Ich habe mir gestern abend schon gedacht, dass es interessant sein wird zu sehen, welche Reaktionen auf die Preisverleihung folgen. Es zeigt sich, dass diese genauso überraschend sind wie der Gewinn selbst. Ich bekomme massenweise Zugriffe aus Spanien, weil El Pais und El Mundo in Artikeln über den Preis berichtet haben, auch ausführlich über dieses Blog. Auch russische Medien haben berichtet und eine Zeitung aus China. An den deutschen Medien scheint der Preis völlig vorbei zu gehen…
Archiv für 16.11.2007
Gewonnen!
Ich bekomme gerade Trackbacks, die mir sagen, dieses Blog hätte beim Blogwettbewerb der Deutschen Welle in der Kategorie „Bestes deutsches Weblog“ gewonnen. Ich freue mich natürlich riesig und bedanke mich herzlich für den Preis.
Zurück in London
Ich bin zurück von meinem kurzen Tripp nach Good Old Germany und habe gestern abend noch ein paar schöne Abenteuer erlebt. Als ich endlich in London ankam, fand ich mich in einem Rollstuhl mit gebrochenem und verbogenen Hinterrad wieder. Ich kümmere mich gerade um die Ersatzbeschaffung und die Kostenübernahme.
Überhaupt waren die beiden Tage in Frankfurt ganz interessant und eine Herausforderung. Ich stand ständig vor defekten oder besetzten Fahrstühlen, diskutierte ständig mit irgendwem rum. Sehr bezeichnend war die Situation abends an der Hauptwache. Ich wollte zur Hauptwache, aber dort war der Fahrstuhl bei der S-Bahn defekt. Also musste ich weiter bis Konstablerwache fahren und dann über die Zeil zurück zur Hauptwache rollen. Es war schon nach 20 Uhr und wenig Autos unterwegs und ich hatte es ja eilig. Extratouren hatte ich nicht eingeplant. Also bin ich bei Rot über die Ampel. Da plärrt eine Frau hinter mir her: „Dass Sie in Ihrer Situation auch noch bei Rot über die Ampel müssen. Das muss doch wohl nicht sein.“
Im Supermarkt belehrten mich Kunden „Nicht, dass Ihnen das vom Schoss fällt“ und ein Bahnmitarbeiter antwortete auf meine Frage, warum man während der mehrmonatigen Schließung und Umbau des Regionalbahnhofs Frankfurt-Flughafen nicht auch gleich einen ebenerdigen Einstieg ermöglicht hat: „Das ist zu teuer.“ Als ich ihm sagte, dass es doch auch teuer ist, dass er mich jetzt zur S-Bahn bringen muss, sagte er: „Das stimmt. Und der Servicepoint ist währenddessen auch zu. So viele Menschen die wegen Ihnen keine Auskunft bekommen.“ Ich habe ihm dann versucht zu erklären, dass die nicht „wegen mir“ keine Auskunft bekommen, sondern weil die Bahn nicht in der Lage ist, Zug und Gleis auf eine Höhe zu bringen und genügend Personal zu stellen.
Und so führte ich eine Diskussion nach der anderen, rechtfertigte mich hier und dort für mein ansich normales Verhalten und als ich am Dienstag im Flieger saß, war ich sooooo müde. Und hatte ganz stark das Gefühl, ich fliege nach Hause. Als ich zu Hause ankam, sagte ich zu meinem Freund „Ich glaube, ich werde alt. Ich steck diese dummen Kommentare und nervigen Menschen nicht mehr so gut weg.“ Darauf meinte er: „Nee, Du bist die nur nicht mehr gewöhnt.“
Nicht mein Tag
Ich bin seit ein paar Stunden in Frankfurt und hab schon wieder Heimweh nach London. Ja, mag sein, dass ich einfach nur einen schlechten Tag hatte.
Ich bin das erste Mal ab London City Airport geflogen. Der ist 20 Minuten von uns entfernt und damit für Londoner Verhältnisse wirklich um die Ecke. Schon am Check-In wusste ich, dass die Reise unter keinem guten Stern stand. Der Typ am Business-Schalter blaffte mich an, ich sei am falschen Schalter. Ohne mich zu fragen, welchen Vielfliegerstatus ich habe oder welche Klasse ich fliege. Rollstuhlfahrer fliegen immer Eco und haben auch keinen Vielfliegerstatus… Der wahre Grund seines Verhaltens offenbarte sich später, nachdem ich ihn überzeugt hatte, am richtigen Schalter zu sein: Er hatte keine Ahnung, wie er den Rollstuhl einbuchen sollte und wie man Assistenz bestellt. Der Supervisor musste kommen und die Schlange am Business-Schalter war unterdessen länger als die der Eco-Schalter.
