Tag Archiv für Flughafen-Hamburg

Lieber Flughafen Hamburg…

es ist immer schön zu wissen, dass alles so bleibt wie es ist, auch wenn man lange fort geht. Nicht auszudenken, wenn ich einmal bei Dir ankommen würde und es gebe plötzlich bei Dir eine angemessene Zahl an barrierefreien Toiletten an den Gates. Habe ich mich doch schon daran gewöhnt, dass der Gang zur Toilette in Bezug auf die Entfernung dem sich anschließenden Flug ähnelt.
Jetzt gibt es eine neue Toilettenanlage. Im Terminal 2, direkt am Fahrstuhl vor der Gepäckausgabe. Eigentlich ein idealer Ort, um eine barrierefreie Toilette zu installieren. Aber wir wollen ja, dass sich nichts ändert. Deshalb hast Du auch konsequenterweise keine barrierefreie Toilette eingebaut und die Anlage auch gleich mit Stufen versehen. Der alte Mann, der in meinem Flieger war, und am Stock ging, musste auch noch ein bisschen weiter laufen als alle anderen. Wäre ja aber noch schöner, wenn jeder Hans und Franz, gleich welchen Alters, Deine Toiletten benutzen könnte. Lieber Flughafen Hamburg, es ist toll, dass man bei Dir keine Überraschungen erlebt und alles beim Alten bleibt.
Auf meine Frage, was sich seit dem Inkrafttreten der neuen EU-Richtlinie für behinderte Passagiere am Flughafen geändert hat, sagte Deine Mitarbeiter: Ähm…Nichts. Das nenne ich wirklich konsequent.

Lebenswert

Ich sitze gerade in der Businesslounge am Flughafen in Hamburg. Die Dame am Empfang begrüßte mich mit den Worten: „Sie kommen ja gut zurecht.“ Ich verstand erst gar nicht, was sie meinte, bis ich meinen „Es gibt Menschen, die denken, Du kommst vom Mars“-Modus im Gehirn eingeschaltet hatte. Ich war mit meinen Gedanken ganz woanderes und wollte nur schnell rein. Ich sagte zu ihr irgendwas wie „Jaja, kein Problem“. Und sie antwortete mir: „Ja, wenn man denn so leben muss.“ Ich war ein wenig sprachlos, muss ich sagen. Dann holte ich tief Luft und sagte im eisigen Ton: „Das sehe ich nicht so.“ „Das sehen Sie nicht so“, murmelte sie und merkte wohl, dass das nicht sehr nett war, was sie gesagt hatte.

Dann bin ich rein und kam nicht an die Gläser ran, weil die viel zu weit oben stehen. Da keine Mitarbeiter weit und breit zu sehen waren, bin ich wieder raus und habe die Dame am Empfang gebeten, mir ein Glas runterzugeben. „Wissen Sie, nicht dass ich im Rollstuhl sitze, behindert mich. Sondern dass Sie Ihre Gläser für mich unereichbar platzieren. Das ist das Problem.“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie das verstanden hat.

Am Anfang war der Kegelclub

„Die müssen in den falschen Flieger gestiegen sein“, dachte ich als ich die Gruppe munterer Seniorinnen sah, die auf den Flieger nach Hamburg warteten. Was hatten die bitte in Wien gemacht? Mir war nicht bekannt, dass Wien für seine Kegelbahnen bekannt ist. Irgendwie hatte ich nämlich die Vorstellung, es müsse sich um eine Kegelgruppe handeln, die eigentlich mit Air Berlin nach Mallorca wollte, aber dann das Gate verwechselt hat und jetzt den Rückzug antrat. Sie gafften mich jedenfalls an als hätte ich gerade alle Neune abgeräumt. Spätestens da war mir klar, die konnten nicht aus Hamburg kommen – wohl eher aus Pinneberg oder Plön oder so. Hamburger gaffen nicht.

