Wenn im Flugzeug Magazine verteilt werden, stehen in Deutschland Gala und Bunte immer ganz oben auf der Rangliste der beliebtesten Magazine. Nicht Spiegel, nicht Focus, nicht die Wirtschaftswoche. Ich lese trotzdem meist den Spiegel, frage mich aber langsam, ob man die Zeit im Flieger nicht besser zur Erholung nutzen sollte, wenn es geht. Rausschauen, träumen und an was Schönes denken. Also vielleicht doch Gala oder Bunte lesen?
Spiegel-Artikel wie dieser gefährden meinen positiven Gemütszustand beim Fliegen. Ich hatte den Artikel im Flugzeug gelesen und kam schon schlecht gelaunt an.
Ich hatte erst überlegt, sofort darüber zu bloggen. Wie sich das eigentlich anfühlt, wenn das Leben mit Behinderung in den Medien ständig als weniger wert betrachtet wird und man sich ständig rechtfertigen muss, dass man „dennoch“ ein schönes Leben führt. Habe ich dann aber nicht gemacht, es hätte meine Laune noch verschlechtert.
Dann kam ich nach der Reise nach Hause und hatte mehrere E-Mails im Postfach mit der Bitte, doch etwas zu besagtem Artikel zu schreiben. „Och nee“, dachte ich. Ich mag mich bei dem schönen Wetter nicht mit diesem Thema rumärgern. Aber eigentlich müsste ich. Es ist wirklich wichtig. Und dann habe ich gesehen, dass es Oliver Tolmein ausführlich getan hat und ich sowieso nichts mehr hinzuzufügen hätte. Ach doch, eines noch: Mir macht das wirklich Sorgen, wie manche Menschen, die manchmal auch Journalisten sind, mit dem Thema Behinderung und Lebenswert umgehen. So große Sorgen, dass ich es am liebsten verdränge und demnächst vielleicht doch lieber die Gala im Flugzeug lese.
Tag Archiv für Spiegel
Gala statt Spiegel
Europameister im Aussortieren
DER SPIEGEL hat jahrzehntelang die deutsche Behindertenpolitik völlig ignoriert. Ich hatte vor ein paar Jahren mal das SPIEGEL-Archiv nach Artikeln zur Behindertenpolitik durchsucht und habe so gut wie nichts gefunden. Jetzt ist Anfang Januar ein Artikel erschienen, wie ich ihn noch nie in irgendeiner Zeitung oder in einem Magazin in Deutschland gelesen habe: Es geht um die systematische Ausgrenzung behinderter Menschen in Deutschland. Und er ist so gut und hintergründig geschrieben, dass ich dem SPIEGEL fast verzeihe, die letzten Jahre nichts dazu geschrieben zu haben. Besonders freue ich mich über einige Beispiele, die mir bekannt vorkamen *hüstel*.
Ulrike Demmer hat den Nagel genau auf den Kopf getroffen. Nun hoffe ich sehr, dass der Artikel eine breite Debatte auslöst und vor allem die Damen und Herren Sonderpädagogen mal über ihre Zukunft und die Verantwortung ihres Berufsstandes nachdenken.
Der Artikel ist meines Erachtens einer der wichtigsten und ehrlichsten Artikel zur Situation behinderter Menschen in Deutschland, der in den letzten Jahren erschienen ist. Deutschland als „Europameister im Aussortieren“ zu bezeichnen ist mutig, aber ich fürchte, es trifft den Nagel auf den Kopf.
Spiegel Online und die Barrierefreiheit
Spiegel Online hat einen neues Design. Im Gegensatz zum Auftritt von Stern.de, fand das Thema Barrierefreiheit bei Spiegel Online bislang wenig bis keine Beachtung. Der neue Onlineauftritt mit dem Namen Spiegel Online 7.0 ist nun auch nicht gerade das, was man als barrierefrei bezeichnen würde, aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Ich habe mal aufgeschrieben, was mir auf den ersten Blick aufgefallen ist (kein Anspruch auf Vollständigkeit! Habe mir nur das Offensichtlichste herausgegriffen).
Pro Barrierefreiheit
- Man kann mit Sprachausgabe besser durch die Seite navigieren.
- Die Strukturierung der Seite wurde verändert. Es gibt Überschriften, das Sprachausgabennutzer die Navigation erleichtert. Warum die Überschriften der Ebene 2 (H2) auf der Startseite nicht genutzt werden, ist nicht ersichtlich.
- Es gibt Listen an Stellen, an denen es sinnvoll ist. Auch das erleichtert die Navigation.
Kontra Barrierefreiheit
- Viele Bilder haben keinen Alternativtext.
- Es gibt viele Links, die nicht eindeutig bezeichnet sind. Sie heißen mehrheitlich „mehr“. Diese Links sind nicht einmal nötig, weil auch die Überschriften verlinkt sind.
- Labels wären auch nicht schlecht gewesen, zum Beispiel bei der Suche.
- Sprachauszeichnung fehlt völlig.
- Auf der Startseite gibt es mehrere hundert Validierungsfehler.
- Schriftgröße im Internet Explorer ist nicht veränderbar.
Kleines Rätsel
In einem Text kommen folgende Passagen und Begriffe vor:
- Monster
- bizarre Körperschäden
- Er ist winzig, kaum 50 Zentimeter hoch. Unter seinem Oberkörper ragen hinten zwei kleine Füße in wollenen Socken heraus, Beine sind nicht zu sehen.
- Andere bleiben stehen, starren neugierig auf das (…) Bündel Mensch.
- offen demonstriertes Elend
- bizarr verwachsenen Gestalt
- „Elefantenmensch“
- schwere Deformationen an Körper und Kopf
- Menschen ohne Arme und Beine, Riesen und Zwerge, unförmig dicke Frauen und von seltenen Hautkrankheiten entstellte Männer
- Seit (…) gehören deformierte Menschen wieder mehr und mehr zum Alltagsbild
- Märchenfigur
- Das verkümmerte linke Bein, beim flüchtigen Hinsehen kaum zu erkennen, hängt steif und waagerecht angewinkelt hinter ihrem Po.
- Die bucklige 22-Jährige, höchstens 1,10 Meter groß…
- Das Elend hat Ursachen.
- Hinzu kommen Geburtsschäden, die nie korrigiert werden…
Stammen diese Passagen…
- a) aus einem Märchen der Gebrüder Grimm
- b) aus den Drehbuchanweisungen eines Fantasy-Films
- c) aus einem Spiegel-Artikel aus dem Jahre 2005
- d) aus Briefen an den Deutschen Presserat
- e) aus einem historischen Schreiben aus dem Jahre 1243
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