Tag Archiv für Wiener-Linien

Wiener Linien ändern Beförderungsbedingungen

Ich hatte schon kaum noch dran geglaubt, aber jetzt haben sie sich doch bewegt. Mein seit mehr als einem Jahr laufendes Schlichtungsverfahren gegen die Wiener Linien wegen Diskriminierung ist beendet. Die Wiener Linien werden ihre Beförderungsbedingungen ändern. Auch Rollstuhlfahrer dürfen künftig alle U-Bahnen der Stadt Wien ohne Begleitpersonen nutzen. In einer Mitteilung der Wiener Linien an das Bundessozialamt und mich heißt es:

„Ich kann Ihnen nunmehr die erfreuliche Mitteilung machen, dass nach externer und interner Abklärung auch durch eisenbahntechnische Sachverständige, die sich des langen und breiten mit Bremsproben und dergleichen beschäftigt haben, die Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung die Beförderung von Rollstuhlfahrern ohne Begleitperson im T- Wagen (d.i. Niederflurwagen der Linie U6) frei gegeben haben.

Ich habe soeben die Information an alle betroffenen Stellen der WL (Betriebsabteilungen, Schulungsabteilungen, Öffentlichkeitsarbeit Kontrolle, etc.) weiter gegeben, um diese Entscheidung auch sofort wirksam zu machen. Da wir derzeit die veröffentlichten Beförderungsbedingungen (nicht nur aber auch in Hinblick auf allenfalls diskriminierende Bestimmungen) einem Relaunch unterziehen, werden wir diese Information im allgemeinen Außenauftritt voraussichtlich erst im Herbst adaptieren können. Wir suchen derzeit aber noch einen Weg, diese Detailinformation gezielt an unsere Kunden weiter zu geben.“

Ich fliege dieses Jahr sicher noch nach Wien und werde die U-Bahn ganz alleine und mit erhobenen Hauptes nutzen. Und die Angelegenheit zeigt mir eines, man braucht manchmal einen langen Atem. Aber letztendlich lohnt es sich doch.

Mein Dank gilt übrigens Martin, der mein rechtlicher Beistand war!

Die Stadt gehört Dir

„Die Stadt gehört Dir“ werben die Wiener Linien, die Verkehrsbetriebe der Stadt Wien, für ihre öffentlichen Verkehrsmittel. So ganz stimmt das aber nicht. Rollstuhlfahrern soll dieses Gefühl auf der U-Bahnlinie 6 nur zuteil werden, wenn sie nicht alleine mit der U-Bahn fahren, sondern eine „Begleitperson“ mitnehmen. Überall in den Stationen hängen Ausschnitte aus den Beförderungsbedingungen, in denen unter anderem steht, dass Rollstuhlfahrer die U-Bahnlinie 6 nicht ohne Begleitung nutzen dürfen. Da ich U-Bahnen von Sydney bis New York kenne und diese durchaus eigenständig nutze, erschließt sich mir nicht, warum das in Wien anders sein soll. Ich kann schon auf mich selber aufpassen. Und deshalb habe ich gegen die Wiener Linien ein Schlichtungsverfahren angestrengt. Wenn dieses scheitert hätte ich sogar ein Klagerecht, aber danach sieht es nach dem Termin am Anfang der Woche nicht aus.

Ich habe am Montag ein Schlichtungsverfahren gegen die Wiener Linien auf Grundlage des Österreichischen Behindertengleichstellungsgesetz initiiert. Österreich ist uns zumindest in einem voraus: Sie haben seit 1. Januar ein Behindertengleichstellungsgesetz, das auch die Wirtschaft einbezieht. Behinderte Menschen dürfen nicht diskrimiert werden, das gilt auch für Wirtschaftsunternehmen. Wer sich diskriminiert fühlt, kann ein Schlichtungsverfahren einleiten. Scheitert das, landet die Sache unter Umständen vor Gericht.

Das Schlichtungsverfahren fand im Bundesozialamt statt. Dort ist ein Raum eingerichtet, der einem Gerichtssaal ähnelt. Vorne sitzen zwei Mitarbeiterinnen des Amtes, eine schreibt mit, die andere führt die Verhandlung.

Die Wiener Linien zeigten sich sehr gesprächsbereit und erklärten, sie hätten selbst ein Interesse daran, die Beförderungsbedingungen zu ändern. Das Verkehrsministerium habe ihnen diese Auflage gemacht. Dieses begründe das wie folgt: Die U6 habe nämlich keine so genannten Prallwände. Wenn die Bahn scharf bremst oder sogar auf eine andere Bahn auffährt, bestehe die Gefahr, dass Rollstuhlfahrer zur Gefahr für andere Fahrgäste werden – mein Rollstuhl, meine Waffe. Die Begleitperson soll dafür Sorge tragen, dass Rollstuhlfahrer nicht durch die Bahn fliegen. Dass die Begleitperson bei einem Aufprall als erstes einmal selbst fliegt, scheint keine Rolle zu spielen.

Ich war mal in einem Bus bei einem Auffahrunfall und kann sagen, dass ich die einzige war, die noch stand nach dem Knall. Für mich ging die Gefahr von den Leuten aus, die über mich drüber flogen. Ist halt alles eine Frage der Sichtweise.

Jedenfalls haben die Wiener Linien bei dem Schlichtungstermin berichtet, dass das Verkehrsministerium nicht mehr die aufsichtsführende Behörde sei. Sie sind bereit, mit Beteiligung der Behindertenverbände, einen Antrag auf Änderung der Beförderungsbedingungen bei der neuen aufsichtsführenden Behörde zu stellen. Seit 2005 ist nämlich eine Abteilung der Stadt Wien zuständig. Die Beförderungsbedingungen könnten also schon länger geändert sein. Bis die Stadt Wien eine Entscheidung getroffen hat, ist die Schlichtung ausgesetzt. Aber ich bin zuversichtlich, dass der Slogan der Wiener Linien „Die Stadt gehört Dir“ bald auch für Rollstuhlfahrer gilt.

P.S.: Mein Dank gilt übrigens schon jetzt den engagierten Menschen von BIZEPS, die sich im österreichischen Recht weit besser auskennen als ich und mich unterstützen.