Archiv für 25.9.2007

Die Letzten werden die Ersten sein

Da mein Auto derzeit ja bei Freunden in South Harrow steht, so lange wir noch in dieser Wohnung ohne Parkplatz wohnen, fahre ich jetzt immer mit dem Bus dorthin und hole es ab. Ich habe ja keine Lust, dass es mir nochmal hier aufgebrochen wird.

Der Bus, der dort hinfährt, ist ein kleiner einstöckiger Bus, der alle 20 Minuten kommt oder dann, wann der Fahrer es will. Als gestern der Bus kam, sagte mir der Fahrer, ich könne nicht mit. Es seien bereits zwei Kinderwagen im Bus. Die Regeln sind hier so: So lange kein Rollstuhlfahrer mit will, können die Leute mit Kinderwagen den Stellplatz nutzen. Sobald einer kommt, müssen sie den Kinderwagen falten. Das ist auch überdeutlich in jedem Bus auf Schildern zu lesen.

Hinweisschild fuer Kinderwagen
Buggies can use this area if is not needed by a wheelchair user. Buggies may need to be folded at busy times.

Es gibt hier so viele Kinderwagen, dass ich nie in den Bus käme, wenn es anders wäre. Die Busse kommen sowieso nie, wenn sie kommen sollten, dann ist bei jedem Dritten die Rampe kaputt und wenn ich dann auch noch mit den Müttern um den Stellplatz kämpfen müsste, bräuchte ich das Haus gar nicht verlassen.

Hinzu kam in diesem Fall auch noch, trotz der beiden Kinderwagen, war (wenn auch ziemlich gequetscht) noch Platz für mich. Ich fing also an, mit dem Busfahrer zu diskutieren. Ich erklärte ihm, dass er mich mitnehmen müsse, dass Busunternehmen verpflichtet seien, Rollstuhlfahrern den gleichen Service anzubieten wie anderen Menschen etc. Keine der beiden Mütter wollte den Kinderwagen falten. Ich habe keine Ahnung, warum nicht. Die Kinder waren im lauffähigen Alter. Der Busfahrer hatte aber auch nicht den Mumm, ihnen zu sagen „Falten oder Ihr lauft“.

Ich habe also auf Mitnahme bestanden und dann wurde es ihm doch zu heiß. Er rief seine Leitstelle an und fragte, ob er mich wirklich mitnehmen müsse. Die Leitstelle wollte auch keine richtige Entscheidung treffen, tendierte aber zu „Nein“. Entscheidungen herbeizuführen, ist hier mitunter etwas schwierig. Dann habe ich die Leitstelle angerufen und gefragt, was das solle. Der Bus stand immer noch in der Haltestelle. Die Leitstelle sagte mir, sie reden nicht mit Passagieren. Großartig!

Das ganze Theater dauerte eine ganze Weile. Irgendwann fuhr der Bus doch weg und kurz danach kam der nächste. So lange hatte das gedauert! Also nahm ich den nächsten Bus und nach ein paar Kilometern hatten wir den anderen Bus eingeholt und wenig später überholt. Als ich in South Harrow ausgestiegen bin, kam der andere Bus erst an. Ich habe dem Fahrer dann noch freundlich zugewunken.

Tagesschau.de und Leben mit Behinderung

Die Volontäre von Tagesschau.de haben ein Dossier zum Leben mit Behinderung erstellt. Was hätte man alles machen können…

Leider ist es schon wieder das gleiche, wie immer: Eine Frau erzählt, wie schwer es war als sie ihr Bein verlor, Sexualbegleitung für behinderte Menschen und eine FAQ erläutert den Begriff „Behinderung“. *gähn* Kann man das Thema nicht mal irgendwie einfallsreicher behandeln? Und vor allem nicht so medizinisch und definzitorientiert.

