Archiv für 22.1.2007

Erfahrungen nach einer Woche Zug fahren

Ich betrachte viele meiner alltäglichen Erfahrungen hier ein wenig als Experiment an. Eines meiner Experimente heißt Silverlink Metro und ist die Regionalbahn, mit der ich jeden Tag zur Arbeit fahre und abends wieder zurück. Ich habe mich bei der Zuggesellschaft für die vergangenen und kommenden Tage für den Zug um 9:52 Uhr angemeldet. Ich MUSS das nicht machen, aber dann „complaint“ es sich besser, wenn etwas schief geht.

Jeden Morgen, wenn ich in Willesden Junction ankomme, schauen mich die Mitarbeiter mit großen Augen an. Ich teile ihnen dann mit, dass ich mich angemeldet habe und wie jeden Morgen um 9:52 Uhr mit dem Zug fahren möchte. Heute morgen zum Beispiel veranlasste das noch keinen Mitarbeiter zur Aktivität. Einer schickte mich zu seinem Kollegen. Und der Kollege wieder zum Kollegen. Als ich fragte, warum ich mich anmelde, wenn dann doch wieder keiner zuständig ist, meinte einer: „An dieser Station macht es keinen Unterschied, ob sie angemeldet sind oder nicht.“ Ahja.

Bis es 9:51 Uhr war bewegte sich keiner und dann versuchte ich es auf die deutsche Art. Ich teilte ihnen mit klarer Ansage, aber freundlich mit, ich ginge jetzt auf den Bahnsteig und nehme an, dass jemand mit der Rampe kommt. Der Zug fuhr ein. Ich bin zum Lokführer und habe ihm gesagt, er soll warten. Da käme gleich jemand mit der Rampe. Ich habe selber nicht wirklich dran geglaubt, aber der Lokführer wartete. Und tatsächlich – nach ein paar Minuten kam ein Mitarbeiter samt Rampe. Vielleicht hatten sie nicht damit gerechnet, dass ich wage, den Zug warten zu lassen und dass der Lokführer auch noch mitmacht.

In Euston klappt das alles um Welten besser. Da ist immer sofort jemand und wenn ich abends (unangemeldet) nach Hause fahre, ist das auch kein Problem. Nur beim Aussteigen habe ich immer Bammel, dass die Mitarbeiter in Willesden Junction mit dem Auswürfeln, wer nun die Rampe anlegt, noch nicht fertig sind. Deshalb steige ich jetzt immer im ersten Wagen ein. Da kann ich wenigstens Kontakt zum Lokführer halten. Es ist immer ein kleines Abenteuer, aber ich glaube, nach ein paar Wochen merken sie, dass ich mich nicht abschrecken lasse.

Deutsches Fernsehen

Da ich ja jetzt endlich Breitbandinternet habe, kann ich auch wieder deutsches Fernsehen schauen. Nachrichten per Webstream, alles andere via Save.tv. Gar nicht auszudenken, was ich heute Abend verpasst hätte, wenn ich die Nachrichten nicht gesehen hätte: Reporter mit Sturmfrisuren auf Sylt, in Düssedorf, Hamburg, in den Alpen und in Hintertupfingen. Und alle mit diesem Wuschelmikrofon in das sie nur eine Botschaft reinschreien: Es stürmt. Ach was!

Ich krieg ne NINO

Ich hatte ja heute mein berüchtigtes Interview, um eine National Insurance Number (NINO) zu bekommen. Jeder, der nach England einwandert und hier arbeitet, muss das über sich ergehen lassen. Dafür muss man zuerst bei einer Hotline anrufen und viele Fragen beantworten. Dann bekommt man einen Termin zugewiesen, den man wahrnehmen muss. Mein Termin war eben heute. Ich hatte bei dem Telefoninterview schon gesagt, dass ich ein barrierefreies Office brauche und das hat auch geklappt.

Ich kam dort an und bin an die Rezeption. Es war gerade Mittagspause, aber ich war sehr erfreut, dass ich auf der Namensliste der Frau stand. Ich sollte warten. Um Punkt 13.30 Uhr fielen noch ca. 20 andere Leute in den etwas zu groß geratenen Vorraum ein. Es gab zwar viel Platz aber nur etwa vier Sitzplätze auf einer Couch. Die Mehrheit der Wartenden waren aus Polen. Wir standen alle ziemlich dumm rum bis drei der Wartenden im unteren Bereich ein weiteres Sofa entdeckten und es in Beschlag nahmen. Sie hatten wohl nicht mit dem Security-Menschen gerechnet, der sie anpfiff, sie sollen oben und stehen bleiben. Danach rührte sich keiner mehr.

