Archiv für 24.8.2007

Babypanik

Um mich rum hat seit einiger Zeit sowohl der Babyboom als auch die Babypanik eingesetzt. Babyboom, weil gerade um mich rum alle Babys kriegen. Schön! Aber ein Teil der Frauen, die ich kenne, hat die Babypanik. Mit Babypanik meine ich das Phänomen, dass man unbedingt meint, jetzt und sofort schwanger werden zu müssen, weil sonst isses zu spät. Und das sagen mir längst nicht nur von Frauen, die kurz vor den Wechseljahren stehen. Fragt man dann, woher die Panik, bekommt man folgendes zu hören: „Meinst Du ich will ein behindertes Kind?“. Dahinter steckt die Befürchtung, ein Kind mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) zu bekommen.

Die Wahrscheinlichkeit für eine Frau im Alter von 25 Jahren, mit einem Kind mit Down-Syndrom schwanger zu werden, liegt laut Wikipedia bei weniger als 0,1 %, im Alter von 35 Jahren bei 0,3 %, im Alter von 40 Jahren bei 1 % und im Alter von 48 Jahren bei 9 %. In etwa 97 Prozent aller Fälle liegt keine Chromosomenveränderung vor. Und dennoch herrscht bei Frauen meines Alters bereits eine Panik, die teilweise fast die Freude auf das Schwangersein und das Kind überlagert. Und ich bin gerade einmal 30! Ich kenne nicht viele Menschen mit Trisomie 21, aber die, die ich kenne, sind Kinder von jungen Eltern. Das muss nicht unbedingt ein Zufall sein. Denn erst bei Frauen ab 35 wird in Deutschland verstärkt nach Auffälligkeiten gefahndet. Die jungen Mütter wissen teilweise bis zur Geburt gar nicht, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom bekommen. Die Frauen, die es wissen (also vor allem die Älteren), treiben in rund 90 Prozent der Fälle ab. Die Zahl scheint in Deutschland und England identisch zu sein.

Nun will ich keine Debatte über Abtreibung vom Zaun brechen, aber ich habe irgendwie den Eindruck, dass die kommenden Eltern ziemlich unentspannt sind. Dabei ist Kinder kriegen ja eigentlich etwas Schönes. Und ein Kind kann man ja auch nicht so einfach im Internet bestellen. Da heißt es flexibel sein, was die Zeitplanung angeht. Und ich kann mir nicht helfen, aber ich finde Kinder kriegen ähnelt in diesen Zeiten etwas dem Leistungsdruck beim Eiskunstlaufen. Alles muss ganz perfekt sein, der Zeitpunkt und eben auch das Kind. Machen sich die Eltern diesen Druck selbst oder woher kommt der? Ich verspüre den Druck überhaupt nicht, aber ich bin ja sowieso ein eher gelassener Mensch. Vielleicht gibt es auch zu wenige Menschen mit Down Syndrom. Die Menschen haben vor etwas Angst, was sie eigentlich gar nicht kennen. Und je mehr Angst die Leute haben, desto weniger Babys mit Trisomie 21 kommen auf die Welt. Nur so ein Gedanke. Und ich glaube, die wenigsten Frauen kennen die Statistik wirklich. Ich würde gerne mal eine Umfrage lesen, was die Frauen in meinem Alter schätzen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, mit 35 ein Baby mit Down-Syndrom zu bekommen. Ich bin sicher, die Panik ließe sich aus den Antworten ablesen.

Firmengründung

So, ich habe gerade eine Firma in England gegründet. Was ich genau mache, verrate ich noch nicht. Aber ich freue mich riesig drauf! Ich bin jetzt jedenfalls „Director“. Also drückt mir die Daumen!

Eine englische Limited zu gründen geht hier übrigens sehr einfach und online, auch wenn die Zeitangaben auf den Webseiten (10 Minuten) nicht stimmen. Es sind 30 Minuten. :-) Das Unterhalten der Firma scheint mir aber recht aufwändig, aber dafür gibt es ja Steuerberater.

iTunes und meine Lebenswirklichkeit

Unternehmen wie Apple sind ja angeblich gewappnet für die Globalisierung. Ich möchte da Zweifel anmelden, denn Apple kommt im Fall von iTunes nicht einmal mit meiner bescheidenen Lebenssituation zurecht.

