Tag Archiv für U-Bahn

No step-free access

Ich schimpfe ja, wie alle Londoner, des öfteren über die U-Bahn hier. Ich muss aber sagen, ich bin in meinem Leben noch nie so oft U-Bahn gefahren wie im Moment. Seit dem Umzug nach Greenwich kann ich die Jubilee Line nutzen, die immerhin von Westminster bis Stratford nur barrierefreie Stationen hat und die mich in 3 Minuten zur Docklands Light Railway (DLR) bringt, die komplett barrierefrei ist. Der Osten Londons ist definitiv barrierefreier als der Westen. Man denkt, man wäre in einer anderen Stadt.

Gestern abend ist mir zum zweiten Mal eine Anzeige auf der Hinweistafel, auf der der nächste Zug angezeigt wird, aufgefallen. Dort stand, dass in Southwark der Lift derzeit nicht geht, weil er repariert wird. Die Lifte funktionieren hier so gut wie immer. Es gibt offizielle Statistiken dazu, in denen man nach U-Bahnlinie und Station sehen kann, wie oft der Lift außer Betrieb war. Diese Plakate hängen in den Stationen und alle Statistiken, die ich bislang gesehen habe, bewegen sich im 99%-Bereich. Wenn ein Fahrstuhl defekt ist, ist er wirklich innerhalb weniger Stunden repariert, außer man wartet auf ein Ersatzteil.

Gestern sah ich dann diesen Hinweis und dachte „Wie genial“. Das müsste man überall machen. Hamburg hat diese Anzeigen über den Bahnsteigen auch. Da wird irgendwas eingeblendet, aber nie welcher Fahrstuhl defekt ist. In Frankfurt sind die Fahrstühle ständig defekt. Ich war noch nicht ein einziges Mal in Frankfurt ohne dass ich nicht irgendwann vor einem defekten Fahrstuhl in der S- oder U-Bahn stand. Hinweise habe ich noch nie gesehen. In San Francisco habe ich gesehen, dass es in den Fahrstühlen aktuelle Hinweise gibt, an welcher Station die Fahrstühle gerade nicht gehen (mit Angabe der Uhrzeit). Hier wird es also über die Anzeige auf über dem Bahnsteig bekannt gegeben. Wenn denn mal wirklich ein Fahrstuhl nicht geht…

In London bekommt man übrigens auch relativ gute Informationen darüber, welche Rolltreppen gehen und welche nicht. Zum einen wird das in den Stationen durchgesagt und man findet es auf der Webseite von Transport for London.

Londons U-Bahn aus meiner Sicht

Ich habe mir schon oft gedacht, man müsste mal die Stationen aus dem U-Bahnplan nehmen, die nicht barrierefrei sind. Einfach ausradieren. Wie das wohl aussehen würde… Und jetzt hat das jemand gemacht. Das Ergebnis kann man unter anderem hier sehen. Großartig!

Wiener Linien ändern Beförderungsbedingungen

Ich hatte schon kaum noch dran geglaubt, aber jetzt haben sie sich doch bewegt. Mein seit mehr als einem Jahr laufendes Schlichtungsverfahren gegen die Wiener Linien wegen Diskriminierung ist beendet. Die Wiener Linien werden ihre Beförderungsbedingungen ändern. Auch Rollstuhlfahrer dürfen künftig alle U-Bahnen der Stadt Wien ohne Begleitpersonen nutzen. In einer Mitteilung der Wiener Linien an das Bundessozialamt und mich heißt es:

„Ich kann Ihnen nunmehr die erfreuliche Mitteilung machen, dass nach externer und interner Abklärung auch durch eisenbahntechnische Sachverständige, die sich des langen und breiten mit Bremsproben und dergleichen beschäftigt haben, die Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung die Beförderung von Rollstuhlfahrern ohne Begleitperson im T- Wagen (d.i. Niederflurwagen der Linie U6) frei gegeben haben.