Dann wurden Namen ausgerufen, darunter auch meiner. Ich sollte mich an der Rezeption im ersten Stock melden. Das habe ich auch getan und musste dann wieder warten. Irgendwann kam ein Rapper mit McDonalds-Tüte und Cola in der Hand in den Raum und ich dachte noch „Der ist ja mutig, hier so aufzukreuzen“, bis ich verstand, dass das einer der Bearbeiter war.

Ich hatte zuvor einen Bogen bekommen, auf dem alle meine Antworten aus dem Telefoninterview vermerkt waren. Eine indischstämmige Mitarbeiterin rief mich auf und ich bekam ein wenig Bammel. Ich kann zwei Akzente im Englischen sehr schlecht verstehen, wenn sie stark ausgeprägt sind: Den von indischstämmigen Menschen und den von Leuten aus Nigeria. Da tue ich mir schwer mit und ich hatte Angst, die Frau bei dem Interview nicht zu verstehen. Ich musste auch wirklich oft nachfragen, aber letztendlich war es okay. Das Interview bestand darin, die Fragen, die mir am Telefon bereits gestellt wurden, noch einmal zu stellen. Die Antworten wurden dann per Hand auf einen anderen Bogen eingetragen – und das, obwohl der andere Erfassungsbogen ausgedruckt ja bereits vorlag. Zusätzlich wurde ich über meine Aufenthalte in England befragt. Wann ich denn das erste Mal in England gewesen sei in meinem Leben. Ich antwortete wahrheitsgemäss „Mit 15 zum Sprachkurs in Oxford.“ Fragt die Bearbeiterin: „Hatten Sie damals geschäftliche Interessen?“ Nein, ich hatte mit 15 keine geschäftlichen Interessen in England.

Dann entdeckte sie meinen Arbeitgeber und fragte mich strahlend, ob ich Journalistin sei. Das bejahte ich und damit wendete sich das bislang etwas zäh verlaufende Interview. Alles war plötzlich kein Problem mehr. Ich musste noch die Namen meiner Eltern aufschreiben und erklären, was das ß in meiner deutschen Adresse für ein komischer Buchstabe ist und ich war entlassen. Über eine Stunde hat es dennoch gedauert. In spätestens sechs Wochen habe ich die NINO, hat sie mir versprochen.

Sozialversicherungsnummer

Ich werde heute hoffentlich die letzte große bürokratische Hürde in diesem Land nehmen und muss zu einem Interview für eine Sozialversicherungsnummer. Ich hoffe, das klappt alles.

Zug fahren

Ich habe eine neue Möglichkeit entdeckt, zur Arbeit zu kommen – mit dem Zug von Willesden Junction bis Euston (für die Einheimischen). Ich bin hier noch nie Zug gefahren, wusste nur, dass beide Stationen als barrierefrei angegeben sind. Ich habe das heute abend mal probiert und es spart mir rund 30 Minuten meines Weges zur Arbeit – wenn denn alles klappt. Die Generalprobe heute hat Silverlink (so heißt die Zuggesellschaft) leider vermasselt. Eigentlich kommt man barrierefrei bis zum Gleis, aber es gibt eine Stufe zum Zug.

Ich bin Euston eingestiegen. Da gab es einen Mitarbeiter mit Rampe zum Anlegen. Er versprach mir, in Willesden Junction bescheid zu sagen. Und wer war in Willesden Junction nicht da? Der Mensch mit der Rampe. Die Deutsche Bahn läßt grüßen! Da es aber nur eine Stufe ist, war es nicht so ein riesen Problem. Ein Mann war mir behilflich.