Der Flughafen ist winzig und dementsprechend auch die Maschinen. Ich wusste vorher, dass ich nicht in einem Airbus oder einer Boeing sitzen werde. Es sollte eine Dash von Lufthansa Regional (operated by Augsburg Airways) werden.
Keines der 10 Gates am Flughafen hatte einen Fahrstuhl, es gab einen für alle Gates. Dieser landete irgendwo auf dem Flugfeld. Und so bin ich gemeinsam mit den Mitarbeitern über das Flugfeld zum Flugzeug gerollt. Erinnerungen an Indien wurden wach, nicht nur bedingt durch die indischen Mitarbeiter, die mich begleiteten.
Man erklärte mir, dass sie keinen Hublift haben, sondern eine Art Treppenraupenstuhl. Ich kenne das Ding aus Anzeigen in von Senioren gern gelesenen Zeitschriften. Ich habe noch nie daran geglaubt, dass die Dinger gut funktionieren. Als ich das Firmenschild sah, wusste ich, das war wirklich das Ding aus der Werbung, made in Germany. Ich sollte Recht behalten: Auf der Hälfte der Treppe blieb das Ding stehen und die Mitarbeiter mussten mich samt dem Teil (das dank des Motors nicht leicht ist) die Treppe hochhiefen.
In Frankfurt war ich dann hocherfreut als ich den Hublift sah, der kam, um mich abzuholen. Der Flugbegleiter versuchte, die Treppe am Flugzeug zu entfernen, während seine Kollegin meinte, die wäre nicht abnehmbar. Aber gegenüber gab es ja noch eine Tür ohne Treppe. Diese könne man nicht öffnen, sagte man mir. Meine „Warum nicht?“-Frage blieb unbeantwortet und der Pilot schien das Theater nicht zu interessieren.
Die zwei Mitarbeiter holten mich also mit dem Bordrollstuhl über die Treppe raus, weil man nicht in der Lage war, die Tür zu öffnen. Unten angekommen, wollte ich in meinen eigenen Rollstuhl umsteigen. Ich hasse diese Bordrollstühle und will darauf nicht kilometerweit rumgefahren werden. „Sie können sich im Bus umsetzen“, belehrte mich der Mitarbeiter. Eine meiner Lieblingsvokabeln im Englischen ist „patronising“. Ich musste spontan daran denken und das sollte nicht das letzte Mal an diesem Tag sein. Ich setzte mich natürlich nicht im Bus um, sondern ignorierte den Mitarbeiter und setzte mich sofort in meinen Rollstuhl.
Ich wollte am Flughafen noch etwas essen und ging in ein Restaurant, an dem man sich erst das Essen aussucht und dann am Ende bezahlt. Als ich an der Kasse ankam und bezahlt hatte, riss mir die Mitarbeiterin meine Tasche aus der Hand und stellte mein Tablett auf einen Tisch, den sie für mich ausgesucht hatte. Sicher nett gemeint, aber….
Dann bin ich in den Supermarkt, um mir etwas zu trinken zu kaufen. Am Ausgang gab es so Drehkreuze, die es vor Jahrzehnten mal bei Aldi gab. Ich konnte den Supermarkt ohne die Hilfe der Kassiererin nicht verlassen. Ich war langsam wirklich genervt.
Dann nahm ich den Bus zum Lufthansa Trainingszentrum. Der Busfahrer senkte den Bus ab und klappte die Rampe aus. Er forderte ein wohlhabend aussehendes Paar auf, ihren Koffer vom Rollstuhlplatz zu nehmen, was sie auch taten. Als ich drin war, sagte der Mann zu mir: „Ich nehme die Linie fast jeden Tag, aber sowas wie Sie habe ich hier noch nie gesehen.“ Ich habe nichts geantwortet. Mir fiel einfach nichts ein und vielleicht war ich auch schon zu genervt. Das Paar hat sich dann noch darüber unterhalten, dass es ja erstaunlich sei, dass es eine Rampe gebe. Morgen kann nur besser werden.