Wo ist das Interview mit einem Vertreter der Behindertenbewegung? Das Behindertengleichstellungsgesetz kommt gar nicht vor. Immerhin haben die Volontäre Art. 3.3 des Grundgesetzes entdeckt. Wo ist die internationale Einordnung? Wo steht Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern? Und Menschen mit geistiger Behinderung kommen in dem ganzen Dossier überhaupt nicht vor. Auch nicht Familien mit behinderten Kindern. Ich finde das Dossier ziemlich weichgespühlt und nicht sehr fundiert. In dem Gebärdensprachartikel zu schreiben, es gebe keine einheitliche Deutsche Gebärdensprache, ist zu ungenau und missverständlich. Nur weil es in Bayern Radler heißt und in Hamburg Alster, sagt ja auch keiner, es gebe keine einheitliche deutsche Sprache. Die Deutsche Gebärdensprache ist seit 2002 als eigene Sprache anerkannt. Das muss man wissen und erwähnen, wenn man so einen Beitrag schreibt.

In den kommentierten Links „Hilfe zur Selbsthilfe“ als erstes auf die Bundesagentur für Arbeit zu verweisen, zeugt von ziemlicher Ahnungslosigkeit. Und warum haben die Volontäre nicht mal recherchiert, wie viele Leute durch die ebenfalls verlinkte Kampagne „Jobs ohne Barrieren“ wirklich dauerhaft in Lohn und Brot kamen?

Vielleicht würde es dem NDR ganz gut tun, mal mehr Volontäre und Journalisten mit Behinderung einzustellen. Dann ändert sich vielleicht auch ein wenig der Blickwinkel der Redaktion. Aber auch für nicht behinderte Journalisten ist es nicht schwer, sich mal in das Thema wirklich einzuarbeiten und nicht immer nur an der Oberfläche zu kratzen.

Polizei, Werkstatt und die Helden

Ich habe den ganzen Tag damit verbracht, mich um meinen fahrbaren Untersatz zu kümmern.

Auto mit zerschlagenem Fenster

Um 8 Uhr bekam ich eine SMS von einer Freundin, bei der ich das Auto untergestellt hatte. Ich solle sie anrufen, es gebe Probleme mit meinem Auto. Ich wollte eigentlich gar nicht aufstehen und ahnte böses. Sie sagte mir, um 4.30 Uhr sei die Alarmanlage angegangen und sie hätten sie nicht mehr ausgekriegt. Ich glaube, mein Auto sehnt sich nach einem neuen Besitzer… Als es aufgebrochen wurde, ging die Alarmanlage nämlich nicht an und auch ein Test von mir danach zeigte keine Reaktion. Ich dachte, sie sei kaputt. Aber heute nacht hat sie dann doch funktioniert und halb South Harrow aus dem Bett gerissen.

Ich habe also mein Auto abgeholt, die Alarmanlage war unterdessen aus, und ich bin zu Autoglass nach Heathrow gefahren. Als ich dort ankam, stellte man fest, dass kein Termin für mich vermerkt sei. Aber man war dennoch sehr bemüht, mir zu helfen. Der Computer offenbarte dann ein neues Problem: Die Seitenscheiben für Rechts- und Linkslenker sind unterschiedlich. Und was gibt es in England für den A3 vorrätig? Richtig, die für Rechtslenker. Die anderen müssten aus Deutschland geschickt werden. Ich versuchte noch, jemanden in einer Audi-Werkstatt zu erreichen. Nix zu machen. Also entschied ich mich, die Scheiben zu bestellen und Plastik einbauen zu lassen. 3-5 Tage sollten die Scheiben auf die Insel brauchen.

