Tag Archiv für Wirtschaft

Wie ich Qype nutze

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Ich bin seit ein paar Monaten eifrige Nutzerin und Schreiberin beim Portal Qype. Auf Qype kann jeder Restaurants, Dienstleister und Orte vorstellen und bewerten. Zusätzlich kann man ein Foto des bewerteten Ortes hochladen. Qype nutzt Tags (Schlagworte). Ich habe mich gefragt, wie dieses Portal behinderten Besuchern nutzt und wie ich es nutze, wenn ich bei Qype beispielsweise ein barrierefreies Lokal suche. Für mich (und ich behaupte mal für die meisten anderen Rollstuhlfahrer auch) ist es wichtig, dass das Restaurant keine Stufen hat oder ich zumindest weiß, welche Gegebenheiten ich dort vorfinde. Dabei helfen mir die Fotos, besonders diese, die den Eingangsbereich zeigen.

Ich habe vieler meiner Beiträge mit dem Tag „Barrierefrei“ versehen. Einige Qyper haben mich gefragt, nach welchen Kriterien ich „Barrierefrei“ vergebe. Ich erkläre mal die Theorie und Praxis…

Nun könnte man sich auf den Standpunkt stellen, nur Örtlichkeiten „Barrierefrei“ zu taggen, die dieser Eigenschaft im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes oder der DIN entsprechen. Nur das würde dazu führen, dass vielleicht eine Hand voll Restaurants in Berlin und noch zwei in Hamburg dieses Tag bekommen und noch ein zwei andere und das wars dann. Die Zahl der Örtlichkeiten, die wirklich im Sinne des Gesetzes oder der Norm barrierefrei sind, sind leider noch gering.

Also habe ich mich entschlossen, mich auf Mindestanforderungen für Rollstuhlfahrer zu beschränken. Schließlich dient Qype auch allen anderen Nutzern zur Erstinformation und da will ich erstmal wissen „Gibts da Stufen? Und gibts da eine Rollstuhltoilette?“

Die Zahl der Rollstuhltoiletten in Restaurants und anderen Einrichtungen könnte leider auch erheblich höher sein als sie derzeit ist und so müssen Rollstuhlfahrer mit Restaurants und anderen Örtlichkeiten Vorlieb nehmen, wo sie nicht zur Toilette gehen können. Also habe ich auch da einen Kompromiss gemacht, der der Realität entspricht: Ich tagge alle Einrichtungen, die ebenerdig zu erreichen sind und eine oder keine Rollstuhltoilette haben mit „Barrierefrei“ und schreibe jeweils dazu, wie barrierefrei der Ort wirklich ist. So haben behinderte Menschen die Möglichkeit, mit dem Tag „Barrierefrei“ einigermassen zugängliche Orte zu finden und können dann, wenn sie den Text lesen, selber entscheiden, ob ihnen das barrierefrei genug ist. Bei allen Restaurants steht bei Qype zudem eine Telefonnummer dabei, bei der man nachfragen kann. Und zudem kann man die Leute, die den Beitrag geschrieben haben, auch direkt anschreiben, wenn man näheres wissen will.

Bei Hotels gehe ich strenger vor, denn wenn man übernachten will, sollte man auch zur Toiletten gehen und duschen können. Das kann man eigentlich nur beurteilen, wenn man selber das barrierefreie Zimmer gesehen hat. Weitere positive Merkmale „Speisekarte in Braille“ etc. erwähne ich gesondert.

Wer auch „Barrierefrei“ taggen und seinen Beitrag auch für Menschen mit Behinderung hilfreich gestalten will, könnte so vorgehen:

  • Vor Ort (!!! – das ist wichtig, man vergisst Stufen so schnell) die Anzahl der Stufen zählen. Sowohl die vor der Tür als auch dahinter beachten. Sind genug Tische stufenlos erreichbar? Dann „barrierefrei“ taggen.
  • Gibt es eine Behindertentoilette? Diese ist normalerweise als solche gekennzeichnet. Es reicht nicht, wenn die Toilette ebenerdig zu erreichen ist. In die meisten regulären Toiletten passen keine Rollstühle. Immer erwähnen, ob eine Behindertentoilette vorhanden ist oder nicht.
  • Einrichtungen mit Stufen erhalten keinesfalls das Tag „Barrierefrei“. Dennoch ist es für gehbehinderte Qyper nützlich auch bei nicht barrierefreien Einrichtungen die Zahl der Stufen zu erwähnen und wo sich die Toiletten befinden.
  • Fotos von den Eingängen und der Ausstattung sind sehr hilfreich. Dann kann man sich selbst ein Bild machen.

