Archiv für Internet

Re:publica 2011: Der Friedrichstadtpalast applaudierte lautlos

Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich schreibe, dass die letzten Tage wohl die Besten in Deutschland waren seit ich nicht mehr in Deutschland lebe.
Seit Dienstag abend bin ich in Berlin, um die re:publica zu besuchen. Ich wusste ja, dass meine Twitter-Timeline großartig ist, aber ich weiss nun auch, dass es auch im richtigen Leben richtig nette Menschen sind. Ich habe so viele nette Menschen getroffen, denen ich folge oder die mir folgen und / oder dieses Blog lesen. Außerdem habe ich Menschen wieder getroffen, die ich nicht mehr gesehen hatte, seit ich aus Deutschland weg bin. Und ich habe mich so gefreut, dass sie sich gefreut haben, mich zu sehen. Es war wie ein Klassentreffen nach langer langer Zeit.
Als allererstes traf ich Julia Probst, die für mich den besten und bewegendsten Auftritt auf der Re:publica hatte. Sie ist gehörlos und wurde bekannt, weil sie darüber twittert, was sie Fußballspielern und Trainern während des Spiels von den Lippen abliest und zudem die Körpersprache von Politikern analysiert. Außerdem bloggt sie zum Thema Barrierefreiheit und Gehörlosigkeit.

Philip Banse interviewte Julia (und andere Blogger) über ihre Erfahrungen und fragte sie über die Gebärdensprache aus. Eine Dolmetscherin übersetzte das, was Julia gebärdete und das, was der Moderator fragte. Und das Publikum im gut gefüllten Friedrichstadtpalast hörte aufmerksam zu und war fasziniert. Auch dann als Julia anprangerte, dass in Deutschland nur 10 Prozent des Fernsehprogramms untertitelt wird, während in den USA und Großbritannien bereits 100% Untertitel angeboten werden. Und sie prangerte die fehlende schulische Integration behinderter Kinder an. Kurzum: Julia hat in den 20 Minuten wahrscheinlich mehr für das Bewusstsein bei der Gesellschaft, für Inklusion, Gebärdensprache und Barrierefreiheit getan als so mancher Almosenverein in den letzten 10 Jahren. Und sie hat eines gezeigt: Man kann die Leute wirklich für das Thema begeistern, wenn man nur will und es richtig macht. Gebärdensprache kann so ein tolles Instrument dafür sein.

Als das Gespräch zu Ende war, applaudierte der ganze Friedrichstadtpalast in Gebärdensprache. Die Leute hielten ihre Hände in die Luft und schüttelten sie, eben so wie man das in Gebärdensprache macht. Und ich muss ehrlich sagen, in dem Moment war ich wirklich gerührt, weil ich es als riesiges Zeichen der Akzeptanz empfand. Die Gebärdensprache ist sozusagen bei den Nerds angekommen, dann kann das mit den Normalbürgern doch auch klappen, denke ich mir.

Und weil es mich so viele Leute gefragt haben: Ja, die Barrierefreiheit der Re:publica hat sich verbessert seit ich das letzte Mal dort war. Am barrierefreien Eingang steht dauerhaft Personal, das den Eingang umgehend öffnet und der Mitarbeiter in der Kalkscheune hat mir sofort seine Handynummer gegeben, damit ich ihn jederzeit erreichen kann und rein und raus komme.

Was ich mir für das nächste Mal wünsche: Schriftdolmetscher, die das Gesagte mitschreiben, was dann auf die Leinwand geworfen wird, und Gebärdensprachdolmetscher. Dann könnten auch gehörlose und schwerhörige Menschen die Sessions ohne Einschränkungen besuchen. Ich zahle auch 10 Euro mehr an Eintritt, wenn das möglich wäre. Und ich bin sicher, nach dem tollen Auftritt von Julia bin ich nicht die Einzige. Oder es findet sich ein Sponsor. Ich träume schon vom Banner am Eingangsbereich: „Die Barrierefreiheit auf der re:publica 2012 wird Ihnen präsentiert von [hier eine Aufzugs-, Hörgeräte-, Treppenliftfirma einsetzen oder eine Firma, die einfach verstanden hat, dass behinderte Kunden auch Kunden sind und dass das Thema eh gerade ziemlich cool ist]“.