Ich habe vor ein paar Tagen Karten für das Herbert Grönemeyer-Konzert in London gekauft. Diese habe ich telefonisch bestellt und per Post erhalten. Bei den Tickets lag ein iTunes-Gutschein. Diesen wollte ich gerade einlösen und bekam den Hinweis, dass der Gutschein nur für den britischen iTunes-Store gültig ist (macht ja auch Sinn bei Herbert Grönemeyer – haha). Also bin ich in den britischen iTunes-Store, um den Gutschein einzulösen. Dort war zwar der Gutschein gültig, aber man sagte mir, mein Account sei nur für den deutschen Shop nutzbar. Soll ich mir jetzt für den britischen iTunes-Store einen neuen Account zulegen? Was sagt denn das DRM von iTunes dazu? Und warum muss man im Internet als internationales Unternehmen eigentlich ein Pass und ein Visum verlangen? So komme ich mir nämlich gerade vor. Die Barrieren beim internationalen Onlineeinkauf sind in dem Fall ja fast höher als bei Überqueren der Schengengrenze. Jedenfalls auf Kundenseite. Sonst hat Apple ja keine Probleme, was die Verfügbarkeit meiner Daten international angeht.

Eine ungewöhnliche und nette Entschuldigung

Eigentlich wollte ich vergangene Woche an einem Twitter-Event teilnehmen. Das ganze sollte in einem Restaurant stattfinden. Ich schaute mir die Webseite an und die Fotos und ich war sicher, das Lokal müsste barrierefrei sein. Als ich ankam, erlebte ich eine böse Überraschung. Die Veranstaltung sollte im Untergeschoss des Restaurants stattfinden. Von Untergeschoss hatte ich nichts gelesen. Für mich also unerreichbar. Ich war stinksauer, der Tag war sowieso schon ein „bad hair day„, wie die Briten sagen. Also ging ich irgendwo was essen und fuhr ziemlich frustriert wieder nach Hause.

Den Veranstaltern habe ich einen kurzen Kommentar in ihrem Blog hinterlassen mit der Bitte, doch beim nächsten Mal auf die Barrierefreiheit zu achten. Ich würde nämlich beim nächsten Mal gerne teilnehmen. Das war gar nicht mal als Rüffel gedacht, ich weiß, dass viele Leute nicht an Barrierefreiheit denken, sondern als Hinweis. Und dann passierte folgendes: Über Technorati fand ich einen Link zu meinem Blog. Er führte zu einem Blogeintrag der Veranstalter mit einer großen Entschuldigung an mich und der Bitte, mich zu melden. Das habe ich getan und bekam eine Entschuldigungsmail, auch im Namen der Sponsoren. Wie ungemein freundlich und nett! Mir passiert es schon öfter, dass ich irgendwo nicht teilnehmen kann, weil die Location nicht barrierefrei ist. Meistens kriege ich dann zu hören: „Wir konnten ja nicht ahnen, dass jemand im Rollstuhl kommen will.“ Aber es passiert wirklich selten, dass sich ein Veranstalter so aufrichtig und nett entschuldigt und dann auch noch verspricht, die Veranstaltung künftig in einen barrierefreien Raum zu verlegen.

Dafür sind wir nicht zuständig

Ja, ich weiß, einige haben die Geschichten von Silverlink schon vermisst. Heute war ich mal wieder in Willesden Junction, aber um die U-Bahn zu nutzen. Die Silverlink-Züge und die U-Bahn fahren vom gleichen Gleis. Der einzige Unterschied ist, dass man bei den Silverlink-Zügen eine Stufe nach oben überwinden muss und bei der U-Bahn eine riesen Stufe (ich schätze über 30cm) nach unten steigen muss. Nun weiß ich ja, dass es in Willesden Junction eine Rampe gibt. Ich hatte diese Rampe auch schon mal für die U-Bahn genutzt. Das war kein Problem. Die U-Bahnmitarbeiter haben sie in den Zug gelegt und alles war okay.

Also bin ich heute wieder zu den U-Bahnmitarbeitern. Die saßen in ihrem Aufenthaltsraum. Vier an der Zahl. Und hatten nichts zu tun. Ich bat sie, mir die Rampe an die U-Bahn zu legen. Die schauten sie mich ungläubig an. Die Rampe gehöre Silverlink und die Station sei offziell nicht mit Personal ausgestattet. Sie seien nur dafür da, die Züge in Empfang zu nehmen, wenn die in Willesden enden. Natürlich überzeugte mich diese Argumentationskette nicht wirklich. Da waren in einem Raum vier Mitarbeiter und eine Rampe und keiner wollte sie anlegen. Das nächste Argument war: Die Station gehöre Silverlink und die seien auch für die Rampe verantwortlich.

Der Mitarbeiter sagte, er wisse, dass sich das alles merkwürdig anhören muss, aber er dürfe die Rampe nicht nutzen. Nur Silverlink dürfe die Rampe nutzen, weil denen die Station gehöre, aber die seien nicht für die U-Bahn verantwortlich. Es sei also fraglich, ob sie das für die U-Bahn machen würden. Ich habe ihm dann gesagt, dass das ja Regelungen seien, von denen ich ausgegangen sei, dass sich nur deutsche Beamte ausdenken können. Aber bei Transport for London sei man ja offensichtlich auch sehr kreativ und ab September gehöre doch Silverlink sowieso zu Transport for London.