Mit hübscher Plastikscheibe bin ich dann wieder zur Polizei. Gleiches Prozedere wie am Tag zuvor. Und sogar einige Gesichter waren gleich. Die Jugendliche war wieder da, weil man irgendwelche Sachen von ihr einbehalten habe, die sie erst heute zurück bekommen sollte. Die Sachen waren aber noch nicht von der Untersuchung oder was auch immer zurück, was sie sofort wieder veranlasste auszuflippen. Ich wartete eine Stunde, dann kam ich dran und schilderte meine etwas skurrile Geschichte. Der Officer nahm sich viel Zeit für mich, aber irgendwie tat er nichts, was ich als logisch empfand. Mein genialer Einfall, das Kameramaterial zu sichten, ignorierte er. Er wisse gar nicht, wie man an das Material komme. Dann telefonierte er überall rum, um Leute zu finden, die gestern Dienst hatten und gesehen haben, wer mein Auto gerammt hat. Wenn ein Polizist (zumal im Dienst) sieht, dass auf dem Polizeiparkplatz ein Auto touchiert wird, sagt er nix, sondern wartet darauf, dass er gefragt wird? Das kam mir nicht logisch vor. Und während ich gar nicht davon ausgehe, dass der Polizist, der mein Auto versetzt hat, das gewesen ist, sprach er immer davon, dass er den Kollegen finden müsse. Ich habs nicht kapiert. Der Stationsvorsteher wurde auch eingeschaltet. Man wollte mich wieder anrufen, wenn sie was wissen. Ich glaube nicht, dass da noch was kommt. Die wollten partout nicht an das CCTV-Material ran.

Als ich wieder draußen war, rief Autoglass an. Das Fenster käme per Expressendung aus Deutschland und könne morgen nachmittag eingebaut werden. Endlich mal eine gute Nachricht!

Dann bin ich zu Wir sind Helden. Hmm, naja. Ich muss mich korrigieren, was die Barrierefreiheit von Locations angeht. Diese war es nicht zu meiner großen Überraschung. Mit der Security bin ich dann aber doch zur ersten Ebene gelangt und hatte einen sehr ungewöhnlichen Blick auf das Konzert. Ich saß hinten rechts über der Bühne. Ein Logenplatz! Warum das Mean Fiddler nicht barrierefrei ist, ist mir ein Rätsel, aber ich werde das rauskriegen. Es ist alt, es ist im Keller, aber sie hätten massenweise Platz, einen Treppenlift einzubauen und ordentliche Rolliplätze. Ich ruf da am Montag mal an und frage, was das soll. Zumal sie ganz sicher gegen die britische Gesetzgebung verstoßen.

Das Konzert war okay, aber ich fand es nicht überragend und auch nicht sehr lang. Dafür musste man vorher zwei Vorgruppen ertragen. Die Zuschauer waren mehrheitlich Touris, würde ich mal sagen, während bei Grönemeyer viele Londoner waren. Jedenfalls ganz andere Leute.

Wir sind Helden

Fotos vom Helden-Konzert gibt es bei Flickr. Und jetzt hoffe ich, dass morgen der Fenstereinbau reibungslos klappt.

Polizei und Grönemeyer

Was für ein besch…eidener Tag. Irgendein Volldepp hat mein Auto aufgebrochen. Nun ist der Audi A3 nicht schwer aufzubrechen. Man muss dazu nicht das Seitenfenster einschlagen. Kann man aber. So ist es dann auch geschehen. Entdeckt habe ich es heute um 17 Uhr. Und mein erster Gedanke war: Wo bin ich denn hier gelandet, wenn keiner mal meldet, dass da ein Auto aufgebrochen wurde? Immerhin stand das Auto drei Tage unbewegt, weil ich immer noch mit Bronchitis samt Nebenwirkungen im Bett liege. Als ich gerade die britische Gesellschaft verfluchen wollte, kam ein Mann zu mir. Er trug traditionelle arabische Kleidung, langer Bart, weiße runde Kopfbedeckung. „Ist das Ihr Auto?“, fragte er mich mitleidig. Ich: „Ja, ich habe das gerade entdeckt.“ Er: „Ich wollte Ihnen nur sagen, ich bin mehrmals täglich an Ihrem Auto vorbeigekommen. Es ist mir aufgefallen, weil es ein deutsches Kennzeichen hat. Heute um 14 Uhr war noch alles in Ordnung.“ Ich strahlte ihn an, mein britisches Gesellschaftsbild war wieder in Ordnung. Ich bedankte mich und er bedauerte mich ein wenig.

