Archiv für 30.4.2009

Ich mache mir Sorgen, Aktion Mensch

Die Aktion Mensch hat in den vergangenen Jahren einen beachtlichen Imagewandel hingelegt: Von einer Organisation, die sich um arme Sorgenkinder kümmert, zu einer Organisation, die sich für gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen einsetzt und sich für Menschenrechte stark macht. Nicht zuletzt die Namensänderung von Aktion Sorgenkind in Aktion Mensch sollten das deutlich machen.

Architekt dieser Wandlung war unter anderem Geschäftsführer Dieter Gutschick. Er geht jetzt in Ruhestand und seit gestern stehen seine Nachfolger fest: „Armin von Buttlar und Martin Georgi führen ab dem 1. Mai Deutschlands größte private Förderorganisation in einer Doppelspitze als geschäftsführende Vorstände“, schrieb die Aktion Mensch in der Pressemitteilung. Martin Georgi? Martin Georgi? Der Name kam mir bekannt vor. Und dann fiel der Groschen: Martin Georgi verantwortete eine Werbekampagne der Christoffel-Blindenmission, die nicht nur von mir kritisiert wurde und nach den Protesten gestoppt wurde. Es war ein Afrikaner zu sehen, der statt Augen Münzeinwurfschlitze hatte.

Ich komme aus Bensheim, wo die Christoffel-Blindenmission ihren Sitz hat, und verfolge schon seit Jahrzehnten die Arbeit der Organisation. Ich empfand schon als Schülerin die Kampagnen befremdlich. Ich mag es nicht, wenn Hilfsorganisationen allein auf Mitleid setzen, um Spenden zu bekommen. Mitleid ist meines Erachtens die Hauptursache dafür, warum Menschen mit Behinderungen immer noch häufig nicht als gleichberechtigte Bürger angesehen werden, sondern als arme Hascherl. Und deshalb war es so wichtig, dass die Aktion Mensch von dieser Strategie abgerückt ist. Ich mache mir Sorgen, dass es einen Rückschritt im Auftreten der Lotterie geben wird, wenn der Geschäftsführer von einer Organisation kommt, die bis heute auf Mitleid setzt.

Die zweite Person der Doppelspitze bei der Aktion Mensch ist Armin von Buttlar. Er war zuvor unter anderem Finanzchef der Merz-Gruppe. Merz? Hatte ich nicht vor kurzem etwas über diesen Pharmakonzern gelesen? Ja, hatte ich.

Niemand hat ein größeres Interesse am Festhalten des medizinischen Modells von Behinderung als die Pharmakonzerne. Die verdienen mit der Annahme, dass Behinderung unbedingt geheilt werden muss und kann, Geld. Es gibt bei vielen Selbsthilfegruppen eine massive Abhängigkeit von der Pharmaindustrie, die sie gerne finanzieren so lange sie ihre Medikamente anpreisen. Es gibt schon lange kein gutes Verhältnis mehr zwischen der Pharmaindustrie und Selbsthilfeverbänden im Behindertenbereich. Ich gebe zu, ich kenne Herrn von Buttlar nicht und auch nicht seine Meinung zu diesen Themen. Aber dass ein ehemaliger Manager aus dem Pharmabereich nun an der Spitze der Aktion Mensch sitzt, irritiert mich dennoch.

Und da sind wir noch gar nicht bei der Diskussion, ob es nicht endlich mal Zeit wird, behinderte Entscheider bei der Aktion Mensch zu etablieren.
„Man wird sie an ihren Taten messen müssen“, sagte ein Freund vorhin zu mir. Das werde ich sicherlich tun. Und ich hoffe sehr, die Aktion Mensch wird nicht wieder zum Sorgenkind.

Wo bin ich eigentlich?

Das ist wohl einer der meist gestellten Fragen von Fahrgästen in Londoner Bussen. Denn es gab bis vor kurzem weder Haltestellenanzeigen noch -ansagen. Man musste immer selber versuchen, einen Blick auf die Bushaltestelle zu erhaschen, um zu sehen, wo man gerade ist. Hatte man sich verirrt, waren die Busfahrer auch keine große Hilfe. Die kennen bei weitem nicht alle Haltestellen, sondern manche sind froh, wenn sie sich währen ihrer Tour durch die Stadt nicht verfahren.