Ich habe soeben die Information an alle betroffenen Stellen der WL (Betriebsabteilungen, Schulungsabteilungen, Öffentlichkeitsarbeit Kontrolle, etc.) weiter gegeben, um diese Entscheidung auch sofort wirksam zu machen. Da wir derzeit die veröffentlichten Beförderungsbedingungen (nicht nur aber auch in Hinblick auf allenfalls diskriminierende Bestimmungen) einem Relaunch unterziehen, werden wir diese Information im allgemeinen Außenauftritt voraussichtlich erst im Herbst adaptieren können. Wir suchen derzeit aber noch einen Weg, diese Detailinformation gezielt an unsere Kunden weiter zu geben.“

Ich fliege dieses Jahr sicher noch nach Wien und werde die U-Bahn ganz alleine und mit erhobenen Hauptes nutzen. Und die Angelegenheit zeigt mir eines, man braucht manchmal einen langen Atem. Aber letztendlich lohnt es sich doch.

Mein Dank gilt übrigens Martin, der mein rechtlicher Beistand war!

Beim Bürgermeister

Einmal im Jahr veranstaltet Londons Bürgermeister eine Konferenz für seine Bürger. Es gibt eine Eingangsdiskussion mit ihm und dann verschiedene andere Panels, die parallel laufen. Ich sitze derzeit in einer Veranstaltung zu öffentlichen Verkehrsmitteln und ich bin nicht die einzige Rollstuhlfahrerin, die hier sitzt. Schon die Anreise zu der Veranstaltung war typisch für London: Das Taxiunternehmen konnte kein Taxi finden, das mich per Taxicard hier her bringt. Es war keines verfügbar. Also entschied ich mich dafür, Bus und U-Bahn zu nutzen. Es kam 45 Minuten lang aber kein Bus. Um 10 Uhr (da fing die Veranstaltung an), war ich endlich in der U-Bahn. Ich musste Baker Street umsteigen, was ich alleine gar nicht geschafft hätte, weil die Differenz zwischen Zug und Bahnsteig zu hoch ist. Glücklicherweise liegt das Konferenzzentrum in der Nähe von Westminster, einer barrierefreien U-Bahnstation.

Derzeit spricht Peter Hendy, Commissioner of Transport. Jährlich transportiert die Londoner U-Bahn mehr als eine Milliarde Menschen, sagt er. Was er erzählt erinnert mich stark an die mir mehr vertraute Hamburger Politik: Wenige gute Dinge hervorheben, alle Probleme ausblenden. Er zeigt eine Karte der U-Bahn 2012, wenn die Olympischen Spiele stattfinden. Man könnte meinen, London wird eine Stadt in der Milch und Honig fließen bis dahin. Ich hoffe, ich erlebe das noch.

Die Fragerunde startet. Schon die zweite Frage geht um Barrierefreiheit. Das ist ein riesen Unterschied zu Deutschland. Auch die Anzahl der behinderten Londoner im Publikum ist enorm. Peter Hendy antwortet, die U-Bahn sei ein altes System. Es sei schwierig, blabla… Es sei aber eine wichtige Aufgabe für Ken Livingstone, den Bürgermeister. Er ermahnt die behinderten Nutzer „be tolerant“. Er spricht von Victoria Station, die umgebaut wird. Jetzt hat er wieder das Thema gewechselt, spricht von geschlossenen Bahnstrecken.
Eine Rollstuhlfahrerin fragt, wann er gedenkt, das Verhalten der Mitarbeiter in Ilford abzustellen. Sie verbieten ihr seit mehr als zwei Jahren mit einem E-Rollstuhl die Lifts der Station zu nutzen. Er meint, das Management der Station sei nicht seine Sache. Das sei outgesourct an eine Firma. Eine Antwort, die ich echt nicht mehr hören kann. Er habe vorher zudem noch nie eine Beschwerde über diese Station gehört.

Jetzt geht es um die Busse. Eine Frau mahnt an, dass die Busfahrer nie ordentlich an die Haltestelle ranfahren. Es gibt Zustimmung aus dem Publikum.