Mein ganzes Auto war voller Glasscherben. Die Scheibe war in Tausende Teile zersprungen. Der Dieb hatte das Handschuhfach geöffnet und die Armlehne, in der eine Handyhalterung ist. Aber es wurde nichts geklaut. Ich hatte allerdings auch nicht einen Penny im Auto, weil ich das Auto eigentlich zur Waschanlage bringen wollte, das aber krankheitsbedingt nicht schaffte. Das Auto war absolut leer. Den Behindertenausweis hatte ich, Gott sei Dank, nicht im Handschuhfach, sondern am Lenkrad angeschlossen. Der Kauf dieses komischen Halters hat sich also gelohnt.

Dann rief ich meinen Bruder an (Autofreak), der mir sagte, ich solle unbedingt Anzeige erstatten. Das würde teuer. Ich hatte gehofft, den Tag nicht bei der Polizei zu verbringen. Also bin ich zur Polizeiwache gefahren. Es warteten Dutzende Leute dort, es gab zwei Schalter, die wiederum von einer Glaskabine umschlossen waren. Nur einer war besetzt. Ich erkundigte mich bei den Mitwarteten wie das abliefe. Und die sagten, man müsse einfach warten. Irgendwann sei man dran. Aha.

In der Kabine war gerade eine Frau und gab eine Anzeige auf. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die ältere Dame in der Ecke des Warteraums auch zu ihr gehörte. Ich telefonierte als es unruhig wurde im Warteraum. Die Dame war unterdessen auch in der Kabine und war wohl ohnmächtig geworden. Es ging ihr schlecht, die Gesichtsfarbe war schneeweiß. Immer mehr Polizisten quetschten sich in die Kabine, um die Frau wieder aufzuwecken. Vergebens. Ein Arzt wurde geholt. Der war irgendwie sowieso schon im Gebäude. Der wiederum rief einen Notarzt. Sie schafften es irgendwie die Frau aus der Kabine zu kriegen. Dann kam der Krankenwagen.

Plötzlich tickte mich ein Mann an. Ob er meinen Autoschlüssel haben könne. Mir gehöre doch wohl das Auto ohne Scheibe mit den Behindertenausweis. Ich muss ihn sehr verdutzt angesehen haben. Er sei Officer, sagte er mir und zeigte mir seine Dienstmarke. Der Krankenwagen müsse auf den Hof und komme nicht an meinem Wagen vorbei. Okay, ich gab ihm meinen Autoschlüssel. Wenige Minuten später war er wieder da.

Kaum war die Frau abtransportiert, trat eine ca. 15-jährige Jugendliche auf die Bildfläche. Sie war von draußen gekommen und verkündete schreiend und weinend, sie werde ihre Mutter umbringen. Gefolgt von schlimmen Schimpfwörtern. Dann schmiss sie ihr Handy in die Ecke, das an der Wand zerschellte. Was ein Auftritt! Sie schrie, nie sei ihre Mutter da, wenn sie sie brauche. Sie werde nun verhaftet und nur weil ihre Mutter nicht auf der Wache erschienen sei. Das sei nicht fair. Eine Art Sozialarbeiterin betrat die Bühne. Sie war wohl mit der Jugendlichen verabredet und fragte nach der Mutter. Das Mädchen fing wieder an zu weinen und verfluchte ihre Mutter, die nie da sei, wenn es wichtig werde. Sie fing an, mir sehr leid zu tun. Die Sozialarbeiterin versuchte sie zu beruhigen. Unterdessen war man aber hinter der Glasscheibe auf die Unruhe im Warteraum aufmerksam geworden und ein Polizist kam. Er verwarnte sie, weil sie an einem öffentlichen Ort geflucht hatte. Aber er versuchte auch, sie zu beruhigen. Die Sozialarbeiterin versuchte, die Mutter zu erreichen. Vergebens. Das Mädchen geriet daraufhin in Panik und rannte davon.

Plötzlich erschien sie wieder und setzte sich am anderen Ende des Raumes neben eine Frau, die vor einer ganzen Weile gekommen war. Sie war offensichtlich die Mutter, die sich aber nicht zu erkennen gegeben hatte. Die Sozialarbeiterin fragte sie, warum sie nicht sage, wenn sie da sei. Keine Reaktion. Es ging offensichtlich um eine Straftat der Tochter. Man hatte der Tochter offensichtlich gedroht, sie einzubuchten, sollte sie zu dem Termin nicht mit ihrer Mutter erscheinen. Zusammen mit einem Polizisten gingen sie nach hinten.