Das hat jetzt ein Ende, denn seit heute haben alle 8000 Londoner Busse eine Haltestellenanzeige und -ansage. Blinden Menschen mussten in London bislang schon sehr abenteuerlustig sein, wenn sie in einen Londoner Bus gestiegen sind, um von A nach B zu kommen. Denn wie gesagt, die Busfahrer waren nicht immer eine Hilfe. Im Gegenteil. Sie gaben teilweise falsche Informationen und der blinde Fahrgast fand sich dann irgendwo wieder, wo er gar nicht hinwollte. Es gab seit ich hier bin diverse Zeitungsartikel mit solchen Geschichten.

Das System iBus funktioniert vollautomatisch und über Satellitenortung weiß das System, wo sich der Bus gerade befindet und wann die nächste Haltestelle angezeigt bzw. angesagt werden muss. Und auch die Leitstelle weiß jetzt wo ihre Busse sind. Es soll ja hier Busfahrer gegeben haben, die fuhren wie und wann sie wollten oder auch gar nicht. Es ist laut Transport for London das derzeit größte Ortungssystem für Fahrzeuge weltweit.

Das ist übrigens ein schönes Beispiel, wie Barrierefreiheit allen Menschen nutzt: Ob Touristen, Fahrgäste, die sich nicht auskennen, blinde oder gehörlose Menschen – alle brauchen Haltestellenanzeigen und / oder -ansagen. Und die Verkehrsbetriebe nutzen das System auch noch zur Ortung ihrer Busse. Damit ist allen gedient.

Wie ein Computerspiel

Ich komme mir manchmal vor wie in einem Computerspiel: Da hat man sich gerade gefreut, das nächste Level erreicht zu haben, da treten im nächsten Level die gleichen Hürden wieder auf, nur ein bisschen höher.

Ich bin gerade in Hannover angekommen und habe schon wieder eine epische Diskussion mit dem Flughafen hinter mir. Warum? Sie weigerten sich, mir meinen Rollstuhl ans Gate zu bringen und wollten mich in einen Flughafenrollstuhl setzen. Genau das gleiche Problem, das ich schon in Düsseldorf, Köln und Martin in Berlin hatte (dort allerdings beim Abflug).

Nun also Hannover. Ich kam an, wurde mit dem Bordrollstuhl nach draußen gebracht und mein Rollstuhl war nicht da. Wo der denn sei, fragte ich. „Der ist im Terminal“, sagte mir der Mitarbeiter der Johanniter. Ich sagte ihm, dass ich mich auf keinen Fall in den Flughafenrollstuhl setzen würde und darauf bestehe, dass mir der Rollstuhl gebracht wird. Der Pilot mischte sich ein: „Das geht in Hannover nicht.“ Ich sagte ihm, dass ich weltweit mehr als 60 Flughäfen kenne und mir nicht klar ist, was an Hannover so besonders sein soll, dass sie das Verfahren, wie es weltweit üblich ist, nicht auch hier gehen sollte.

Ich trat also in einen Sitzstreik. Ich war sehr zuversichtlich, dass sich das Problem recht schnell lösen lassen würde, denn schließlich war es schon nach 23 Uhr und alle wollten nach Hause. Und tatsächlich, ein Mitarbeiter sagte, er würde den Rollstuhl beim Sperrgepäck abholen und nach oben bringen. Er verschwand – und kam 30 Minuten nicht wieder.

Ich hielt einen Kurzvortrag über die neue EU-Richtlinie für Passagiere mit eingeschränkter Mobilität, über die Gleichstellungsgesetze und über die Wichtigkeit der Hilfsmittel. Die versammelten Mitarbeiter hörten mir zu. Nur der andere Mitarbeiter kam nicht wieder und ich saß wahnsinnig unbequem auf dem Bordrollstuhl. Irgendwann tat mir mein Rücken und mein Po weh.

Da erschien der Mitarbeiter endlich mit meinem Rollstuhl. Auf meine Frage, wo er denn gewesen sei, antwortete er ausweichend. Ein anderer Mitarbeiter fragte ihn, ob er denn nicht im Sperrgepäck gewesen sei. Nein, war er nicht. Die Packer hatten meinen 4000 Euro teuren Rollstuhl einfach aufs Gepäckband gestellt. Da gehört er nicht hin, weil er erstens runter fallen kann und zweitens vielleicht auch andere „Interessenten“ findet.