Ich bin natürlich trotzdem zum Stationsvorsteher getrabt und habe ihm gesagt, dass ich jetzt öfter fahre und dass das irgendwie besser klappen müsse. Er meinte, er hätte so viel zu tun gehabt, konnte aber an meinem Gesicht ablesen, dass er damit bei mir auf wenig Verständnis stößt. Jedenfalls habe ich jetzt seine Handynummer. Morgen fahre ich dann mit dem Zug zur Arbeit. Ich werde meine Busfahrer vermissen. Viele kennen mich unterdessen und suchen nicht mehr lange nach dem Knopf, wenn sie die Rampe ausfahren. Am Anfang war das ein Drama, aber ich habe sie unterdessen geschult. ;-)

Ich habe Internet

Juhu, ich habe Internet. Also, richtiges Internet. Breitband und nicht 56k. Ich hatte Orange am Wochenende ein Complaint geschrieben, bekam eine freundliche, wenig aussagekräftige Mail, sie arbeiten an dem Problem. Und tataaaaa, seit heute geht es endlich. Den Beschwerdebrief habe ich genauso geschrieben, wie ich ihn in Deutschland auch schreiben würde. Es musste ja schnell gehen. Aber vielleicht ist es ja manchmal ganz gut, die deutsche direkte Art zu wählen und dabei freundlich zu bleiben.

Kampf der Behinderung

Roberts Eintrag und die verlinkte Initiative gegen Querschnittlähmung sowie die Kommentare machen mich kopfschüttelnd. Bitte, kann man in Deutschland mal das Thema Behinderung behandeln ohne Mitleid zu versprühen und Behinderung als etwas zu beschreiben, das unbedingt bekämpft werden muss? Ich bin jetzt seit mehr als einem Monat in Großbritannien und ich glaube, es war der erste Monat meines Lebens (meine USA-Aufenthalte ausgenommen), in dem mir kein einziger Mensch begegnet ist, der mich offensichtlich bemitleidete. Und das obwohl ich jeden Tag mit Kreti und Pleti im Bus durch die halbe Stadt gurke und manchmal Leute anspreche, ob sie mir in den Bus helfen können, wenn die Rampe sehr steil ist. Können wir das in Deutschland vielleicht auch mal trainieren? Hilfsbereitschaft ohne Mitleid. Fände ich großartig!

Sowas bringt uns auf diesem Weg allerdings nicht weiter:

„Es ist mein Ziel, mit STAND UP allen Querschnittgelähmten neue Hoffnung zu geben. Die Hoffnung auf mehr Freiheit, Selbständigkeit und Lebensqualität. Ich bin mir sicher, dass wir ausbrechen können aus der Gefangenschaft des Rollstuhls und nicht nur unsere Gedanken in Bewegung setzen, sondern unsere Arme und Beine. Wir werden wieder spüren, wie es ist, selbständig einen Schritt zu machen.“

Wenn ich so etwas lese, kommt mir als stolze Besitzerin einer Querschnittlähmung die Galle hoch. Ich fühle mich frei, ich bin selbstständig und ich habe ein hohes Maß an Lebensqualität, auch ohne einen Schritt zu gehen. Ich bin in meinem Rollstuhl nicht gefangen, sondern er gibt mir Mobilität. Ich liebe es, durch die Stadt zu rasen, über Bordsteine zu hüpfen und manchmal zerlegt es mich auch mal, so wie gestern als ich in der Regent Street an einer Kante hängen blieb. So what?

Es gibt derzeit keine Heilung für Menschen mit einer Querschnittlähmung und je länger jemand gelähmt ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass er irgendwann einmal durch den medizinischen Fortschritt wieder laufen kann. Seit ich denken kann, erzählen die Medien, Ärzte und andere Besserwisser, dass es in „rund 10 Jahren“ ein Mittel gegen Querschnittlähmung geben wird. Ich bin jetzt 30 und das „rund“ scheint mir sehr dehnbar.

Ich kann mich für diese Initiative überhaupt nicht begeistern. Eine Initiative für Barrierefreiheit würde mir mehr bringen. Die Initiative behindert mich, weil sie meine Lebensqualität in Frage stellt und den Rollstuhl als Gefängnis beschreibt. Wie soll da gleichberechtigte Teilhabe ermöglicht werden, wenn die Querschnittgelähmten nur die armen Hascherln sind, die geheilt werden müssen? Behinderung ist nicht per se etwas Schreckliches, das bekämpft werden muss. Wer das kapiert, gewinnt an Lebensqualität und behandelt jemanden, der eine Behinderung hat, wirklich gleichberechtigt.

Ich wohne bei Starbucks

Ich glaube, ich werde mich in nächsten Wochen bei Starbucks häuslich einrichten, weil mich langsam echt annervt, dass ich keine Internetverbindung habe. Heute kam eine Mail von Orange. Sie bedauern…. Ihre Techniker würden hart an der Problembehebung arbeiten etc. Wie ich solche Schreiben hasse! Jetzt sitze ich bei Starbucks, um meine Mails zu lesen und ein Virenupdate zu installieren. Naja, wenigstens gibts Kakao und den Blick auf den Piccadilly Circus.