Irgendwann war ich dran. Ein Polizist begutachtete mein Auto und versuchte, Fingerabdrücke zu nehmen. Dann fragte er mich, wo der Wagen gestanden habe und sagte mir, sie werden das CCTV-Material auswerten. In England ist ja jeder Winkel Kamera überwacht. Ich glaube zwar nicht, dass etwas dabei herauskommt, aber ich brauche die Anzeige ja für die Versicherung. Alles lief genauso ab wie ich es aus Deutschland kenne. In Hamburg ist mir auch schon drei Mal mein Autoradio gestohlen worden.

Ja, und eigentlich wollte ich ja zum Grönemeyer-Konzert. Ich war mir nicht sicher, ob ich das noch schaffen würde. Und dann ohne Seitenfenster! Aber es kam noch besser: Als ich an mein Auto kam (immerhin auf dem Polizeiparkplatz) stellte ich fest, dass mir jemand in die Seite gefahren war. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie ich getobt habe. Meine Vermutung ist: Es war der Krankenwagen. Ich stand ihm ja im Weg, auch wenn ich richtig geparkt hatte. Da ich aber zum Grönemeyer-Konzert wollte und der Parkplatz unübersehbar kameraüberwacht war, habe ich die zweite Anzeige auf morgen vertagt.

Bei Grönemeyer war ich dann auch noch. Ich habe mein Auto einfach vor die Royal Albert Hall gestellt – ohne Fenster. Ich habe einfach gedacht, ein drittes Mal passiert nichts mit dem Auto heute. Ich sollte recht behalten. Das Konzert war super, auch wenn wir etwas zu spät kamen. Einziger Wermutstropfen: Obwohl es Sitzbestuhlung gab, standen die Leute und ich konnte auf meinem eigentlich super positionierten Rollstuhlplatz nicht immer was sehen. Und irgendwie war ich auch nicht so richtig in Konzertlaune, aber nun gut. Ich war immerhin da. Morgen habe ich einen Termin bei Autoglass, dann fahre ich zur Polizei für die zweite Anzeige und dann geht es zum „Wir sind Helden“-Konzert. Ich hoffe, morgen wird ein besserer Tag.

Events und Barrierefreiheit

Morgen gehe ich ja zum Konzert von Herbert Grönemeyer in die Royal Albert Hall. Die Royal Albert Hall hat, wie die meisten Veranstaltungsstätten hier, ausführliche Informationen zur Barrierefreiheit veröffentlicht. Diese Broschüre ist ein gutes Beispiel, wie man behinderten Besuchern vorab die Informationen zur Verfügung stellen kann, die sie brauchen.

In Deutschland hing ich ständig am Telefon, um mich nach der Barrierefreiheit zu erkundigen. Meistens mit mäßigem Erfolg. Und sobald irgendwelche „Aber“-Aussagen getroffen wurden, konnte ich schon sicher sein, dass irgendwas nicht stimmt.

Nicht nur dass in London viele Locations für Rollstuhlfahrer zugänglich sind, sie schreiben auch auf ihren Webseiten wie sie zugänglich sie wirklich sind und bieten Zusatzservice an. Ich habe zum Beispiel für morgen Abend bei der Royal Albert Hall einen Parkplatz kostenlos reserviert.

Aber ich habe auch schon auf Plakaten von viel kleineren Events kleine Hinweise oder zumindest Rollstuhlsymbole entdeckt. Das ist zwar nicht sehr präzise, aber ich kann wenigstens davon ausgehen, dass ich keine Stufen vorfinde und es vielleicht sogar eine Behindertentoilette gibt. Und der Veranstalter signalisiert, dass auch behinderte Menschen willkommen sind und dass man auf Barrierefreiheit achtet.