Nach 30 Minuten saß ich dann endlich in meinem eigenen Rollstuhl und rollte gegenüber ins Flughafenhotel. Und um den Tag noch zu toppen, fand ich mich in einem nicht barrierefreien Zimmer wieder. Wie sich später rausstellte bekam die Frau neben mir an der Rezeption das einzige noch verfügbare barrierefreie Zimmer. Aber auch diese Hürde habe ich erfolgreich überwunden: Ich habe das barrierefreie Zimmer jetzt und die Frau ist in meinem alten. War ansich kein Problem, man musste es nur organisieren und die Frau musste umziehen. Hat sie auch problemlos gemacht.

Also gehts jetzt ins nächste Level: Brief an den Flughafen schreiben. Wär doch gelacht, wenn wir nicht auch noch Hannover umgepolt kriegen.

Nachhaltigkeit von Beschwerden

Ich war ja vor ein paar Wochen in Berlin. Ich muss sagen, ich war vor dem Flug etwas nervös. Nicht, weil ich Flugangst habe, sondern weil die Berliner Flughäfen berühmt berüchtigt sind, Rollstuhlfahrern ihre Rollstühle unter dem Hintern wegzunehmen. Martin Ladstätter hatte vor zwei Jahren die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil ihm die Bundespolizei am Flughafen Tegel den auf ihn angepassten Rollstuhl weggenommen hatte, anstatt ihn erst am Flugzeug verladen zu lassen, wie das weltweit üblich ist. Zu einer Verhandlung kam es aber gar nicht, weil die Bundespolizei nach diversen Briefen und Klageerhebung einlenkte und bekannt gab, dass er nun auch in Berlin Hilfsmittel mit zum Flieger nehmen dürfe.
Ich bin nur einmal nach Berlin geflogen, noch vor der Wende, danach nicht mehr, weil ich ja in Hamburg wohnte. Aber für die Republica bin ich ja von London nach Berlin geflogen und war gut vorbereitet: Stift und Block lagen notizbereit in meiner Tasche, um mir gegebenenfalls Namen der handelnden Personen aufschreiben zu können. Argumentationslinien hatte ich mir eingeprägt – nur für den Fall, dass die Bundespolizei oder der Flughafen die Auseinandersetzung von vor zwei Jahren schon wieder vergessen hatten und mir meinen Rollstuhl unterm Hintern wegnehmen wollten. Ich brauche, wie Martin, meinen auf mich angepassten Rollstuhl. In einem 08/15-Flughafenrollstuhl habe ich keinen Halt. Aber wir kamen in Schönefeld an (Tegel und Schönefeld haben die gleichen Flughafenbetreiber und es gab auch dort die gleichen Probleme) und mein Rollstuhl stand schon bereit. Ich hatte die Flugbegleiterin auch beim Anflug schon darauf hingewiesen, dass ich meinen eigenen Rollstuhl haben möchte. Die Ankunft war aber wohl auch früher kein Problem, eher der Abflug und so war ich dann richtig gespannt als es wieder zurück nach London ging.
Man fragte mich am Check-In sogar, ob ich meinen Rollstuhl behalten oder aufgeben wolle. Ich nahm ihn natürlich mit und fuhr mit dem eigenen Rollstuhl bis an den Flieger. Es war kein Problem.
Als ich wieder zu Hause war, habe ich mich bei Martin bedankt: Einfach deshalb, weil ich davon profitiere, dass sich jemand gewehrt hat und mir deshalb der Zoff erspart wurde. Ich würde mir so wünschen, dass mehr behinderte Menschen sagen, was nicht in Ordnung ist. Darüber freut sich dann derjenige, der nach ihnen irgendwohin kommt. Nun kenne ich Martin und weiß also auch noch, wer vor mir da war und das „geregelt“ hat. Sich zu beschweren ist manchmal viel nachhaltiger als man sich das in dem Moment ausmalt. Wenn einmal etwas durchgesetzt wurde, profitieren aber oft ganz viele davon.

Google Streetview und die Barrierefreiheit

„Damit kann man doch nichts Sinnvolles machen, sondern nur Unfug“, war der Tenor im Radio hier als Google Streetview online ging. Und ich muss sagen, ich war auch ziemlich baff als ich die Qualität der Bilder gesehen habe. Ich glaube mich sogar auf einem Bild wieder erkannt zu haben. Komisches Gefühl.

Seit heute kann ich aber sagen: „Mir nutzt Google Streetview.“ Heute nachmittag bekam ich eine Einladung zu einer Verstaltung in einem Gebäude, das ich nicht kenne. Ich ging auf Google Maps und dann auf Streetview und konnte sehen, dass ich da höchstwahrscheinlich nicht reinkomme, weil es ein uraltes Gebäude mit Portaltreppe ist.