Mit Deutschen wollte er natürlich nicht verglichen werden. Er rief Silverlink an. Und tatsächlich der Mitarbeiter von Silverlink erschien. Sagte noch, dass die Rampe nicht für die U-Bahn gedacht sei und legte dann die Rampe an den U-Bahnzug an. Ich werde mich jetzt mal vertrauensvoll an Transport for London wenden und fragen, wieso Rampen, wenn sie eh schon vorhanden sind, nicht genutzt werden dürfen.

Wie ein Gesetz den Alltag verändert

Gestern abend haben wir ein neues Lokal ausprobiert. Es heißt „Café Rouge“ und ist eine Kette, die auf Französisch macht, aber sicher nicht ist. Aber der Laden war nett und ich wusste durch diverse Online-Bewertungen, das die Meinungen beim „Café Rouge“ weit auseinander gehen. Die Bedienung kam und hielt meinem Freund die Karte vor die Nase. Er reagierte nicht, weil er blind ist. Ich sagte ihr, „er ist blind, wir brauchen nur eine Karte.“ Ich hatte gerade angefangen, die Karte vorzulesen, da kam sie mit einer Karte in Braille an und fragte, ob wir diese haben möchten. Kann mir irgendjemand in Deutschland ein einziges Restaurant nennen, das eine Speisekarte in Braille hat und wo nicht der Stammtisch des örtlichen Blindenvereins stattfindet?

In England gibt es das in manchen Lokalen, weil Serviceeinrichtungen, Gaststätten etc. seit einigen Jahren verpflichtet sind, auch bei bestehenden Lokalen im zumutbaren Umfang bei der Barrierefreiheit nachzubessern. Für eine Kette wie „Café Rouge“ bedeutet das also, Karten in Braille vorzuhalten. Andere Lokale haben eine Stufe entfernt oder eine Rampe irgendwo hin gelegt. Im Gemeindeblatt der deutschen Kirchengemeinde (ja, gibts hier alles!) habe ich gelesen, dass sie verpflichtet wurden, ihre Kirche in naher Zukunft barrierefrei zu machen. Da stand dann auch was von gesetzlichen Auflagen und das die Behörde bereits da war. Das ist alles auf den Disability Discrimination Act zurückzuführen, ein Gesetz, das die Diskriminierung behinderter Menschen verbietet und das viele praktische Verbesserungen gebracht hat. Ich glaube auch, dass man nicht alles über Gesetze regeln kann, aber offensichtlich braucht es diese manchmal, um Leute zu bewegen und einen gewisse Basis zu schaffen, auf die man aufbauen kann.

Barrierefreie U-Bahnstationen – heute: Sudbury Town

Station: Sudbury Town
Linie: Picadilly Line
Zone: 4

U-Bahnschild Sudbury Town

Bahnsteige

Sudbury Town hat den barrierefreien Zugang relativ originell gelöst.

Es führt eine Brücke über die Schienen.

Bruecke ueber der Station

Die Brücke erreicht man über eine Rampe, die allerdings ein wenig steil ist.

Rampe

Beide Teile der Station (Eastbound und Westbound) sind zudem von der Straße aus erreichbar.

Zwischen Zug und Bahnsteig ist eine Stufe zu überwinden, wobei der Einstieg unterhalb des Bahnsteigs liegt.

Stufe in den Zug

Ungeduld

Wenn ich in der Innenstadt bin, fahre ich oft mit dem Bus 24 nach Westminster. Westminster ist eine der wenigen die einzige Station in Innenstadtnähe, die barrierefrei ist. Der Bus der Linie 24, der dort hin fährt, ist von vielen Touristen frequentiert. Gestern hatte ich einen wirklich sehr lustigen Busfahrer, der seine Fahrgäste gut im Griff hatte.

Als ich einstieg, befahl er den Leuten erstmal den Rollstuhlplatz frei zu machen – durch die Lautsprecheranlage. Beim Aussteigen sagte er, sie sollen die Tür frei machen. Manche Busfahrer lassen die Vordertür zum Einsteigen so lange geschlossen bis ich draußen bin, weil das mit der Rampe manchmal dauert und es wenig hilfreich ist, wenn die Horden in den Bus einfallen, wenn ich noch am Aussteigen bin. So auch gestern. Die Touristen vor dem Bus akzeptierten die Handzeichen des Busfahrers aber nicht, sondern hämmerten gegen die Tür. Ein ausgesprochen unbritisches Verhalten… Und was machte der Busfahrer? Er griff wieder zum Mikrofon und rief ihnen zu: „If you can’t wait, take a taxi.“