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Aberzombie & Witch

Ich bin gestern in San Francisco angekommen und nachdem ich mit dem BART-Zug vom Flughafen in die Stadt gefahren bin, war das erste Geschäft, das ich hier sah, Abercrombie & Fitch. Das erinnerte mich daran, dass ich unbedingt noch etwas über diese Firma schreiben wollte. Abercrombie & Fitch macht seit Jahren weniger wegen ihrer Kleidung von sich reden, sondern wegen diverser Klagen wegen Diskriminierung, nicht zuletzt von behinderten Kunden und Mitarbeitern. Im Film Shrek 3 gab es eine Geschäft, das „Aberzombie & Witch“ genannt wurde als Parodie auf A & F.

– Laut Manager Magazin verklagten US-Bürgerrechtsgruppen Abercrombie & Fitch 2003 im Namen von 10 000 erfolglosen Stellenbewerbern wegen Diskriminierung, weil das Unternehmen nur Weiße einstelle. Das Verfahren endete 2005 mit einer gütlichen Einigung, bei der das Unternehmen einwilligte, den Klägern 40 Millionen Dollar zu zahlen und hausinterne Maßnahmen für „größere Diversität“ einzuführen.

– Im Sommer 2009 wurde die Modekette von einer Frau in London wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verklagt. Das Arbeitsgericht gab der Studentin zum Teil recht. Beim Einstellungsgespräch gab die junge Frau nicht an, dass sie eine Unterarmprothese trägt. Von ihrem Chef wurde sie zum Tragen einer Strickjacke über dem üblichen T-Shirt aufgefordert, sodass die Prothese verdeckt wird. Mitarbeiter des so genannten „visual teams„, einer Abteilung für ästhetische Angelegenheiten, verboten der Frau jedoch weiter im Verkaufsbereich tätig zu sein und forderten sie auf, nunmehr im Lager zu arbeiten. Das Gericht in London sah im Vorgehen des Unternehmens eine rechtswidrige Belästigung und verpflichtete Abercrombie & Fitch zusätzlich zur Zahlung einer grundlegenden Entschädigung von 136 Pfund und des Verdienstausfalls von 1077 Pfund zu einer Entschädigung für die erlittene Demütigung, den Vertrauensverlust und die verletzten Gefühle in Höhe von 6800 Pfund.

– Kurz vor meiner Abreise las ich dann, dass Abercrombie & Fitch zur Zahlung von 115 000 Dollar sowie Auflagen verurteilt wurde, weil sie einem autistischen Mädchen in Minnesota verweigert haben, gemeinsam mit einer Begleitperson in die Umkleidekabine zu gehen.

Ich glaube eigentlich, dass man Unternehmen, die diskriminieren, manchmal nur mit hohen Geldstrafen beikommen kann. Aber was macht man mit einem Unternehmen, dass weder die Zahlung von 8000 Pfund noch von 40 Millionen Dollar juckt? Zuerst einmal: Nicht dort einkaufen. Klar. Aber wahrscheinlich muss man in hartnäckigen Fällen wie diesem dazu übergehen, die Geschäftsführer persönlich haftbar zu machen. Und der Artikel über den Fall in Minnesota liest sich auch nicht so, als würden die Gerichte sich das länger anschauen. Das bringt vielleicht nicht diese merkwürdige Firma zum Umdenken, aber es sendet eine wichtige Botschaft in die Gesellschaft: Dass die Diskriminierung behinderter Menschen nicht toleriert wird. Und das ist nicht zu unterschätzen.

Britain’s missing Top Model

In Großbritannien ist gerade „Britain’s missing Top Model“ gekürt worden. Das ist eine Reality-Serie der BBC, bei der am Ende eine behinderte Frau ein Fotoshooting mit der Zeitschrift Marie Claire gewinnt und eben „Britains missing Top Model“ ist.
Ich habe mir die vorletzte Folge der Serie auf BBC3 angesehen und fand es eine sehr merkwürdige Serie. In der letzten Folge waren noch drei Frauen übrig. Gewonnen hat dann am Ende eine Frau, der ein Unterarm und die Hand fehlt. Nicht zuletzt deswegen, weil die Behinderung am wenigstens Einfluss auf den Modellalltag hat. Na prima!

Die Sendung ist alles in allem ziemlich langweilig. Es wird thematisiert, dass die Rollstuhlfahrerin beim Außentermin nicht aufs Dach kommt und getragen werden muss. Wie überraschend! Und überhaupt dreht sich eigentlich nur alles darum, was die Frauen NICHT können. Das soll inspirierend für andere behinderte Frauen sein? Na, ich weiß nicht. Im Guardian gab es einen ganz guten Kommentar zu der Sendung. Die Autorin hat genau das gleiche Problem wie ich: „Though I haven’t seen all of them, I fear that this competition seems to be highlighting what the girls can’t do, rather than all the things they can.“

In Deutschland läuft gerade auch zum x.-ten Mal ein Modellwettbewerb für behinderte Frauen. Die Welt berichtet mit Bildergalerie und fragt ihre Online-Leser, ob es überhaupt Schönheitswettbewerbe für Behinderte geben soll. Die vorgegebenen Antworten sind: „Ja, auch gehbehinderte Frauen sind schön.“ oder „Nein, Behinderte sollten nicht zur Schau gestellt werden.“ Die Welt ist tief ins Sommerloch gefallen, wie mir scheint.

Ich finde Modell-Wettbewerbe insgesamt eine ziemlich bescheuerte Angelegenheit. Sie werden auch nicht besser, wenn behinderte Frauen daran teilnehmen. Was mich aber stört ist die Annahme, die Gewinnerin werde zum Vorbild für andere behinderten Frauen und würde das Bild von behinderten Menschen in der Öffentlichkeit verbessern. Sowohl bei den Shootings für den deutschen Modellwettbewerb als auch bei einem der BBC-Shootings wurde darauf geachtet, die Behinderung teilweise zu kaschieren. In der BBC-Serie kritisiert das immerhin eines der Jurymitglieder, die selber Rollstuhlfahrerin ist. Damit macht man aus behinderten Frauen nicht behinderte Frauen und das war’s dann mit den Vorbildern und dem veränderten Blickwinkel.

Modebranche

Schaufensterpuppe ohne Arme

Die Integration behinderter Menschen Schaufensterpuppen schreitet voran.