Barrierefreiheit, Geduld und Zwang

Ich lese mir gerade das Echo zum A-Tag, einer Konferenz rund um Barrierefreiheit in Wien durch, und bin unter anderem über den Vortrag von Christian Heilmann gestolpert. Gestolpert deswegen, weil ich dachte, ich wäre in eine Zeitmaschine gestiegen ins Jahr – sagen wir – 2000. Zuvor hatte ich schon auf Twitter gelesen, dass die Barrierefreiheit im Internet erst am Anfang stehe.

2000 war das Behindertengleichstellungsgesetz in Deutschland noch nicht verabschiedet, die Diskussionen darum liefen auf Hochtouren. Klar war damals aber schon, das Internet muss in einem Gesetz vorkommen. Die Barrierefreiheit muss sich auch auf das Internet beziehen.

Jetzt haben wir das Jahr 2009. Das Behindertengleichstellungsgesetz ist seit 2002 in Kraft, mit ihm die BITV. Zudem gibt es ein Antidiskriminierungsgesetz in Deutschland, ein Behindertengleichstellungsgesetz in Österreich, in UK das DDA, in den USA das ADA und die Section 508, die Barrierefreiheit im Internet regelt. Und zudem viele viele regionale Gesetze und Gesetze in anderen Ländern. Und dann lese ich tatsächlich von Geduld, die man mit den Entwicklern und Designern haben müsse!? Davon, dass man Barrierefreiheit nicht von oben herab verordnen dürfe. Und frage mich: Huch? Habe ich was verpasst? Hat jemand all die oben genannten Gesetze und Richtlinien außer Betrieb genommen? Es ist doch bereits verordnet. In noch nicht allen Bereichen und Ländern, aber wir stehen definitiv nicht am Anfang.

Und dann die Sache mit der Geduld: Ich bin definitiv kein ungeduldiger Mensch. Das kann ich mir gar nicht erlauben. Ich warte ständig auf irgendwas: Dass mir jemand den Seiteneingang aufmacht, dass die Behindertentoilette frei wird, dass mich jemand wegen eines Interviews zurückruft. Mir jemand hilft. Und ich behaupte mal: Vielen anderen behinderten Menschen geht es ähnlich. Wir warten ständig auf irgendwas. Und eben auch auf Gesetzgebungen, die uns den Zugang zur Gesellschaft sichern.

Es gibt so viele Bereiche, in denen ich mir mehr ungeduldige behinderte Mitbürger wünschen würde. Mit Geduld bringt man keinen amerikanischen Supermarktkonzern dazu, seine Webseite barrierefrei zu machen. Mit Geduld hätte es in Deutschland kein Behindertengleichstellungsgesetz samt BITV gegeben. Mit Geduld hätte ich mein Studium heute noch nicht beendet, weil kein Raum verlegt worden wäre.

Designer sind kreative Menschen und sollten diese Kreativität auch nutzen. Aber sobald man etwas „für die Gesellschaft“ entwickelt, also eine große Bank-Webseite zum Beispiel oder ein Informationsangebot, dann kann man sich nicht nur auf Kreativität verlassen. Dann geht es darum, möglichst vielen Menschen Zugang zum Angebot zu eröffnen, eben auch blinden Menschen, Leuten mit motorischen Einschränkungen oder auch gehörlosen Menschen. Sich dabei allein auf das Good Will der Designer zu verlassen, ist ziemlich blauäugig. Es stimmt, es gibt viele Menschen, die sich für das Thema Barrierefreiheit im Internet (und in der realen Welt) begeistern. Aber es wird immer Leute geben, die Verantwortung tragen und sich dennoch nicht dafür interessieren oder es sogar ablehnen. Es gibt Kreative, die sich nur für das Kreative interessieren und nicht dafür, ob die Seite irgendjemand lesen kann.

Ich hatte mal das zweifelhafte Vergnügen mit einem angesehenen Architekten in einem Bauausschuss zu sitzen. Der erzählte uns ständig von der „Schönheit der Treppe“ und warum man auf Stufen in keinem Fall verzichten dürfe, schon aus Designgründen. Dass man auch ohne Stufen schönes Design entwickeln kann, wollte er nicht hören. Letztendlich hat ihn die Bauordnung indirekt in die Schranken gewiesen. Es ging um ein öffentliches Gebäude.

Ich glaube also nicht daran, dass man jeden Designer und jeden Entwickler nur über „gut Zureden“ erreicht. Und auch in kreativen Berufen muss man damit leben, dass man nicht für die Kunst, sondern für den Benutzer entwirft und entwickelt. Und dass der Benutzer eine Behinderung haben kann, gehört durchaus dazu.