A propos Behindertentoilette: Auf jedem Straßenfest, auf dem ich bislang war, gab es neben den Dixiklos auch Rollstuhl-Dixiklos. Die gibt es in Deutschland zwar auch, aber lange nicht auf jedem Straßenfest. Hier ist das selbstverständlich. So wie eben auch die Hinweise zur Barrierefreiheit dazu gehören. Und dafür braucht es wirklich nicht viel: Jeder, der eine Veranstaltung macht, kann doch mit einem Satz darauf hinweisen, wie die Lage ist und wo man sich hinwenden kann, wenn man noch Fragen hat. Ich rufe auch viel lieber irgendwo an, wenn ich den Eindruck habe, die erwarten diese Anrufe schon. Und wenn die Veranstaltung im 4. Stock ohne Fahrstuhl stattfindet, kann man auch das erwähnen. Dann sparen sich Leute wie ich einen Anruf. Und die Annahme, dass „eh keine Behinderten kommen wollen“ ist immer grundsätzlich falsch. Ich glaube, wenn es leichter wäre, an Informationen zur Barrierefreiheit zu kommen (also ohne sich mit der Telefonzentrale rumplagen zu müssen und ohne Kommentare wie „Das hat aber noch niemand gefragt“), dann würden sich auch mehr behinderte Leute trauen, zu Veranstaltungen zu gehen. Denn wenn jemand schreibt, es gibt keine Stufen und vor der Tür gibt es Behindertenparkplätze, wirkt das wie eine Einladung.

Thames Festival

Taenzerinnen mit leuchtenden Roecken

Mehr Bilder gibt es bei Flickr.

Telekomik

Ich bin auch in England nicht um das Magenta-T herum gekommen und nutze T-Mobile als Handyprovider. Der Grund ist, dass ich gerne mit meinem Handy surfe und T-Mobile mit einem Pfund am Tag für Prepaid-Kunden ziemlich preiswert ist.

Als ich vor mehr als einer Woche aus Deutschland zurückkam, konnte ich vor unserem Haus nicht mehr telefonieren. Ich bekam immer die Meldung „Verbindungsfehler“. Sonst konnte ich überall problemlos telefonieren. Ich rief bei T-Mobile an und dort lief schon ein Band, wenn man zu Hause sein Handy nutze (man kann seinen Postcode angeben und telefoniert dann billiger) käme es derzeit zu Störungen. Sie arbeiten an dem Problem.

Am nächsten Tag war das Problem behoben, aber tritt seitdem immer mal wieder auf. Heute habe ich also T-Mobile angerufen, nachdem ich den ganzen Tag zu Hause nicht erreichbar war und auch nicht telefonieren konnte. Der nette Schotte beim T-Mobile-Support hatte auch schon eine Lösung parat. Ihm war das Problem bekannt. Er ging mit mir durch die Menüs des Handys und ließ mich UMTS abschalten. Dann rief er mich an und siehe da, es funktionierte. Das präsentierte er mir dann sogleich als Lösung. Er dachte offensichtlich, ich habe gar nicht gerafft, was er mich da anweist zu tun. Ich sagte ihm, dass das keine Lösung ist, weil ich 1. UMTS nutze und 2. Web and Walk und dies auch zu Hause tun möchte und das auch die letzten 10 Monate wunderbar funktioniert hat. Da war er baff. Morgen soll ich nun seine Kollegen von der Technik anrufen. Er kenne nur diesen Weg der Problembehandlung. Na prima!

Existenzgründung in England

Ich koche derzeit zwar nur auf Sparflamme, weil mich meine Bronchitis so quält, ich habe mich aber gestern dennoch aufgerafft und bin zum einem Informationstag der Steuerbehörde gegangen. Mehrmals im Jahr veranstaltet die Steuerbehörde an verschiedenen Orten einen Business Advice Day. Zum einen stellen sich dort verschiedene Organisationen vor, zum anderen gibt es Vorträge und Beratungsmöglichkeiten. Das ganze ist zudem kostenlos.

