Archiv für 9.1.2007

Erstaunliche Stellenanzeige

Als ich vorhin auf den Bus wartete, habe ich mir die Stellenanzeigen einer privaten Jobagentur im Schaufenster durchgelesen. Da wurde ein Sicherheitsmensch für ein Hotel gesucht. Bedingung: Britische Staatsangehörigkeit. Ich musste das zwei Mal lesen, um zu glauben, was da stand. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Stellenanzeigen dieser Art nicht nur in Deutschland unterdessen untersagt sind, sondern hier ebenfalls.

Es gibt kein Formular, das ich bislang in England ausgefüllt habe, wo nicht mindestens die ethnische Herkunft und die Hautfarbe abgefragt wurde. Damit will man Diskriminierungen vorbeugen, indem Statistiken über den Erfolg von Bewerbern, Anträgen etc. geführt werden. Ich kreuze immer „White other“ an.

Ich bin schon sehr überrascht, so eine Stellenanzeige hier zu lesen, wo ich eigentlich wirklich den Eindruck habe, die Briten gehen gelassen mit den vielen Menschen aus aller Welt um, die hier leben. Davor habe ich großen Respekt. Wenn ich etwas nicht verstehe, wiederholen die Leute es ohne Murren und in vielen Lebensbereichen treffe ich auf Menschen, die erheblich schlechter Englisch sprechen als ich. Auch das wird hingenommen und ich gewöhne mich auch daran. Mit Händen und Füßen geht es dann doch irgendwie. Es geht hier einfach etwas gelassener zu als in Deutschland und da passt so eine Stellenanzeige so gar nicht ins Bild.

Bevor ich ins Bett falle…

…schnell noch ein Update. Es war ein klasse Tag heute und ich bin ganz froh, dass ich dort gelandet bin, wo ich gelandet bin. Es ist genau das, was ich gerne mache: Nachrichten und Web2.0. Ich habe heute mit der halben Welt gesprochen, war auf der Suche nach Journalisten in Marokko, habe mit Hörern aus Pakistan telefoniert und ich bin selbst überrascht, dass mir das auf Englisch kaum schwerer fällt als auf Deutsch.

Ich arbeite von 11 bis 19 Uhr. Das sind für mich traumhafte Arbeitszeiten – ich bin ja sowieso eher ein Mensch der zweiten Tageshälfte. Es gibt nur einen Wehmutstropfen: Ich sitze nicht in dem BBC-Gebäude in Shepherds Bush (10 Minuten von meiner Wohnung entfernt), wie ich eigentlich dachte, sondern im legendären Bush House in Aldwych, was mit dem Bus ungefähr eine Stunde entfernt ist. Allerdings gibt es einen BBC-Shuttlebus, den ich zumindest bis Oxford Circus nutzen kann, sobald mein Mitarbeiterausweis fertig ist. Ich glaube, das wird eine richtig klasse Zeit hier.

Mein erster Tag bei BBC

Seit heute arbeite ich für sechs Monate bei BBC. Meine Redaktion heisst BBC World have your say. Es ist eine interaktive Radiosendung, die weltweit ausgestrahlt wird. Um 19 Uhr deutscher Zeit kann man sie auf BBC World Service hören.

Die Sendung lebt von den Zuhörern, Bloggern und anderen Leuten, die zu aktuellen Themen ihre Meinung sagen und ist eine Verquickung von aktuellen Nachrichten und User Generated Content.

Ashley

Zu Ashley fällt mir nur Artikel 2 des Grundgesetzes ein:

„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Und ich kenne einfach zu viele groß gewachsene, auf Rund-um-die-Uhr-Assistenz angewiesene Menschen, die auch als 1,80m-Menschen angemessen versorgt werden, als dass ich die Argumente der Eltern irgendwie nachvollziehen könnte. Es gibt Dinge auf dieser Welt, die finde ich einfach nur gruselig.

Ich habe ein Bankkonto

So, ich habe ein Bankkonto. Ich glaube, das gebe ich bis an mein Lebensende nicht mehr her. Ich weiß nicht, was Natwest dazu bewegt hat, sich noch zu bewegen. Vielleicht hat jemand, der Deutsch kann irgendwo in dieser Bank dieses Blog gelesen. Oder es gab am ersten Tag im neuen Jahr die Ansage, sie müssen bis zum …. soundsoviel neue Kunden gewinnen und da bin ich ihnen wieder eingefallen.