Bei Orange seh ich rot

22.12.

Mein Telefonanschluss ist endlich geschaltet. Ich beantrage bei Orange Breitband-Internet samt Livebox-Router.

10.1.

Meine Livebox ist endlich da – fast drei Wochen hat das gedauert. Sie ist so groß wie mein Notebook und so dick wie ein Roman.

11.1.

Nachdem ich alles probiert habe, um eine Internetverbindung zu bekommen, rufe ich die Hotline an. L. ist dran. Ich erkläre das Problem, gehe mit ihm die richtige Konfiguration durch und checke, ob die Kabel richtig angeschlossen sind. Erfolglos. Er veranlasst einen Linecheck. Das Ergebnis liege am nächsten Tag vor, sagt er mir.

12.1.

Ich rufe die Hotline an, um das Ergebnis des Linechecks zu erfahren. Nach 30 Minuten in der Warteschlange, fliege ich raus. Ich versuche es wieder. Nach 27 Minuten meldet sich ein indisches Callcenter. Der Mitarbeiter spricht schlecht Englisch und das viel zu schnell. Ich muss ihn zwei Mal bitten, langsamer und deutlicher zu sprechen. Er weiß nichts vom Ergebnis meines Linechecks und ist unfreundlich. Als ihm sage, dass ich ein deutsches Windows XP habe, sagt er, ich soll mir besser ein englisches kaufen. Ich lege auf.

13.1.

Ich rufe wieder die Hotline dran. A. ist dran und erzählt mir, dass der Linetest abgebrochen wurde. Sie werde einen neuen veranlassen. Außerdem sagt sie mir, dass das „PPP Server down„-Problem ein riesen Problem bei Orange sei. Der Fehler liege nicht bei mir, sondern bei Orange. Ich frage sie nach einer Möglichkeit, sie direkt zu erreichen, da sie sehr hilfsbereit war. Das sei aber nicht möglich, sagt sie mir. Der Linetest werde eine Stunde dauern. Ich solle dann wieder anrufen.

13.1. (abends)

Ein Mitarbeiter ohne Namen meldet sich. Er sagt mir, der Linetest habe ergeben, dass die British Telecom (BT) Arbeiten an meiner Leitung vornehme. Deshalb könne ich mich derzeit nicht mit dem ADSL-Server verbinden.

14.1.

Ich rufe BT an und erzähle ihnen von dem Problem. Sie testen meine Leitung und rufen mich zurück. Alles sei in Ordnung. Niemand würde an der Leitung arbeiten.

Ich rufe Orange an. Nach 28 Minuten erreiche ich das Callcenter. Einer Mitarbeiterin sage ich, dass BT nicht an meiner Leitung arbeite. Sie schaut sich die Ergebnisse meiner Linetests an und sagt, es gebe einen Fehler in der Leitung. Ich sage ihr, dass ich nicht denke, dass das an mir oder der BT liege. Sie sollen das gefälligst auf ihrer Seite lösen. Sie sagt mir, ich müsse ab jetzt alle 48 Stunden bei Orange anrufen bis zum 30.1. und täglich versuchen, mich mit dem Internet zu verbinden. Wenn sie es bis dahin nicht hinkriegen, entlassen sie mich aus dem Vertrag. Wie großzügig!

Crappy Lift

Ich habe heute einen Teil des Abends in einem Fahrstuhl zugebracht und muss sagen, ich war ziemlich ungehalten als ich wieder rauskam. Aber der Reihe nach: Ich wollte mir nach der Arbeit noch einen Salat kaufen und bin deshalb bis zur Busstation Hammersmith durchgefahren. Da wusste ich, dass der Supermarkt noch aufhat und ich zudem in den Bus zu mir nach Hause umsteigen kann. Außerdem gibt es umliegend Lokale – ich wollte etwas zu Abend essen. Ich endeckte das Smollensky Metro in einem alten Haus. Unten gab es eine Bar, oben das Restaurant. Ich ging rein und fragte nach einem Fahrstuhl zum Restaurant. Ein Kellner kam mit mir mit, drückte mir den Fahrstuhlknopf und verschwand.