Ja, ich bin für Inspiration und Überzeugungsarbeit. Aber ich bin nicht naiv. Dafür stehe ich zu oft vor Stufen, für die es „eigentlich längst eine Rampe hätte geben sollen“ oder Menschen, die sich für nicht zuständig erklären. Ich bezweifele, dass die IT- und Designmenschen per se bessere Menschen sind und Gesetze und Urteile nicht brauchen. Ich denke mittlerweile sogar: Es ist mir egal, warum etwas barrierefrei ist – aus Empathie oder aus Zwang – hauptsache ich kann patizipieren. Das hält mich ja nicht davon ab, besonders engagierte Menschen und Projekte zu würdigen.

„Womanizer“ in Gebärdensprache

„Womanizer“ von Britney Spears in Amerikanischer Gebärdensprache.

Mit dem Fake-Blindenhund auf Reisen

Ich bin ja einiges gewöhnt, was Spam angeht, aber die Mail, die mich vorhin erreichte, die musste ich zwei Mal lesen, um zu glauben, was da steht. Sie war an meinen Freund gerichtet. Lest selbst:
Sehr geehrter Herr A.,

Sie werden sich sicher wundern, von mir (unbekannterweise) zu hören. Im Internet sind wir durch Zufall auf Sie gestoßen. Wir haben eine ganz ungewöhnliche Bitte und wenden uns deshalb vertrauensvoll an Sie.

Wir wollen ganz offen und ehrlich zu Ihnen sein. Mit unserer ganz lieben Golden Retriever Hündin planen wir eine
Übersiedlung nach Costa Rica. Unserer größtes Problem ist dabei der Transport unseres Tieres im Flugzeug. Da für uns der Transport im Frachtraum unmöglich erscheint, haben wir schon an den Transport per Schiff usw. gedacht. Doch alles war bisher
erfolglos. Bitte verstehen Sie uns jetzt nicht falsch. So haben wir auch bereits überlegt, einem sehbehinderten Menschen eine
Reise nach Costa Rica zu finanzieren, um es unserer Hündin zu ermöglichen, im Flieger oben im Flugzeug bei uns in einer Box
untergebracht zu sein. Dazu hatten wir uns auch bereits mit einem Blindenverein des Ortes in Verbindung gesetzt. Diese hatten Verständnis für unsere Situation und vermittelten auch einen Kontakt. Leider wurde aber trotzdem nichts daraus.

Da wir jedoch nichts unversucht lassen wollen, hier nun unsere Bitte. Wüssten Sie eventuell jemanden, der sich auf so ein Abenteuer einließe. Sie würden uns damit überaus behilflich sein. Jeder kleinste Hinweis würde uns helfen.

In der Hoffnung, von Ihnen zu hören, verbleibt
mit freundlichen Grüßen
(Name gelöscht)

Blindenführhunde und andere Assistenzhunde dürfen oben in der Kabine mitfliegen, weil sie speziell trainierte Hunde sind. Die Regelung heißt nicht „Jeder Blinde darf einen Hund mitbringen.“ Ich finde das ein ziemlich unmoralisches Angebot und verstehe nicht, warum dieser Hund nicht wie alle anderen auch unten im Gepäckraum mitfliegen kann. Die Ausnahme, dass Blindenhunde und andere Assistenzhunde oben mitfliegen dürfen, hat ihren Sinn und wird von den Fluggesellschaften akzeptiert. Sie zu missbrauchen gefährdet diese Regelungen. Und wer sagt mir, dass dieser Hund nicht vollgepumpt mit Drogen ist oder sonst irgendwas nicht mit ihm stimmt?

Aber ich bin sicher, gegen Geld werden sie jemanden finden, der das macht. Und die Fluggesellschaften werden, wenn sich die Geschichte rumspricht, künftig Papiere verlangen, die nachweisen, dass es sich um einen Blindenhund handelt.

Tagesschau.de und Leben mit Behinderung

Die Volontäre von Tagesschau.de haben ein Dossier zum Leben mit Behinderung erstellt. Was hätte man alles machen können…

Leider ist es schon wieder das gleiche, wie immer: Eine Frau erzählt, wie schwer es war als sie ihr Bein verlor, Sexualbegleitung für behinderte Menschen und eine FAQ erläutert den Begriff „Behinderung“. *gähn* Kann man das Thema nicht mal irgendwie einfallsreicher behandeln? Und vor allem nicht so medizinisch und definzitorientiert.