Gerettet von der Feuerwehr
Ich finde, man ist in einer Stadt erst zu Hause, wenn man mal Kontakt zu Polizei und Feuerwehr hatte. Polizei hatte ich ja nun schon, heute war dann die Feuerwehr dran. Ich war wie so oft in Canary Wharf und wollte Bettwäsche aus der Reinigung holen. Da ich keine Lust auf den weiten Weg hatte, wollte ich die DLR von Heron Quays nehmen. Das ist nur eine Station entfernt und die Reinigung ist direkt an der Station.
Ich war kurz vorher schon in Heron Quays angekommen und dachte noch „Boah, was für alte Fahrstühle. Die müssten die mal erneuern.“ Ich stieg also in Lift 2. Nach etwa genau der Hälfte der Strecke, blieb der Fahrstuhl stecken. Es war ein Metallfahrstuhl, der Gott sei Dank ein winziges Fenster hatte. Dieses Fenster sollte mir später noch helfen.
Ich betätigte den Notrufknopf, niemand antwortete. Ich versuchte es immer wieder, ohne Erfolg. Ich rief um Hilfe, aber niemand hörte mich. Die Bahnen waren viel zu laut, die Durchsagen auch. Ich bemerkte sogar, dass Leute versuchten, den Fahrstuhl anzufordern, aber auch die hörten meine Rufe nicht.
Dann schaute ich nach, ob ich Handyempfang habe. Dem kleinen Fenster sei Dank, ich hatte Empfang. Der Rest des Fahrstuhls bestand nur aus Metall. Aber ich hatte nur noch wenig Akkupower. Ich rief also 999 an und eine Stimme fragte mich, mit welchem Dienst ich sprechen wolle. Auf die Frage war ich gar nicht vorbereitet. Und ich sagte nur „Ich stecke im Fahrstuhl und der Alarm geht nicht.“ „Ich verbinde sie zur Feuerwehr“, sagte der Mensch am anderen Ende. Eine Frau meldete sich. Ich sagte ihr, dass ich im Fahrstuhl stecke und der Alarm nicht funktioniere. Sie fragte nach der Adresse. „Die weiß ich nicht, aber es ist die DLR Station Heron Quays Lift 2.“ Sie wiederholte alles und versprach mir, dass die Feuerwehr sofort kommen werde.
Da Artur in der U-Bahn war (wir wollten uns treffen) schrieb ich ihm eine SMS, dass ich im Fahrstuhl stecke und wo ich zu finden bin. Auch für den Fall, dass die Feuerwehr nicht sofort kommt. Den Rest der Akkuleistung wollte ich mir aufheben.
Irgendwann meldete sich eine Stimme aus der Alarmanlage, aber sie hörte mich nicht. War mir dann aber auch egal. Dir Feuerwehr wusste ja schon bescheid.
Ich war nicht sehr optimistisch, was die Definitionder Feuerwehr von „sofort“ anging, aber nach weniger als 5 Minuten rief jemand was von „Fire Brigade“ in den Schacht rein. Dann sagte einer der Feuerwehrmänner, sie seien jetzt da, aber meine Bergung könne ein wenig dauern, weil der Fahrstuhl genau zwischen den Stationen hänge. Das hatte ich schon befürchtet. Er musste schreien, damit ich ihn verstehen konnte. Er fragte mich, wie viele Leute im Fahrstuhl sind und ich schrie wie verrückt, dass nur ich drin sei und dass ich Rollstuhlfahrerin bin.
Nach einiger Zeit schafften sie es, den Lift sanft nach unten zu befördern und die Türen aufzumachen. Und was mich dann erwartete, damit hätte ich nicht gerechnet. Vor mir standen ein Löschzug mit Blaulicht, davor die Besatzung, die Polizei war unterdessen auch da sowie das Sicherheitspersonal von Canary Wharf und ein Verantwortlicher der DLR.
Ich war ein wenig überwältigt von dem Aufgebot, aber eigentlich gefasst. Einer der Feuerwehrmänner fragte mich, ob ich okay sei oder ob ich ärztliche Hilfe brauche. Aber ich war soweit okay, wenn auch ein wenig verärgert über den nicht funktionierenden Alarm.
Der Mann von der DLR fragte mich auch noch prompt, ob ich versucht habe, den Alarm zu drücken. Da bin ich dann doch ein wenig ungehalten geworden. Ich habe ihm gesagt, dass erst niemand geantwortet hat und sie mich dann nicht verstanden haben. Und dass er das System dringend in Ordnung bringen soll. Da haben die Feuerwehrmänner gesagt, dass es gut sei, dass die DLR das mal von ihren Kunden hört.