Peter Hendy wischt das Problem mit dem Abstand zwischen Bürgersteig und Bus weg. Nicht jeder Fahrer könne perfekt fahren (warum eigentlich nicht?). Oft seien die Haltestellen zugeparkt. Die Unternehmen hätten ein eigenes Interesse, dass die Fahrer ordentlich fahren, weil das Unfälle verhindere, für die sie zu zahlen hätten. Irgendwie ist das eine ziemlich sinnlose Diskussion. Jemand erwähnt ein Problem und Hendy wischt es weg.

Und noch eine Frage zu Barrierefreiheit. Ein Rollstuhlfahrer bemängelt die ständig defekten Rampen. Hendy fragt: Welche Linie? Was für eine Frage! Das Problem besteht in ganz London. Eine Frau fragt, wie man das Problem lösen kann, dass Leute mit Kinderwagen nicht bereit sind, die Plätze für Rollstuhlfahrer freizugeben. So viele Fragen zur Barrierefreiheit auf einer ganz normalen Bürgerveranstaltung. Das habe ich in Deutschland noch nie erlebt. Sehr interessant.

Peter Hendy
ermahnt die Rollstuhlfahrer mehr Bus zu fahren, damit die Busfahrer sich daran gewöhnen. Jetzt geht es um die Kinderwagen. Man müsse damit leben. Die Moderatorin fragt, ob es Congestion Charge für Buggys geben wird. Großes Gelächter.

Am Nachmittag habe ich mir zwei interessante Diskussionen zu Ausländern in London angehört. Es ging um die Frage, ob Ausländer, die lange in UK leben, wählen sollten. Also, ob man nicht nur EU-Bürger bei den Kommunalwahlen an die Urnen lässt, sondern alle. Mir hat die Art der Veranstaltung sehr gut gefallen, auch wenn es eine absolute Labour-Veranstaltung war. Man hat nicht mal zum Schein Politiker der Opposition eingeladen. Für mich interessant war, dass so viele Fragen zur Barrierefreiheit gestellt wurden und ich mal nicht die einzige sichtbar behinderte Zuhörerin bei so einer Veranstaltung war. Ich musste mich nicht mal selbst mal selbst zu Wort melden, alle Anmerkungen, die ich hatte, wurden von anderen im Publikum ebenfalls gemacht.

Breaking News: Londons U-Bahn ist nicht barrierefrei

Heute stand es in vielen Zeitungen. Londons U-Bahn ist nicht barrierefrei und wird es auch bis zu den Olympischen Spielen nicht werden. Einen Fernsehbeitrag gab es dazu auch. Guten Morgen, London! Auch schon gemerkt?

Man könnte sich ja auf den Standpunkt stellen, dass das eigentlich ein Grund sein müsste, die Paralympics nicht austragen zu dürfen. Aber dann wären die handvoll Stationen, die dann doch für die Olypmischen Spiele umgebaut werden, auch nicht barrierefrei.

Schön finde ich, dass die Liberal Democrats die Statistik, mit der sich der, eigentlich von mir geschätzte, Ken Livingstone in jeder Pressemitteilung zur U-Bahn brüstet, untersucht hat. Er nennt immer eine Prozentzahl an Stationen, die bis zu dem Olypmischen Spielen barrierefrei seien. Ich dachte mir schon, dass es wieder um Stationen außerhalb Londons geht, die umgebaut werden. Das schönt die Statistik, nutzt aber im Alltag wenig. Da verirrt sich ja kaum ein Tourist hin. Ich weiß, dass Londons U-Bahn in Teilen schwer umzurüsten ist. Aber eben nur in Teilen. Die Station vor meiner Haustür zum Beispiel ist North Acton. Die liegt oberirdisch mit einer freistehenden Treppe. Die Treppe ist über eine Brücke zu erreichen, an die man jeden Standardfahrstuhl dranklatschen könnte, wenn man denn wollte. Einen Beschluss, genau das zu tun, gab es bereits im Jahr 1998 im Gemeindeparlament. Bis 2001 sollte das umgesetzt sein. Die nächsten Planungen sprechen von 2011, meinte ein U-Bahn-Mitarbeiter zu mir. Das wären 13 Jahre nach Beschlussfassung. Dass behinderte Menschen aber auch immer so ungeduldig sein müssen…