Wo ist das Interview mit einem Vertreter der Behindertenbewegung? Das Behindertengleichstellungsgesetz kommt gar nicht vor. Immerhin haben die Volontäre Art. 3.3 des Grundgesetzes entdeckt. Wo ist die internationale Einordnung? Wo steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Und Menschen mit geistiger Behinderung kommen in dem ganzen Dossier überhaupt nicht vor. Auch nicht Familien mit behinderten Kindern. Ich finde das Dossier ziemlich weichgespühlt und nicht sehr fundiert. In dem Gebärdensprachartikel zu schreiben, es gebe keine einheitliche Deutsche Gebärdensprache, ist zu ungenau und missverständlich. Nur weil es in Bayern Radler heißt und in Hamburg Alster, sagt ja auch keiner, es gebe keine einheitliche deutsche Sprache. Die Deutsche Gebärdensprache ist seit 2002 als eigene Sprache anerkannt. Das muss man wissen und erwähnen, wenn man so einen Beitrag schreibt.

In den kommentierten Links „Hilfe zur Selbsthilfe“ als erstes auf die Bundesagentur für Arbeit zu verweisen, zeugt von ziemlicher Ahnungslosigkeit. Und warum haben die Volontäre nicht mal recherchiert, wie viele Leute durch die ebenfalls verlinkte Kampagne „Jobs ohne Barrieren“ wirklich dauerhaft in Lohn und Brot kamen?

Vielleicht würde es dem NDR ganz gut tun, mal mehr Volontäre und Journalisten mit Behinderung einzustellen. Dann ändert sich vielleicht auch ein wenig der Blickwinkel der Redaktion. Aber auch für nicht behinderte Journalisten ist es nicht schwer, sich mal in das Thema wirklich einzuarbeiten und nicht immer nur an der Oberfläche zu kratzen.

iTunes und meine Lebenswirklichkeit

Unternehmen wie Apple sind ja angeblich gewappnet für die Globalisierung. Ich möchte da Zweifel anmelden, denn Apple kommt im Fall von iTunes nicht einmal mit meiner bescheidenen Lebenssituation zurecht.

Ich habe vor ein paar Tagen Karten für das Herbert Grönemeyer-Konzert in London gekauft. Diese habe ich telefonisch bestellt und per Post erhalten. Bei den Tickets lag ein iTunes-Gutschein. Diesen wollte ich gerade einlösen und bekam den Hinweis, dass der Gutschein nur für den britischen iTunes-Store gültig ist (macht ja auch Sinn bei Herbert Grönemeyer – haha). Also bin ich in den britischen iTunes-Store, um den Gutschein einzulösen. Dort war zwar der Gutschein gültig, aber man sagte mir, mein Account sei nur für den deutschen Shop nutzbar. Soll ich mir jetzt für den britischen iTunes-Store einen neuen Account zulegen? Was sagt denn das DRM von iTunes dazu? Und warum muss man im Internet als internationales Unternehmen eigentlich ein Pass und ein Visum verlangen? So komme ich mir nämlich gerade vor. Die Barrieren beim internationalen Onlineeinkauf sind in dem Fall ja fast höher als bei Überqueren der Schengengrenze. Jedenfalls auf Kundenseite. Sonst hat Apple ja keine Probleme, was die Verfügbarkeit meiner Daten international angeht.

Rolle rückwärts

Ich behaupte ja, ganz gut Rollstuhl fahren zu können und ich nehme auch die ein oder andere Stufe mit. Als Jugendliche habe ich auch schon getestet, ob so ein Skateboardpark auch für Rollstühle geeignet ist. Aber auf die Idee, ein Backflip zu versuchen, bin ich nicht gekommen.
(Für alle die das Video unten nicht sehen können: Ein Rollstuhlfahrer springt über alle möglichen Hindernisse und macht am Ende eine Rolle rückwärts).

Inside Google London

Eingang bei Google

Empfang bei Google

Sitzecke bei Google

Kantine von Google London

Insight Magazin

Das Insight Magazin hat diverse Journalisten zu ihren Lieblingsweblogs befragt. Darunter auch mich. Nachzulesen in der April-Ausgabe des Magazins. Die Links zu dem Artikel gibt es auch online.

Twittersüchtig

So, jetzt hat es mich auch erwischt: Twitter. Da kann man der Welt mitteilen, was man gerade tut und sehen, was Freunde und Bekannte gerade tun. Mein Arbeitgeber BBC nutzt Twitter, um Nachrichten und Programmhinweise zu senden. Einfach mal nach BBC bei Twitter suchen.