Jedenfalls riefen sie mich am 2.1. an und baten mich, noch einmal in die Bank zu kommen. Ich habe mich breit schlagen lassen und bin dann noch einmal hin, bewaffnet mit einer British Telecom-Rechnung und einem Steuerbescheid. Heute morgen riefen sie dann wieder an und sagten, auf einem Bescheid fehle das Wort „Flat“ in der Adresse. Ich war ziemlich ungehalten und sagte, dass es mir unverständlich sei, dass ich jetzt zum fünften Mal dahin müsse und ob sie wirklich finden, dass das der adäquate Umgang mit Neukunden sei? Das sass. Sie entschuldigte sich, sie hätte nicht gewusst, dass ich schon zum fünften Mal einbestellt würde etc., aber sie könne nichts machen ohne meine Unterschrift für die Adresse ohne „Flat“.

Okay, ich bin also wieder hin und habe mir vorgenommen, den Filialleiter zu sprechen. Soweit kam es aber gar nicht. Sie waren redlich bemüht, das wieder auszubügeln, eröffneten umgehend das Konto und boten mir sofort eine Kreditkarte an. Ich bin gespannt, wann die Karten kommen. 200 Pfund habe ich jedenfalls schon einmal eingezahlt. Fast genau einen Monat hat das jetzt gedauert. Die HSBC-Bank, bei der ich vor fast drei Wochen ein Konto beantragt habe, hat sich seitdem nicht mehr gemeldet.

Nein, ich schlafe nicht im Rollstuhl

Wenn man sich bei einem Hausarzt registriert, um über den National Health Service versichert zu werden, muss man danach zu einer Untersuchung bei der Arzthelferin. Dafür bekommt man einen eigenen Termin. Nachdem mein erster Termin wegen eines Unfalls von Seiten der Praxis abgesagt wurde, hatte ich die Untersuchung heute. Untersuchung ist übrigens bei weitem übertrieben. Die „Nurse“ geht mit einem den Fragebogen über Vorerkrankungen durch und misst Blutdruck. Mich würde wirklich mal interessieren, ob der NHS das einzeln bezahlt oder die Ärzte quartalsweise pro Patient bezahlt werden. Wenn das einzeln bezahlt wird, würde ich das sofort abschaffen – reine Zeit- und Geldverschwendung. Aber okay. Ich musste da nunmal hin.

Ich kam also da an und mich begrüßte eine Arzthelferin im fortgeschrittenen Seniorenalter, die irgendjemand vergessen haben muss, in Rente zu schicken. Ich wollte gerade zum „Good morning and happy new year“ ausholen, da blaffte sie mich an „Why you are in a wheelchair?“. Ich: „I’am paraplegic.“ Sie: „Parapleeeeeegic. You must say parapleeeegic, not paraplegic.“ Ich musste irgendwas falsch betont haben und sie machte mich in einer ziemlich herablassenden Art darauf aufmerksam. Dabei hatte ich gerade in so einem „Hilfe, ich bin in England und nun?“-Buch gelesen, dass die Briten sehr tolarant gegenüber Ausländern sind und es als unhöflich gilt, Ausländer im Mitten im Gespräch auf ihre falsche Aussprache anzusprechen. „Toll, kann die sich bitte auch ans Drehbuch halten?“, dachte ich mir. Ich fand das alles ziemlich merkwürdig und beschloss noch heute, den Antrag auf eine private Krankenversicherung abzuschicken, was ich auch getan habe.

Irgendwo muss sie aufgeschnappt haben, dass Querschnittgelähmte Spezialbetten brauchen und so fragte sie mich, ob ich ein Pflegebett habe. Ich sagte ihr, dass dem nicht so sei und dass ich keines benötige. Und ihre Antwort ließ mich fast aus dem Rollstuhl kippen: „Ah, you sleep in your wheelchair!?“ Diese Frage hat mich dann endgültig aus der Bahn geworfen. Ich musste lachen, aber das wäre ja unpassend gewesen. Also erklärte ich ihr, dass ich ein ganz normales Bett habe und damit gut zurecht komme.

Dann ging sie mit mir diesen Fragebogen durch und nach 10 Minuten war ich fertig – aber da war ja noch das Formular für die Stadt, für das ich einen Stempel des GP brauche. Ich ging also nach vorne und bat um einen Stempel, der bestätigt, dass ich querschnittgelähmt bin. Nach ausführlicher Studie des Formulars sagte man mir, man werde mich anrufen, wenn man wisse, wann das Papier gestempelt sei. 15 Pfund werde man dafür in etwa berechnen. Ich glaube, ich brauche noch viele Stempel bis ich hier alles Bürokratische hinter mir habe. Ob es da wohl Mengenrabatt gibt?