Abenteuer U-Bahn

Ich hatte mich gestern spontan entschieden, zu einem Treffen von Deutschen in London zu gehen. Da ich unterdessen nicht mehr im Bush House sondern im Television Centre arbeite und das Treffen in der Nähe der London Bridge war, musste ich da irgendwie hinkommen. Ich entschied mich für die U-Bahn (Tube).

Die meisten Stationen sind für mich nicht nutzbar, weil es keinen Fahrstuhl gibt. Nicht so Hammersmith. Aber auch da gibt es ein Problem: Die Höhendifferenz zwischen Bahnsteig und Zug. Während es bei der Piccadilly Line eine Stufe nach unten in den Wagen gibt, muss man bei der District Line eine hohe Stufe nach oben überwinden. Meine Frage, warum es an den Bahnsteigen keine Rampen gibt, konnte mir bislang niemand beantworten.

Ich habe also einen Tube-Mitarbeiter angesprochen, ob er mir bei der Stufe hilft. Eigentlich wollte ich mit der District Line bis Westminster fahren und dort umsteigen. Die Jubilee Line ist dort total barrierefrei ohne Stufe. Er wollte mich aber nicht in die District Line lassen, weil es dort keine Evakuierungsmöglichkeit für Rollstuhlfahrer gebe. Das britische Antidiskriminierungsgesetz verbiete ihnen zwar, die Beförderung zu verweigern, aber er dürfe mir nicht in die Bahn helfen. Bei der Piccadilly Line ginge das aber schon.

So habe ich dann erfahren, dass es an der Station Green Park zwar keinen Fahrstuhl zur Strassenebene gibt, aber man dort per Fahrstuhl umsteigen kann. Das Stufenproblem aber bleibt. Deshalb haben mich auf dem Hin- und Rückweg Tube-Mitarbeiter aus dem Zug geholt. Das hat funktioniert. Es war immer jemand da. Nur in Hammersmith hat es bei der Rückfahrt nicht geklappt. Aber eines muss man sagen: Auf die Londoner ist in solchen Situationen immer Verlass. Natürlich hat mir jemand bei der Stufe geholfen. Trotzdem muss sich Transport for London bis zu den Olympischen Spielen etwas einfallen lassen – es nutzt nichts, wenn die Leute bis zum Bahnsteig kommen. Sie müssen ja auch die Bahn erreichen.

Reiseplanung auf amerikanisch

Ich plane gerade unsere nächste Reise. Wir fliegen in die USA, unter anderem nach Washington D.C. Und ich habe gerade etwas sehr schlaues entdeckt: Einen Film über die Barrierefreiheit der U-Bahn und der Busse in Washington. In 20 Minuten wird erklärt, wie ich U-Bahn fahre und auf was ich mich als Rollstuhlfahrer, blinder, sehbehinderter oder gehörloser Kunde dort erwartet. Den Film gibt es hier (WMV, mit Untertitel).

Der Film ist eine klasse Idee und sollte von europäischen Verkehrsunternehmen unbedingt nachgemacht werden. Dank des Films bin ich als Touristin schnell und kompakt informiert, weiß jetzt, dass alle U-Bahnstationen in Washington einen Fahrstuhl haben, dass auf jeder Route irgendwann ein barrierefreier Bus kommt und wie ich mein Ticket bezahle. Eine gute Idee finde ich auch den E-Mail- und SMS-Dienst, der über defekte Fahrstühle informiert oder auch das wiederholte Anfordern des Fahrers, wenn man die Gegensprechanlage nicht nutzen kann. Ich berichte dann, ob alles so barrierefrei war, wie es in dem Film dargestellt wird.