Heute abend hat mir Google Streetview dann wieder genutzt. Ich bin gerade dabei, die Gegend hier zu erkunden und wollte zum nächst gelegenen Pizza Express-Restaurant. Das ist eine Restaurantkette, die eigentlich ziemlich barrierefrei überall ist. Aber ich kannte das Lokal wie gesagt nicht und schaute mir auf Google Maps an, wo es genau liegt. Dann konnte ich mir mit Streetview den Eingang ansehen, ranzoomen und wusste, ich komme da rein. Ebenerdiger Eingang, mehr muss ich nicht wissen.

Dann habe ich mich gefragt, welcher Bus dort hin fährt und entdeckte vor dem Lokal eine Bushaltestelle. Ich zoomte wieder ran und sah das Schild der Buslinie 321. Die hält auch bei mir und so wusste ich, welchen Bus ich nehmen muss. Ich kannte mich schon aus, ohne da gewesen zu sein. Ich glaube, Streetview wird mir im Alltag wirklich helfen. Denn auf die Information von Leuten bezüglich Barrierefreiheit kann man sich überhaupt nicht verlassen, auch wenn man vorher anruft. Die Leute nehmen gar nicht wahr, dass sie Stufen vor der Tür haben und erzählen dann, sie hätten keine. Jetzt kann ich selber nachsehen…

Re:publica 09 oder back to the roots

Ich war schon ewig auf keiner Web2.0-Konferenz mehr, habe aber trotzdem gerne zugesagt, als man mich fragte, ob ich auf der Re:publica ein Vortrag über das Thema „Digitale Identität“, dieses Blog und meine Erfahrungen mit Facebook, Twitter & Co. berichte. Außerdem freute ich mich, auf ein paar schöne Tage mit alten Bekannten in Berlin. Es war ein bisschen „back to the roots“ für mich.
Einer der Kooperationspartner der Re:publica war die Aktion Mensch. Für mich war deshalb klar, das wird eine barrierefreie Veranstaltung. Ich gebe zu, das war naiv von mir.
Mein ersten Zweifel kamen mir bereits im Hotelzimmer, das für mich gebucht worden war. Ich hatte ein Zimmer, in dem ich mich kaum bewegen konnte. Zwischen Schreibtisch und Bett war so wenig Platz, dass mein Zimmer quasi halbiert war: In die eine Hälfte, in der ich sein konnte und die andere, die durch den engen Durchgang nicht erreichbar war. So konnte ich auch nicht am Schreibtisch sitzen. Das Hotel wirbt explizit mit der Barrierefreiheit seiner Zimmer, habe ich auf der Homepage gesehen. Man kann den Veranstaltern kaum einen Vorwurf machen. Mein Zimmer war aber nicht nur sehr unglücklich eingerichtet, es war auch ein im 1. Stock direkt an der Straßenbahn ohne Iso-Fenster gelegenes RAUCHERzimmer.
Am zweiten Abend, nachdem ins Nachbarzimmer ein Kettenraucher eingezogen war und der Rauch dank Klimaanlage in meinem Zimmer landete, bat ich um ein neues Zimmer: Enge, Lärm und Rauch fand ich ein bisschen viel Zumutungen. Um es kurz zu machen: Das Hotel war nicht in der Lage, mir bis zum Ende der Re:Publica ein neues Zimmer zu geben. Was lernt man daraus: Glaube nie den Werbeversprechen eines Unternehmens, wenn es um Barrierefreiheit geht.

Der erste Tag der Re:publica begann damit, dass ich um den Friedrichstadtpalast kurvte, um den barrierefreien Eingang zu finden. Ausgeschildert war nichts und der Haupteingang war nur über viele Stufen zu erreichen. Ich habe dann jemanden reingeschickt, um fragen zu gehen. Überhaupt habe ich auf der Re:publica ziemlich viele Leute irgendwo hingeschickt, um irgendwas zu fragen, zu holen und auszurichten. Es gab einen Seiteneingang. Nachdem man den richtigen Menschen samt Schlüssel gefunden hatte, war die Tür offen. Sollte aber geschlossen bleiben. „Sagen Sie mir bescheid, wenn Sie wieder raus wollen“, sagte mir der Fliegenträger vom Friedrichstadtpalast. Das wollte ich aber nicht, denn die Veranstaltung fand in zwei Häusern statt: Dem Friedrichstadtpalast und der Kalkscheune. Und draußen war das Wetter spitzenmäßig und alle Leute gingen ständig raus und rein. Das wollte ich auch. Am 2. Tag wechselte das Personal und plötzlich war auch die Tür dauerhaft offen. Wenn es schon getrennte Eingänge für Rollstuhlfahrer gibt, lasst sie offen. Ich komme mir nicht sehr willkommen vor, wenn ich ständig vor verschlossenen Türen stehe.