Ich kam oben an, aß lecker und telefonierte zwischendurch mit A. Wir verabredeten, dass ich ihn nochmal anrufe, wenn ich zu Hause bin. Außerdem schickte ich an Plazes eine SMS mit meinem Standort. Das mache ich immer, sofern ich dran denke. Ich erzählte A. noch, dass ich in einem Lokal bin, dass in einem alten Gebäude ist und vorbildlich barrierefrei umgebaut ist. Da ich endlich meine Breitbandbox von Orange bekommen habe, die Leitung aber nicht funktioniert, wollte ich nicht so spät nach Hause, um den Support anzurufen. Ich aß also schnell etwas und fuhr mit dem Fahrstuhl wieder runter. Und was passierte? Das Ding blieb stecken. Ich muss sagen, dass ich nicht sonderlich panisch werde, wenn ein Fahrstuhl stecken bleibt. Es gibt ja Notrufknöpfe und ein Handy habe ich auch immer dabei. Diesmal versagte beides. Es gab zwar einen Alarmknopf. Der klingelte auch, wenn man ihn mit voller Kraft reindrückte, aber in meiner Kabine und nicht draußen so dass die Umgebungsgeräusche der Bar und des Restaurants viel zu laut waren als dass mich jemand hören konnte. Ich klingelte, ich schrie um Hilfe so laut ich konnte. Es half alles nichts. Niemand hörte mich. Ich war angenervt und versuchte mit dem Handy die Polizei anzurufen, bekam aber keine Leitung. Ich hatte auch meine deutsche SIM-Karte dabei und hatte die Hoffnung, dass vielleicht ein anderes Netz durch die Metallwände durchkam. Nichts zu machen. Auch meine alte T-Mobile-Karte ging nicht. Ich sass fest.

Da ich gerade gegessen und sogar kurz vorher das „Loo“ aufgesucht hatte, war ich zwar nicht in Panik vor einer Nacht im Fahrstuhl, aber stinkesauer. Nach rund 45 Minuten ist es mir dann gelungen, die Tür den Fahrstuhls mit Brachialgewalt aufzuschieben. Wut ist ja auch manchmal gut, wenn man Kraft braucht. Die Aussicht darauf, den Besitzer rund zu machen, setzte einige Kräfte frei und ich schaffte es tatsächlich, mich selbst zu befreien. Ich war auf 180. Mein Ärger galt weniger dem defekten Fahrstuhl – Fahrstühle gehen halt auch mal kaputt – als dem crappy Notrufsystem, das seinen Zweck nicht erfüllt. Geiz ist halt nicht immer geil. Der Manager sagte, der Fahrstuhl sei ständig defekt und ob ich denn das Schild nicht gesehen hätte? Ich: „Welches Schild?“ Ja, sie hätten den Fahrstuhl außer Betrieb genommen, weil er immer defekt sei. Da bin ich fast geplatzt. Ich erzählte ihm, dass ich gefragt habe, ob es einen Lift gebe und mir sein Angestellter ohne mit der Wimper zu zucken, den Weg zum Fahrstuhl gewiesen hat und ihn sogar für mich angefordert habe. Zudem empörte ich mich, dass ich es auch nicht für eine Lösung halte, einen ständig defekten Lift außer Betrieb zu nehmen, sondern ihn zu ersetzen oder zu reparieren. Außerdem habe ich ihn gefragt, warum er kein Notrufsystem im Fahrstuhl hat, sondern nur so eine sinnlose Klingel. Jaja, ich weiß, das war eine sehr deutsche Reaktion, auf die ich auch keine Antwort bekam, aber ich wäre sonst geplatzt. Übrigens ist mein Englisch wirklich fließend, wenn ich sauer bin. Ich war selber überrascht, welch Vokabeln da so aus einem raussprudeln. Der Typ hat sich nicht einmal bei mir entschuldigt, nur seinen Mitarbeitern war das mehr als peinlich. Die haben sich entschuldigt.

Aber obwohl ich derzeit alleine in London bin, wäre meine Gefangenschaft ziemlich schnell bemerkt worden, denke ich. A. wäre nach 3 Stunden spätestens unruhig geworden. Wenn ich sage, ich rufe in einer Stunde an, dann dauert das nicht 3 (very german, I know) und ich hatte gehofft, dass er seinen RSS-Reader offen hat und meinen Standort via Plazes bekommt. Für was Web2.0 so alles gut ist…