Meine Beiträge bei Qype gibt es hier und alle „Barrierefrei“-Beiträge – nicht nur von mir – gibt es hier.

Wie man Kunden vergrault

Heute: Hausgemachte Probleme durch Kunden lösen lassen.

Der Buchhandel stöhnt ja bekanntlich über die Konkurrenz aus dem Internet. Ich kann das gut verstehen, ich möchte auch nicht unbedingt Buchhändler sein in Zeiten von Amazon & Co. Wenn ich aber auf der Suche nach einem Buch bin und nicht genau weiß, was ich möchte, gehe ich doch ganz gerne zum Buchhändler um die Ecke. Und wenn ich Beratung brauche, tue ich das auch. Denn das ist wirklich ein Feld, mit dem der Buchhändler um die Ecke noch punkten kann – wenn er die geeigneten Mitarbeiter hat jedenfalls.

Der nächste Buchladen ist in einem Einkaufszentrum hier um die Ecke und geht über zwei Stockwerke. Es gibt zwar keinen Fahrstuhl im Geschäft, aber außerhalb im Einkaufszentrum. Während nicht behinderte Kunden also problemlos zwischen den Stockwerken wechseln können, kann ich das nicht. Nun hatte ich mir einen Reiseführer bestellt, der bei Amazon mit sechs Tagen Lieferzeit angegeben war – zu lange also, da wir ja am Samstag abfliegen. Der Buchladen konnte das Buch immerhin innerhalb von zwei Tagen besorgen.

Die Abholung für bestellte Bücher ist im 1. Obergeschoss. Die steuerte ich auch direkt an. Außerdem wollte ich ein Buch kaufen, das ich als Geschenk brauchte. Auch die Geschenk-Einpackstation ist im 1. Obergeschoss am gleichen Tresen. Ich sagte der Verkäuferin also, dass ich den Reiseführer bestellt habe und zudem das andere Buch als Geschenk wolle. „Das Buch gibt es im Erdgeschoss.“ Ich schaute sie fragend an. Ich wollte mich nicht zweimal an der Kasse anstellen (einmal oben, eimal unten, weil ich mit dem unbezahlten Buch den Laden nicht verlassen kann), um dann wieder nach oben zu kommen, um das Buch einpacken zu lassen. „Wir haben keinen Fahrstuhl und zudem sind wir personell dünn besetzt“, sagte sie und schaute meine Begleitung auffordernd an. „Er könnte ja…“. Ich fiel ihr ins Wort: „Er ist blind, sie müssten das Buch schon hochschicken lassen.“ Das könne keiner bringen, meinte sie. Sie müsse schon selber gehen, sagte sie als hätte ich ihr Marathon verordnet. Die ganze Debatte dauerte bereits länger als das Holen des Buches dann insgesamt an Zeit kostete. Sie ging dann tatsächlich selbst, die Angelegenheit dauerte vielleicht drei Minuten. Ich wollte in dem Laden fast 50 Euro lassen und hatte dennoch das Gefühl, richtig lästig zu sein.

Ich hasse es, wenn Unternehmen ihre eigenen Unzulänglichkeiten – in diesem Fall kein Fahrstuhl und zu wenigen Personal – die Kunden ausbügeln lassen. Abgesehen davon, dass meine Begleitung keine bezahlte Assistenz ist, sondern mein Lebensgefährte, sind auch (bezahlte) Assistenten behinderter Menschen nicht dafür da, der deutschen Wirtschaft zu assistieren, sondern den behinderten Menschen. Es passiert mir andauernd, dass die Leute meiner Begleitung oder sogar wildfremden anderen Kunden Anweisungen geben, was sie zu tun haben: „Gehen Sie doch bitte in den Saal und machen den Rollstuhleingang auf“, „Laufen Sie doch bitte zu meiner Kollegin und holen Sie den Schlüssel“, „Geben Sie der Dame das mal, sonst muss ich mich so über den Tresen beugen.“ etc.

Wenn jemand in der Umkleidekabine steht und von dem Verkäufer eine andere Größe verlangt, sagt der ja auch nicht zur Begleitung, die davor wartet: „Suchen Sie ihrer Frau mal die Jeans eine Nummer kleiner.“ Wer würde in so einem Laden wieder eine Jeans kaufen? Deshalb sieht mich der Buchladen jetzt auch erstmal nicht wieder.