Ein ähnliches Problem ergab sich nach der Quizshow im Friedrichstadtpalast (fand ich übrigens sehr unterhaltend!). Es gab eine Party in der Kalkscheune. Die Kalkscheune hat mehrere recht steile Stufen vor der Tür aber einen barrierefreien Seiteneingang. Aber keiner der Türsteher war bereit, mir diesen zu öffnen. So stand ich 30 Minuten vor der Kalkscheune, schickte eine Person nach der anderen rein, um die Leute zu bitten, mir die Tür aufzumachen. Schlussendlich sagten die Türsteher, sie ließen mich nur rein, wenn ich mich tragen lasse, was völliger Unfug war, denn die Kalkscheune ist völlig zugänglich, wenn man nur eine Tür aufmacht. Da war der Punkt, an dem ich richtig sauer war und den Tag verflucht habe, an dem ich für den Kongress zugesagt habe. Keine Sorge, das änderte sich am 2. Tag gleich wieder, nach dem ich meinen Vortrag gehalten habe und viele nette Menschen getroffen habe. Aber mein Abend war eigentlich gelaufen. Ich weiß nicht, ob es klar ist, wie man sich fühlt, wenn man vor einem Gebäude steht und Menschenmassen an einem ins Gebäude ziehen, aber man selber wird völlig ignoriert, ganz gleich, wie viele Menschen man um Einlass bittet. Als dann endlich jemand von den Veranstaltern auftauchte – gerade noch rechtzeitig, denn ich war kurz davor, die ganze Re:publica sausen zu lassen – und mir ebenfalls vorschlug, mich die Treppen hochtragen zu lassen, war ich wirklich kurz vorm Platzen vor Wut. Ich kann und konnte nicht verstehen, wieso fünfstellige Summen von einer Behindertenhilfe-Lotterie in einen Kongress fließen, aber nicht einmal die einfachsten Dinge bedacht wurden: Wenn Rollstuhlfahrer kommen (und auch wenn man keine erwartet), öffnet man den barrierefreien Eingang. Vor allem dann, wenn man sie selber eingeladen hat. Ich habe dann später erfahren, dass es eigentlich dazu ein Briefing gab. Ich habe mit den Organisatoren gesprochen und auch mit der Aktion Mensch. Warum es trotzdem schief gelaufen ist, kann man eigentlich nur mit Ignoranz Einzelner erklären. Aber daran scheitern diese Dinge oft.

Dass das WLAN während fast der ganzen Veranstaltung nicht ging, empfand ich wegen der Vorkommnisse des ersten Tages fast als Lappalie. Die Konferenz wurde für mich mit dem 2. Tag dann auch weit besser. Die Twitterlesung war ganz großes Kino und ich habe mich sehr gefreut, so viele Menschen zu treffen, die ich lange nicht mehr gesehen hatte oder eigentlich nur virtuell kenne.
Da war mir dann auch egal, dass ich eine Veranstaltung verpasste, weil ich den barrierefreien Weg dorthin nicht fand und auch keiner da war, um zu fragen. Und selbst die doofen Erfahrungen vom Vortag verursachten noch das ein oder andere interessante Gespräch.

Zum Nachdenken hat mich gebracht, dass die Aktion Mensch mit der Methode „Wer zahlt, bestimmt was gespielt wird“, bestimmte Themen bei so einer Konferenz setzt. Ich schwanke noch zwischen „Genialer Lobbyismus für eine gute Sache“ und „Geht es wirklich nicht anders?“. Aber große Konzerne machen das genau so. Aber sollte es nicht selbstverständlich sein, dass eine Konferenz, die sich mit der Gesellschaft befasst, allen Menschen offen steht und auch verschiedene Gesellschaftsgruppen unter den Referenten widerspiegelt. Wenn dieser Anspruch aber schon bei den Geschlechtern (es waren weit weniger Frauen da als Männer) nicht klappt, wie soll das dann bei einem Thema wie Behinderung funktionieren? Ich habe noch keine Antwort gefunden, aber eines hat die Re:publica bei mir erreicht: Mich zum Nachdenken angeregt.