Belastender Anblick

Über den Anblick einer contergangeschädigten Praktikantin haben sich Angehörige von Altenheim-Bewohnern beschwert, schreibt die taz Bremen. Der Anblick der Frau, die in dem Altenheim am Empfang arbeitete, sei zu belastend, beschwerten sich die Angehörigen bei der Heimleitung. Die Heimleitung bietet ihr daraufhin an, statt am Empfang künftig in der Küche zu arbeiten. Die Rollstuhlfahrerin lehnt das ab und beendet das Praktikum.

Ich weiß gar nicht, was mich wütender macht. Die Angehörigen, die sich bei der Heimleitung beschwert haben, oder die Heimleitung, die nicht das Rückgrat hat, zu ihrer behinderten Mitarbeiterin zu stehen. Diskriminierungen kommen immer wieder vor. Behinderte Menschen, die sich nicht zu Hause verstecken, leben damit tagtäglich. Aber man kann nicht immer allein auf weiter Flur dagegen ankämpfen. Ohne die Solidarität der Arbeitgeber, Kollegen, Freunde, Mitschüler, Familienmitglieder, Nachbarn geht es nicht.

Die Heimleitung hätte sich es verbitten müssen, dass eine Mitarbeiterin derart beleidigt wird und sie selbstverständlich weiterhin am Empfang einsetzen müssen. Aber dazu braucht es eben Rückgrat und die gefestigte Meinung, dass behinderte Menschen gleichberechtigt an dieser Gesellschaft teilhaben sollen. Immer und überall. Wer daran zweifelt, wird es nie schaffen, sich vor eine behinderte Mitarbeiterin zu stellen. Der bietet an, sie in der Küche unterzubringen.

3 Kommentare

  1. Outsider sagt:

    Wir brauchen das Antidiskriminierungsgesetz! Sonst wird sich in Deutschland nicht viel ändern.

  2. und ich möchte dann lieber nicht wissen, wie die mit ihren Bewohnern umgehen. Es ist zum Kotzen.

  3. rollblau sagt:

    Auch mit einem Anti – Diskriminierungsgesetz würde sich ein Vorwand finden lassen, um eine(n) sichtbar Behinderte(n) in einem stillen Hinterraum verschwinden zu lassen. Betriebsbedingte Gründe lassen sich da immer finden. – Was nichts daran ändert daß das Gesetz nötig ist und zwar in der weitestgehenden und strengsten Form. Selten werden die Beweggründe auch so öffentlich wie in diesem Fall. Vermutlich hat sich da jemand aus der Personalabteilung/Heimleitung verplappert. Ich habe festgestellt – als ehemaliger Buchhändler komme ich aus einem Bereich mit Publikumsverkehr – daß die Bedenken der Arbeitgeber in der Realität größer sind als die Probleme die die Kunden letztendlich haben. Ich glaube, was mich wirklich wütend macht, ist, daß es in dieser Gesellschaft immer noch möglich, ich befürchte, Konsens ist, daß Anders – Sein sanktioniert werden kann und daß letztendlich wirtschaftliche Interessen jedes Mindestmaß an Menschlichkeit, Demokratie und Solidarität niederwalzen können. Das zeigt sich inzwischen nicht nur bei Behinderten. Ich bin der festen Überzeugung, daß eine Änderung dieses Denkens (und Handelns) einen langwierigen gesellschaftlichen Prozess darstellt, den man in Jahrzehnten messen wird müssen, der nie vollkommen beendet sein wird – wie auch der Antisemitismus sich derzeit wieder verstärkt manifestiert. Vielleicht können wir – ich bin ebenfalls contergangeschädigt – froh sein, wenn ein Aufschrei durch die Medien geht. Aber nicht einmal das scheint derzeit zu geschehen, denn die taz Bremen ist lt. google die einzige Zeitung, die sich – bislang – damit befasst. LG rollblau