Und dann musste ich ja auch noch Artur abholen, unten in der U-Bahn. Das bedeutete, ich musste also eine Minute nachdem ich aus Lift Nummer 2 befreit wurde, in den Fahrstuhl gegenüber einsteigen. Erst habe ich noch gezögert und dann dachte ich, ich kann mir jetzt keine Fahrstuhlphobie erlauben. Also bin ich eingestiegen und bin auch danach noch ein paar Mal Fahrstuhl gefahren.
Bankgeschäfte auf der Straße
Ich bin Kundin bei der Natwest-Bank. Nicht, weil das so eine tolle Bank ist, sondern weil die mir direkt nach der Ankunft in England – nachdem sie sicher waren, dass ich aus der BRD und nicht aus der DDR komme – ein Konto gegeben haben. Das ist ja alles nicht so einfach als Ausländerin.
Ich habe meine Filiale seitdem nicht mehr betreten, zahle fast alles mit Kreditkarte und meide den Kontakt mit diesem Unternehmen. Kurzum, die sind mir unsympathisch und sie haben auch bislang nichts getan, um diesen Eindruck zu widerlegen.
Nun habe ich der Natwest-Bank einen Brief geschrieben, dass ich umgezogen bin und habe Ihnen meine neue Adresse mitgeteilt. Auf diesen Brief hat die Bank nicht reagiert. Nun blieb mir nichts anderes übrig als dort mal persönlich vorzusprechen, nämlich in der Filiale um die Ecke in Greenwich. Als ich dort ankam, sah ich schon die Stufen am Eingang. Die haben mich aber gar nicht geschockt, sondern ich dachte, da gibt es einen Seiteneingang oder eine Klingel. Irgendwas eben. Hier gibt es immer irgendwas und letztendlich klappt es, irgendwer bringt ne Rampe. Meine Erwartungshaltung ist definitiv anders geworden hier.
Es gab eine Klingel. Auf mein Klingeln reagierte niemand. Die Kunden von drinnen kamen raus, um zu fragen, ob sie mir helfen können. Ich bat sie, jemanden vom Personal rauszuschicken. Die Filialleiterin kam. Ich fragte sie, wo ihr Rollstuhleingang sei. Sie hätten keinen, sagte sie. Auch keine Rampe. Ich fragte, ob sie die einzige Filiale in der Umgebung seien. Sie bestätigte dies. Ich sagte ihr, dass ich das unglaublich finde. Sie verwies mich auf die Filale im Nachbarort und bot mir alternativ an, alle Angelegenheiten auf der Straße zu klären.
Nun wollte ich ja nicht in den Nachbarort fahren, da wäre ich auch vor Geschäftsschluss wohl gar nicht mehr angekommen. Und so machte ich die Adressänderung und das Löschen eines Dauerauftrags auf der Straße. Ich wäre fast geplatzt vor Wut. Die Stufen wären problemlos mit einer mobilen Rampe zu überbrücken gewesen. Wenn man gewollt hätte, hätte man auch über den Parkplatz einen Nebeneingang schaffen können. Und da das zumutbar ist für die Natwest-Bank, müssten sie das nach Britischer Gesetzgebung eigentlich auch tun.
Meine britischen Freunde sagen mir immer, wenn ich ihnen solche Stories erzähle, ich solle mich an meinen Abgeordneten wenden. Hier läuft ganz viel über Abgeordnete, die mir manchmal vorkommen wie die Verbraucherzentrale. Und vielleicht ist das ein ganz guter Anlass, diesen Weg mal auszuprobieren. Ein Thema mit lokalem Bezug müsste doch funktionieren…
Die Bank wechsele ich jetzt auf jeden Fall. Das war das erste und letzte Mal, dass ich meine Bankgeschäfte auf der Straße erledigt habe. Und nach einem Jahr Aufenthalt in diesem Land trauen sich vielleicht ein paar mehr Banken, mir ein Konto zu geben.
Die vielen Seiten des NHS
Nachdem ich umgezogen bin, haben wir jetzt auch einen neuen NHS-Hausarzt. Der Hausarzt vorher war ja unterirdisch schlecht und ich hätte gerne seine Praxis mal mit einem Kärcher-Hochdruckreiniger geputzt. Die Praxis in Greenwich Millenium Village ist das absolute Gegenteil. Hochmodern, eigenes Labor, acht Hausärzte in einer Praxis, mehrstöckig mit Fahrstuhl und Behindertentoilette, man muss nicht warten, wenn man einen Termin hat, und den bekommt man sofort.