Ich habe endlich meine Fragen zur Umsatzsteuer und zum Handel mit EU-Ländern beantwortet bekommen und habe auch sonst viel gelernt und nette Leute getroffen. In einem meiner Seminare saß jemand, der gehörlos war. Später habe ich in einer Broschüre einen Artikel über ihn gelesen. Business Link (das ist eine Organisation, die Seminare anbieten und Selbstständigen helfen, staatlich finanziert) hat ihn dabei unterstützt, sich als Designer selbstständig zu machen. Sie haben ihm die Dolmetscher bei den Weiterbildungsseminaren gestellt, die sie selber anbieten. Business Link war auch die Organisation, die mich gestern sofort ansprach als ich ankam. Sie haben mir ohne Nachfrage gesagt, dass alle ihre Seminare barrierefrei sind und ich ihnen nur sagen muss, welche Assistenz ich benötige. Ich musste spontan an die Handelskammern denken, die man immerhin noch mit Beiträgen finanziert als Unternehmer. Ob die wohl Dolmetscher stellen und auf Barrierefreiheit achten?

Die Rundfunkgebühren und die Aktion Mensch

Seit die Aktion Mensch so heißt wie sie heißt und nicht mehr Aktion Sorgenkind, ist sie mehr und mehr zur Soziallotterie für alle Gruppen und nicht mehr nur für behinderte Menschen geworden. Kann ich mit leben, muss ich ehrlich sagen. Eine der aktuellen Kampagnen ist „Die Gesellschafter“-Kampagne. Sie behandelt nur noch wenig das Thema Behinderung, sondern geht der Frage „In was für einer Gesellschaft wollen wir leben?“ nach. Zu der Kampagne gibt es ein Tagebuch, in dem jeden Tag eine andere Persönlichkeit das aktuelle Nachrichtengeschehen kommentiert.

Und was lese ich da heute? „ARD und ZDF bekommen Recht – so geht es nicht weiter!“ lautet die Überschrift zu einem Kommentar über die gesetzlichen Rundfunkgebühren. Der Autor schimpft auf die Öffentlich-Rechtlichen und stellt die Gebühren in Frage. Das muss ich sagen, liebe Aktion Mensch, ist journalistische Unabhängigkeit! Da kann sich ja der ein oder andere Verleger noch eine Scheibe abschneiden. Immerhin steht nicht zuletzt das ZDF hinter der Aktion Mensch, der Intendant ist ihr Vorsitzender. Der Text ist zwar inhaltlich etwas heikel, aber wenigstens hat der Autor die in Augen der GEZ richtige Wortwahl genutzt. Schade eigentlich. Ich musste bei dem Gedanken, dass die GEZ nach Akademie.de nun auch die ZDF-nahe Lotterie abmahnen könnte, ein wenig schmunzeln.

Beim deutschen Hausarzt

Ich war tatsächlich beim deutschen Hausarzt. Seine Praxis habe ich aber nicht gesehen. Wie das geht? Also heute morgen ging es mir sehr schlecht. Ich rief gleich um 8 Uhr dort an und sagte, dass ich sofort dringend kommen möchte. War auch kein Problem. Und als hätte ich es geahnt (ist ja schließlich ein deutscher Hausarzt), fragte ich, ob die Praxis barrierefrei sei. War sie nicht. 1. Stock ohne Fahrstuhl – also wirklich alles wie in Deutschland. Ich war der Verzweiflung nahe, denn mir war ja nach einer durchhusteten durchwachten Nacht klar, ich muss zum Arzt.

Die Sprechstundenhilfe war aber sehr nett und meinte, sie ließen sich was einfallen. Sie rief mich kurz darauf zurück. Im Erdgeschoss sei ein Zahnarzt, da könne mich der Hausarzt untersuchen. Gesagt. Getan. Ich bin dahin gedüst, für die Zahnarztpraxis gab es sogar eine Rampe. Ich kam sofort dran und alles war bestens. Diagnose: Bronchitis. Antibiotikum habe ich mir schon besorgt (für 4 Pfund – das nenne ich mal wirklich günstig) und ich hoffe, es geht jetzt aufwärts mit mir.