In Wien wartet man, wenn das Flugzeug eine Außenposition (mit Bus zum Flugzeug und so) hat, nicht im Warteraum, sondern davor. Warum das so ist, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Erst kurz vor Abflug darf man in den Warteraum. Die Mitarbeiterin am Gate bot uns aber an, uns schon mal in den Warteraum zu setzen, was ich angesichts der Gaffermentalität meiner Mitreisenden gerne annahm. Als die rüstigen Seniorinnen aber merkten, dass zwar wir aber sie noch nicht im Warteraum Platz nehmen durften, probten sie den Aufstand – mit Erfolg. Die Damen durften sich ebenfalls in den Warteraum setzen.

Kurz darauf kam auch schon der Assistenzservice vom Flughafen Wien und fuhr uns zum Flugzeug. Ich setze mich auf den Bordrollstuhl um und sie trugen mich die Treppe hoch. Währenddessen kam der Bus mit den anderen Fluggästen an und der Kegelclub freute sich über diese unterhaltsame Einlage kurz vor Abflug. Da gabs dann nochmal was zu schauen.

Ich war totmüde, schlief während des Fluges und wachte erst wieder auf als wir schon in Hamburg gelandet waren. Ich dachte noch so bei mir: „Jetzt kann ich bald ins Bett.“ Es sollte anders kommen.

Am Flughafen Hamburg übernimmt das Deutsche Rote Kreuz (DRK) den Assistenzdienst für behinderte Reisende, die wie ich nicht laufen können. Warum das so ist, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Schließlich bin ich nicht krank, sondern kann nur wegen der äußeren Umstände (Stufen, Gang zu eng) nicht selbstständig ins Flugzeug. Wir landeten um 22.55 Uhr wird man später im Protokoll der Airline lesen können, das über den Abend noch angefertigt werden sollte. Die Crew war sehr nett und wir warteten gemeinsam auf das DRK. Wir warteten, warteten, warteten. Der Pilot funkte, funkte und funkte immer wieder die Leitstelle an. Ohne Erfolg. Es wurde 23.05 Uhr, 23.10 Uhr. Die Rampenagentin gesellte sich zu uns. Ein Techniker kam. Es wurde eine gesellige Runde.

Der Pilot entschuldigte sich vielmals, sei nicht in der Verantwortung von Air Berlin. Ja, ich kenne die Gepflogenheiten am Flughafen Hamburg. Ich war nur froh, dass der Kegelclub endlich verschwunden war. Um 23.15 Uhr begann die Chef-Flugbegleiterin ein Protokoll zu schreiben. Ich hätte mich bereits beim Ticketkauf als WCHC-Passagierin (Fluggast, der nicht laufen kann) angemeldet und auch beim Sinkflug habe man den Flughafen über meinen Assistenzbedarf informiert.

Um 23.20 Uhr forderte der Pilot Hilfe durch die Flughafenfeuerwehr an. Die lag bereits im Bett und schlief. Von weitem konnten wir dann irgendwann erkennen, dass sich ein Auto in Bewegung setzte. Die Flughafenfeuerwehr war also wieder wach und kam. Sie brachten mich aus dem Flugzeug. „Wir haben kein Transportfahrzeug für die Passagierin“, sagte einer der Feuerwehrmänner zu der Rampenagentin. Klar, den Kleinbus für den Transport behinderter Fluggäste hat ja nur das DRK. Ich war zwar aus dem Flugzeug draußen, aber noch nicht im Terminal. Mein Angebot, zum Terminal zu rollen – über das Vorfeld – wurde natürlich abgelehnt. Man forderte einen Flughafenbus an. Das ist zwar ein Niederflurbus. Er hat aber keine Rampe. Also wieder Rumheberei. Die Rampenagentin war so nett, uns bis zum Terminal zu begleiten. Sie wollte die Zeit stoppen – fürs Protokoll und die Beschwerde. Um 23.33 Uhr – also fast 40 Minuten nach der Landung konnten wir unser Gepäck entgegen nehmen. Da war der Kegelclub wahrscheinlich schon in Pinneberg angekommen. Das DRK ist übrigens nicht mehr aufgetaucht an dem Abend.

Ein Kollege sagt immer zu mir: „Nehm Dich vor den Leuten in acht, die sich das Wohl der Menschheit auf die Fahnen geschrieben haben.“ Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.