer nämlich nicht ohne Hilfe rein, weil sie Stufen haben. Es gibt in Deutschland aber nach Bahn-Angaben 5500 Haltepunkte. Also ganze 5,5 Prozent der Haltepunkte sind für behinderte Menschen nutzbar. Wer von Berlin nach Hamburg will, hat keine Probleme. Wer aber von Hamburg nach Bensheim in Hessen will schon.

Sehr lesenswert ist in dem Zusammenhang das
Programm der Deutschen Bahn AG zur Barrierefreiheit. Das haben sie nicht freiwillig aufgelegt, sondern sind mit dem Behindertengleichstellungsgesetz dazu verpflichtet worden. Wenn man alle Worthülsen und Beschönigungen rausstreicht, bleibt nicht viel übrig, auf das Menschen mit Behinderung, Kinderwagen oder einfach in fortgeschrittenem Alter in den kommenden Jahren hoffen können.