Ich war jetzt zum zweiten Mal da (ich huste immer noch) und habe schon den dritten Termin. Jedesmal am Tag darauf. Das faszinierende am NHS finde ich diese vielen Seiten, die das System hat. Auf der einen Seite Praxen, die aussehen wie jahrelang nicht geputzt mit Personal, das schlecht Englisch spricht (ebenso der Arzt), und dann so Inseln der Gesundheitsglückseligkeit wie diese Praxis oder auch das Krankenhaus, in dem ich war.
Gestern habe ich das erste Mal auf NHS-Kosten Medikamente bekommen. Sechs Pfund kostet das für mich und funktioniert ähnlich wie in Deutschland. Dafür gibt es keine Praxisgebühr. Es ist wirklich interessant zu sehen, was ich in Deutschland so über NHS gehört habe und wie die Realität aussieht. Und eines finde ich wirklich hervorragend, das in diesem Land wirklich jeder krankenversichert ist. Man muss nur hier leben und wird behandelt.
Andere Länder, andere Bürokratie
Einige Dinge, die man als behinderter Bürger hier bekommt, sind von der Gemeinde finanziert. Das bedeutet, wenn man umzieht muss man sie neu beantragen. Den Freedom Pass zum Beispiel oder die Taxicard. Greenwich Council hat mir jetzt geschrieben, sie könnten meinen Antrag nicht bearbeiten. Auf meinem Nachweis, dass ich behindert bin, stehe noch die alte Adresse. Es handelt sich dabei um ein Schreiben des Department for Work and Pensions (DWP). Ich sollte einen Nachweis mit aktueller Anschrift einsenden.
Was habe ich mich geärgert am Wochenende und gedacht „Wie soll ich den nur beschaffen?“. In Deutschland habe ich teilweise den Bescheid von 1979 eingereicht, wenn er verlangt wurde. Natürlich mit falscher Adresse und unterdessen geänderten Gesetzen.
Ich habe heute beim DWP angerufen und gefragt, was man denn da tun kann und ob sie das Problem kennen. Da sagte die Frau am anderen Ende: „Wieso Problem? Wir schicken Ihnen den Bescheid noch einmal mit aktualisierter Adresse zu. Geht heute noch in die Post.“
Das ist hier wirklich ein anderes System. Keine Behörde in Deutschland würde einen Bescheid zwei Mal rausschicken. Auch die Bürokratie funktioniert hier definitiv anders.
Ja, ich lebe noch
Hat Euch schon mal jemand gebeten, einen Nachweis zu erbringen, dass Ihr noch lebt? Ich habe heute ein Schreiben bekommen, in dem mich die Allianz-Versicherung auffordert, einen solchen Nachweis zu erbringen. So schreiben die das natürlich nicht, sondern bitten um die Rücksendung eines Formulars, in dem eine offizielle Behörde oder die Hausbank bestätigt, dass man dort persönlich war. Hintergrund sind Leistungen, die ich bekomme, weil ich ja durch den Fehler eines Arztes querschnittgelähmt bin. Der Arzt ist bei der Allianz berufshaftpflichtversichert.
Die legitimierten Behörden befinden sich natürlich alle in Deutschland, wo ich erstmal nicht bin. Nun nehme ich an, dass mir die Deutsche Botschaft in London auch bestätigen würde, dass ich am Leben bin. Aber soweit ich weiß, ist die Deutsche Botschaft in London nicht barrierefrei. Die Allianz will also, dass ich einen Nachweis erbringe, den ich aber nur mit viel Umstand erbringen kann, weil die Ursache, für die sie selber zahlen, mich daran hindert, in die Behörde zu gehen. Das ist ein wenig zynisch und grotesk, aber meine Realität.
Und dann stellt sich die Frage, warum die Allianz auf die Idee kommt, dass ich tot sei. Ich bin 30! Aber vielleicht ist das ja auch versicherungsmathematisches Wunschdenken. Und wo kommen dann die Rollstuhl-Reparaturrechnungen her, die ich Ihnen regelmässig schicke?
Aber wenigstens weiß ich jetzt, wie der Slogan „Eine Allianz fürs Leben“ gemeint ist.
Barcamp Berlin
Nicht, dass mich jemand in Berlin vermisst. Ich bin doch nicht gefahren, habe hier noch so viel zu tun. Muss auch nochmal zu IKEA und so…